Oaxaca Das wichtigste aber ist, dass es sich längst nicht mehr um eine Bewegung des Magistrats der Lehrer handelt, sondern des Volkes, das alle Sektoren der Gesellschaft einschließt. All diese sind in der APPO (Asamblea Popular del Pueblo de Oaxaca - Volksversammlung des Volks von Oaxaca) organisiert. Die APPO ist Organisation, Bündnis und Versammlung zugleich, in der sich Delegierte der über 300 Organisationen, die die APPO bilden, täglich treffen, um aktuelle Fragen zu diskutieren, Sachen zu organisieren und Entscheidungen zu treffen. Natürlich ist es nicht leicht, in einem Bündnis, das neben der Lehrergewerkschaft nicht nur Organisationen und Gruppen von Arbeitern verschiedener Bereiche, Studenten und Professoren, Indigene, Frauen, Jugendliche, kirchliche Basisgemeinden, Ärzte und Gesundheitsarbeiter, Nachbarschaftsorganisationen und alle möglichen andere Sektoren umfasst, sondern auch ideologisch höchst unterschiedlich ist und von den verschiedensten marxistischen Strömungen zu libertären, aber auch reformistischen Ideen reicht, zu gemeinsamen Positionen zu kommen. Um so erstaunlicher, dass die Zusammenarbeit und Entscheidungsfindung bisher ohne größere Streits und Spaltungen zu funktionieren scheint. Und das konstant über Monate: Der Kampf geht mittlerweile über drei Monate, und obwohl alle erschöpft sind, ist von Müdigkeit und Resignation keine Spur und alle sind sich einig, weiter zu machen, bis Ulises zurück tritt. Das ist allerdings auch erst mal der einzige gemeinsame Nenner der Bewegung. Aber dass es damit nicht getan ist, dass viel tiefgreifendere Veränderungen nötig sind, ist auch eigentlich allen klar, zumindest den Mitgliedern der APPO. Deshalb gibt es Diskussionen über eine neue Verfassung, die umfassende Reformen bedeuten würde. Doch so wichtig diese Debatten über die Zukunft der Bewegung sind, ist es schwierig, konstant Mobilisierungen aufrecht zu erhalten und sich gleichzeitig diesen Fragen zu widmen. Vor allem angesichts der Repression, mit der sie sich ständig konfrontiert sieht und die gerade jetzt wieder besonders brutale Züge annimmt: Am 9. August wurde auf einer Demo ein Demonstrant erschossen; in der Nacht vom 20. auf den 21. August wurde bei dem Versuch der Räumung eines Plantons eine weitere Person erschossen, ein Architekt, der als Sympathisant bei der Bewachung des Platons helfen wollte. Es handelte sich dabei um ein Planton bei einem besetzten Radio. Die Vorgeschichte: Vor zwei Wochen wurde der lokale Fernsehsender Kanal 9 (eine staatliche regionale Station, die im gesamten Staat Oaxaca sendet, vergleichbar mit den Dritten in Deutschland), der ständig gegen die Bewegung gehetzt hatte, im Anschluss an eine Frauendemo kurzerhand besetzt. Ihre "Waffen", mit denen sie das erreichten: Cazerolas, große Kochtöpfe. Angesichts von tausendfacher Frauenpower kapitulierten die Angestellten des Senders ohne Kampf und damit hatte die Bewegung plötzlich einen eigenen Fernsehsender!! Mit der Hilfe von einigen Kommunikationsprofessoren und -studenten gelang es ihnen schnell, diesen in Betrieb zu nehmen und zu senden, ebenso wie das dazugehörige Radio, das sich innerhalb von nur zwei Wochen zu einem der wichtigsten Kommunikationsmittel der Bewegung entwickelte. |