Die Spiele mögen beginnen


Zapatistische Armee der Nationalen Befreiung
Mexiko 25. Mai 2005

An: Massimo Moratti
Präsident des Fußballvereins Milan International F.C.
Milan, Italien

Von: Subcomandante Insurgente Marcos
EZLN
Chiapas, Mexiko

Don Massimo,
Wir haben Ihren Brief erhalten, in dem Sie uns darüber in Kenntnis setzen, dass Ihre Fußballmannschaft unsere brüderliche Herausforderung akzeptiert hat, und wir bedanken uns für die Freundlichkeit und Ehrlichkeit Ihrer Antwort. Wir haben durch die Medien von den Statements des Managements, der Trainer und Spieler von Inter Mailand erfahren; sie sind einfach nur weitere Beispiele für den Edelmut Ihrer Herzen. Wir freuen uns, Sie auf unserem nun schon langen Pfad angetroffen zu haben und fühlen uns geehrt, ein Teil der Brücke zu sein, die unsere würdigen Länder eint: Italien und Mexiko.

Ich möchte Sie darüber informieren, dass ich neben meiner Funktion als Sprecher der EZLN auch einstimmig zum Trainer gewählt worden bin und mit der Pflege der Intergalaktischen Beziehungen der zapatistischen Fußballmannschaft beauftragt wurde (na ja, in Wahrheit, weil den Job sonst keiner machen wollte). In dieser Eigenschaft sollte ich vielleicht diesen Brief dazu nutzen, die Details für das Spiel etwas auszuarbeiten.

Vielleicht sollte ich vorschlagen, dass - anstatt das Match auf ein einziges Spiel zu beschränken - lieber zwei stattfinden sollten. Eins in Mexiko und ein zweites in Italien. Oder ein auswärtiges Spiel und ein Heimspiel. Und der Preis, um den gekämpft wird, wäre die weltberühmte "Schlamm-Pozol" Trophäe.
Oder ich könnte Ihnen vorschlagen, dass das Spiel in Mexiko, mit Ihnen als Gäste im Mexikanischen 68er Olympischen Stadion in DF stattfindet, und dass die Einnahmen daraus für die von Paramilitärs vertriebenen Indígenas in Los Altos, Chiapas bestimmt wären. Allerdings müsste ich dann natürlich einen Brief an die UNAM (Studenten, Lehrer, Forscher, handwerkliche und administrative Arbeiter) schreiben, um sie zu bitten, uns das Stadion zu leihen, mit dem feierlichen Versprechen, dass wir sie nicht zum Schweigen auffordern würden ... um ihnen dann Don Porfirios Wort aufzuzwingen.

Oder wir könnten uns darauf einigen, da Sie ja schon hier in Mexiko wären, ein zusätzliches Spiel in Guadalajara, Jalisco, abzuhalten, und dass diese Einnahmen an die gerichtliche Verteidigung der jungen Altermundistas gehen sollten, die ungerecht in den Gefängnissen dieser mexikanischen Provinz eingesperrt sind, und an alle politischen Gefangenen im ganzen Land. Die Anreise wäre kein Problem, da ich gelesen habe, dass jemand hier in Mexiko, großzügig wie zuvor, seine Hilfe angeboten hat.

Wenn Sie damit einverstanden sind, würde sich die EZLN für die Spiele in Mexiko an Diego Armando Maradona wenden, mit der Bitte als Schiedsrichter zu fungieren; an Javier El Vasco Aguirre und Jorge Valdano, mit der Bitte als Schiedsrichter-Assistenten und Linienrichter einzuspringen, und an Socrates, Mittelfeldspieler aus Brasilien, um das Amt des vierten Schiedsrichters zu übernehmen. Und vielleicht könnten wir die zwei intergalaktischen Wanderer einladen, die mit uruguayanischen Pässen reisen: Eduardo Galeano und Mario Benedetti, um das Spiel für das Intergalaktische Zapatistische Fernsehsystem ("das einzige Fernsehen, das gelesen wird") zu moderieren. In Italien könnten Gianni Mina und Pedro Luis Sullo die Kommentatoren sein.

Und um uns von der Objektivierung der Frau zu distanzieren, die auf Fußballturnieren und in der Werbung betrieben wird, würde die EZLN die nationale Lesben-und-Schwulen-Gemeinde, insbesonders die Transvestiten und Transsexuellen, bitten sich zu organisieren und für die Spiele in Mexiko das Unterhaltungsprogramm mit ausgefallenen Pirouetten zu gestalten. Auf diese Weise würden sie nicht nur die TV-Zensur herausfordern, die Ultra-Rechten schockieren und die Inter-Ränge verwirren, sondern sie würden auch die Moral und den Kampfgeist unserer Mannschaft heben. Es gibt nicht nur zwei Geschlechter, und es gibt nicht nur eine Welt, und es ist immer ratsam für jene, die aufgrund ihres Andersseins verfolgt werden, Fröhlichkeit und Unterstützung zu teilen, ohne aufzuhören anders zu sein.

Wir könnten auf die Schnelle noch ein weiteres Spiel in Los Angeles, Kalifornien, in den USA abhalten, wo der Gouverneur (der seine mangelnden Neuronen durch Steroide ersetzt), eine kriminelle Politik gegen Migranten aus Lateinamerika betreibt. Alle Einnahmen dieses Spiels wären für die gesetzliche Beratung Undokumentierter in den USA vorgesehen, und um die Schläger vom "Minuteman Project" hinter Gittern zu bringen. Zusätzlich würde das zapatistische "Traumteam" ein großes Banner tragen, mit der Aufschrift "Freiheit für Mumia Abu Jamal und Leonard Peltier."

Es ist ziemlich wahrscheinlich, dass Bush nicht zulassen wird, dass unsere Frühling-Sommer-Mode-Skimasken in Hollywood für eine Sensation sorgen, daher könnte das Treffen auf den würdigen kubanischen Boden verlegt werden, vor der Militärbasis, die von der U.S. Regierung illegal und gesetzwidrig in Guantanamo unterhalten wird. In diesem Fall würden sich beide Delegationen (von Inter und der EZ) verpflichten, mindestens ein Kilo Nahrungsmittel und Medikamente pro Kopf mitzubringen, als Zeichen des Protestes gegen die Blockade unter der das kubanische Volk zu leiden hat.

Und vielleicht könnte ich Ihnen vorschlagen, dass das Revanche-Spiel in Italien stattfinden sollte, mit Ihnen als Heim-Mannschaft (und mit uns auch, da das italienische Empfinden bekanntermaßen hauptsächlich pro-zapatisch ist). Das erste könnte in Mailand, in Ihrem Stadion stattfinden, das andere wo immer Sie es ansetzen wollen (vielleicht in Rom, weil "alle Spiele nach Rom führen"... na ja, so ähnlich). Ein Teil der Einnahmen könnte dazu dienen, Migranten anderer Nationalitäten zu helfen, die von den Regierungen der Europäischen Union kriminalisiert werden, und der Rest für welchen Zweck auch immer Sie entscheiden. Aber wir würden sicher mindestens einen Tag brauchen, um nach Genua zu gehen und die Statue von Christopher Columbus mit Caracolitos zu bemalen (Anmerkung: mögliche Geldstrafen für das Verunstalten von Denkmäler würden von Inter getragen werden), und um eine Blume der Erinnerung an jene Stelle zu tragen, an der der junge Altermundista Carlo Giuliani gefallen ist (Anmerkung: für die Blume würden wir sorgen).

Und wenn wir schon mal in den Europas sind, könnten wir auch ein Spiel in Euzkal Herria im Baskenland spielen. Da es mit "Eine Chance für das Wort" nicht geklappt hat, sollten wir es vielleicht mit "Eine Chance für den Kick" versuchen.
Wir würden vor der Geschäftsleitung der Rassisten von BBVA-Bancomer demonstrieren, die versuchen, die humanitäre Hilfe zu kriminalisieren, die von den indigenen Gemeinden erhalten wird (vielleicht um von den strafrechtlichen Ermittlungen abzulenken, die gerade gegen sie betrieben werden, wegen "Steuerhinterziehung, Geheimkonten und illegalen Rentenfonds, geheimen Beiträgen für politische Wahlkampagnen, Bestechungsgelder, um Banken in Lateinamerika zu kaufen und unrechtmäßiger Aneignung von Gütern" - Carlos Fernández-Vega. "Mexico, S.A." in La Jornada 25. Mai 2005).

Hmm... sieht so aus als ob jetzt sieben Spiele stattfinden werden (was nicht schlecht ist, weil wir so auch um das Publikum, die Liberos und die Qualifizierten des Europacups wetteifern könnten). Wer vier dieser sieben Spielen gewinnt, bekommt den "Schlamm-Pozol" (Anmerkung: wenn das zapatistische Team mehr als drei Spiele verliert, wird das Turnier ausgesetzt).
Zu viele? Na gut, Don Massimo, Sie haben Recht, vielleicht ist es besser, es bei zwei Spielen zu belassen (eins in Mexiko, das andere in Italien), wir wollen den guten Ruf von Inter ja schließlich nicht durch die sicheren Niederlagen trüben, die wir hier vorschlagen.

Vielleicht, um Ihren offensichtlichen Nachteil ein wenig auszugleichen, könnte ich einige geheime Informationen an Sie weitergeben. Zum Beispiel ist das zapatistische Team gemischt (besteht also aus Frauen und Männer); wir spielen in sogenannten Bergarbeiterstiefeln (sie haben Stahlkappen, deswegen durchlöchern sie immer die Bälle); nach unseren Sitten und Gebräuche ist ein Spiel erst dann vorüber, wenn auf beiden Seiten kein Spieler mehr aufrecht steht (also in Verteidigungsstellung); die EZLN kann sich nach Belieben Verstärkung holen (das heisst, die Mexikaner "Bofo" Bautista und Maribel "Marigol" Dominguez könnten in der Mannschaftsaufstellung auftauchen ... wenn sie einverstanden sind). Und wir haben eine Uniform in Tarnfarbe entworfen (wenn wir verlieren, tauchen schwarze und blaue Streifen auf unseren Trikots auf, zur Verwirrung unserer Gegenspieler, der Schiedsrichter ... und des Publikums). Und wir haben - mit relativem Erfolg - zwei neue Spielzüge einstudiert: den "marquia avanti fortiori" (Anmerkung: in gastronomische Begriffe übersetzt wäre das so etwas wie eine Pizza und ein Guacamole Sandwich) und den "marquia caracolia con variante inversa" (Anmerkung: das Äquivalent von Spaghetti mit gebackenen Bohnen, aber angebrannt).
Mit alldem (und einigen anderen Überraschungen) könnten wir vielleicht die Fußballwelt verändern, und dann wäre Fußball vielleicht nicht mehr nur ein Geschäft, sondern wäre wieder ein unterhaltsames Spiel. Ein Spiel, wie Sie das so treffend ausgedrückt haben, von echten Gefühlen.

Vielleicht ... Wie auch immer, damit wollen wir nur Ihnen und Ihrer Familie, allen Männer und Frauen von Inter und den Nerazzurro-Fans gegenüber, unsere Wertschätzung und Bewunderung zum Ausdruck bringen (aber ich warne Sie, dass es auf dem Spielfeld vor den Torpfosten weder Gnade noch Mitgefühl geben wird). Was das übrige angeht, nun ... vielleicht ... aber ...

Vale. Salud und möge sich das Grün-Weiß-Rot, das unsere Würdenträger kleidet, bald in beiden Ländern finden!

aus den Bergen des mexikanischen Südostens,
Subcomanadante Insurgente Marcos (D. T. Z.)
(der gerade Spielzüge auf einer Schreibtafel entwirft und sich mit Durito streitet, weil der darauf besteht, anstatt des traditionellen 4-2-4 ein 1-1-1-1-1-1-1-1-1-1-1-System präsentieren, weil das, so meint er, verwirrender wäre).



PS an die mexikanische Fußballvereinigung, Real Madrid, Bayern München, Osasuna, Ajax, Liverpool und dem Ferreteria Gonzalez Team: Tut mir leid, aber ich habe einen Exklusiv-Vertrag bei der Ezetaelene.

PS mit dem Tonfall und der Lautstärke eines Sportberichterstatters: Der Sup, mit der Taktik des Uruguayaners Obdulio Varela im Endspiel gegen Brasilien (World Cup, Maracana Stadion, Rio de Janeiro, 16. 7. 1950), den Ball in der Hand, zieht wie in Zeitlupe (seit Mai 2001) vom zapatistischen Torpfosten heran. Nachdem er sich beim Schiedsrichter über die Unrechtmäßigkeit des Tores beschwert hat, legt er den Ball in der Mitte des Feldes ab. Er sieht sich nach seinen Companeros um, schweigende Blicke werden ausgetauscht. Mit der Wertungsliste, den Wetten und das ganze System gegen sie, macht sich NIEMAND Hoffnungen für die Zapatisten. Es fängt an zu regnen. Eine Uhr zeigt beinahe 18:00 an. Alles scheint für die Wiederaufnahme des Spieles bereit zu sein...



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FC Internazionale Milano

Lieber Subcomandante Insurgente Marcos,

Ich bin über alle Massen erfreut, das Privileg zu haben, auf Ihre außerordentlich erfreuliche und liebenswürdige Herausforderung zu antworten. Ich wende mich an Sie, und durch Sie an die gesamte EZLN, um Ihnen für die Gelegenheit zu danken, die Sie uns allen gegeben haben, um die Erfahrung dieser besonderen Freundschaft zu machen.

Erlauben Sie mir ebenfalls, meine Überlegungen bezüglich Ihres sehr, sehr freundlichen Briefes zum Ausdruck zu bringen. Wir werden spielen. Wir werden unser Spiel spielen, und dafür danke ich Ihnen. Es wird ein großes Match werden. Vielleicht auf einem Feld, wie damals als wir Kinder waren, vielleicht umgeben von riesigen Bäumen. In einem Stadion in der Hauptstadt oder in einem Rechteck, das mit Kreide auf den Boden gemalt ist, und aufsteigender Staub der uns zum Husten reizt. Erschöpft aber glücklich.

Da wir uns einig sind, werden wir die Bälle bringen und Sie den bitteren Pozol. Wenn Sie einverstanden sind, werden wir anfangen, die Organisation mit den jeweiligen Repräsentanten und Managern zu besprechen. Wir hoffen, wir können bald spielen. Ich denke, wir könnten eine gute Mannschaft nach Mexiko schicken, das Timing bleibt noch abzuwarten. Lassen Sie uns wissen, welcher Austragungsort für Sie am besten wäre. Ob in DF, in San Cristóbal, einer Gemeinde oder einem Caracol. Fußball kann ein Instrument sein, um wichtige Ziele zu erreichen, aber es ist auch etwas, dass uns alle in Kinder und Gleichgestellte verwandelt. Wir sind alle Träumer. Wir stellen uns große Dinge vor und erfreuen uns an kleinen: ein Dribbling, ein Scherenkick, ein Kopfball, sie alle machen uns glücklich. Und später entdecken wir, dass diese kleinen Dinge aus echten Gefühlen bestehen.

Lieber Subcomandante, ich bin glücklich und stolz, Ihre Bekanntschaft gemacht und diese Beziehung mit den indigenen Völkern Mexikos entwickelt zu haben, im Namen der Männer und Frauen des FC Internazionale. Die Leute von Inter, wie dese Fußballvereinigung, wird immer versuchen, Ihnen nahe zu stehen, genau so wie Sie mit Ihrem Vorbild uns nahe stehen. Dieses Spiel wird ein wahrhaft einfacher und wichtiger Moment sein. Jede Revolution beginnt in ihrem eigenen Strafraum und endet im Tor des Gegners.

Mit tiefster Bewunderung und Zuneigung übersende ich Ihnen und all den zapatistischen indigenen Männer und Frauen die besten Wünsche, sowohl von mir selbst als auch seitens meiner Frau, meiner Kinder und den Leuten von Nerazzurro.

Un abrazo,
Massimo Moratti