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2006
1. Jänner 2006:
Subcomandante Marcos begibt sich als Subdelegat Null als erster offizieller Vertreter des "Sechsten Komittees" der EZLN auf eine Rundreise, die ihn durch sämtliche Bundesstaaten Mexikos führen soll. Die neue demokratische Initiative hat begonnen!
6. Jänner 2006:
Subcomandante Marcos befindet sich im Rahmen der Anderen Kampagne gerade im Saal der Organisation Frente Cívico in Tonalá, als er vom Tod der Kommandantin Ramona erfährt: "In meiner Funktion als Sprecher der EZLN gibt es sehr schwierige Momente, wie diesen hier. Mir wurde soeben mitgeteilt, dass heute morgen die Kommandantin Ramona verstorben ist."
Vor den Zuhörern, denen die Betroffenheit anzusehen war, fügte er hinzu: "Wir wissen, was alle wissen. Die Kommandantin Ramona hat dem Tod 10 Jahre gestohlen. Dank der Unterstützung von Menschen wie euch konnte sie operiert werden und bekam eine neue Niere. Heute morgen litt sie unter Erbrechen, Durchfall und Blutungen, und auf dem Weg nach San Cristóbal verstarb sie. Es gibt in einer solchen Situation keine Worte, aber ich kann sagen, dass die Welt eine jener Frauen verloren hat, die neue Welten gebären. Mexiko hat eine Kämpferin verloren, wie es nur wenige gibt, und wir haben ein Stück unseres Herzens verloren."
Hier versagt Marcos die Stimme: "In einigen Minuten wird das Caracol von Oventic geschlossen, und wir werden den Tod dieser Compañera in privatem Kreise betrauern. Wir hoffen auf das Verständnis der Journalisten und bitten darum, ihren Tod nicht in ein Medienereignis zu verwandeln."
Ramona war bereits beim "Aufstand vor dem Aufstand" - beim Entwurf und der Durchsetzung der "Revolutionären Frauengesetze" der EZLN - federführend und ein Symbol für die Beteiligung der Frauen an der zapatistischen Rebellion. Beim Aufstand der Zapatistas im Jänner 1994 befehligte sie die Einnahme von San Cristóbal und nahm anschließend an den ersten Friedensverhandlungen mit der Regierung teil.
1996 verkündete die EZLN, dass sie den militärischen Belagerungsring durchbrechen werden und mit einer Delegation an der Gründung des Nationalen Indigenen Kongresses in Mexiko Stadt teilnehmen würden. Als Präsident Zedillo mit der Verhaftung jedes Zapatistas ausserhalb des Konfliktgebietes drohte, liess die EZLN verlauten, dass sie ihre "gefährlichste Waffe" auf diese Mission senden würden: Der verblüfften Öffentlichkeit wurde Comandanta Ramona, die kleine, kaum spanisch sprechende Tzotzil-Indígena aus dem Bezirk San Andrés vorgestellt.
Nach ihrer Nierentransplantation zog sich Ramona aus der Öffentlichkeit zurück, bis sie im Herbst 2005 an der ersten Vollversammlung der "Anderen Kampagne" im lakandonischen Urwald teilnahm. Ramona galt als erste Beraterin von Marcos und setzte sich zeitlebens für die Wertschätzung der Frauen ein.
Nachruf
März 2006:
Die Regierung antwortet auf die Andere Kampagne mit Repression. Verantwortliche des Autonomen Landkreises "Rubén Jaramillo" in der Nordzone von Chiapas melden, dass die mexikanische Armee drei Straßensperren in der besagten Region reinstalliert hat, um UnterstützerInnen der EZLN und der "Anderen Kampagne" zu belästigen.
April 2006:
Die Zapatistische Nationale Befreiungsarmee, EZLN ruft alle AnhängerInnen der "Sechsten Erklärung" dazu auf, Widerstand gegen die zunehmende und vertuschte Repression gegen die sozialen AktivistInnen der "Anderen Kampagne" zu organisieren.
"Im gesamten Land gibt es im Zuge des verschleierten, repressiven Klimas gegen die Andere, eine systematische Verweigerung des Zugangs zu Rechten, die durch die zynische und unmoralische Komplizenschaft der schlechten Regierungen und der Reichsten des Landes geschaffen wird. Die "Andere Kampagne" hat eine grosse Menge von Anzeigen über Belästigungen, Inhaftierungen und Beschlagnahmungen gegen Sympathisanten/tinnen und Änhänger/innen der "Sechsten", sowie gegen andere soziale Kämpfer/innen erhalten.
Unserer Auffassung nach, wird der Wahlkampf vom Staat und den Gruppierungen der politischen-und ölonomischen Macht, die ihn lenken und kontrollieren, dazu benutzt, neue Szenarien der Repression zu schaffen. Die Fabrizierung von Vergehen, willkürlicher Freiheitsentzug, Drohungen, Folter, Verschwindenlassen und Mord, ebenso wie die illegale Beschlagnahme von Konten legaler, ziviler und friedlicher Organisationen, die mit sozialen Fällen befasst sind, sind andauernd und definieren die Falschheit der sogenannten "Demokratisierung" des politischen Lebens in unserem Land".
Zudem ergeht der Aufruf, eine detaillierte Liste der erfahrenen Repressionen zusammenzustellen, um die Arbeit derer zu erleichern, die im rechtlichen Bereich für das Andere Mexiko kämpfen.
Gleichzeitig versammelten sich gewählte RepräsentantInnen von 46 Nichtregierungorganisationen aus 21 chiapanekischen Gemeinden auf dem staatsweiten Treffen gegen Repression. Die ca. 150 Delegierten beschlossen die Bildung eines Kommunikationsnetzes und ein koordiniertes Antworten auf die repressive Vorgehensweise der verschiedenen Regierungsebenen. Auf dem Forum wurde zudem die Repression gegen die Zahlungsverweigerer der gestiegenen Strompreise angeklagt und diejenigen verteidigt, die sich weigern, an dem zu Landraub führenden Agrarzertifizierungsprogramm teilzunehmen.
20. April 2006:
Samuel Ruiz, ehemaliger Bischof von San Cristóbal de las Casas, protestiert gegen die steigende Zahl an Menschenrechtsverletzungen in Chiapas und klagt an: "Die Behörden ändern nichts an dieser Situation - im Gegenteil, sie legitimieren diese Menschenrechtsverletzungen sogar, sodass die Worte Im Rahmen der Legalität, die wir häufig hören und lesen, etwas völlig anderes bedeuten als Im Rahmen der Gerechtigkeit". Raúl Vera López, Bischof von Saltillo, Coahuila, denunzierte die paramilitärischen Gruppen: "Sie sind da und werden weiterhin mit dem organisierten Verbrechen in Verbindung gebracht, das sich Paramilitarisierung nennt und ebenso verschwiegen wird wie das Thema der Folter und das der Vertreibung der Menschen durch den Hurrikan Stan oder von den Paramilitärs".
3. & 4. Mai 2006:
Ein brutaler Polizeieinsatz gegen Blumenhändler in Texcoco (nahe Mexiko Stadt) stellt die Andere Kampagne vor eine erste große Kraftprobe. Der Terror von mehr als 3.000 staatlichen Einsatzkräften führt zu mehr als 200 Gefangenen und Dutzenden Schwerverletzten. Hunderte Menschen werden mißhandelt und gefoltert, weibliche Gefangene systematisch vergewaltigt.
ausführliche Berichte
Faustino Acevedo Bailón, Schatzmeister des Volksgemeinderats Blaseña Zapoteca, der am IV. Nationalen Indígena-Kongress am 5. und 6. Mai im Bundesstaat Mexiko teilnehmen wollte, wird in der Nähe seines Wohnhauses von zwei Unbekannten mit Pistole überfallen und ermordet.
2. Juni 2006:
An der ersten Mega-Demonstration in Oaxaca nehmen 80.000 Menschen teil.
7. Juni 2006:
Alexis Benhumara erliegt den Folgen seiner Kopfverletzung durch eine von der Polizei verschossene Tränengasgranate. Der 20jährige Student erhielt erst nach über 10 Stunden erste ärztliche Hilfe, da die Polizei ihren Belagerungsring um Salvador Atenco zusammengezogen hatte, und wurde mit einer doppelten Schädelfraktur und offenliegender Gehirnmasse ins Krankenhaus eingeliefert. Am 12. Mai wurde sein Gehirntod diagnostiziert.
Unzählige Menschenrechtsorganisationen erklärten: "Der Staat muss sich für seine Rolle bei der Ermordung von Alexis Benhumea verantworten, da die Ermittlungen beweisen, dass das Gasprojektil aus nächster Nähe abgeschossen wurde, als Todesschuss."
Zweite Mega-Demo in Oaxaca: Mehr als 200.000 Menschen erklären Ulises Ruiz für abgesetzt.
14. Juni 2006:
Die Regierung von Oaxaca unter Ulises Ruiz schickt 13.000 Polizisten, um den anhaltenden Protest der Lehrer zu beenden, die seit dem 22. Mai den Hauptplatz von Oaxaca-Stadt besetzt halten. Der Einsatz endet mit mindestens 3 Todesopfern, 90 Festnahmen und 190 Verletzten.
16. Juni 2006:
Zwei Tage später versammeln sich rund 300.000 Menschen zur größten Protestaktion in der jüngeren Geschichte Oaxacas. Die 3. Mega-Demo mit 500.000 Menschen zieht über sechs Stunden durch die Landeshauptstadt und ist mehr als 15 Kilometer lang.
ausführlicher Bericht
Juli 2006:
Aus dem Lehrerstreik entwickelt sich ein Volksaufstand: Mehr als 30 Rathäuser werden besetzt, öffentliche Straßen, Plätze und Gebäude blockiert. Ungefähr 350 Organisationen, indigene Gemeinden, Gewerkschaften und bürgerliche Zusammenschlüsse gründen die Oaxakenische Volksversammlung (Asamblea Popular del Pueblo de Oaxaca, APPO) und erklären die offiziellen Regierungen für illegitim.
ausführlicher Bericht
2. Juli 2006:
Die Präsidentschaftswahlen enden nach offizieller Version mit 40% Stimmenthaltung und einem hauchdünnen Vorsprung des PAN-Kandidaten Calderon gegen seinen Herausforderer Lopez Obrador von der PRD. Die Opposition spricht von massivem Wahlbetrug der regierungsnahen Wahlbehörde IFE und fordert eine Neuauszählung. Polizisten geben an, tagelang Wahlkarten ausgefüllt zu haben, die kritische Tageszeitung La Jornada veröffentlicht Photos von Wahlunterlagen, die auf einer Müllhalde gefunden wurden, und in Oaxaca werden zwei PRD-Kandidaten erschossen. Einzig EU-Kommissarin Benita Ferrero-Waldner bescheinigte den Wahlbehörden "Professionalität, Transparenz und Unabhängigkeit".
Kleine Kostprobe der mexikanischen Wahlschiebereien gibt's auf der Page des feministischen Netzwerks: www.creatividadfeminista.org
Die Gouverneurswahlen in Chiapas enden mit einem knappen Sieg des PRD-Kandidaten Juan Sabines mit etwa 0,3 % vor Bodegas (PRI), beide erhalten etwa 48% der gültigen Stimmen, mehr als 60% der Wahlberechtigten verzichten darauf, einen der angetretenen Kandidaten durch ihre Stimme zu unterstützen.
Stellungnahme der EZLN
11. Juli 2006:
Nach 10 Jahren im Gefängnis treten Angel Concepción Pérez Vázquez und Francisco Pérez Gutiérrez - die zwei zapatistischen indigenen Gefangenen von Tacotalpa (Tabasco) - in den Hungerstreik. Sie fordern ihre eigene Freilassung ebenso wie die der Gefangenen von Atenco und aller politischen Gefangenen im ganzen Land.
Am selben Tag stellt die Staatsanwaltschaft ihre Untersuchungen aufgrund der sexuellen Übergriffe von Polizisten von Atenco ein, da viele der Frauen die Täter "nicht eindeutig identifizieren" können. Gegen 21 Beamte (von 2.000) werden jedoch Verfahren wegen "Amtsmißbrauchs" eingeleitet.
13. Juli 2006:
In der Gemeinde Caucel (Yucatán) stellen sich die BewohnerInnen den Baumaschinen in den Weg, die im Zug des Metropolisur-Projekts (Geschäftsviertel, Wohnhäuser, Kläranlage, Flughafen, ...) das letzte Stück Ejido-Land roden wollen. Mehr als 40 Mayas werden gewaltsam festgenommen.
17. Juli 2006:
Erste Zensur für "Radio Insurgente - La voz de los sin voz": Radio 620 beugt sich dem massiven Druck der mexikanischen Regierung und verzichtet auf die geplante Ausstrahlung eines Interviews mit SubMarcos.
20. Juli 2006:
Am frühen Morgen wird das Wohnhaus von Alejandro Cruz López, Mitglied der APPO, Gründer und Anwalt der indigen-bäuerlichen Menschenrechtsorganisation OIDHO, mit Molotovcocktails angegriffen.
22. Juli 2006:
20 Personen schiessen mit großkalibrigen Waffen auf die Einrichtungen von Radio Universidad. Das Haus von Enrique Rueda Pacheco, Generalsekretär der Sección 22 der nationalen Lehrergewerkschaft wird mit Molotovcocktails beschossen.
1. August 2006:
Der Fersehsender Canal 9 wird von oaxakenischen Frauen friedlich besetzt und geht auf Sendung.
3. August 2006:
Die zapatistische Gemeinde Chol de Tumbala (im Norden von Chiapas), in der 30 Familien seit 1999 leben, wird gewaltsam von der Polizei geräumt und mit Traktoren und Motorsägen zerstört.
Denuncia des Rats der Guten Regierung
Bericht des Menschenrechtszentrums FrayBa
7. August 2006:
Die Regierung schickt Spezialeinheiten der Polizei, um die Volksbewegung in Oaxaca (APPO) zu zerschlagen, die noch immer mehrere Regierungsgebäude und öffentliche Plätze besetzt hält. Die APPO ruft den roten Alarm aus und ruft alle Menschen dazu auf, den Protest zu verstärken und der "faschistischen (ehemaligen) Regierung" Widerstand zu leisten.
Originaltext
Von einem Motorrad aus wird Marcos García Tapia, Mitglied der APPO, Zahnarzt und Professor an der Universität von Oaxaca, erschossen.
8. August 2006:
Die Sendeanlagen von "Radio Universidad" werden mit Säure übergossen.
9. August 2006:
Drei Aktivisten der Organisation "Unabhängige vereinende Bewegung des Kampfes der Triqui" (Movimiento Unificador de Lucha Triqui Independiente " MULTI) und der Volksversammlung in Oaxaca (Asamblea Popular del Pueblo de Oaxaca - APPO) sowie ein Kind werden in einem Hinterhalt auf der Straße ermordet. Die Compañeros sind in einem weißen Pick-up in der Nähe des Dorfes Paraje Pérez unterwegs, als sie gegen 13 Uhr von Unbekannten mit Schusswaffen angegriffen werden.
Zur selben Zeit werden drei Mitglieder der Organisation "Frente Popular Revolucionario" in der Gemeinde Santa Lucía del Camino am Rande von Oaxaca-Stadt durch in zivil gekleidete Personen auf der Straße überfallen und entführt.
Bereits gegen 7.30 Uhr werden die Gebäude der Tageszeitung "Noticias Voz e Imagen de Oaxaca" ebenfalls mit Schußwaffen angegriffen, Geräte gestohlen und mehrere Personen verletzt.
10. August 2006:
Wenige Minuten vor dem Ende einer Demonstration gegen den "schmutzigen Krieg" der Regierung wird diese mit Schusswaffen angegriffen. Zwei Personen werden verletzt und José Jimenez Colmenares wird durch einen Schuss, der ihn ins Herz trifft, getötet. Es "verschwinden" die Compañeros Juan Gabriel Ríos und Elonaí Santiago Sánchez, beide Lehrer, sowie der Biologe Ramiro Aragón Pérez. Sie waren dabei, nach den Entführten vom Vortag zu suchen.
11. August 2006:
José Jiménez Colmenares wird bei einer Demonstration durch mutmaßliche Polizisten erschossen.
Augenzeugenbericht
12. August 2006:
Evangelio Mendoza González, einer der führenden Vertreter der oaxakenischen Volksversammlung APPO, wird von zivil gekelideten Polizisten in der Gemeinde Santa María Atzompa (ca. 20 Kilometer von Oaxaca-Stadt) festgenommen. Der Verhaftete denunziert verstärkte Repression gegen die APPO und meint, "Dies ist kein Problem – der Gouverneur Ulises Ruiz Ortiz wird nicht genügend Gefängnisse haben, um alle einzusperren, die sich gegen seine Regierung auflehnen."Obwohl die APPO sofort alle Ausfahrtstrassen blockierte und jedes Auto genau untersuchte, konnte der Entführte bisher nicht aufgespürt werden.
Die drei entführten Mitglieder der APPO, der Biologe Ramiro Aragón Pérez und die beiden Lehrer Elinoai Santiago Sánches und Juan Gabriel Ríos, werden in Ejutla (Oaxaca) in Gefangenschaft der PGR (Procuraduría General de la Republica) aufgefunden. Die Kommission für Menschenrechte (CDH) kann die Gefangenen besuchen und bestätigt, dass diese gefoltert wurden. Die drei wurden von Mitgliedern der "Secretaria Para la Protección Ciudadana" in Oaxaca und vom AFI (Agencia Federal de Investigación", das ist das mexikanische FBI) entführt, in eine verdeckte Operationsbasis verschleppt und dann der PGR übergeben.
13. August 2006:
Der Erzbischof von Oaxaca ruft die Regierung Mexikos zu einer dringenden Intervention in Oaxaca auf, um "der Gewalt Einhalt zu gebieten".
14. August 2006:
Die Ex-Regierung Ulises bestätigt, daß sich die vor einigen Tagen entführten Aktivisten Erangelio Mendoza Gonzáles (Sektion 22 der LehererInnengewerkschaft SNTE) in Tehuantepec, Ramiro Aragón Pérez (Ornithologe) in Zimatlán, sowie der an den Rollstuhl gefesselte Germán Mendoza Nube in Haft befinden (letzterer "aufgrund seiner besonderen Gefährlichkeit").
15. August 2006:
Zwei Polizisten in Zivilkleidung schießen auf die Eingangstüre des Hauses von Flavio Sosa Villavicencio (in San Bartolo Coyotepec). Villavicencio gehoert der "Neuen Linken Oaxacas" an und ist Teil der provisorischen Fuehrung der "Volksversammlung Oaxacas" (APPO).
Teile der Gewerkschaften mit rund 80.000 Mitgliedern (Staatsangestellten) drohen mit einem Genralstreik, sollte Ulises nicht noch im August seinen Rücktritt verkünden.
16. und 17. August:
In Oaxaca findet das nationale Forum zur Konstruktion der Demokratie und der Regierungsfähigkeit (foro nacional para la construcción de la democracia y gobernalidad) statt. Die Idee ist, an dieser Konferenz zu diskutieren, wie den eine neue Verfassung in Oaxaca aussehen könnte und wie eine Volksregierung in der Realität funktionieren müsste. Die drei Arbeitsgruppen beschäftigen sich mit (1) Ausrichtung einer neuen Verfassung, (2) Für ein gemeinsames politisches Programm und (3) Eine Politik der Integration und Respekt für die Vielfalt Oaxacas. Rund 900 Personen aus allen Sektoren der Gesellschaft nehmen an diesem Forum teil, das von ca. 10 Radiostationen live über das ganze Land verbreitet und über das Internet auch dem internationalen Publikum zugänglich gemacht wird.
In Atenco wird Ricardo López Espinosa, führender Aktivist der Oppositionsbewegung, verhaftet. In Chiapas steigt die Repression auch gegen das zapatistische Kollektiv und Café "Espiral 7", dessen MitarbeiterInnen durch Polizisten "in Zivilkleidung und Autos ohne Kennzeichen" belästigt und vefolgt, sowie durch Hubschrauber (!) überwacht werden.
21. August 2006:
Die Sendeanlagen des Radio- und Fernsehkanals "Canal 9", der am 1. August von oaxakenischen Frauen besetzt wurde, werden von zivil gekleideten Angreifern (vermutlich Polizisten) beschossen. Eine Person, Sergio Vale Jiménez, 48 Jahre, wird dabei schwer verletzt, die Anlage zerstört, der Sendebetrieb verhindert. Als Antwort auf den Angriff besetzt die Volksbewegung unmittelbar darauf und auf friedliche Art und Weise alle wichtigen kommerziellen Radiosender in Oaxaca-Stadt. Von dort aus werden nun Informationen über die soziale Bewegung gesendet. Gebäude der regierungskritischen Regionalzeitung "Noticias" werden von einem bewaffneten Schlägertrupp (etwa 70 Personen) angegriffen, die Volksbewegugn befindet sich aufgrund dieser neuerlichen Vorfälle im Alarmzustand. Der öffentliche Nahverkehr ist praktisch komplett zum Erliegen gekommen, bewaffnete Gruppierungen, die der Regierung zugerechnet werden, ziehen durch die Straßen und zünden Fahrzeuge an. Gleichzeitig wird berichtet, dass die Bewegung an Stärke gewinnt. Täglich schließen sich demnach mehr und mehr Organisationen und Gemeinden aus allen Regionen des Bundesstaates Oaxaca der Volksversammlung APPO an. Die APPO ruft die Bevölkerung dazu auf, die ca. 80 besetzten Regierungsgebäude - unter anderem Gerichtsgebäude, das Parlament und den Regierungssitz - verstärkt zu bewachen. Außerdem ergeht ein Aufruf an internationale soziale Organisationen und Menschenrechtsorganismen, den gerechten und legitimen Kampf der Bevölkerung Oaxacas zu unterstützen.
Erlebnisbericht / Kommentar
22. August 2006:
Ca. 450 Polizeikräfte ziehen in einer "Operation zur Reinigung der Straßen" schießend durch das Stadtzentrum. Die "Sicherheitskräfte", die bei dieser Aktion an mehreren Besetzercamps Halt machen und Unterstützer einschüchtern, werden z.T. von PRI-nahen Banden unterstützt. Bei Schüssen mit AK-47 Sturmgewehren auf eine unbewaffnete Bewachergruppe eines besetzten Radiosenders wird der 52jährige Architekt Lorenzo Pablo tödlich verletzt. Mehr als 300 Patronenhülsen werden aufgesammelt.
Wenig später werden Polizeiwagen identifiziert, aus denen besetzte Sender angegriffen werden. Dabei gibt es erneut Schussverletzte auf Seiten der Demonstranten. Auf Beschluss der APPO sollen die ca. 500 Barrikaden, die in der Nacht von 21. auf 22. August spontan zum Schutz der Volksbewegung errichtet wurden, in den kommenden Tagen verstärkt werden. Nach wie vor sind vereinzelte Schüsse zu hören.
Auch in anderen Regionen der Bundesstaates, z.B. am Isthmus von Tehuantepec, nehmen die Proteste zu. Mehr und mehr Gemeinden erklären ihre "Autoritäten" für abgesetzt und fordern die Übergabe der Amtsgeschäfte an das Volk. Inzwischen meldet sich auch die katholische Kirche zu Wort: In einer Bittschrift an den Präsidenten Mexikos rufen mehr als 40 Priester, die in Oaxaca ihren Dienst verrichten, Vicente Fox zu einer unmittelbaren Intervention und zu einer friedlichen Konfliktlösung auf. "Es ist nicht mehr zu verbergen", so der Brief, "dass im Bundesstaat Oaxaca die Regierbarkeit nicht mehr gegeben ist, dass Gewalt und die Repression seitens verschiedener Autoritäten im Bundesstaat ausgeübt werden, dass die Regierung Oaxacas unfähig ist, den sozialen Konflikt zu lösen, dem schon mehrere Menschen zu Opfer fielen, aufgrund dessen mehrere Meschen gefoltert und illegal festgenommen wurden."
23. August 2006:
Paramilitärs beschiessen aus Fahrzeugen heraus verschiedene Camps der APPO. Der Zocalo, Radio Oro und Radio La Ley 710 werden angegriffen.
24. August 2006:
Porfirio Hugo Reyes Núñez, ein weiteres Mitglied der Volksfront zur Verteidigung des Landes Erde (FPDT), aus San Salvador Atenco wird festgenommen und in das Gefängnis von Santiaguito eingeliefert.
An verschiedenen Stellen in Oaxaca-Stadt werden Menschen an den Barrikaden beschossen werden.
27. August 2006:
Die Barrikaden werden jede Nacht grösser und zahlreicher und es gibt keine Anzeichen dafür, dass diese bald aufgegeben werden. Teilweise sind die Quartiere derart gut abgeriegelt, dass es selbst für die dort wohnhafte Bevölkerung schwierig ist, in ihre Häuser zu gelangen. Die Urabstimmung der Lehrer- und Lehrerinnen der SNTE Sektion 22 ist beendet und zugunsten einer Weiterführung der Protestaktionen in massiver Form ausgegangen.
Das Zweite Indigene Encuentro der Halbinsel von Yucatan richtet eine Botschaft an die Indígenas des Landes, an die Regierungen der Region und an die Bevölkerung von Mexiko: "Die Wege der Würde bewandernd, aus dem Traum der Dunkelheit erwachend, diese lange Nacht bis zur Morgendämmerung der Vergessenen seit mehr als 500 Jahre durchschreitend, wir, Indígenas, die wir in unserem Herzen ein Morgen haben, die wir Kinder des Ceiba Baumes sind, Geschwister des Maises, die wir in unserem Herzen die Farbe der Erde tragen, kommen zusammen um unsere Stimme und unsere Erinnerung zu teilen, um gemeinsam die Geografie des Widerstandes und der Rebellion zu errichten".
Abschlußbotschaft
29. August 2006:
Mehr als 1000 Unternehmer und Kaufleute aus allen Handelskammern Oaxacas am rufen einen ganztägigen Generalstreik aus, um gegen die staatliche Gewalt zu protestieren und eine Lösung der Krise zu fordern. Außerdem wurden auch Kleinhändler und Ladenbesitzer aufgefordert, ihre Zurückweisung der Gewalt symbolisch zum Ausdruck zu bringen, in dem sie eine weißes Schleife an Läden und Ständen befestigen. Am selben Tag kommt es zu ersten Verhandlungen zwischen der APPO und der Bundesregierung. Die Gespräche finden zwar nicht wie gefordert in Oaxaca statt, sondern in Mexiko-Stadt, was die direkte Übertragung über die besetzten Radiostationen und damit die breite Beteiligung der Basis unmöglich macht, jedoch immerhin unter Ausschluß der (vom Volk für abgesetzt erklärten) Regierung Ulises.
Interview mit Philipp Gerber
31. August 2006:
Geschlossene Verhandlungen zwischen der APPO und der Bundesregierung in Mexiko-Stadt, Ulises nicht dabei. Streik der Mittelbetriebe erfolgreich, Unmut in Mittel- und Oberschicht wächst. Vorbereitungen zu neuer Mega-Demo, Klima aber sehr angespannt.
ausführlicher Bericht
1. September 2006:
Felipe Calderon, wahrscheinlich ab 2007 neuer Präsident Mexikos, erklärt in einem Fernsehinterview, dass er den Konflikt in Oaxaca mit dem Einsatz der Polizei und durch Aufhebung der Meinungsfreiheit lösen würde.
In der Sierra Juarez inszeniert die Ex-Regierung eine Komödie mit blutigen Absichten: Als Guerrilleros verkleidete Schauspieler mit nagelneuen AK-47 und sauberen Uniformen behaupten, die Vertreter von sechs bewaffneten Bewegungen zu sein und die APPO zu unterstützen. Sofort melden sich Zeugen, die die angeblichen "Guerrilleros" identifizieren und den Schwindel entlarven, mit dem über die staatlichen Medien das Klima für einen Militäreinsatz vorbereitet werden soll.
Zwei Lehrer werden am Weg zu einer Versammlung von einem Polizeiwagen gejagt und beschossen. Der Vorfall wird sofort an Radio APPO gemeldet, welches daraufhin die Bevölkerung in den entsprechenden Quartieren bittet, alle Wege zu sperren und den Verfolgten Schutz zu gewähren. Nach einer halben Stunde gelingt es tatsächlich, die Verfolger zu stoppen und die beiden Lehrer in Sicherheit zu bringen.
2. September 2006:
Die 5. Mega-Demo in Oaxaca-Stadt wird trotz strömendem Regen zu einem sieben Kilometer langen Protestzug mit teils kämpferischem, teils volksfestähnlichem Charakter und 500.000 TeilnehmerInnen. Sämtliche nationalen Medien ignorieren dieses Ereignis jedoch, so dass eine baldige Lösung kaum in Sicht scheint. Viele rechnen mit einer Verschärfung der Situation, haben zur Verstärkung der Barrikaden aufgerufen und zu einer Ausweitung der organisatorischen Anstrengungen in den Gemeinden.
4. September 2006:
Mobile APPO-Kontingente schliessen weitere 16 Regierungsstellen, um den Verhandlungsdruck auf die Regierung Fox zu erhöhen. Damit gibt es in Oaxaca nur noch ein paar wenige halbwegs funktionierende Ämter wie zum Beispiel das Umweltamt. Die Räumungen verliefen ohne jegliche Gewalt und im Beisein der Presse. Die Leute wurden aufgefordert, ihre persönlichen Sachen einzupacken und das Gebäude sofort zu verlassen.
Während die Ex-Reigerung Ulises militärische Spezialeinheiten anfordert und Truppen in Stellung bringt, verkündet die APPO, dass sie in Kürze ein Manifest an die Nation veröffentlichen werde, wo sie den Gouverneur als offiziell abgesetzt erklären und ausrufen werden, dass ab sofort die APPO die Regierungsgeschäfte im ganzen Bundesstaat übernimmt. Der Sprecher der (Ex)-Regierung Ulises Ruiz gab bekannt, dass dies eindeutig illegal und verfassungswidrig sei und scharfe Konsequenzen nach sich ziehen werde.
Gleichzeitig koordiniert die APPO bereits die wichtigsten Angelegenheiten wie Abfallbeseitigung, Sicherheit und Justiz, welche durch die Regierungsunfähigkeit schon seit Monaten ausser Kraft sind.
In den letzten Wochen haben sich in verschiedenen Stadtquartieren autonome "Polizeien" organisiert, die offensichtlich relativ erfolgreich funktionieren und schon jetzt einen sehr guten Ruf geniessen. Dies insbesondere darum, weil sie, im Gegensatz zur offiziellen Polizei, nicht korrupt und nicht am organisierten Verbrechen beteiligt sind.
14. September 2006:
Die APPO und die Sektion 22 der LehrerInnengewerkschaft (SNTE) haben ihre Konsultativabstimmung zum grössten Teil beendet und es scheint so, als würde der Verhandlungsvorschlag des Innenministeriums grossmehrheitlich zurückgewiesen werden.
Das Angebot der Regierung beinhaltet nicht einen einzigen Punkt, der mit den Forderungen der Bewegung übereinstimmt und beschränkt sich ausschliesslich auf finanzielle und materielle Verbesserungen für die LehrerInnen. Er wird allgemein als "Kaufangebot" für die Sektion 22 der SNTE gedeutet, um die Bewegung zu spalten, indem man der grössten Fraktion ein attraktives Angebot unterbreitet und den Rest der Bewegung ausschliesst.
15. September 2006:
APPO und Innenministerium teilen der Presse mit, dass die Regierung einen Vorschlag unterstützt, der eine Reform auf politischer und ökonomischer Ebene, sowie Sicherheit, Menschenrechte und Wahlrecht beinhalte, sowie 17 Forderungen der Lehrer und Lehrerinnen erfülle. Im Gegenzug verpflichte sich die APPO, in den nächsten Tagen alle Barrikaden und Strassenblockaden zu räumen, den "Planton" auf dem Zocalo aufzugeben, blockierte Regierungsgebäude freizugeben und die besetzten Radiostationen zu verlassen. Über die Zukunft von Ulises wurde kein Wort verloren und genauso wenig über die politischen Gefangenen.
Dieses Zwischenergebnis der Verhandlungen wurde in Oaxaca mit Verwunderung aufgenommen und in den verschiedenen Radiostationen der APPO in Frage gestellt.
Die Regierung Ulises fordert inzwischen die Hilfe der Bundespolizei PFP und konzentriert die Restbestände der staatlichen Polizei an strategischen Punkten. Unterstützung kommt vom Kongress der Parlamentsabgeordneten, die ein Dekret verabschieden, dass die Unterstützung der Bundespolizei PFP für die Bewältigung des Konfliktes in Oaxaca fordert. Von sämtlichen Parteien unterzeichnet, fordert das Dokument die Entsendung von Polizeikräften, um die Normalität im Bundesstaat wieder herzustellen.
17. September 2006:
Die VertreterInnen der APPO stellen die Falschmeldungen der letzten Tage klar: Sie seien nie von der Forderung nach Ulises' Rücktritt abgewichen. Das Angebot der Regierung wird nun an der Basis diskutiert.
detaillierter Bericht
21. September 2006:
Verhandlungen abgebrochen! Die Verhandlungen zwischen Bunfesregierung und APPO gehen ohne Resultate zuende - es wird kein neuer Termin für weitere Gespräche vereinbart. Das Innenministerium lehnt die zentrale Forderung von APPO und Lehrergewerkschaft, die Absetzung von Ulises Ruiz, ab.
Vicente Fox erklärte erneut, er wolle das Problem Oaxaca vor dem Amtsantritt von Felipe Calderón (1. Dezember) gelöst haben. Als "Musiker" getarnte Spezialeinheiten der PFP werden entdeckt, ein weiteres Alarmsignal und Zeichen für die schleichende Militarisierung.
Währenddessen verstärkt die Bevölkerung in Oaxaca die Barrikaden. Wieder fürchtet man, dass in den nächsten Stunden ein militärischer Angriff grossen Ausmasses geschehen könnte. Rueda Pacheco von der Lehrergewerkschaft meint dazu, der Bundesstaat Oaxaca sei nicht San Salvador Atenco, und verweist damit auf die ungleich grössere Mobilisierung in Oaxaca, die nicht einfach mit ein paar tausend Polizisten niedergeknüppelt werden kann.
Und eine Meldung, die - vielleicht - keinen direkten Zusammenhang zu Oaxaca hat: Subcomandante Marcos ist überraschend nach Chiapas zurückgekehrt. Er traf gestern in San Cristobal ein. Dies wenige Tage, nachdem er ankündigte, im Rahmen der "anderen Kampagne" die Staaten im Norden Mexikos in den Monaten Oktober und November zu bereisen.
25. September 2006:
Die APPO antwortet den Provokationen der Bundesregierung mit einem kämpferischen Kommunique:
"Wir kennen ihre Präventivaktionen: Vor einem Monat fiel der Compañero Lorenzo San Pablo, ermordet durch ihre Meuchelmörder, während einer dieser Präventivaktionen". Die Aggressionen hielten alle Nächte lang an und im grösser oder kleinerem Ausmass wurden Schüsse auf die Compañeros der verschiedenen Camps registriert. Durch den Kurs, den Ulises fährt, geschieht das, was wir schon seit vielen Tagen verurteilen, die mörderische Gewalt gegen die Leute aus Oaxaca. Es wird sein letzter Schlag werden. (...) Wir rufen ganz Oaxaca dazu auf, die Camps und die Barrikaden zu verstärken, alle Mittel der Verteidigung müssen stärker werden, stärkt die Barrikaden!
Ulises ist verloren, und wenn ein Tyrann sich verloren fühlt, sucht er jemanden, der ihn mitnimmt, wie er es in einem Treffen vor seinem Kabinett ausdrückte. Wir werden diesem letzten Schlag entschlossen und organisiert gegenübertreten! Der Sieg ist nah, der Tyrann ist verloren! Also los, mit allen zusammen, bis dass er fällt!"
27. September 2006:
Ulises Ruiz Ortiz befiehlt den lokalen Parlamentsabgeordneten, ein Dokument zu verabschieden, in dem die Intervention der Bundespolizei verlangt wird, und fälscht die Unterschrift des Fraktionschefs der Partei Convergencia, um vorzutäuschen, dass alle Parteien mit einer solchen Intervention der Bundespolizei einverstanden wären. Auch bei den Munizipen fand er nicht einmal bei der Hälfte Unterstützung.
Beim Versuch, ein öffentliches Presseinterview zu geben, wird Ulises beinahe von der APPO verhaftet. Bodyguards schiessen ihm den Weg frei, und sie flüchten mit als APPO-Fahrzeuge getarnten Autos. In der Nacht darauf wird der Radiosender des regierungskritischen Unternehmers Lopez Lena angegriffen und teilweise abgebrannt.
28. September 2006:
Sieben KommandantInnen des CCRI-CG treten ihre Reise nach Mexiko-Stadt an, um die Demonstrationen und Aktionen für die Freilassung der 29 Gefangenen von San Salvador Atenco zu unterstützen, während Marcos als Delegierter Null die Reise der Anderen Kampagne im Norden des Landes fortsetzen wird.
Die KommandantInnen Grabiela, Miriam, Gema, Hortencia, David, Zebedeo und Tacho, die vor 11 Jahren die zapatistische Delegation bei den Dialogen von San Andrés koordiniert haben, werden von Lupita (drei oder vier Jahre alt) begleitet, die Delegierte Fünf-ein-Viertel genannt wird, da ihre Mutter Hortencia als fünfte der sieben Delegierten aufgeführt wird.
29. September 2006:
Weiter paramilitärische Attacken durch zivile Polizeikräfte auf AktivistInnen der Volksbewegung. Außerdem Versuche von PRI-Provokateuren, Läden zu plündern und diese Aktionen dann der APPO in die Schuhe zu schieben.
Der Streik, der vom rechten Unternehmerverband ausgerufen wurde, floppt: Laut offiziellen rechten Medien hatten kaum 20% der Läden usw. geschlossen – laut Angaben der APPO lediglich 5%. So oder so zeigt dies den grossen Einfluss der Volksbewegung.
Auch der Versuch der PRI-Leute, in ganz Oaxaca auf eigene Faust die Schulen wieder aufzumachen, um sich gegen die "Radikalen" der LehrerInnengewerkschaft zu stellen, war mehr als ein Misserfolg. Knapp 50 Schulen wurden zum Unterricht geöffnet, was weniger als ein halbes Prozent der 14.000 Schulen in Oaxaca ausmacht.
In dieser sehr angespannten Situation hat die Vollversammlung der LehrerInnengewerkschaft beschlossen, den Kampf geschlossen weiterzuführen. Die 1.500 Delegierten haben die Resultate der Befragung der Basisbefragung zusammengetragen und halten auch nach 129 Tagen Streik klar fest, dass "sie erst nach dem Sturz des Tyrannen, dem Gouverneur Ulizes Ruiz Ortiz den Streik abbrechen und in die Schulen zurückkehren werden". Sie bestehen mit Nachdruck darauf, dass sie sich nicht von der APPO und den über 350 Volks- und Basisorganisationen abspalten lassen werden, sondern sich als integralen Teil betrachten. 5.000 Personen beteiligen sich an einem Marsch der APPO nach Mexiko Stadt, um ihren Forderungen im Zentrum der Macht Nachdruck verleihen.
Die Sicherheitskommission der APPO hat heute Nacht ausdrücklich nochmals dazu aufgerufen, an den Barrikaden sehr wachsam zu sein. An verschiedenen Punkten wurden maskierte Gruppen beobachtet, die den Schlägertruppen der PRI zuzurechnen sind und die einzelne Punkte angreifen werden. Von der APPO Seite her werden insbesondere auch die Radiostationen speziell geschützt, da sie wohl die ersten Punkte sein werden, die der Bewegung entrissen werden sollen, damit die Kommunikation der Volksbewegung verhindert wird. Die Radios sind nach wie vor den ganzen Tag auf Sendung und es wird diskutiert, geweint, gehofft, vereint geträumt, gestritten.
30. September 2006:
Der Kongress von Oaxaca verabschiedet als Zeichen der Provokation ein neues Wahlgesetz und verschiebt die für nächstes Jahr vorgesehenen Wahlen. Helikopter der mexikanischen Marine überfliegen die Stützpunkte der APPO in Oaxaca, in Santa Cruz Xoxocotlan und Zaachila. In Radio APPO wird die Bevölkerung auf eine mögliche Räumung vorbereitet. Alle werden aufgerufen, die Barrikaden zu verteidigen, aber ohne Verletzte oder Tote zu riskieren. Im Notfall sollen die Barrikaden verlassen werden, um sich an anderen Orten erneut zu sammeln und die verlorenen Orte in den folgenden Tagen sukzessive wieder besetzen, weil es für die Repressionskräfte nicht möglich sein wird, alle Punkte zu bewachen. Gleichzeitig mit Massenmobilisierungen Präsenz zeigen und vor allem Radio APPO verteidigen, so lange es geht.
Die Stimmung ist voller Angst und gleichzeitig kämpferisch. Radio APPO bittet die nationale und internationale Öffentlichkeit, über die Geschehnisse in Oaxaca zu informieren und ruft insbesondere Menschenrechtsorganisationen auf, eine aktive Rolle zu übernehmen und präsent zu sein, um ein Blutbad zu verhindern. Die Terminologie der Regierung Fox erinnert an diejenige, die von der USA für die Kriege im Irak verwendet wurde: "Es wird kein Blutbad geben - wir werden mit chirurgisch genauen Eingriffen Gewalt gegen die Zivilbevölkerung vermeiden".
In Mexiko Stadt sichern Subcomandante Marcos und die sieben Delegierten des CCRI-CG der EZLN der FPDT erneut ihre Unterstützung zu und rufen dazu auf, gemeinsam den internationalen Kampf für die Befreiung der Gefangenen von San Salvador Atenco zu reorganisieren und zu initiieren.
Die Kommandanten und Kommandantinnen des CCRI-CG-EZLN bringen ihre Solidarität mit der FPDT zum Ausdruck, fordern die Freilassung der Gefangenen und geben bekannt, daß am 1. Oktober alle Caracoles wiedereröffnet werden sollen, um im südöstlichen Mexiko über den Kampf von Atenco zu informieren, ohne jedoch den Roten Alarm, der seit Mai in Kraft ist, zu beenden. Am 9.Oktober wird die EZLN die Rundreise im nördlichen Mexiko wiederaufnehmen, und am Ende des Jahres soll in Chiapas ein internationales Encuentro stattfinden.
David richtet das Wort an die Atenco-Bewohner, die Mitglieder der FPDT und die Anhänger der Anderen Kampagne, die dem Treffen beiwohnten: "Die Botschaft, die wir von den zapatistischen Gemeinden überbringen, lautet, dass sie sich nicht verkaufen, dass sie sich nicht ergeben und nicht erniedrigen lassen. Wir alle haben das Recht, jene Gerechtigkeit zu fordern, die uns als Volk genommen wurde; wir können angesichts der Ungerechtigkeiten, der Ausbeutungen und der Zerstörung unseres Landes nicht schweigen".
Hortensia spricht den FPDT-Mitgliedern Mut zu: "Wir stehen euch zur Seite und begleiten euch in eurem Schmerz, eurem Kampf und eurer Rebellion, die in euch und in euren Herzen täglich wächst. Mit eurem Widerstand beweist ihr, dass die Regierung es niemals schaffen wird, die organisierten Dörfer zu erniedrigen".
Tacho erklärt, dass die Festnahme der FPDT-Mitglieder nur "den Hochmut des Feindes zeigt, der sich rächen wollte", weil die Campesinos sich dem Raub ihres Gemeindelandes für den Bau des Flughafens widersetzt hatten. "Der Neoliberalismus will uns den besten Boden rauben, um Vergnügungszentren darauf zu stellen, aber das werden wir nicht erlauben, wir werden bis zur letzten Konsequenz kämpfen", erklärt er und versichert, auf die Menschen von Atenco stolz zu sein, "deren Kampf anderen Dörfern als Beispiel dient".
David drängt zur Einheit der Dörfer und mahnt: "Wenn wir uns nicht organisieren um zu kämpfen, werden wir unser ganzes Leben lang so verarscht werden; deshalb ist der einzige Weg, den wir haben, uns zu organisieren, uns zu vereinen. Dies ist der Weg, den wir gegen die Drohungen der schlechten Regierenden haben".
Marcos, der bei dieser Gelegenheit nur die Moderation führt, erklärt, dass die KommandantInnen Grabiela ("Delegierte Eins"), Zebedeo ("Delegierter Zwei") und Miriam ("Delegierte Drei") in D.F. bleiben werden, um den Kampf für die Befreiung der Gefangenen von Atenco fortzusetzen. Gema ("Delegierte Vier"), Hortensia ("Delegierte Fünf") und ihre kleine Tochter Lupita (Delegierte Fünf-Ein-Viertel), sowie David ("Delegierter Sechs") und Tacho ("Delegierter Sieben") werden am Sonntag nach Chiapas zurückkehren.
1. Oktober 2006:
Im 4. Teil einer Serie von Comunicados der Anderen Kampagne äussert sich die EZLN zu Oaxaca: "Das Unten bricht auch in Oaxaca hervor und nimmt Form und Weg in der APPO. Das Vetorecht dieser Bewegung wurde würdevoll wahrgenommen . Es ist nicht wichtig, ob sie wählen oder nicht (und ob sie es für AMLO oder eine andere Partei machen. Dies ist nicht von Bedeutung, sondern dass sie Vertrauen in ihre eigene Stärke haben, welches weiter geht als das ihrer Dirigenten und der Konjunkturen.
Dieses Vertrauen hat ihnen bis jetzt erlaubt, ihre Taktik für sich selbst zu entscheiden, ohne dem Druck von Aussen und den Räten zum "guten Gewissen" nachzugeben. Als EZLN unterstützen wir diese Bewegung und versuchen, durch die Compañer@s der Anderen, die dort kämpfen, zu sehen, was geschieht und zu lernen.
Aus zwei Gründen wird unsere Unterstüzung nicht darüberhinaus gehen: Einer ist, weil es sich um eine sehr komplexe Bewegung handelt, direktere Unterstützung könnte "Lärm", Ängste und Verwirrung verursachen; der andere ist, dass die Leute in Oaxaca mehrmals beschuldigt wurden, Verbindungen zu bewaffneten Organisationen zu haben, und so könnte die Hetzkampagne, die ohnehin bereits im Gang ist, durch unsere direkte Präsenz erneut Auftrieb bekommen."
2. Oktober 2006:
Rund 150 vermummte UnterstützerInnen der EZLN besetzen 532 Hektar Land in der Nähe des Caracols von Roberto Barrios erneut. Das als "Chuyipá" (offiziell "5 de Mayo") bekannte Grundstück liegt im offiziellen Landkreis von Palenque und wird von den RebellInnen als "Chol de Tumbalá" bezeichnet. Die Zapatistas hatten das Land 1999 besetzt und waren am 3. August von der Polizei vertrieben worden, wobei ihre Häuser und Habseligkeiten zerstört wurden.
Urgent Action
In der Gemeinde San Antonio de Castillo Velasco (Oaxaca) wird der 49-jährige Arcadio Fabián Hernández Santiago erschossen. Santiago war gemeinsam mit anderen Gemeindepolizisten waren unbewaffnet auf einem Routinegang, als die vermummten und mit Maschinengewehren bewaffneten Ex-Polizisten ihnen auflauern. Der Präsident der Volksregierung von San Antonio, Valentín Aguilar, ruft die Bevölkerung auf, den Mord nicht in Selbstjustiz zu richten, sondern auf ein legales Verfahren gegen die Mörder zu vertrauen.
4. Oktober 2006:
Das Innenministerium lädt zu einem "Forum für Regierungsfähigkeit, Frieden und Entwicklung in Oaxaca".APPO und Sektion 22 nehmen nicht daran teil, nachdem sie um die Sicherheit ihrer Delegierten fürchtet, Ulises zu den geladenen Gästen zählt, die Militarisierung in Oaxaca weiter verstärkt wird und jede Nacht Angriffe auf die Zivilbevölkerung an den Barrikaden stattfinden. Innenminister Abascal rede doppelzüngig und man könne ihm nicht vertrauen, verkünden sie. Das Forum sei eine Farce und nichts anderes als ein Schachzug zur Rechtfertigung einer Militärintervention. Die APPO ruft auf, weitere Barrikaden zu errichten. Jeden Tag integrieren sich neue Quartierkomitees und Gemeinden in die APPO, was dazu führt, dass sie angesichts einer möglichen Militärintervention so zahlreich wie nie zuvor ist.
Die Verlegung der Marineeinheiten hat die Forderung nach Ulises' Absetzung auch in bisher zurückhaltenden Kreisen der Bevölkerung aus Furcht vor militärischen Auseinandersetzungen verstärkt. Im Touristenort Huatulco an der Pazifikküste wurden aus einem Kriegsschiff Schützenpanzer, Helikopter und anderes Kriegsmaterial ausgeladen. Täglich landen Militärflugzeuge mit Soldaten, und sogar ein Kampfjäger wurde hergebracht.
Urgent Action
Protest gegen die Repression in Oaxaca
9. Oktober 2006:
Der Marsch der APPO kommt nach 19 Tagen in der Hauptstadt Mexio Stadt an, begleitet von vielen UnterstützerInnen aus den armen Vorstädten. Die Spannung ist gross, das Medienecho auf die Demo, die nun 19 Tage unterwegs war, ebenfalls.
Innenminister Abascal fordert die Volksbewegung von Oaxaca auf, den föderalen Polizeieinheiten der PFP die Hauptstadt Oaxaca zu übergeben. Im Gegenzug sei das Innenministerium bei dem Verfahren im Senat über die Absetzung von Gouverneur Ruiz behilflich. APPO und Lehrerschaft lehnen diesen "ersten Schritt zur Militarisierung Oaxacas" nach Vollversammlungen am Wochenende ab.
10. Oktober 2006:
Der Senat entsendet eine Kommission nach Oaxaca, um die Regierungsunfähigkeit zu untersuchen.
12. Oktober 2006:
Die "Oaxakenische Bürgerinitiative für Gespräche um Frieden, Demokratie und Gerechtigkeit" (Iniciativa Ciudadana de los Diálogos por la Paz, la Democracia y la Justicia de Oaxaca") wird ins Leben gerufen. Die Eröffnungsfeier wurde durch eine breite Beteiligung verschiedener gesellschaftlicher Sektoren in Oaxaca unterstützt.
14. Oktober 2006:
Alejandro García Hernández, Aktivist der APPO, wird in der Nacht auf Samstag an einer Barrikade von vier Männern erschossen. Die Täter wollten eine Barrikade überfahren und wurden daran gehindert, worauf sie das Feuer auf die unbewaffneten Anwesenden eröffneten. Am Tatort werden Dokumente gefunden, die in der Militärzone XXVIII auf den Namen Jonathan Ríos Vásquez ausgestellt wurden. Es handelt sich hier um den 42. politischen Mord seit Ulises' Amtsantritt vor weniger als zwei Jahren.
An einer weiteren Barrikade wird ein Jugendlicher schwer verletzt, als vier Männer in einem Nissan-Pickup die Barrikade rammen, um die Durchfahrt einer Ambulanz der APPO zu verhindern.
19. Oktober 2006:
Todesschwadronen im Dienste von Ulises Ruiz eröffnen
das Feuer gegen eine Versammlung im Quartier Jardines in Oaxaca
und töten den Lehrer Panfilo Hernandez Vasquez mit zwei Schüssen.
Die APPO
hatte gestern die höchste Alarmstufe ausgerufen und alle
aufgefordert, sich auf mögliche Angriffe vorzubereiten und die Verteidigungseinrichtungen zu verstärken. Vor drei Wochen war durch Indiskretion der "Plan Hierro" des Gouverneurs an die Öffentlichkeit
gekommen und beschreibt genau das, was im Moment passiert: Aktionen
auf verschiedenen Ebenen um die Volksbewegung zu destabilisieren und
zu schwächen. Tote sind in diesem Plan miteingerechnet.
24. Oktober 2006:
Die APPO räumt Ulises eine Frist von drei Tagen ein, um seinen Rücktritt einzureichen und ruft zur friedlichen Volkserhebung am 1. Dezember auf. Für den 27. November werden ein Generalstreik im Bundesstaat und die Blockierung der Verkehrswege angekündigt. Nach zahlreichen Anschlägen und manipulierten Stromausfällen sendet von den besetzten Radiostationen nur noch "Radio Universidad".
27. Oktober 2006:
Ulises' Leute schlagen zurück: Seit den frühen Morgenstunden attackieren Pistolenschützen die Barrikaden der APPO, verwunden unzählige Compañeros, ermorden den Lehrer Emilio Alonso Fabían
in San Bartolo Coyotepec und den US-amerikanischen Indymedia-Reporter Brad Will in Santa Lucia Amilpas, der Anfang Oktober nach Oaxaca gekommen war, um den seit fünf Monaten andauernden sozialen Konflikt für das globale unabhängige Mediennetzwerk Indymedia zu dokumentieren. Brad Will stirbt mit der Videokamera in der Hand durch zwei Schüsse in Brust und Bauch. Seine letzten Aufnahmen sind unter http://video.indymedia.org/en/2006/10/542.shtml zu finden.
Die APPO installiert eine provisorische Notfallstation in einer Kirche, um die zahlreichen Verletzten zu betreuen, nachdem die offiziellen Krankenhäuser sich weigern, die Verletzten aufzunehmen oder durch bewaffnete PRI-Männer daran gehindert werden.
Die Verkehrsblockade der APPO legt den ganzen Tag über alle Hauptverkehrsrouten vollständig lahm. Viele Busfahrer beteiligen sich an den Aktionen und verstärken die Barrikaden mit ihren Fahrzeugen.
Die Sechste Kommission der Zapatistischen Armee der Nationalen Befreiung ruft alle Anhänger der Anderen Kampagne auf, sich von ihren Orten aus, mit allen Mitteln und in allen Formen in Unterstützung der APPO zu manifestieren und die sofortige Absetzung des Mörders Ulises Ruiz sowie seine Bestrafung und die seiner Meuchelmörder zu fordern.
Chronologie der Vorfälle
Stellungnahme OIDHO
28. Oktober 2006:
Die Regierung schickt Truppen: Etwa 4.500 Mitglieder der PFP und der Militärpolizei, 16 Militärflugzeuge, 4 Hubschrauber, 1 Kampf- und 1 Ultraleichtflugzeug werden ausgemacht und sammeln sich in den Dörfern Santiaguito Etla, Hacienda Blanca und Santa Rosa.
Chronologie der Vorfälle
29. Oktober 2006:
Mit Wasserwerfern, Schaufelbaggern und Tränengas dringen Brigaden der Präventivpolizei PFP in Richtung Zócalo vor und besetzen die Straßen und Räume des Historischen Stadtzentrums. Radio APPO ruft dazu auf, friedlich zu bleiben und weder mit Steinen noch sonst was auf Aggressionen zu reagieren.
60 Verhaftete, 30 Verschwundene und mindestens 2 Tote werden gemeldet, Verletzte und Verhaftete werden verschleppt und gefoltert.
25.000 Personen wollen vom Distrito Federal aus in einer großen Karawane nach Oaxaca aufbrechen.
Gouverneur Ruiz, der in den Medien behauptete, er sei die ganze Zeit in Oaxaca und beobachte die Situation, wurde in der Hauptstadt Mexiko City von mehreren tausend DemonstrantInnen aus einem Hotel vertrieben, in dem er sich versteckt hielt, konnte jedoch unter dem Schutz der Polizei flüchten.
Bericht eines Augenzeugen
Chronologie der Vorfälle
30. Oktober 2006:
Mindestens 4 Tote werden nach den gestrigen Polizeieinsätzen gemeldet. Ulises hingegen zeigt sich zufrieden, da die Normalität in der Stadt ohne jede Gewalt wieder hergestellt worden sei.
Stellungnahme APPO
Solidemo in Wien
weitere Demos
call to action
Stellungnahme des CNI
31. Oktober 2006:
Der mexikanische Senat und die Abgeordnetenkammer fordern nach Wochen des Schweigens Ulises Ruiz Ortiz nun endlich dazu auf, sein Amt aufzugeben.
1. November 2006:
Die Polizei kontrolliert den unmittelbaren Stadtkern in Oaxaca Stadt, in den umliegenden Straßen und weiten Teilen der gesamten Stadt zeugen brennende Barrikaden und die ständigen Proteste mehrerer tausend Menschen von einer nach wie vor explosiven Situation.
Anstelle ihres Hauptcamps auf dem nun von der Bundespolizei abgesperrten Zocalo haben APPO und Lehrergewerkschaft sich wenige Blocks entfernt auf dem Vorplatz der Kirche von Santo Domingo versammelt. Von der angekündigten Rückkehr der seit fünf Monaten streikenden Lehrer konnte zu Wochenbeginn keine Rede sein. Vielmehr hielten nahezu alle Geschäfte und Institutionen in Oaxaca-Stadt ihre Türen geschlossen.
Das auf dem Gelände der staatlichen Autonomen Universität Benito Juárez liegende Radio Universidad wird von den APPO-Sympathisanten weiträumig abgesichert und hält den Sendebetrieb nach wie vor aufrecht.
Flavio Sosa, Mitglied der provisorischen APPO-Führung, spricht von bisher über 60 Verhafteten, die teilweise in einer Militärkaserne vor Oaxaca-Stadt gefoltert würden.
Solidemo in Berlin
2. November 2006:
Räumungsversuch der Uni: Um 8 Uhr morgens beginnt PFP ihren Vormarsch gegen Radio Universidad. Zunächst gelingt der Überfall, einige Barrikaden werden beseitigt, doch bald sind die PFP-Truppen mit erbittertem Widerstand von allen Seiten konfrontiert. Am Nachmittag sind die Wasserwerfer leergespritzt, Helikopter werfen noch immer flächendeckend Tränengasbomben, doch die Bevölkerung weicht nicht zurück und der Polizeiüberfall muß abgebrochen werden.
Die APPO fordert den Abzug der PFP aus Oaxaca und die lebendige (!) Freilassung der Verhafteten und Verschleppten.
Chronologie der Vorfälle
3. November 2006:
6. Mega Demo in Oaxaca.
4. November 2006:
In Solidarität mit der aufständischen Bevölkerung von Oaxaca blockiert die Andere Kampagne die Grenzbrücke von Ciudad Júarez nach Texas. Auch in Chiapas und Mexiko Stadt sind zahlreiche Straßen durch Proteste gesperrt.
5. November 2006:
Das Oaxakenische Menschenrechtsnetzwerk "Red Oaxaqueña por los Derechos Humanos en Oaxaca" – RODH – veröffentlicht eine Liste mit Namen von Personen, die in der letzten Woche im Laufe der Proteste in Oaxaca-Stadt und in den Regionen des Bundesstaates verhaftet wurden oder umgekommen sind. Das Netzwerk berichtet von 87 Verhaftungen (53 davon immer noch in Haft), 45 verschwundenen und 33 verletzten Personen (darunter 5 Journalisten). 6 Menschen wurden ermordet.
6. November 2006:
Knapp eine Million Menschen beteiligt sich in Oaxaca an der 6. Mega-Demo gegen Ulises, der am Tag zuvor noch in bezahlten Werbespots verkündet hatte, das Volk stehe hinter ihm.
Die Militarisierung hat das ganze Land erfasst, rigorose Straßenkontrollen werden aufgebaut, der Student Marcos Sánchez Martínez wird am frühen Morgen an einer Barrikade vor der Uni mit einem Bauchschuß niedergestreckt.
Fünf verschiedene bewaffnete revolutionäre Organisationen bekennen sich zu den Bombenanschlägen auf das Wahltribunal, den zentralen Sitz der PRI und eine Bankfiliale und kündigen an, dass diese "politisch-militärischen" Aktionen auf 40 wichtige nationale und transnationale Firmen ausgeweitet werden, ebenso wie auf "falsche" Institutionen von Politik und Regierung, die "den Staatsbetrug" finanziert und durchgeführt haben und hinter der "institutionalisierten neoliberalen Gewalt" stehen, mit der gegen das Volk von Mexiko vorgegangen wird.
Die Gruppen "Movimiento Revolucionario Lucio Cabañas Barrientos", "Tendencia Democrática Revolucionaria-Ejército del Pueblo", "Organización Insurgente Primero de Mayo", "Brigada de Ajusticiamiento 2 de Diciembre" und "Brigadas Populares de Liberación" fordern den Rücktritt des Gouverneurs, den Abzug der "föderalen Besatzungstruppen"; die unverzügliche Präsentation der Verschwundenen und politischen Gefangenen von Atenco und Oaxaca und die Bestrafung "der intellektuellen und materiellen Urheber der Folter, die Vergewaltigungen und des sexuellen Missbrauchs von Aktivisten der verschiedenen sozialen Bewegungen" des Landes.
Sie erklären weiter, dass die "Militanten und Kämpfer" dieser revolutionären Gruppen mit den politisch-militärischen Aktionen fortfahren würden. "Wir erklären uns für diese Vorfälle voll verantwortlich und bitten die Bürger um Entschuldigung, die in ihrem Alltagsleben gestört wurden und indirekt von diesen Aktionen betroffen waren, und weisen energisch darauf hin, dass die Hauptverantwortlichen der sozialen und politischen Gewalt in unserem Land die Mächtigen und die Reichen sind, die einen schmutzigen neoliberalen Krieg gegen das Volk von Mexiko begonnen haben."
7. November 2006:
Calderón
verkündet vor der mexikanischen Handelskammer (Comce), dass in Mexiko der Respekt vor dem Gesetz, vor der Autorität verloren gegangen sei, was bedeute, dass "der Respekt vor den Anderen, vor der Gemeinschaft, welche wir sind, die Gesellschaft, in welcher wir leben, der Respekt vor dem Land, welches wir haben, verloren gegangen ist. Wir müssen schwer arbeiten, um die Fähigkeit des Staates, Front gegen das Verbrechen und den Terrorismus zu machen, wieder zu erlangen".
Beim Kampf gegen das Verbrechen gäbe es keine andere Alternative als die Wiedererlangung und Stärkung des Fähigkeit des Staates, um die Schutzrechte der Bürger zu garantieren, obwohl die Kosten hoch wären und es nicht sofort Ergebnisse gäbe.
"Ich will ehrlich sein, nach meiner Vorstellung wird es nicht einfach, es
wird nicht kurzfristig. Es wäre anmaßend sofort Ergebnisse anzubieten, es wäre eine unverzeihliche Prahlerei zu sagen, dass die Lösung einfach und in Reichweite ist. Es wird Zeit dauern, es sind Mittel notwendig und wird möglicherweise es leider auch Menschenleben kosten, aber für mich gibt es keine Alternative."
11. November 2006:
Die APPO hält ihren offiziellen Gründungskongreß ab.
Die aktuellen Zahlen der Opfer der Repression des nun seit über 173 Tagen andauernden Kampfes in Oaxaca werden veröffentlicht: 17 Tote, 400 Verletzte, 61 Verschwundene, 337 Verhaftete, von denen sich 53 Menschen noch immer in Haft befinden, wobei viele der Verhafteten von brutaler Folter berichten.
Die Kirche in Oaxaca unter Bischof José Luis Chávez Botello hat APPO-Aktivisten, welche per Haftbefehl gesucht werden, in den letzten Tagen Asyl gewährt. Der Bischof erklärt jedoch, dass die Kirche keine Garantie für die Sicherheit der APPO-Leute übernehmen könne, da dies eigentlich der Staat tun sollte.
Radio Universidad sendet noch immer, ist jedoch nur teilweise im Internet hörbar.
12. November 2006:
Sieben Frauen, vier Männer und zwei Kinder werden in Viejo Velasco (Montes Azules / Chiapas) von Paramilitärs ermordet. Mit Schußwaffen ausgerüstet, attackieren die Angreifer aus Nueva Palestina das Dorf in zwei Gruppen. Artemio Benítez Pérez, Domingo Pérez López, Elizabeth Benítez Pérez, Felicito Pérez Parcero, Filemón Benítez Pérez, Hilario Pérez López, María Núñez González, María Pérez González, María Pérez Pérez, Martha Pérez Pérez, Noyli Benítez Pérez, Pedro Núñez Pérez, Petrona Núñez González und ein noch nicht getauftes Neugeborenes sterben.
13. November 2006:
Die Polizei errichtet Straßensperren und verhindert den Zutritt in die Gemeinde Viejo Velasco, um die Verletzten zu versorgen. Mehrere noch nicht identifizierte Gefangene befinden sich vermutlich noch in der Gewalt der Angreifer.Gerüchten zufolge sollen mindestens fünf weitere Gemeinden in der Selva Lacandona durch öffentliche Kräfte gewaltsam geräumt worden sein: Flor de Cacao, Nuevo Tila, Ojo de Agua Tsotsil, Velasco Suárez und San Jacinto Lacanjá.
Der Rat der Guten Regierung in Roberto Barrios untersucht gemeinsam mit dem Menschenrechtszentrum Fray Bartolomé de Las Casas die Vorfälle. Dem Angriff gingen zahlreiche Übergriffe voraus, die von Menschenrechtsorganisationen denunziert, von den Regierungsstellen jedoch ignoriert wurden:
Am 14. Juli bezog die Öffentliche Sicherheitspolizei nahe der Gemeinde von Ojo de Agua in El Progreso Stellung und drohte, die Familien dieser Gemeinde gewaltsam zu räumen, Familien, die ihr Recht auf Land als indigene Völker verteidigen.
Am 19. September erschienen Comuneros aus Nueva Palestina, bewaffnet mit Macheten, Gewehren, Schaufeln, Pickeln und Steinen, zerstörten das Haus einer Familie und feuerten Kugeln auf ein Gebäude, in dem Frauen und Kinder schliefen.
Am 4. Oktober griffen Comuneros aus Nueva Palestina zwei Campesinos auf ihren Bohnenfeldern mit Gewehren an und vernichteten die Ernte.
Am 9. Oktober greifen Mitglieder der regierungsfreundlichen Gemeinde Nueva Palestina die Einwohner von Viejo Velasco Suarez an, zerstören ein Haus und verschleppen einen Angehörigen der Gemeinde.
19. November 2006:
Die Zapoteken, Mixes und Chinanteken rufen in einer gemeinsamen Erklärung dazu auf, eine neue Grundlage der oaxakenischen Gesellschaft zu schaffen.
Erklärung der Völker von Oaxaca
25. November 2006:
7. Mega Demo.
Die Regierung Ulises holt zum Schlag aus, um die Protestbewegung endgültig von der Starße zu verdrängen. Bevor die Demonstration die Innenstadt erreicht, beginnt ein brutaler Polizeieinsatz unter Verwendung von Schusswaffen. Über 200 Menschen werden von der PFP verhaftet, mehr als 100 Menschen gelten als verschwunden. Es kommt zu Misshandlungen und Folter.
Bericht eines Augenzeugen
27. November 2006:
Einem Student wird in den Magen geschossen, ein anderer verschleppt. Drei Lehrkräfte wurden aus den Räumen des Staatlichen Instituts für Öffentliche Bildung von Oaxaca verhaftet. An der Straßenkreuzung el Rosario werden weitere Menschen von paramilitärischen Gruppen verschleppt. Sarah Ilich Weldon aus Paris wird mit zwei weiteren Leuten auf offener Strasse verhaftet. Der Menschrechtsaktivist Alberto Tlacäl Cilia Ocampo wird verhaftet, schwer gefoltert, mit dem Tod bedroht und zur Unterschrift von ihn belastenden Aussagen gezwungen. Die Gefangenen vom 25. November werden in das Hochsicherheitsgefängnis von Nayarit verlegt, Anwälten und Angehörigen wird der Zutrit verweigert.
28. November 2006:
Die PFP macht Jagd auf ca. 100 Ausländer, die an den Protesten vom 25. November beteiligt gewesen sein sollen.
29. November 2006:
Die PFP räumt die letzte Barrikade der APPO in Oaxaca-Stadt. Der neue Präsident Calderón lässt keinen Zweifel daran, dass er auf eine harte Linie gegen die Opposition setzen wird. Sein wirtschaftsliberal und konservativ ausgerichtetes Kabinett wird vom als rechten Hardliner bekannten Gouverneur des Bundesstaates Jalisco, Francisco Ramírez Acuña als neuer Innenminister angeführt.
Acuña trägt die politische Verantwortung für die Folter an Globalisierungskritikern, die 2004 nach einer Demonstration gegen den EU-Lateinamerika-Gipfel festgenommen wurden.
30. November 2006:
Die Untersuchungsbehörden setzen die Mörder des Indymedia Journalisten Brad Will - beide Gemeindepolizisten in Oaxaca - auf freien Fuss.
1. Dezember 2006:
Mitarbeiter des mexikanischen Menschenrechts-Komitees für Verhaftete und Verschwundene melden, dass mindestens 200 politische Gefangene der Bewegung in Oaxaca auf verschiedene Gefängnisse in ganz Mexiko verteilt wurden, mindestens 100 Personen gelten als verschwunden.
Die LehrerInnen sind zum Grossteil in die Schulen zurückgekehrt, doch angesichts der Repression hat die LehrerInnengewerkschaft der Sektion 22 beschlossen, einen zweitägigen Streik von 25.000 LehrerInnen in grossen Teilen von Oaxaca durchzuführen.
2. Dezember 2006:
Die EZLN ruft dazu auf, Oaxaca zu unterstützen. Die APPO antwortet: "Wir grüßen die EZLN und die Andere Kampagne und rufen beide dazu auf, gemeinsam die Einheit der Unzufriedenen, der Besitzlosen, der Verschiedenen, der Landlosen, der Obdachlosen zu stärken, damit wir wie ein einziger Mensch unseren gemeinsamen Feind besiegen können.
Brüder und Schwestern der EZLN, in Oaxaca haben die Verschwörung der Regierungen des Bundesstaates und des Landes (eine mit Blut besiegelte Verschwörung) die Forderung nach Gerechtigkeit zu einem Verbrechen gemacht und haben eine grausame Verfolgung unseres Volkes aufgenommen. Heute hat die APPO keinen Ort mehr, um sich zu versammeln, es gibt keine Straße in Oaxaca, wo man demonstrieren kann, ohne dass Compañeros im Gefängnis landen.
Oaxaca ist in einem militarisierten Zustand. Das, Compañeros, schreckt uns nicht, es zeigt uns nur, wie gerecht unser Kampf ist.
Die APPO befindet sich heute in der Dunkelheit der Nacht, wohl wissend, dass nicht viel fehlt, bis der Tag voller Licht anbricht."
4. Dezember 2006:
Wenige Stunden nach einer Pressekonferenz in Mexiko-Stadt werden der APPO-Sprecher Flavio Sosa und drei weitere Aktivisten des Bündnisses verhaftet. Ihnen wird Entführung, Raub, Körperverletzung und Sachbeschädigung vorgeworfen. In Oaxaca werden Schulen durch die Polizei gestürmt, um weitere Haftbefehle gegen Lehrer durchzusetzen.
30. Dezember 2006 - 2. Jänner 2007:
In Oventik findet das "Erste Treffen der Zapatistas mit den Völkern der Welt" statt. An vier Tagen wird in sechs Arbeitskreisen über die Fortschritte seit dem Aufstand und der Einrichtung der autonomen Regierungen berichtet, auf Fragen geantwortet und den Beiträgen der nationalen und internationalen TeilnehmerInnen zugehört. Etwa 4.000 Gäste aus über 30 Ländern aller fünf Kontinente werden von ebensovielen Zapatistas empfangen.
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