Zwischen dem Vergessen von oben und der Erinnerung von unten


Der Zwist um San Andrés:
Das Vergessen gegen die Erinnerung

Am 16. Februar 1996 unterzeichneten Vertreter der mexikanischen Bundesregierung und der EZLN die ersten Abkommen des sogenannten Tisches von San Andrés, der diesen Namen erhielt, da der Versammlungssitz sich in San Andrés Sacamch'en de los Pobres, in den Altos von Chiapas, befand. In diesen Abkommen wird ein Großteil der Rechte und der Kultur der indianischen Völker Mexikos anerkannt.
Zwei Jahre sind vergangen, und die Abkommen sind nicht erfüllt worden. Zwei Jahre, in denen sich der wirkliche Charakter des Tischs von San Andrés offenbart hat. Die Bundesregierung hat über ihre Sprecher (Zedillo, Labastida und Rabasa) in Worten und Taten deutlich gemacht, daß sie die Abkommen von San Andrés NICHT ERFÜLLEN wird.

Warum? Bis jetzt gibt es drei verbreitete Versionen.

1. Es heißt, sie sollen zwar erfüllt werden, aber man sei nicht mit der juristischen Auslegung der Gesetzesinitiative der COCOPA einverstanden.

2. Es heißt, die Regierung sei sich, leicht verspätet, klar geworden, daß diese Abkommen einem Vaterlandsverrat gleich kommen, da sie die nationale Souveränität bedrohen und zur Fragmentierung des Landes und / oder der Schaffung eines Staates im Staate führen würden.

3. Es heißt, die Regierung habe die Abkommen nicht mit dem Gedanken unterzeichnet, sie zu erfüllen, sondern, um einen Verhandlungswillen vorzutäuschen, den sie bei weitem nicht hat.

Es scheint wenig wahrscheinlich, daß die Weigerung der Regierung, Abkommen zu achten, die sie vor schon zwei Jahren unterzeichnet hat - und deren Nichterfüllung zu nichts anderem als zu einer Verschärfung ihres Kriegs im mexikanischen Südosten geführt hat - auf ein juristisches Auslegungsproblem zurückzuführen sind. Seit der Ablehnung der COCOPA-Initiative vor 14 Monaten hat die Regierung lediglich Argumente präsentiert, die sich gegenseitig widersprechen und in keinem Fall Argumente der Rechtstechnik sind.
Die Regierung verweigert auch nicht die Erfüllung der Abkommen, weil sie sich ernsthafte Sorgen um die Gefahren einer Balkanisierung oder eines Angriffs auf die nationale Souveränität machen würde. Die Abkommen von San Andrés enthalten nichts, was auf ersteres hindeuten oder sich gegen zweiteres richten würde. Die Regierung weiß das.
Demnach trifft der dritte Grund zu? Ja, aber er ist nicht vollständig. Die Unterzeichnung der Abkommen also solche barg keine besonderen Folgen , vor allem für eine unrechtmäßige und vollkommen unglaubwürdige Regierung. Sie zu erfüllen, stellt hingegen ein ernstes Problem dar. Denn die Erfüllung des in San Andrés gegebenen Wortes würde für die Regierung eine Niederlage bedeuten. Denn, während für die indianischen Völker der Tisch von San Andrés einen Tisch des Dialogs und der Verhandlungen darstellte, war er für die Regierung nichts weiter als die Bühne eines Kampfes, das Zentrum eines Kampfes, eines Kampfes des Vergessens gegen die Erinnerung. Auf der Seite des Vergessens stehen die zahlreichen Kräfte des Marktes. Auf der Seite der Erinnerung steht die einsame Vernunft der Geschichte. Das ist für die Regierung der große Streit am Ende des 20. Jahrhunderts: Der Markt gegen die Geschichte.


Ihr sollt x-Runden kämpfen!

Für diesen Kampf der Jahrtausendwende, den die mexikanische Regierung gegen sich selbst führt, ist San Andrés eine enge Kampfbahn.
Die Gegner sind dieselben, die sich unter verschiedenen Namen im Laufe der verschiedenen Epochen der Menschheit gegenüber gestanden haben. Auf der einen Seite steht der Markt, die neue geheiligte Bestie. Das Geld und sein Begriff der Zeit, der das Gestern und Morgen negiert. Auf der anderen Seite steht die (seit jeher von der Macht verleumdete) Geschichte. Die Erinnerung und ihr hartnäckiges Bestreben, die Menschheit auf Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft zu begründen und sie in ihnen verschmelzen zu lassen. In der Welt der Moderne ist der Gegenwartskult Waffe und Schild. Das Heute ist der neue Altar, auf dem Prinzipien, Redlichkeit, Überzeugungen, Scham, Würde, Erinnerungen und Wahrheiten geopfert werden. Die Vergangenheit ist für die Technokraten, die unser Land als Regierung erleidet, nicht mehr ein zu assimilierender Bezugspunkt, auf dessen Grundlage man wächst. Die Zukunft kann für diese Fachleute des Vergessens nichts anderes sein als die zeitliche Ausdehnung der Gegenwart. Um die Geschichte zu besiegen, wird dieser ein Horizont verweigert, der über das neoliberale Hier und Jetzt hinausginge. Es gibt kein Zuvor und Danach des Heute. Die Suche nach der Ewigkeit ist damit endlich beendet: Die Welt des Geldes ist nicht nur die beste aller möglichen Welten, sondern auch die einzig notwendige.
Für die Neopolitiker ist das einzig annehmbare Verhältnis zu Vergangenheit und Geschichte eine Mischung aus Ekel und Reue. Die Vergangenheit muß verachtet, ignoriert und beseitigt werden. Die Vergangenheit und alles, was uns an sie erinnert oder uns dazu bringt, sie auf eine andere Weise zu betrachten. Gibt es ein besseres Beispiel für diese Geschichtsphobie als die Haltung der mexikanischen Regierung gegenüber den indianischen Völkern?
Sind die indigenen Forderungen vielleicht etwas anderes als ein lustiger, durch die Geschichte verursachter Klecks, um den Glanz der Globalisierung zu trüben? Ist nicht die alleinige Existenz der Indigenen ein Affront für die weltweite Diktatur des Marktes? Die Abkommen von San Andrés zu erfüllen, würde der Anerkennung gleichkommen, daß die Geschichte einen Ort in der Gegenwart hat.
Und das ist unzulässig (unabdingbar, sagt Herr Labastida Ochoa, der zur Zeit noch das Amt des Innenministers bekleidet). Die Abkommen von San Andrés zu erfüllen, wäre die Anerkennung, daß das Ende des Jahrhunderts nicht das Ende der Geschichte ist. Und das ist unerträglich (nicht verhandlungsfähig sagt der zukünftige Ex-Regierungkoordinator für den Dialog, Herr Emilio Rabasa). Die Gegenwart (also Ich übersetzt der gegenwärtige Vizepräsident Ernesto Zedillo) ist die einzig annehmbare Richtschnur.

Die mexikanische Bundesregierung wird die Abkommen von San Andrés nicht erfüllen. So glaubt sie, die Geschichte zu besiegen und auf die Zukunft verzichten zu können. Aber die Geschichte, diese hartnäckige und rauhe Meisterin des Lebens, wird zurückkehren, um einer faulen, von den Masken der Gewalt und des Geldes verfälschten Wirklichkeit ins Gesicht zu schlagen. Die Geschichte wird als Revanche in der Zeit zurückkehren, in der die Gegenwart am verletzlichsten ist, das heißt, in der Zukunft.
Unterdessen weisen die Zeiger der Uhr von San Andrés auf Viertel vor Zwölf. Achtung! Der Kampf geht gleich wieder los ... Es bringt jedoch nichts, daß Sie sich einen Sitzplatz suchen, um diesem Kampf als Zuschauer beizuwohnen. Es ist kein einziger Parkettplatz mehr frei. Indem die oberste Regierung einen Raum des Dialogs für den Frieden in ein Schlachtfeld verwandelt hat, hat sie jeden dazu gezwungen, in den Ring zu steigen - um alle zu schlagen. Da ist also nichts zu machen, es gibt nur noch Plätze zwischen den Seilen. Nun schweigen wir aber, denn hier kommt der Ansager, um die Gegner vorzustellen...



In dieser Ecke: Die Bundesregierung!
(Die Strategie des Gedächtnisverlustes durch Knockout)

Sie legten einen Preis auf uns an. Den Preis für einen Jugendlichen, für einen Priester, für ein Kind, für ein junges Mädchen. Es reicht: der Preis für einen Armen waren zwei Handvoll; unser Preis waren zwanzig Fladen salpeterhaltiges Gras. Die Bestie der Macht hat Chiapas in einen Krieg um die Nation verwandelt, und in diesem Kampf spielt es die Rolle des Kämpfenden, des Ringrichters und nicht selten die des Gegners.
Die Hydra des Systems der Staatspartei versucht, den engen Boxring des Tisches von San Andrés vollkommen auszufüllen. Nicht nur um den Hauptakt allein für sich zu beanspruchen und alle ihre Schwindelkünste vorzuführen, sondern auch, um zu verhindern, daß irgendein anderer Rivale ihr Scheinwerfer und Triumphe streitig machen könnte. So zwingt die Macht also die anderen zur Teilnahme am Kampf, sie läßt sie aber nur als Verlierer zu ...
Ich warte solange, bis sie müde werden, informierte Zedillo seinen wirklichen Vormund (die Nordamerikaner) bezüglich der 10 Millionen Indigenen, die darauf warten, daß er sein Wort hält. Zedillo wartet also darauf, daß die Vergangenheit müde wird, der Moderne die fülligen Rechnungen zu präsentieren. Der Vorsitzende der Bundesexekutive wartet darauf, daß die indianischen Völker Mexikos müde werden, diejenigen, die dieses Land schon bewohnten, bevor es zu Nation und Vaterländischer Geschichte wurde, diejenigen, die die Unabhängigkeit mit ihrem Blut erkämpft haben, diejenigen, die sich mit ihren Körpern den verschiedenen Angriffen ausländischer Mächte entgegengestellt haben, diejenigen, deren Knochen das Rückgrat der mexikanischen Revolution bildeten, diejenigen, die die Nation aus dem falschen Traum der Moderne aufgerüttelt haben.

Herr Zedillo, der über den Weg eines Präsidentschaftskandidatenmordes an die Macht gelangte, der sich dort mittels und dank des Geldes und durch die Interesselosigkeit der Hydra hält, der seine Hände mit dem Blut von Acteal befleckt hat, hat seine Vorgesetzten in den Vereinigten Staaten darüber informiert, daß er die Ermüdung der indianischen Völker abwartet, die schon mehr als 500 Jahre warten.
Der Markt wähnt sich stark und allmächtig, er beabsichtigt, die Geschichte zu beherrschen und sie umzuschreiben. Das Ergebnis dieses Aberwitzes ist offensichtlich: die tödliche Krise des sozialen Ganzen.
Ohne Fundament (denn die Geschichte wurde ausgelöscht) zerfällt die soziale Struktur und ihre Spitze, der Staat. In der instabilen Zedillo-Regierung ist San Andrés nur eine Kostprobe der Krise und des Stils, sich ihr zu stellen. Wenn die Regierung erklärt, daß sie die Ermüdung derer, die Gerechtigkeit verlangen, abwarten will, dann weigert sie sich, ihr Wort zu halten, und greift zu ihren beiden Grundpfeilern, um sich zu rechtfertigen: die Massenmedien und die Armee.
Für die einen wie für die anderen hält sie Geld, Privilegien und Lügen bereit. Zedillos geduldiges Abwarten ist lediglich eine andere Bezeichnung für seine Strategie: das Warten auf die günstige Gelegenheit, um der mexikanischen Gesellschaft den Knockout des Gedächtnisschwundes zu versetzen. Dieser Schlag, der jedesmal geleugnet wird, wenn er erfolgt. Diese Kampftechnik hat drei Grundachsen: Gewalt, Lüge und Intrige.


Die Gewalt

Der Griff zur Gewalt in einer immer höheren Dosierung. Trickse, verstelle dich und greife an, lauten die Anweisungen, die Zedillo von seinem Vormund erhält. Das Auslöschen des Gegners läßt sich über viele und unterschiedliche Wege erreichen. Betrug, Verrat und Verbrechen sind die Lieblinge dieses Herrn, der mit diesen drei Tugenden seinen persönlichen Regierungsstil besiegelt hat.
Herr Zedillo versucht wiederholt und vergeblich, die zapatistische Leitung in als Treffen maskierte Hinterhalte zu locken. Der erste Versuch ist ein Brief ohne Absender, Empfänger und Unterschrift. Ein anonymes Schreiben. Datum: 23. Januar 1998. Der Brief wird von einer verbalen Botschaft begleitet: Wir schlagen für den 26. Januar 1998 ein geheimes Treffen zwischen Subcomandante Marcos und dem Innenminister vor. Es wird ein privates Treffen ohne Zeugen sein und seine Existenz wird erst danach bekannt gegeben (wenn beide Seiten dies beschließen). Es ist wichtig, daß absolute Geheimhaltung darüber gewahrt wird, denn die Armee weiß von nichts. Aber die Botschaft kommt, wie alles, was die Regierung tut, zu spät. Die Generalkommandantur erhält die Nachricht am 26. Januar 1998 mitten in einer starken Land- und Luftmobilisierung der Militärs. Der Hinterhalt scheitert, und das Innenministerium empört sich ob der Antwort der Zapatistas (Nein!).
Verschiedene Tadel werden laut, aber einer bleibt im Dunkeln: Warum sind sie nicht in die Falle gegangen? Warum hatte Herr Emilio Rabasa solche Angst, daß die Bundesarmee das Dokument vom 23. Januar 1998 abfangen könnte, das er ohne Unterschrift, Absender und Empfänger über die CONAI zugestellt hatte? Der zweite Versuch ist ein Schriftstück gleichen Stils wie der Brief vom 23. Januar. Ohne Absender, ohne Unterschrift und ohne jeglichen Vorschlag erreicht uns das allseitig bekanntgemachte Dokument der Vier Anmerkungen, die vorher 27 waren. Die sogenannten Vier (unverzichtbaren wird Labastida später zum Beweis seiner Verhandlungsbereitschaft anfügen) Anmerkungen sind keine vier, sondern 15 und richten sich weder an die EZLN noch an einen anderen Empfänger. Aber darauf werden wir weiter unten zu sprechen kommen. Vorläufig fragen wir nur: Warum verstärkte die Armee ihren Mobilisierungsdruck in den Tagen, in denen die EZLN die Vier-Anmerkungen-die-15-sind-und-nicht-mehr-27 erhalten würde. Darauf kann es zwar verschiedene Antworten geben, aber der Kern der Sache bleibt gleich: die Gewalt versucht die Vernunft zu ersetzen.
Und zur Ausübung der Gewalt gibt es ja die Bundesarmee. Als Gegenleistung für ihre Dienste wird ihr die Gelegenheit geboten, den Zapatistas ihre Herausforderung des Aufstands heimzuzahlen. Da kümmert es nicht, daß ihr oberster Befehlshaber die Streitkräfte zwingt, gegen den Lauf der Geschichte zu marschieren. Um ihr bei diesem Aberwitz zu helfen, greift die Regierung zur nächsten Kampftechnik.


Die Lüge

Überdosis von Verleumdungen. Die bisher gescheiterten Versuche der Vernichtung der zapatistischen Führungsspitze werden von einer öffentlichkeitswirksamen Medienkampagne begleitet. Um die Regierungsabsicht der Neuverhandlung (das heißt der Nichterfüllung) der Abkommen von San Andrés zu verschleiern und die Verfolgung durch Militär und Polizei zu rechtfertigen, dreht sich die Debatte nun nicht mehr um die indianischen Rechte und die Erfüllung des Unterzeichneten, sondern um die Weigerung der Zapatistas zum Dialog.
Aber, was gibt es denn zu dialogieren? Hat es denn nicht bereits einen Dialog gegeben? Ist es dabei nicht zu Vereinbarungen gekommen, die nicht erfüllt worden sind? Geht es um die Lösung des Konflikts oder um die Vortäuschung, daß mit ziellosen Dialogen und Verhandlungen gelöst wird?
Die wesentlichen Fragen werden unter der Lawine von Erklärungen der Regierung und ihrer Anhänger verschüttet. Nein zur Unnachgiebigkeit. Wir wollen verhandeln! tönt es aus dem Innenministerium, um mit dem Lärm Verwirrung zu stiften. Aber Zedillo hat in seiner wirklichen Heimat, in Nordamerika, bereits Klartext gesprochen: Nein zu San Andrés. Wir werden auf die Gelegenheit zum Zuschlagen warten.
Dieser Tritt ins Fettnäpfchen wird in Mexiko vom Neosimulator Emilio Rabasa mit einer Erklärung beschönigt, die so leer und hohl ist wie alle vorangegangenen. In den offiziellen Medien sind weiterhin Symptome dafür auszumachen, daß die Dummheit nicht nachgelassen hat und daß man daran arbeitet, daß alles so bleibt, wie es war. In diesen Medien findet die Regierung das Echo für ihre Worte und Taten.
Die Verleumdungen werden wieder aufgewärmt: manipulierte Indigene, manipulierende Ausländer, fremde Kräfte, die den Konflikt für ihre perversen Interessen nutzen, verborgene Absichten, Unnachgiebigkeit ...
Es handelt sich um die gleichen Anschuldigungen wie vor vier Jahren, vor drei, vor zwei, vom letzten Jahr: Die Indianer sind die Guten, die Abartigen sind die Mestizen und Ausländer, die sie manipulieren. Diese Pressefeldzüge der Regierung werden stets von einem militärischen Feldzug begleitet. Weder die Regierung noch der moderne Journalismus setzen indes darauf, daß ihnen Glauben geschenkt wird, es geht ihnen vielmehr darum, Verwirrung zu stiften und ihre eigene Unrechtmäßigkeit unter allen zu verteilen: Man darf einfach niemandem glauben, scheint die gegenwärtige Regierungskampagne zu verkünden:
Wir sind alle gleich, das heißt:: Wir sind alle noch schlimmer. Im Bewußtsein darüber, daß die Verbrechen auch die Scheinwerfer anziehen, hat das von Acteal verschiedene Figuren aus dem Zedillo-Clan auf den Plan gerufen. Da war beispielsweise der Gesundheitsminister zu sehen, der auf extrem ekelhafte Weise sein Bild neben einem Indianermädchen ausbeutete, das nicht weiß, ob sein schlimmstes Unglück darin besteht, seine Eltern verloren zu haben, oder darin, von den Mördern benutzt zu werden, um ihre Hände in Unschuld zu waschen. Auf dem Foto und bei der Lüge begleitet in Frau Rocatti von der Staatlichen Menschenrechtskommission. In einer anderen Ecke des Oben, im sogenannten Innenministerium, werden Alternativen zur Begleitung des Gewalt-Lüge-Paars angeboten, dem sich die zapatistische Rebellion gegenübersieht. Begleitet werden die Schläge und Verleumdungen von der dritten Kampftechnik der Regierung.


Die Intrige

Der Dialog als lohnender Vergleich. Aber selbst in all ihrer Bestialität bietet die Regierung, großzügig wie sie ist, eine Alternative zur Vernichtung: eine andere Art von Verhandlungen: Verhandlungen der politischen Klasse, also ein ausschließendes Abkommen unter den Führungsspitzen.
Niemand in der Zedillo-Regierung glaubt, daß die indigenen Forderungen die EZLN wirklich interessieren würden. Sie denken, daß die Zapatistas käuflich seien und die indianische Fahne nur hochhalten würden, um sich teurer zu verkaufen.
So bemühen sie sich also darum, den Preis ausfindig zu machen und geben ihrer Gegenseite zu verstehen, daß sie bereit sind, ihn zu zahlen. In ihrem Versuch, sich die EZLN als eine normale politische Organisation vorzustellen, bieten sie immer wieder Gegenleistungen für eine Neuverhandlung der indigenen Frage an: Rückzug der Bundesarmee, Teilnahme an den Kommunalwahlen, Remunizipalisierung, die den zapatistischen Interessen zugute kommt, Mittelverfügung in Regierungsprojekten, Kredite und Vergebung dafür, was die EZLN verbrochen hat!
Das letzte Gebot des Herrn Labastida (Überprüfung der Armeestellungen bei Neuverhandlung der indigenen Frage) ist nur ein Beispiel für die Köder, die ausgeworfen werden, um die Zapatistas zu betrügen und die Öffentlichkeit zu verwirren.
So verstärkt die Regierung also die Militärpräsenz und die Verfolgungsmaßnahmen, um über eine neuerliche Abschwächung derselben zu verhandeln, wenn die EZLN davon absieht, die Erfüllung der Abkommen von San Andrés zu fordern; sie geht gegen die autonomen Gemeinden vor und bietet eine Remunizipalisierung an, wenn diese nur auf ihre indigene Essenz verzichten; sie bietet den Kommandanten der EZLN Regierungsgelder an; und sie macht das Angebot, die Rebellion zu vergessen, die Mexiko erschüttert und der Macht ihr Bankett zur Jahrhundert- und Jahrtausendwende versalzen hat.
In der Folge nehmen die Drohungen der Regierung einen schrilleren und lauteren Ton an. Entweder du verhandelst zu meinen Bedingungen oder ich bringe dich um, lautet die Botschaft, die die Stimmen der Macht das ein um das andere Mal wiederholen. Daß der Dialog durch gangsterhafte Einschüchterungsmaßnahmen ersetzt wird, beunruhigt die aufrichtigen Geister und begeistert die zynischen. Die ersteren nehmen den unmittelbar bevorstehenden Schritt von den Worten (verschiedenartige Ultimaten) zu den Taten (Krieg) wahr und die zweiten reißen großspurig ihre Mäuler auf und fordern die Ausrottung.
Jeder Schritt der Regierung bringt allen den Krieg ein Stück näher und kann in Vergessenheit rufen, daß der Frieden gerecht und würdig sein muß und nicht eine Simulation. Die Vernichtungsdrohungen sollen bewirken, daß die Neuverhandlungen in der Öffentlichkeit als das kleinere Übel erscheinen. Und hinter diesen Neuverhandlungen, die die Regierung bezweckt, steht die Negierung von San Andrés, die Negierung der anderen Politik, der Politik, die sich ausbreitete und vertiefte, als der Tisch sein Bild eines Rings verlor und zu einem breiten und weitreichenden Tischs des Treffens und des Neuen wurde ...


Die COCOPA und die CONAI

Die Vermittlungs- und die Hilfsinstanz in der Falle: Wirksam zu sein und verfolgt zu werden, oder Komplizen und unaufrichtig werden?
Die Regierung besteht auf ihrem Plan, die COCOPA und die CONAI zu Kurieren anonymer Botschaften, feiger Drohungen und Einladungen zu gescheiterten Hinterhalten werden zu lassen. Beide wissen, daß das Dokument der 27 Beobachtungen, die in 15 maskiert und hinter vier verborgen sind, den Zapatistas nicht das Geringste zu sagen hat. Der wirkliche Adressat ist die COCOPA, die die Gesetzesinitiative ausgearbeitet hat. Im Regierungsdokument heißt es dann auch, daß die COCOPA die Abkommen von San Andrés nicht erfüllen will. Die COCOPA soll erneut geködert werden. Bereits unter dem Paar Bernal-Del Valle war sie einer Strategie der Geringschätzung und des Spotts ausgesetzt gewesen. Damals erklärte die COCOPA: "Nie mehr". Das neue dynamische Duo Labastida-Rabasa will sie nun aber in die Rolle der Regierungssprecher drücken, sie als Stellvertreter der Vermittlung, als Rettungsanker eines unglaubwürdigen Regimes und als legislativen Bürgen der staatlichen Gewalt benutzen. Die neue Falle, die die Regierung gestellt hat, besteht darin, die COCOPA glauben zu lassen, daß die Alternative in der vollständigen Neuverhandlung der Abkommen von San Andrés oder in der Übernahme der Regierungsanmerkungen zu ihrer Gesetzesinitiative bestünde.
Die COCOPAs haben sich bis zu einem gewissen Grad diesem Druck zum Wortbruch widersetzt (da sie sonst Teil der Unrechtmäßigkeit der Regierung und vor den indianischen Völkern vollkommen unglaubwürdig geworden wären). Sie beschlossen, an ihrem Gesetzesentwurf festzuhalten, ließen sich aber darauf ein, die Anmerkungen der Regierung an die CONAI weiterzuleiten, damit diese sie wiederum an die Zapatistas weiterleitete, womit eine genauso schwerwiegende Lage für die Lösung des Konflikts geschaffen wurde. Wie bereits angedeutet, ist der Adressat der Anmerkungen der Regierung nicht die EZLN, sondern die parlamentarische Kommission.
Die Regierung hat öffentlich erklärt, daß sie auf eine Antwort der EZLN warte, und auch einige Mitglieder der COCOPA sind in Wartestellung gegangen. Warum in die Falle gehen? Warum dieses komplizenhafte Schweigen über den wirklichen Inhalt und die tatsächliche Bedeutung des Dokuments aus dem Innenministerium? Warum schließen sich einige Gesetzgeber dem Fingerschnalzen an, mit denen die Regierung zur Kapitulation drängt, während sie deutlich das Würgeeisen der Repression hochhält? Darauf kann es mehrere Antworten geben. Eine mögliche Antwort ist, daß die parlamentarische Kommission beschlossen hat, aktiv oder passiv an der neuen kriegerischen Strategie der Regierung teilzunehmen (diese Möglichkeit ist nicht sehr wahrscheinlich, da es in der COCOPA immer noch aufrichtige und verantwortliche Personen gibt). Eine andere ist, daß die COCOPA zum Entschluß gekommen ist, daß die Neuverhandlung der Abkommen einer Rückkehr zum Krieg vorzuziehen ist (eine verständliche, aber irrige Einstellung: eine Neuverhandlung der Abkommen würde - für uns - bedeuten, daß kein Abkommen erfüllt werden wird, wodurch der Dialog als Weg zur Konfliktlösung zunichte gemacht werden würde. Dies würde der Regierung den Anlaß zur Wiederaufnahme des Kriegs geben).

Eine andere mögliche Antwort lautet, daß die COCOPA noch dabei ist, das Geschehen zu verarbeiten und ihren Ort in der herrschenden Verwirrung noch nicht ausgemacht hat. Einige COCOPAs sind nicht nur von Seiten der Regierung Druck und Heimtücke ausgesetzt, sondern auch von Seiten ihrer Parteiführungen. Chiapas ist nicht nur zum Laufsteg für die Kandidatenauslese für die Wahlen im Jahr 2000 geworden, sondern zu einem lohnenden "Verhandlungsgegenstand" mit den entsprechenden Gegenleistungen (Gouverneursposten? Bartlett-Gesetz? Parteigelder? Bürgermeisterstellen? Kabinettsposten? Etcetera?).
Die CONAI ihrerseits ist einer ständigen Verfolgung durch die Netze der Macht ausgesetzt. Ihr guter Wille bei der Suche nach dem Frieden soll als eine Verstärkung der Regierungsstrategie benutzt werden. Dem Widerwillen der Vermittler, sich in ein Werkzeug des Kriegs verwandeln zu lassen, wird mit einer Regierungskampagne begegnet, die bezweckt, die CONAI zu zerstören bzw. sie zumindest auf eine reine Statistin zu reduzieren. Wenn sich die CONAI optimistisch zu den Möglichkeiten des Dialogs äußert, streut die Regierung ihr Blumen auf den Weg und benutzt ihre Erklärungen zu eignen Zwecken; wenn aber die Vermittlungsinstanz ihre Besorgnis über die Militarisierung und die Abwesenheit von Friedenszeichen seitens der Regierung äußert, kommt es unverzüglich zu Angriffen auf Mitglieder der Vermittlungsinstanz.
Wenn die Taktik, die CONAI und COCOPA in den Ring zu ziehen aufgehen sollte, wäre dies für die Regierung in zweierlei Beziehung von Nutzen: Einerseits würde sie (mit der Vermittlungs- und Hilfsinstanz an ihrer Seite) die Legitimität wiedererlangen, die sie durch das Massaker von Acteal, durch die gescheiterte Politik des Herunterspielens und Übergehens und durch den Abnützungskrieg gegen die Zapatistas und die indianischen Völker verloren hat; andererseits würde sie dadurch, daß sie beide Instanzen benutzt (im schlechtesten Sinne des Wortes), um die EZLN zu isolieren und einzukreisen, erreichen, daß sowohl CONAI als auch COCOPA die Glaubwürdigkeit und das Vertrauen bei denen verlieren würden, die ihnen Legitimität und Unterstützung geben, das heißt, bei der nationalen und internationalen Zivilgesellschaft.
Durch die Angriffe gegen COCOPA und CONAI und durch das Schüren von Ausländerfeindlichkeit zur Verhinderung einer internationalen Vermittlung zielt die Regierung nicht etwa auf einen direkten Dialog, sondern auf die Beseitigung von Hindernissen und lästigen Zeugen des Verbrechens, mit dessen Ausführung geflirtet wird, seitdem Zedillo die Macht angetreten hat.
Wir sind darüber keineswegs erfreut. Wir Zapatistas spüren nicht die geringste Leidenschaft für die Blauhelme (die die PAN so begeistern). Wir klatschen auch keinen Beifall zu den Angriffen auf COCOPA und CONAI. Im Gegenteil, die Geschichte zeigt, daß eine schwache Vermittlung und eine nicht unabhängige und nicht legitime Hilfsinstanz nicht nur die Möglichkeit einer würdigen friedlichen Lösung in weite Ferne rücken läßt, sondern auch zur Verschärfung einer Situation beitragen, die täglich mehr Tod und Rechtlosigkeit produziert. Die legislative Gewalt und die politischen Parteien! (das Parlament zwischen Unabhängigkeit und Dienstfertigkeit; die politischen Parteien zwischen Pragmatismus und Prinzipientreue)

Mit dem Krieg, der an die Türen der Nation klopft, erhält die Legislative eine Rolle, die bestimmend und entscheidend sein kann. Die Militärs haben die Exekutive und die PRI-Parlamentarier davon überzeugt, daß der Schlag in Chiapas mit dem Seziermesser ausgeführt werden könne und nur das notwendige Blut dabei vergossen werde. Aber die klinische Reinheit des Verbrechens erfordert, daß zunächst die juristischen Probleme aus dem Weg geräumt werden, denn es gibt da ein Gesetz (das des Dialogs), das ausgesprochen hinderlich ist. Es geht also darum, dieses Gesetz loszuwerden, damit die Militärs (oder Polizisten) legal vorgehen können. Die priistische Fraktion erhält damit eine neue Gelegenheit, dem Präsidenten zu dienen und ihm freie Hand zu geben (wenn eine politische Partei den Konflikt in Chiapas nutzt, dann ist es die PRI; nicht etwa um neue Anhänger zu gewinnen, sondern um politische Gegner zu auszuschalten - mit der selbstlosen Hilfe der Paramilitärs), indem das Gesetz annulliert wird, das die Verfolgung der Zapatistas verbietet.
Die anderen Parteien (PRD, PAN, PT und PVEM) haben mehrere Kommunalwahlen und ihre internen Streitigkeiten vor Augen. Die Regierung arbeitet also mit diesen Variablen, um die Aufhebung des Gesetzes für den Dialog zu erreichen, das vor fast drei Jahren (am 11. März 1995) erlassen wurde. Es mutet wie ein unvorstellbares Grauen an, von einem Bundesparlament und politischen Parteien vertreten zu werden, die den Genozid unterstützen, den Zedillo für den mexikanischen Südosten vorbereitet (der chirurgische Angriff ist nur auf dem Papier möglich, in den chiapanekischen Bergen wäre er nur der erste und letzte Schritt in den Abgrund des Krieges).

Die Abgeordneten und Senatoren werden zwischen Unabhängigkeit und Untertänigkeit optieren müssen, die politischen Parteien werden zwischen Pragmatismus und Prinzipientreue wählen müssen. Alle werden sich für den Frieden oder den Krieg entscheiden müssen. Die Intellektuellen, Künstler und Wissenschaftler! Die sozialen Organisationen! Die nationale Zivilgesellschaft! Die internationale Zivilgesellschaft!
Nicht weil der, der diese Zeilen schreibt, es sagt, sondern weil die Geschichte dieses Landes in den indianischen Gebieten hervorgebrochen ist, läßt die Kampfbahn, in die San Andrés von der Regierung verwandelt worden ist, keinen Platz für Zuschauer und zwingt alle, Position zu beziehen. Wenn Chiapas zuvor als ein Bundesstaat im mexikanischen Südosten angesehen werden konnte, dann platzte nach dem Staatsverbrechen von Acteal die Pustel Chiapas in Tijuana und Merida, in Queretaro und Veracruz, in Mexiko-City und in den Tarahumara-Bergen, in Jalisco und in den Bergen Oaxacas, in Nayarit und im Tlaxcala, im gesamten nationalen Territorium auf.
Aber nicht nur das, sie spritzte auch auf die Lehrstühle, in die Hörsäle und die Universitätslabors, in Theater, Cafés, Kinosäle, Rockkonzerte, in Malerei und Bildhauerei, in Literatur und Journalismus, in die Gewerkschaften und Wohnsiedlungen, in die mexikanischen Wohn-, Schlafzimmern und Küchen, nach Europa und Asien, Kanada, in die Vereinigten Staaten und nach Lateinamerika, nach Afrika und Ozeanien. überall platzte sie auf und teilte in zwei Teile: Auf der einen Seite diejenigen, die den Zynismus und Egoismus als den gültigen Weg affirmieren; und auf der anderen diejenigen, die geleitet von der Hoffnung den Weg des Engagements beschreiten und die die Scham, sich Mensch zu nennen, dazu zwingt, konsequent zu sein und nicht ungerührt vor dem Spiegel zu verharren, den die Berge des mexikanischen Südostens allen vorhalten.


Interludium:
Schweizer Schokolade und Flugzeuge,
die neoliberale Alternative für die indianischen Völker

Die Regierung hat die Lage der indianischen Völker stets als Ergebnis wirtschaftlicher Rückständigkeit und Ungleichheiten beschrieben, die mit privaten Investitionen und Sozialprogrammen behoben werden könnten. Zedillo zufolge sind diese Regionen des wirtschaftlichen und sozialen Rückstands verschwindend klein. Der Rest des Landes segle im makroökonomischen Aufschwung, man müsse deshalb nur die Modernisierung des indigenen Mexikos beschleunigen, damit dieses am Wohlstand teilnehmen könne, den alle Mexikaner genießen.
Lüge. Die neoliberale Integration Mexikos in die NAFTA trug nicht zur Verringerung der Ungleichheiten bei, sondern weist die Tendenz auf, diese zu vertiefen, indem Gebiete mit Wettbewerbsvorteilen priorisiert werden und die strukturschwachen Regionen vernachlässigt werden. So wird die Bresche zwischen armen und reichen Regionen immer tiefer.  
In der ewigen Gegenwart, an der der Neoliberalismus feilt, wird die Vergangenheit ausgelöscht und die Möglichkeit einer besseren Zukunft negiert. Die Indigenen sollen aufhören, selbige zu sein, und als Croupiers der Spielkasinos oder als Maquiladora-Arbeiter zur neuen Marktreligion konvertieren. Dieser letzte Bereich ist der einzige Wirtschaftszweig (natürlich neben der Finanzspekulation und dem Drogenhandel), der das Wachstum erlebt hat, das die Technokraten mit Inkrafttreten der NAFTA für ganz Mexiko versprochen haben.
Von 1974 bis 1982 stieg die Zahl der Maquiladora-Betriebe um 28%, aber im Zeitraum zwischen 1983 und 1997 betrug der Wachstum 455%; die Zahl der Arbeiter und Arbeiterinnen erhöhte sich um 67% im Zeitraum 1974 - 1982 und um 747% von 1983 bis 1997.   Herr Zedillo, der vor seinen Tutoren gern klare Worte spricht und vor seinen Regierten lieber heuchelt, definierte in Davos, Schweiz, die Alternative, die sein Sozialmodell den mexikanischen Indigenen anbietet. Als Antwort auf die internationale Empörung angesichts des Blutbads von Acteal kündigte Zedillo die Unterzeichnung eines Abkommens zum Bau einer Fabrik Schweizer Schokolade in Chiapas an!
Unterdessen ziehen am Himmel des mexikanischen Südostens (von der Schweizer Regierung an die mexikanische Bundesarmee verkaufte) Pilatus-Flugzeuge in Tiefflügen über indianische Strohhütten. Flugzeuge und Schokolade sind die einzigen Regierungsvorhaben zur Wirtschaftsentwicklung, um die historische Rückständigkeit zu beseitigen, unter denen die indianischen Völker leiden. Es gibt für die Indigenen keine Zukunft des Respekts und der Würde im Mexiko Zedillos. Sie haben nur eine Alternative: entweder sie kapitulieren und werden bei einer Schweizer Schokoladefabrik angestellt, oder sie bleiben Rebellen und werden zu Opfern der Angriffe der Schweizer Flugzeuge. Das ist also wirklich mal eine konsequente Globalisierung.


Vernichtet diesen Stein!
(Der Widerstand, eine prähistorische Waffe in der Moderne)

Herr Zedillo erträgt nicht, daß Frauen und Kinder sich den Soldaten entgegenstellen, um ihre wenigen Besitztümer zu verteidigen. Der oberste Befehlshaber der Bundesarmee zieht es vor, daß die Kinder ergeben und resigniert den Gnadenschuß abwarten, den die mexikanische Regierung für sie als endgültigen Fahrschein in die Moderne bereithält. Der Herr Präsident erträgt nicht die ernste Würde, mit der indigene Männer, Frauen, Kinder und Alte Lebensmittel, Medikamente, Projekte und Geld der Regierung zurückweisen. Die Indigenen sollen bittend, erniedrigt und untertänig in einer Ecke sitzen und die Hand nach dem Almosen ausstrecken.
Mit großer Vorsicht haben die Technokraten, die nun schon seit mehr als 12 Jahren den saisonalen Ausverkauf der nationalen Souveränität - also der Zerstörung Mexikos - betreiben, eine gewaltige Schutzhaube um das Finanzkapital errichtet. Das Ziel ist, seine definitive (definitiv ist eines der Lieblingsworte des Herrn Zedillo) Abschottung vor den Schlägen der sozialen Wirklichkeit. Um die Widerstandsfähigkeit dieser Haube gegen einen Alptraum zu erhöhen, der immer stärker an die Türen der Geschichte klopft, hat die mexikanische Regierung die Armee und die Massenmedien als Vermittler engagiert.
Aber der indigene Aufstand ist bereits zu einem Stein geworden, der nicht aufhört, an den großen Dom der Macht des Geldes zu schlagen. Mit dem brutalen und blutrünstigen Pragmatismus, der sie kennzeichnet, hat die mexikanische Regierung bereits das Gegenmittel verkündet: VERNICHTET DIESEN STEIN!. Damit sind sie gerade beschäftigt. Es gibt nur ein Problem dabei: die Steine kann man nicht vernichten. Sie zerfallen höchstens in viele kleine Steinchen...


Was folgt?

Von Seiten der Regierung: dasselbe, nur auf einer höheren Eskalationsstufe. Sie versucht, einen Vorsprung vor Beginn des Wahlprozesses zu bekommen. Und sie setzt darauf, nach den Wahlen etwas Ruhe zu haben, um den gegenwärtig außer Kontrolle geratenen Prozeß der Präsidentschaftsnachfolge zu regulieren und die nationale Politik zu entchiapanekisieren und so eine Atempause zu erhalten, um ihr internationales Bild aufzubessern und den Verschleiß der Militärs zu mildern. Dafür benötigt sie - sei es mit oder ohne Unterstützung des Bundesparlaments -, die Aufhebung des Gesetzes für den Dialog vom 11. März 1995, die Wiederinkraftsetzung der Haftbefehle und die darauffolgenden Verfolgungsmaßnahmen.
Außerdem setzt sie die Medienkampagne gegen die perversen Provokateure und Manipulanten der armen Indigenen und die Bemühungen zur Unterminierung der moralischen Autorität der zapatistischen Führung fort. Unterdessen grenzt die Armee ihre Rolle neu ein und bestimmt sich als Eindämmungsfaktor. Die Sonderkommandos werden die Bühne betreten, auch wenn dies unter einem anderen Namen erfolgen mag, und werden die sogenannte Taktik der Kaninchenjagd auf die Führer der EZLN anwenden. Die Kommandos werden verfolgen und die Regierung wird warten, daß das Wild tot oder lebendig in die Falle geht.

Von Seiten der EZLN folgt der Widerstand und der ungebrochene Kampf für die Anerkennung der Rechte der indianischen Völker.
Die EZLN wird weiter nach dem oder den Wegen suchen, um erneut Brücken zum Dialog mit der nationalen und internationalen Zivilgesellschaft und den politischen und sozialen Organisationen Mexikos zu schlagen. Von Seiten der COCOPA, der CONAI, des Bundesparlaments und der politischen Parteien folgt, daß sie sich für eine der Alternativen entscheiden, vor denen sie stehen.
Von Ihrer Seite - Mann, Frau, Kind, Jugendlicher, alter Mensch, Homosexueller, Lesbe, Hausfrau, Siedler, Arbeiter, Bauer, Indigener, Angestellte, Künstler, Intellektuelle, Wissenschaftler, Studenten, Lehrer an einem beliebigen Ort in Mexiko oder auf der Welt folgt, folgt, nun Sie werden sagen, was folgt. Vielleicht ist es möglich, den weiteren Aufenthalt in diesem absurden Ring der lügenden und mordenden Hydra zu verweigern und einen Dialog aufzubauen, der kein verstellter Kampf mehr ist. Ja, warum nicht? Soll die Hydra sich doch selbst zerstören.

Es ist besser, kein Schlachtfeld zu errichten, sondern einen Tisch, an den wir uns alle, die wir sind, setzen können. An einen ganz anderen Tisch, einen so breiten und weitreichenden wie den, den wir vor zwei Jahren in San Andrés errichtet hatten; ein Tisch, der das Gestern als Fundament, die Gegenwart als Bedachung und die Zukunft als Nahrung haben möge, ein Tisch, der lange Zeit steht und nicht zusammenbricht, ein Tisch aus Steinen, aus vielen kleinen Steinchen, das heißt, aus vielen Widerständen (was die Form ist, in die sich die Hoffnung in widrigen Zeiten kleidet).

Nun denn. Grüße, und wenn die Erinnerung folgt, vergessen Sie nicht, einen dieser Steine zur Hand zu haben, die der neoliberale Goliath so fürchtet und die, wie alle Steine, nicht vernichtet werden können....

aus den (Steinen der) Berge des mexikanischen Südostens
Subcomandante Insurgente Marcos
Indianisches Mexiko, Februar 1998