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Nach zweijährigem Schweigen meldet sich die
EZLN wieder in der Öffentlichkeit.
Mehr als 20.000 Indígenas und Campesinos besetzen mit einer
Großdemonstration den völlig überfüllten Hauptplatz
von San Cristóbal de las Casas, um die Botschaften der Comandantes
Tacho, Esther,
David, Fidelia,
Omar, Mister
und Brus Li
zu hören. |
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Zapatistas nehmen San Crisóbal erneut
ein
Neun Jahre nach dem Aufstand vom 1. Januar 1994 besetzen mehrere zehntausend
Indigene der EZLN mit einer Grossdemonstration in der Neujahrsnacht die
Stadt San Cristóbal de las Casas erneut. Die mexikanische Polizei
und die Bundesarmee versucht, die Zapatistas auf dem Anmarsch einzuschüchtern.
Kein Frieden ohne Gerechtigkeit!
Die Zapatistas demonstrieren in diesen Tagen ihre ungebrochene Stärke,
mit zahlreichen lokalen Feiern, neuen Landbesetzungen (bspw. das Rancho
Esmeralda nahe von Ocosingo) und einer massivenDemonstration von Tzotziles,
Tzeltales, Choles und Tojolabales in San Cristóbal. Die Machtdemonstration
der Aufstandsbewegung straft die mexikanische Regierung Fox Lügen,
welche behauptet, der Konflikt in Chiapas sei gelöst.
Doch die verwässerte Verfassungsreform über die indigenen Rechte,
welche im April 2001 verabschiedet wurde, ist ein Hohn gegenüber
den 52 indigenen Völkern Mexikos. Aus ihr spricht der jahrhundertealte
Rassismus und die Angst, daß bei der Gewährung von indigenen
Rechen, ja gar indigener Autonomie, den nationalen und multinationalen
Konzernen Schranken zur Ausbeutung der natürlichen Ressourcen gesetzt
würden.
Seit April 2001 herrscht deshalb Funkstille zwischen der Regierung und
den Zapatistas, welche im Frühjahr 2001 ihre Forderung nach Anerkennung
der indigenen Rechte in einem "Marsch der indigenen Würde"
bis in die Hauptstadt trugen und im Kongreß vertraten. Seit letztem
September sind auch die juristischen Einsprachen gegen die verwässerte
Verfassungsreform vom höchsten mexikanischen Gericht abgelehnt worden.
Einzig Einsprachen bei internationalen Organisationen wie der ILO sind
noch hängig, aber der ILO fehlt die Macht zur Durchsetzung ihrer
Abkommen und Empfehlungen. In diesem langen Schweigen der Zapatistas,
das zwanzig Monate andauerte, haben Regierungsorgane ihre Arbeit zur Aufstandsbekämpfung
fortgesetzt und viele indigene Gemeinden mit intensiver assistenzialistischer
Politik weiter gespalten.
Regierungsnahe Medien verbreiteten gezielt Gerüchte über die
Zersplitterung oder gar Auflösung der zapatistischen Aufstandsbewegung,
die vor vier Jahren bei einer nationalen Befragung über die indigenen
Rechte rund 300'000 Mitglieder allein im Bundesstaat Chiapas zählte.
Die EZLN unterstützt Montes Azules
In einem Communiqué vom 29. 12. 2002, mit dem das Schweigen der
Zapatistas beendet wurde, betont der Sprecher der EZLN, Subcomandante
Marcos, daß die von der Räumung bedrohten Gemeinden in dem
Naturschutzgebiet "Montes Azules" um die Unterstützung
der EZLN angefragt hätten.
Die 42 räumungsbedrohten Siedlungen, in denen etwa 25.000 meist zapatistische
Indígenas wohnen, beschädigen laut Regierung (und zahlreicher konservativer
Umweltschutz-NGO's, darunter der WWF) die Natur in der Naturschutzzone.
Subcomandante Marcos betont jedoch, daß die meisten BewohnerInnen
Vertriebene des schmutzigen Krieges gegen die zapatistische Basis sind
und die Räumungen lediglich Maßnahmen zur Aufstandsbekämpfung
im von Zapatistas kontrollierten "Hinterland" des lakandonischen
Urwaldes sind. Die BewohnerInnen der Montes Azules hätten der EZLN
erklärt, daß sie sich entschieden hätten, "hier zu
bleiben, auch wenn dies ihr Leben kosten sollte, solange nicht die zapatistischen
Forderungen erfüllt sind". Sollte der Zeitpunkt der Auseinandersetzungen
kommen, dann gäbe es keine neue Kriegserklärung oder weitere
Communiqués, so Subcomandante Marcos.
Von der indigenen Autonomie ...
Die zapatistische Bewegung ist in den letzten Jahren um einige Mitläufer
geschrumpft, doch der Großteil der Bäuerinnen und Bauern, welche
seit neun Jahren im Widerstand sind, lassen sich von den Almosen der Regierung
nicht kaufen, wie die aktuellen Demonstrationen und die Auseinandersetzungen
um die Montes Azules zeigen. In den indigenen Bezirken, die sich zu "autonomen
Gemeinden im Widerstand" erklärten, funktioniert eine revolutionär-indigene
Struktur, welche in den Bereichen wie Gesundheitsversorgung, Schulwesen,
Versorgungs- und Verkaufskooperativen und in der Selbstverwaltung, vom
Frauen- bis zum Ältestenrat, zunehmend Form annimmt. Die indigene
Autonomie, welche den Regierungen und Konzernen ein Dorn im Auge ist,
wird von der zapatistischen Basis täglich in die Praxis umgesetzt.
Die Zapatistas gewannen so ihre Würde zurück, während die
Bauernfamilien, welche Regierungsgelder annehmen, zunehmend vom Subventionstropf
der Regierung abhängig sind.
... über den Bauernprotest gegen den Freihandel ...
Der Beitritt Mexikos zum nordamerikanischen Freihandelsabkommen NAFTA
war die Initialzündung für den zapatistischen Aufstand 1994.
Am 1. 1. 2003, werden im Rahmen des NAFTA-Abkommens weitere 45 Agrarprodukte
"liberalisiert" - die Appelle für ein Liberalisierungs-Moratorium
verhallten ungehört. Gegenüber der hochsubventionierten nordamerikanischen
Agrarindustrie und der Dumpingpolitik der Multis wie Cargill oder Nestlé
haben kleinere und mittlere Bauernhöfe in Mexiko - wie auch in der
USA und Kanada selber - keine Chance. Die 24 Millionen MexikanerInnen,
welche von der Landwirtschaft leben, sehen düsteren Zeiten entgegen.
Neben der Subsistenzproduktion sinken die Marktpreise ihrer "cash
crops" unter die Produktionskosten, die Kaffeekirschen verfaulen
an den Sträuchern, das Geld für Kleider, Schulwesen und Medizin
fehlt und in der Folge läßt die Landflucht ganze Regionen verwaisen.
Eine landesweite Koalition aller Bauernorganisationen namens "El
campo no aguanta más!" ("Die Landwirtschaft erträgt
nicht mehr!") hat mit aufsehenerregenden Mobilisierungen begonnen.
Sie drangen Anfang Dezember in das Bundesparlament ein, blockieren seit
Tagen die Verkehrswege des Bundesstaates Morelos und kündigen an,
diese Blockaden ab dem 1. 1. 2003 auf alle großen Häfen und
wichtigen Grenzübergänge des Landes auszudehnen.
Das ländliche Mexiko kämpft um seine Existenz. Zusätzlich
zur erneuerten Kriegserklärung der indigenen Völker in Chiapas
befindet sich der mexikanische Staat auch noch in Konfrontation mit einer
zu vielem entschlossenen Bauernbewegung. Dabei hat Mexiko als südlicher
Nachbar der USA und neuntgrößte Ökonomie der Welt eine
strategisch wichtige Rolle in Lateinamerika als Vorreiter des - auslaufenden
- neoliberalen Wirtschaftsmodells. Und auch der mexikanische Widerstand
gegen den Neoliberalismus ist seit dem 1. 1. 1994 ein wichtiger Referenzpunkt
für die internationale Bewegung gegen die Globalisierung der Reichen.
... zum weltweiten Widerstand gegen den Neoliberalismus!
Der Champaner an den Neujahrsfeiern hinterläßt bei der dünnen
mexikanischen Oberschicht also erneut den bitteren Nachgeschmack der sozialen
Rebellion, des Aufstandes der verarmten und marginalisierten Bevölkerungsmehrheit.
Und dies ist erst der Auftakt, denn im Jahre 2003 werden zahlreiche umstrittene
Großprojekte im Rahmen des "Plan Puebla Panama" begonnen,
um das Land und ganz Zentralamerika für das "Gesamtamerikanische
Freihandelsabkommen" (FTAA) "fit" zu machen. Außerdem
soll im September 2003 die fünfte Ministerkonferenz der WTO im Touristenstädtchen
Cancún an der mexikanischen Karibikküste stattfinden, an der
die Landwirtschaft weltweit weiter liberalisiert werden soll. Die internationalen
Mobilisierungen gegen diese WTO-Runde sind bereits angelaufen, es ist
von einem möglichen zweiten Seattle die Rede, die Durchführbarkeit
des Anlasses in dem sonnigen Touristenort wird diskutiert.
Davos lässt grüßen! Die Zapatistas haben durch ihre kämpferische
Entschlossenheit, ihre erfrischende Offenheit und ihre Fantasie dem weltweiten
Widerstand gegen den Neoliberalismus viele Impulse gegeben. Daß
sie jedoch nicht Geschichte sind, zeigt ihre starke Demonstration am neunten
Jahrestag des Aufstandes und ihr aktiver Beitrag zu einer "Welt,
in der viele Welten Platz haben".
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