Teil 5:
Fünf Beschlüsse der Guten Regierung


Während des ersten Jahres der Räte der Guten Regierung, wurden einige interne Abkommen formalisiert, die seit längerer Zeit eingeführt wurden, und neue Beschlüsse wurden definiert. Sie betreffen den Schutz der Wälder, den Drogenhandel, den Schmuggel mit undokumentierten Migranten, den Fahrzeugverkehr in den Regionen und die Staatswahlen für Bezirkspräsidenten und dem Staatskongreß.


1. Über den Schutz der Wälder

Ich schreibe nun wortwörtlich eins der Gesetze ab, die in den Räte der Guten Regierung in Kraft sind. Der Wortgehalt variiert von einer Region zur nächsten, aber die Essenz ist die gleiche:

Gesetz zum Schutz der Bäume und der Natur

Nach Beschluß des Rates der Guten Regierung gilt dieses Gesetz in den Gebieten der Autonomen Bezirke in Rebellion ausnahmslos für alle; das Gesetz betrifft den Schutz der Wälder, weil der Wald Wasser und Sauerstoff produziert, weil er unser Leben ist und weil er auch die Tiere des Waldes beschützt; aus diesem Grund sollten wir alle verstehen, wie wichtig es ist, in allen Gebieten der Autonomen Bezirke für unsere Wälder zu sorgen.
Als Rat der Guten Regierung schlagen wir vor, daß jeder Bezirk eine Baumschule einrichtet, um die Umsetzung dieses Gesetzes zu unterstützen.

1. Bäume werden nur für häusliche Bedürfnisse gefällt, nicht zum Verkauf.
2. Wir sind verpflichtet, die Wälder zu hegen und zu schützen, und wir haben auch das Recht, die Bäume für häusliche Zwecke zu nutzen, mit einer Zulassung der autonomen Autoritäten.
3. Für jeden gefällten Baum ist die Person, die ihn gefällt hat, verpflichtet, zwei junge Bäume zu pflanzen und für sie zu sorgen.
4. Jedes autonome Gebiet soll Sanktionen gemäß ihren Satzungen verhängen.
5. Jedes unautorisierte Fällen wird mit der Pflanzung von 20 jungen Bäumen sanktioniert.
6. Alle Zulassungen sollen vom Land- und Gebietskomitee ausgestellt werden.

Nach einem existierenden Beschluß, soll jeder Bezirk, in dem es Raum für Wiederaufforstung gibt, ihn betreiben. Dabei sollen Bäume wiederaufgeforstet werden, die von der Gemeinde benötigt werden. Als geeigneter Raum für solche Anpflanzungen gelten solche Gegenden, die gut für Familienausflüge sind, zum Beispiel Flußufer.
Zum Beispiel im Autonomen Bezirk 17 de Noviembre, haben wir vier wiederaufgeforstete Zentren mit insgesamt 2.000 Zederbäumen.


2. Über den Anbau, den Schmuggel,
die Vermarktung und den Gebrauch von Drogen


Obwohl dieses Gesetz noch vor Beginn des Krieges zurückgeht, hat der Rat der Guten Regierung den Verbot des Drogenschmuggels formalisiert. Hier ist ein Beispiel:
"Der Rat der Guten Regierung verbietet auf zapatistischem Gebiet weiterhin jeglichen Anbau, Schmuggel und Konsum von Drogen. Zuwiderhandelnde werden nach zapatistischem Gesetz ausgewiesen. Zapatistische Unterstützungsbasen, die Rauschgift anbauen werden, aus ihrer Organisation und Heimatgemeinde ausgeschlossen. Das gleiche gilt für Konsumenten.
"Wenn eine Pflanzung entdeckt wird, werden die Pflanzen verbrannt und vernichtet. Die Person, die sie gepflanzt hat, muß die Kosten für die Vernichtung tragen, sowie für das Benzin, mit dem sie verbrannt werden, und wird aus seiner Organisation ausgeschlossen. Konsumenten werden mit zehn Tagen Arbeit und sechs Monaten Ausschluß aus der Organisation bestraft. Nach Beschluß des Rates der Guten Regierung soll jeder Bezirk in diesem Gebiet ein jährliches Gutachten erstellen, um sicher zu gehen, daß niemand diese verbotene Arbeit betreibt."


3. Über den Autoverkehr
in den Regionen der Räte der Guten Regierung


Fahrzeuge, die in der Region verkehren, müssen beim Rat der Guten Regierung registriert werden. Diese Maßnahme soll den Schmuggel von Personen, Drogen, Waffen und Holz unterbinden. Durch diese Kontrolle kann die Junta der Guten Regierung ein Fahrzeug, das an kriminellen Aktivitäten beteiligt ist, entdecken, untersuchen und im Falle eines Vergehens die Verantwortlichen, sofern es sich um Zapatisten handelt, gemäß unseren Gesetzen bestrafen. Wenn es sich um Nicht-Zapatistas handelt, werden sie den offiziellen Behörden überstellt.
Die zapatistische Fahrzeugregistrierung gestattet auch die Einrichtung von Transportrouten, so daß den Menschen jeden Tag ein Transportdienst zur Verfügung steht, und damit es keine Konflikte unter den verschiedenen Lastwagenorganisationen gibt.
Um zu verhindern, daß die zapatistische Regionen zu einer Anlaufstelle für gestohlene und illegal importierte Fahrzeuge wird, werden die JBG Registrierungen nur für Fahrzeuge mit ordnungsgemäßen, offiziellen Zulassungen ausgestellt. Damit ein Fahrzeug also bei der JBG registriert wird, muß es ein Autokennzeichen und einen Zulassungsschein haben. Der Fahrer muß auch seinen Führerschein vorzeigen können.


4. Über den Schmuggel undokumentierter Migranten

Vor einigen Monat begann das folgende Scheiben in den Räten der Guten Regierung und den Autonomen Räte zu zirkulieren:
Es gibt neuerdings eine ständig wachsende Anzahl undokumentierter Personen, die von sogenannten Polleros [dt.: Schleppern] auf den Weg in die Vereinigten Staaten getrieben werden. Diese Polleros sind Personen, die Menschenhandel betreiben und viel Geld von ihnen verlangen, mit dem Versprechen, sie in die Vereinigten Staaten zu bringen, um eine Arbeit zu finden.
In den meisten Fällen betrügen die Polleros die Männer und Frauen aus Mexiko und anderen Teilen Lateinamerikas und verlassen sie in Verstecken, in Autos oder setzen sie in der Wüste aus, und diese Männer und Frauen (und manchmal Kinder) müssen dann auf furchtbare Weise sterben.
Es ist auch bekannt, daß die Polleros Vereinbarungen mit den Bundesbeamten der mexikanischen Regierung haben, die am Geschäft beteiligt sind. Die Männer und Frauen, die aus anderen Ländern kommen und versuchen, in die Vereinigten Staaten zu gelangen, um dort zu arbeiten, sind in der überwiegenden Mehrheit arme, bescheidene Menschen, und ihre Rechte und Würde werden von den Polleros und den Staatsbeamten aus Mexiko und der Vereinigten Staaten verletzt.
Deshalb wurde der Beschluß gefaßt, den Schmuggel von Menschen mexikanischer oder ausländischer Herkunft durch zapatistisches Gebiet zum schweren Verbrechen zu erklären. Alle Autoritäten sollen davon in Kenntnis gesetzt werden, damit sie für die Einhaltung sorgen. Angehörige der EZLN, die sich am Menschenschmuggel beteiligen, ihn unterstützen oder schützen, sollen bestraft und in schwerwiegenden Fällen aus unserer Organisation ausgeschlossen werden.
Die Sicherheitskomitees des CCRI und der Räte der Guten Regierung sollen dafür sorgen, daß keine zapatistische Unterstützungsbasis, Komitee oder autonome Autorität das Verbrechen des Menschenhandels unterstützt oder schützt, da es sich dabei um ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit handelt.
Alle Menschenschmuggler (oder Polleros) die auf zapatistischem Gebiet entdeckt und festgehalten werden, werden gezwungen, den betroffenen Personen ihr ganzes Geld zurückzuerstatten und verwarnt, und wenn sie ihr Verbrechen wiederholen, werden sie den zuständigen Behörden überstellt, um nach mexikanischem Gesetz bestraft zu werden.
Alle Personen, Mexikaner oder Ausländer, die illegal geschmuggelt werden, sollen freigesetzt und mit allen Mitteln unterstützt (ärztliche Versorgung, vorübergehende Unterkunft und Ernährung) und beraten werden, um sich nicht wieder betrügen zu lassen.
Alle Menschen, ungeachtet ihrer Nationalität, können sich auf zapatistischem Gebiet völlig frei bewegen, aber sie unterliegen dabei den Gesetzen der Räte der Guten Regierung, der Autonomen Bezirke und der indigenen Gemeinden.
Die Räte der Guten Regierung und die Zapatistischen Autonomen Bezirke in Rebellion sollen die Compañeros und Compañeras der zapatistischen Unterstützungsbasen und die Mitglieder anderer Organisationen auf zapatistischem Gebiet von diesen Empfehlungen unterrichten, in dem Sinn, daß jeder Zapatista, der dieses Verbrechen verübt, nicht länger als Compañero anerkannt wird.

Die Ergebnisse? Hier sind einige Beispiele:

Morelia
"Hinsichtlich des illegalen Menschenschmuggels wurde zum Beispiel im Beispiel im Bezirk Ernesto Che ein Pollero festgenommen; er wurde zwei Tage lang inhaftiert und gewarnt, daß die Strafe nächstes Mal härter ausfallen würde. Den undokumentierten Personen wurde Unterkunft und Nahrung gewährt, sie wurden über die Gefahren der Reise aufgeklärt, dann erlaubte man ihnen zu gehen. Es gab einen Fall, in dem ein Compañero ihnen Pozol zu einem hohen Preis verkaufte. Der Compañeros, der diesen Fehler verübte, wurde bestraft."

La Garrucha
"Polleros, die beim Betrügen undokumentierter Personen erwischt werden, sollen festgenommen und gezwungen werden, das Geld zurückzuerstatten. Der Verkauf von Nahrungsmitteln, Wasser und Unterkunft an undokumentierte Personen ist auf zapatistischem Gebiet strengstens untersagt. Sie sind arm wie wir, und es ist unsere Pflicht, ihnen Wasser, Nahrung und Unterkunft zu Verfügung zu stellen, nicht, sie ihnen zu verkaufen. Wenn ein Pollero zum zweiten Mal festgenommen wird, soll er den Beamten der schlechten Regierung übergeben werden."

La Realidad
"Die JBG spricht direkt mit den undokumentierten Mittel- und Lateinamerikanern, und erklärt, wer sie ist. Sie erklärt, wie die Räte der Guten Regierung als Ergebnis des Kampfes der EZLN gegründet wurden, als zivile Autoritäten der EZLN-Unterstützungsbasen. Sie erklären die sieben Prinzipien des gehorchend Regierens und die Autonomie. Sie erklären, daß sie autonome Autoritäten sind, und daß sie gegen den Neoliberalismus kämpfen, den Plan Puebla-Panama, etcetera. Sie raten ihnen, ihr Land nicht aufzugeben, daß es sicherer ist, auf ihrem eigenen Stück Land zu arbeiten, daß es besser ist, in ihren eigenen Ländern für Demokratie, Freiheit und Gerechtigkeit zu kämpfen, daß ihr amerikanischer Traum nicht sicher ist, weil viele Menschen unterwegs sterben, daß es mit uns keine Probleme gibt und sie frei durchreisen könnten, weil wir genauso sind wie sie, daß wir nicht zulassen werden, daß man ihnen eine Menge Geld für ihre Reise raubt, weil so die Leute, die mit Undokumentierten ihr Geschäft treiben, reich geworden sind. Wir geben ihnen Essen, Getränke und Kekse. So fassen die Undokumentierten wieder Selbstvertrauen, und sie fangen an, über ihr Leben zu erzählen, sie sagen, daß einige von ihnen in ihren Ländern Radio Insurgente gehört haben. Sie sind dankbar. Alles Geld, daß den identifizierten Polleros abgenommen wird, wird unter den mittelamerikanischen Undokumentierten aufgeteilt, und die Polleros werden gewarnt, daß sie beim nächsten Mal schwer bestraft werden.
Bei einer anderen Gelegenheit, als eine Gruppe Mittelamerikaner, die zu Fuß reiste, angesprochen und der Pollero entdeckt wurde, der sagte, er sei ein Guatemalteke und führe Honduraner, Guatemalteken und Salvadorianer, und daß er von jedem der 27 Mittelamerikaner 1.500 Pesos verlangt hatte, wurde er durchsucht und eine Summe von 31.905 Pesos, 700 Quetzales und 31 Dollar wurde gefunden. Das Geld wurde ihm weggenommen und unter den Undokumentierten aufgeteilt. Derzeit wird ein Schmuggler mexikanischer Migranten festgehalten, der eine Haftstrafe von sechs Monaten absitzt, nachdem er bereits vorgewarnt wurde."


5. Über die Staatswahlen von Chiapas,
am 3. Oktober 2004


Im Juli dieses Jahres, stellten sich Delegierte der Staatlichen Wahlkommission (IEE) von Chiapas bei den verschiedenen Räten der Guten Regierung vor, um ein Abkommen zu erzielen, daß die Arbeit der IEE ermöglicht. Sie erhielten folgende Antwort:

An die Staatliche Wahlkommission von Chiapas, Mexiko,
Leitender Sekretär,
Tuxtla Gutiérrez, Chiapas, Mexiko.

Sehr geehrte Damen und Herren::
wir schreiben Ihnen um sie über folgendes zu informieren:
1. Wir erhielten Ihren Brief vom 14. Juli 2004, der respektvoll um die Hilfe dieser Junta der Guten Regierung ersuchte, um die Arbeit der Staatlichen Wahlkommission auf zapatistischem Gebiet zu ermöglichen.
2. Wie Ihnen sicher bekannt ist, glauben wir nicht daran, daß staatliche Wahlen einen echten Pfad für die Interessen des Volkes darstellen, aber wir wissen, daß einige Menschen sie noch als einen Weg betrachten, um die Probleme des mexikanischen Volkes zu lösen. Die politischen Parteien stehen hier in großem Verruf, weil sie sich nur um ihre eigenen Interessen kümmern und nicht um die der Mehrheit, aber es könnte einige Personen geben, die noch immer daran glauben, daß in jenen von oben noch etwas Ehrlichkeit steckt.
3. Unsere Aufgabe als Junta der Guten Regierung ist, dafür zu sorgen, daß in den zapatistischen Gebieten, die Meinungen und Lebensarten Aller respektiert werden, gleich ob Zapatisten oder Nicht-Zapatisten und auch Anti-Zapatisten. Denn wir wollen niemanden zwingen Zapatisten zu werden, sondern daß alle so sind, wie sie sein wollen, aber indem ihre verschiedenen Meinungen und Lebensarten respektiert werden und selbst respektieren.
4. Aufgrund dessen erklären wir, daß Sie keine Probleme bei der Ausführung Ihrer Arbeit in den Gemeinden haben werden, die Teil der Autonomen Bezirke dieses Rates der Guten Regierung sind, und die lauten: (Liste der Autonomen Bezirke). Wir ersuchen lediglich darum, daß so wie wir jene respektieren, die wählen wollen, Sie jene respektieren, die es nicht wünschen und niemanden zu zwingen, etwas zu tun, was er nicht tun will.
5. Deshalb haben Sie nun die Garantie, Ihre Arbeit auf den Gebieten verrichten zu können, die zu unserem Rat der Guten Regierung gehören, und wir werden dafür sorgen, daß es keine Probleme gibt, natürlich immer den Willen der Gemeinden respektierend.
In den Tagen vor den Wahlen vom 3. Oktober 2004 und am nämlichen Tag wird die staatliche Wahlkommission in der Lage sein, ihre Arbeit ohne irgendwelche Behinderungen seitens der zapatistischen Gemeinden zu verrichten.
6. Wir möchten Sie auch darauf aufmerksam machen, daß in der Liste der Gemeinden, die Sie uns in Ihrem freundlichen Brief schickten, einige aufgeführt sind, die nicht zu unserem Rat der Guten Regierung gehören, sondern (Name einer anderen JBG), und wir empfehlen Ihnen, sich an die Brüder und Schwestern dieses Rates der Guten Regierung zu wenden, um ihre Erlaubnis zu erhalten. Wir sind sicher, daß sie auf die gleiche freundliche und respektvolle Weise antworten werden, wie wir es tun.
7. Wie man sieht, kommt es durch gegenseitigen Respekt zu gutem Einvernehmen. Wir, die Zapatisten, möchten nichts aufzwingen, wir möchten nur respektiert werden, und daß es zwischen denen, die verschiedene Meinungen haben, eine gute Übereinkunft gibt.
Wir bedanken uns für den Ton Ihres Briefes und grüßen Sie auf gleiche Weise.
Aufrichtig,
(Unterschriften der Mitglieder der Junta der Guten Regierung)


aus den Bergen des mexikanischen Südostens
Subcomandante Insurgente Marcos