Oktober 2004

Querid@s compañer@s!

Nach der Sommerpause nach langer Zeit wieder einmal ein paar Zeilen aus México D.F., diesmal mit etwas schlechtem Gewissen, weil die Sendepause wirklich lang war.
Ich hoffe, Ihr hattet alle einen feinen Sommer und seid wieder absolut startbereit für neue actions... Von unseren actions des letzten Jahres möchte ich Euch ein bißchen erzählen, keine Angst, werde versuchen, mich kurz zu halten...

Die Arbeitsbereiche der Kooperative Smaliyel sind gleich geblieben: Kaffee- und Honigvertrieb, Gesundheit, Bildung, Frauen, Arbeitsbrigade, wobei ein Teil der Gruppe den Kaffeevertrieb und das Bildungsprojekt (gemeinsam mit der Frente Zapatista und der Red Zapatista) überhat und unsere Gruppe sich ausschließlich auf das Gesundheits- und Frauenkunsthandprojekt und die Arbeitsbrigaden konzentriert.
Die letzte im Juli war wieder ein voller Erfolg, diesmal zwar leider ohne österreichische Präsenz, dafür aber mit Leuten aus unterschiedlichen Bundesländern Mexikos, aus Spanien und der USA.
Die Arbeitsbrigaden dieses Jahres standen unter dem Motto der Malariabekämpfung, d.h. konkret vor allem der Beschaffung von Medikamenten und Mückennetzen hier in der Stadt, der Reinigung des Caracols von Infektionsherden wie Tümpeln, Müllablagerungen, dichtem Gebüsch, offenen Kloaken, etc. und dem Bau von sogenannten "Trockenlatrinen".
Hand in Hand dazu fanden auch ein paar Bildungs- und Aufklärungsmaßnahmen bzgl. der Malariabekämpfung für die Dorfbevölkerung statt, die im Laufe der nächsten Brigaden ausgebaut werden sollen.

Eine erfreuliche Nachricht im Bereich Gesundheit ist, daß die Klinik in Francisco Gómez durch Hilfe italienischer Soli-Gruppen mittlerweile ausgebaut und mit einem Laboratorium, einem Schlafsaal und einer Rettungsambulanz ausgestattet wurde. Ein Operationssaal soll als nächstes in Angriff genommen werden.
Nach wie vor fehlt allerdings professionelles Personal, das konstant die Klinik betreut. Ärzte und Krankenschwestern, die manchmal die Arbeitsbrigaden begleiten sind immer die ganze Woche voll im Einsatz und führen meistens gleichzeitig Fortbildungskurse für die "promotores de salud" - die Gesundheitsverantwortlichen in den Gemeinden - durch. Diesmal wurde ein Impfungskurs angeboten.

In Mexiko City wird im Moment gerade die kleine Arztpraxis des Gesundheitsprojektes in der "Casa de la Cultura Independiente Benito Juárez" renoviert, deren Schwerpunkt nach wie vor die Herstellung von alternativer Medizin und alternative Gesundheitsberatung ist. Gemeinsam mit der Frauengruppe der Kooperative wurde auf dem Grundstück einer compañera ein kleiner Gemüse- und Heilpflanzengarten zur Herstellung der verschiedenen pflanzlichen Präparate angelegt.
Um das Gesundheitsprojekt finanziell zu unterstützen organisieren wird seit einem halben Jahr jeden zweiten Freitag im Monat einen Kulturabend in der "Casa de la Cultura" mit Musik, Theater, Literatur und Information zu gesundheitsbezogenen Themen wie Ernährung, Alternativmedizin, psychische Gesundheit, etc...
Dabei werden die Produkte der Kooperative, Essen und Kaffee verkauft. Am letzten Freitag wurde ein von den Frauen in Francisco Gómez gewebtes Bild verlost und die "neu eingetroffene Modekollektion" der Frauenschneiderwerkstatt präsentiert. Der Umsatz wurde diesmal dem Erwerb einer industriellen Nähmaschine für Francisco Gómez gewidmet.

Die Verantwortlichen der Arbeitsbrigade organisieren auch regelmäßig die Betreuung des Maisfeldes außerhalb von Mexiko City: Einmal im Monat, wenn es sein muß auch öfters, fährt eine Gruppe von Freiwilligen auf die "milpa", bleibt dort übers Wochenende und führt die notwendigen Arbeiten durch.
Letztes Wochenende wurde mit der Maisernte begonnen - ein Teil davon wird im Dezember mit der Arbeitsbrigade nach Francisco Gómez gebracht, ein Teil verkauft, und einen Teil essen wir... mmmmh.

Das Frauenkunsthandwerksprojekt "Mujeres en resistencia" (Frauen im Widerstand) beginnt sich auch langsam, aber stetig zu entwickeln. In Francisco Gómez wurde auf einer der Arbeitsbrigaden die Schneiderei renoviert und ausgebaut, in der im Moment einerseits Textilien für den Verkauf in der Stadt, andererseits Kleider für den Eigengebrauch der Dorfbevölkerung zu günstigen Preisen hergestellt werden.
Die Qualität der Textilien hat sich um vieles verbessert, auch das Angebot ist breiter: Hergestellt werden Taschen, Hosen, Blusen, Kleider und Röcke aus handgefärbten oder gebatikten Leinen- und Baumwollestoffen.
Um den Frauen in Chiapas bei der Produktion unter die Arme zu greifen, haben wir gemeinsam mit und in der "Casa de la Cultura" eine Schneiderei eingerichtet, wo die Frauengruppe aus Mexiko Stadt selber Textilien (im Moment vor allem handbestickte Taschen) herstellt. Die Vermarktung der Textilien findet vor allem auf Märkten, an der Uni und im privaten Umkreis statt.
Die Hälfte des Gewinns wird nach Abmachung mit den Frauen aus Francisco Gómez bar überbracht, die andere Hälfte in Materialien, die in Mexiko City billiger zu erstehen sind.

Da uns in der Frauengruppe auch unsere eigene Bewußtseinsbildung am Herzen liegt, veranstalten wir alle 14 Tage einen Frauenstudienzirkel, bei dem wir uns mit politischen, sozialen oder für uns persönlich wichtigen Themen auseinandersetzen. Leider ist es uns noch nicht gelungen, Frauen aus dem marginalisierten Stadtviertel, wo sich die "Casa de la Cultura" befindet, anzusprechen - so besteht unsere Gruppe vor allem aus Studentinnen und Akademikerinnen.

Eines unserer Ziele für die weitere Arbeit ist, unsere Kontakte zu anderen ideologisch nahestehenden Gruppen auszubauen. Im Moment haben wir guten Kontakt zu anderen zapatistischen Gruppen in Mexiko Stadt, zu einigen universitären Gruppierungen, seid neuestem auch zu "links-katholischen / befreiungstheologischen" Gruppen und zur zapatistischen ImigrantInnenorganisation MAIZ, wo ein reger Solidaritätsaustausch in Theorie und Praxis stattfindet, den wir gerne noch weiter ausbauen würden.

Viele liebe Grüsse hier von allen an alle!
Wir hoffen auf ein Wiedersehen irgendwo und irgendwann, in dieser Welt oder in einer, wo viele Welten Platz haben...
Un abrazo de las tierras del nopal,

Magdalena Wiesmüller