Die Sozialdemokratie als Verwalterin ökonomischer Grausamkeit
Mexiko, November 1998


I . Die Ökonomie, die Tragödie

"Die Worte sind zur Wirklichkeit geworden: die Erde bebt voller Wut und im Inneren ihrer knurrenden Eingeweide ertönt der Donner, die Blitze zucken am Himmel; ein Hurrikan wirbelt Staubwolken auf, wütend wehen alle Winde im fürchterlichen Kampf, und Himmel und Meer werden dabei zu eins: Seht nur, welch einen Sturm Zeus entfacht hat, um mich zu erschrecken!"
Der angekettete Prometheus. Äschylus. Die sieben Tragödien.

Die Bomben
Im Krieg gibt es Begriffe und Realitäten, die die Politik und Ökonomie einer Gesellschaft widerspiegeln und in ihr einen Spiegel finden. Wie im Krieg ist auch hier das Ziel die Zerstörung des Gegners; Wissenschaft und Technik arbeiten an der Herstellung von Vernichtungswaffen, von Bajonetten bis zu Interkontinentalraketen über Granaten, Maschinengewehre, Tanker, Flugzeugträger, Kriegsschiffe, elektronische Überwachungssysteme usw. Die Produktion der Vernichtungsmaschinerie wird technisch immer ausgeklügelter. In der Militärtheorie werden diese Maschinen zur Zerstörung hochtrabend als "Kriegsmaschinerie" bezeichnet. Laut den Handbüchern der nordamerikanischen Armee müssen die Kriegsmaschinerien ihren Zerstörungsauftrag nach Maßgabe der jeweiligen Geländegegebenheiten erfüllen.

Stolz wird dort auf die Entdeckung einer Bombe verwiesen, die für unebene Terrains mit Hügeln und Vertiefungen geeignet ist und erlaubt, die sogenannten "Blindstellen" zu erreichen, das heißt, die Orte, die von der zerstörerischen Wirkung der "herkömmlichen" Bomben nicht getroffen werden können. Diese Bombe begnügt sich nicht damit, beim Aufprall auf die Erde oder in einer bestimmten Höhe zu explodieren und ein bestimmtes Gebiet zu zerstören.
Diese Bombe fällt, explodiert, zerstört und stößt andere Bomben aus, die wiederum fallen, explodieren, zerstören und andere Bomben ausstoßen. Dies wiederholt sich solange, bis die "Ladung" leer ist. Die Wirkung wird als die einer "Rückprall-Bombe" beschrieben.  Ihre zerstörerische Wirkung ist tatsächlich fürchterlich und extensiver und intensiver als die "normaler" Bomben.

In den Handbüchern der neoliberalen politischen Ökonomie und in den Katastrophen, die diese in der Wirklichkeit der Länder produziert, kann man das Äquivalent für die "Rückprall-Bombe" finden: die Finanzbombe. Die gewöhnlichen und einfachen Männer und Frauen, das heißt, alle, die nicht in der Forbes-Liste stehen, sind die häufigsten Opfer dieser "Finanz-Bomben".  Aufgrund der wirtschaftlichen Globalisierung "prallen" die Finanzprobleme Rußlands oder des asiatischen Südostens in Sekundenschnelle (dank Superhighways der Kommunikation) "zurück" und zerstören die Ökonomien in Europa und Lateinamerika.  Dank der Modernität führen Zahnschmerzen an der Wertpapierbörse von Tokio zu einem Todesröcheln in Brasilien und in der mexikanischen Wirtschaft muß eine Notoperation durchgeführt werden.
In den letzten Wochen und inmitten einer flächendeckenden Finanzbombardierung haben Millionen Mexikaner und Mexikanerinnen einen Intensivkurs in neoliberalen Wirtschaftswissenschaften absolviert und sind darüber belehrt worden, daß die Benzin und Steuererhöhungen, die steigenden Preise und die fallenden Löhne, die Firmenschließungen, der Abbau von Arbeitsplätzen, die Abwertung des Pesos gegenüber dem Dollar, die qualitative und quantitative Verringerung der öffentlichen Dienstleistungen im Bildungswesen, Wohnungsbau, Kommunikationswesen, Ernährung, Sicherheit nicht etwa der Schwäche der mexikanischen Ökonomie zuzuschreiben sind, sondern: der russischen! (...)
Aber es ist kein extremes Problem, das ausländische Kapital hat sich bereits fest in der nationalen Ökonomie eingenistet. Das internationale Finanzkapital ist der wirkliche Regulator der nationalen politischen Ökonomien und Politik.  In Mexiko wird weiterhin Reichtum erzeugt, er geht jedoch ins Ausland, unter anderem via Schuldendienst, Zahlung von Honoraren und Zinsen an die ausländischen Anleger an der mexikanischen Wertpapierbörse.  Dort befiehlt das Spekulationskapital, das auf seiner Jagd nach schnellem Geld größere Rendite und nicht etwa eine größere Produktion sucht.  Außerdem hat die Öffnung des nationalen Markts für die Auslandsinvestitionen die nationalen Produktionsstätten zerstört.  Die mittelständischen Betriebe stehen vor dem Ruin, und nur die Großen der Industrie haben sich dem Ansturm widersetzen können, auch wenn sie immer weniger Geld und Mut aufbringen.  
Das Ergebnis: mehr Arbeitslosigkeit, Unterbeschäftigung und Blüte der "informellen" Ökonomie.  Wenn dieses Wirtschaftsmodell beibehalten wird, dann wird es bald nichts mehr geben, was als "mexikanische Wirtschaft" bezeichnet werden könnte.  Weder die Indigenen noch die Arbeiter noch die Bauern noch die Angestellten noch die Lehrer noch die Unternehmer werden dann irgendwelche Hoffnungen auf die Verbesserung ihrer Lage setzen können.
Neue "Bomben" sind kurz vorm Explodieren und die Zerstörungswirkung einer dieser Bomben kann endgültig sein: das multilaterale Investitionsabkommen(MAI), das die Organisation für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) vorbereitet (dessen Realisierung aber vorerst gescheitert ist, Anm. d. Red.). Das MAI ist ein internationales Abkommen, das den ausländischen Anlegern unbeschränkte Rechte bei allen Arten von Finanzoperationen in allen Wirtschaftsbranchen der einzelnen Nationen einräumt und ihnen eine Vorzugsbehandlung gegenüber den nationalen Firmen gewährt (...).
Die politischen und sozialen Kosten, die Zedillo so wenig zu interessieren scheinen, werden sehr viel höher sein. Nicht nur die PRI und ihre ständigen oder zeitweisen Verbündeten werden die Konsequenzen zu tragen haben. Die Unzufriedenheit wird die traditionell miteinander verfeindeten Sektoren vereinen, die Delinquenz wird zunehmen, die Arbeitslosigkeit und die Verzweiflung werden für Millionen von Jugendlichen Versprechen und Wirklichkeit sein. Kurz und gut, was sich nähert, ist ein Steppenbrand auf dem Terrain der...

II. Politik, die Komödie

"Denn ein Volk zu regieren ist nicht etwa die Sache gut vorbereiteter Menschen, noch der guten Sitten... Man will einen Tölpel, einen Frevler! Deshalb verachte nicht, was die Götter dir in ihren Orakeln weissagen."
Die Edelleute. Aristophanes. Die elf Komödien.

Die Feuerwehr
Die Technokraten - diese kybernetische Gattung, Mischung aus menschlicher Mittelmäßigkeit, mathematischer Weisheit und politischer Ungeschicklichkeit - sitzen heute an der Macht. Und sie haben vor, dort zu bleiben, bis sie ihre Arbeit beendet haben. Mit dem Neoliberalismus als Waffe und Schutzschild erfüllen sie ihre Pflicht auf dem großen heiligen Kreuzzug der wirtschaftlichen Globalisierung. Das neoliberale Modell stößt jedoch auf Probleme und Widerstände.
Eines dieser Probleme stellen die alten politischen und juristischen Strukturen dar. Ihr Sträuben, sich zu "modernisieren", das heißt, sich an das neoliberale Modell anzupassen, erklärt sich aus dem Umstand, daß diese Modernisierung den Untergang einer ganzen politischen Klasse und einer ganzen Kultur politischer Beziehungen zur Folge hat. Die alten Politiker wollen nicht einfach von der Bühne abtreten und kämpfen deshalb gegen die "Newcomer". Die Veränderungen bei den "Spielregeln" der politischen, Beziehungen stoßen mit den alten Beziehungen zusammen.
Das Ergebnis? Eine einzigartige politische Krise, eine Staatskrise. Aber die Krise des heutigen Staates ist nicht nur eine Krise der politischen Klasse an der Regierung, sondern umfaßt alle politischen und sozialen Akteure, das heißt, die gesamte mexikanische Nation. Soziale und politische Organisationen des gesamten ideologischen Spektrums, politische Parteien, Nichtregierungsorganisationen, Kirche, Armee, Kommunikationsmedien, Regierungen, Sicherheitsapparate, Unternehmerorganisationen, Gewerkschaftszentralen - alle werden von einer Krise mit wechselnder Intensität geschüttelt.

Die Folgen sind noch nicht abzusehen, es ist jedoch darauf hinzuweisen, daß ein beträchtlicher Teil dieser Krise mit dem Auftauchen der Zivilgesellschaft zu tun hat. Das nicht organisierte Individuum ist heute aktiver und kritischer als dies gemeinhin üblich war. Die Verfaßtheit der Gesellschaft, die schweigend akzeptiert und anerkannt werden mußte, wird heute von den "Leuten" in Frage gestellt, analysiert, hinterfragt und verurteilt. Kein politischer, das heißt "öffentlicher" Akteur kann heute mehr verhindern, daß die "Leute" ihn in Frage stellen und ablehnen.

Der Faktor "Leute" kommt in den modernen Politikwissenschaften nicht vor und wird von keinem ernsthaften und angesehenen Politologen berücksichtigt. Da wir weder Politologen noch ernsthaft oder angesehen sind, berücksichtigen wir die Leute sehr wohl.  Aber darüber werden wir bei einer anderen Gelegenheit reden.
Was die Krise der mexikanischen politischen Klasse angeht, können wir folgendes feststellen: Das neoliberale Modell benötigt eine neue politische Klasse, also die Umbildung der alten politischen Klasse. Es geht nicht mehr darum, ein Land zu regieren, sondern darum, die Zerstörung zu verwalten. Und beim Verwalten zählt weder die Weltanschauung noch die Hautfarbe, sondern nur das Ergebnis. Die Globalisierung ist im politischen Sinn recht tolerant. Das Finanzkapital sorgt sich nicht weiter um die politisch-ideologische Ausrichtung der Regierung einer Nation. Was zählt, ist, daß diese Regierung sich nicht dem Wirtschaftsmodell widersetzt. Deshalb öffnen sich auch im Gefolge der Globalisierung die Türen der politischen Macht in aller Welt allen politischen Anschauungen. Die wirtschaftliche Macht - die Macht schlechthin - läßt heutzutage zu, daß sich mehr Kräfte die politische Macht streitig machen, selbst solche, denen früher dieses Terrain versperrt gewesen war.
Aber während die politischen Klassen sich erneuern, setzt der Neoliberalismus seine Zerstörungs-/Wiederaufbau-Operation der Nationen fort, teilt Finanzbomben aus, als wären es "Halloween"-Bonbons und provoziert regionale soziale Brände, die selbst einen Nero mit Gram erfüllen würden.

Im Europa des "Euro" bietet der sogenannte Dritte Weg ein neues Make-Up, um globalisiertes Blut und globalisierte Tränen zu verbergen. Der Neoliberalismus "mit menschlichem Antlitz" findet in der Sozialdemokratie eine neue politische Verwalterin der ökonomischen Grausamkeit. Der Rückprall erreicht Lateinamerika und Mexiko. Die politische Mitte wird zu einem dunklen Objekt der Begierde von politischen Kräften des gesamten Parteienspektrums. Und genau hier ist es, wo die politische Klasse, und besonders die mexikanische, ihre Feuerwehrleute produziert und zur Verfügung stellt.
Aus allen politischen Strömungen tauchen Feuerwehrleute auf, die bereit sind, das absehbare Feuer der sozialen Unzufriedenheit zu löschen. Aber die Wirtschaftsprogramme ihrer politischen Plattformen sind entweder vollkommen verschwommen oder eine schlichte Kopie der Programme der Technokraten. (...) Aber es sind eben nun mal keine Feuerwehrleute, die dieses Land braucht, nicht nur unter anderem deshalb, weil sie vorhaben, das Feuer mit Benzin zu löschen, sondern weil der nationale Brand sehr viel kühnere Maßnahmen erfordert, als die Versuche zur Eindämmung der sozialen Explosion oder zur "Entgratung" des Neoliberalismus. Die Lösung (sofern es eine gibt) ist nicht dort oben zu finden, im oberen Stockwerk, wo die politische Klasse Mexikos ihre alchemistischen Labors betreibt. Nein, die Lösung ist weiter unten. Dort, wo einige kleine flackernde Lichter zu sehen sind, am Ort der

 
III. Zivilgesellschaft, die Prophezeiung

"So wurde also das Werk bei der Ausführung verbessert, nachdem sie zuvor über sein glückliches Ende nachgedacht und meditiert hatten." Popol Vuh

Die Glühbirnen
Nicht nur in der alten politischen Klasse stößt das neoliberale Modell auf Widerstand. Mit einer immer größeren "Promiskuität" entstehen und wachsen die Kämpfe in vielfältigeren und zahlreicheren sozialen Sektoren als früher. Während das "alte" politische System Mexikos gestern dem Kapital noch niedrige Löhne und "sozialen Frieden" anzubieten hatte, ist letzterer heute in tausend kleine Stücke zerfallen. Der indianische Aufstand der Zapatistas, die Präsenz der EPR und später der EPRI, plus eine Arbeiterbewegung im kämpferischen Widerstand gegen die Arbeitsrechtsreformen, eine Zivilgesellschaft im Kampf um eine Bürgerdemokratie, Künstler und Intellektuelle, die auf jeder Ebene von der Krise betroffen sind, unzufriedene und rebellische Jugendliche, ungehorsame Frauen, Rentner, die ihr Recht auf Würde hochhalten, Schwule und Lesben, die die Klosetts verlassen haben und in alle gesellschaftlichen Bereiche vordringen, unabhängige Oppositionsparteien, deren Opposition und Unabhängigkeit immer weiter zunimmt, soziale Organisationen, die nicht alles auf die Zeit nach dem "Sieg" verschieben, sondern heute schon dabei sind, ihre gesellschaftliche Alternative aufzubauen; sie alle und andere werden immer unzufriedener und organisieren ihre Unzufriedenheit über das Wirtschaftsmodell, unter dem wir zu leiden haben.

Wie winzige Glühbirnen im gesellschaftlichen Baum flackern überall Kämpfe, Erfahrungen und Geschichten auf, die vielleicht nur ausreichen, um lokales Terrain zu beleuchten, die aber als Ganzes die Hoffnung nach einem anderen, möglichen, notwendigen und unvermeidlichen Land aufleuchten lassen. Diese verstreuten, blinkenden und noch blassen Lichter verbreiten sich zusehends im sozialen Ganzen. In verschiedenen Farben, unter unterschiedlichen Formen und mit verschiedenen Fahnen drängen die sozialen Bewegungen und die Bürgerrechtsbewegung zusehends auf eine andere Form der Politik. Sie wissen, daß sie einander als Spiegel dienen, und ihre Schimmer nähren sich gegenseitig. Dort ist eine indianische Vollversammlung zu sehen, hier eine Gewerkschaftsversammlung, auf der anderen Seite eine Bürgerversammlung, auf dieser eine Siedlerorganisation, an allen möglichen Orten tauchen rosafarbene Anstecknadeln auf und überall, und mit einer hartnäckigen Beständigkeit, rücken sich Jugendliche und Frauen ins Bild.
 
Welche Energie versorgt diese Lichter? Mit welcher Kraft versuchen sie das Monopol des trüb-grünen Dollars herauszufordern und ihm das entgegenzusetzen, was wie ein Regenbogen aussieht? Warum versuchen sie hartnäckig, Licht in die dunklen Keller und Labyrinthe dieses Landes zu bringen? Warum lassen sie sich nicht von der glänzenden Warenbeleuchtung der großen Laufstege der politischen Klasse Mexikos blenden? Warum klatschen sie sich gegenseitig Beifall? Sollten sie etwa vergessen haben, daß sie Verlierer sind? Sollten sie sich daran erinnert haben, daß sie nicht unbedingt Verlierer bleiben müssen? Wie können sie inmitten von soviel Schmerz und Kummer lächeln? Warum so viele ausgestreckte Hände, um dieses respektlose und altmodische indianische Blut in die Arme zu schließen?

Dort oben stellen sie sich diese und andere fragen. Sie haben keine Antworten. Sie wollen auch keine. Sie glauben, daß sie keine brauchen. Da der komplizierte Draht, der dieses mannigfache Licht mit Energie versorgt, noch unentdeckt ist, sieht die politische Klasse von diesem vorläufig so schwachen und verstreuten Licht ab und kümmert sich darum, ihre Kleider zu reinigen, die Messer zu wetzen, die Taurus-Pistolen Kaliber 38 zu ölen und sich abzustimmen. Es ist ja noch genügend Zeit, um sich an die Leute zu erinnern und sich ihnen zum Stimmenkauf zuzuwenden. Aber diesen rebellischen Glühbirnen scheint die Verachtung, mit der sie von oben bedacht werden, herzlich wenig auszumachen und sie suchen und suchen sich zwischen gestrigen und heutigen Geschichten. Und sie finden sich. In diesem ignorierten Lichter- und Spiegelspiel des Mexikos von unten werden Vorschläge entworfen und Leben aufs Spiel gesetzt, um etwas Besseres für alle zu erreichen.  Dort unter diesen Lichtern setzt ein kleines, einem fünfzackigen Stern ähnelndes Licht Abschnitte und Intensitäten.
 
Und so lautet die Losung dieses Etwas, das Neozapatismus genannt wird:

Erstens. Die politischen Zeiten und Winde, die die Möglichkeit eines anderen, gerechteren, freieren und demokratischeren Mexikos, also eines besseren Mexikos, markieren und vorantreiben, entstehen und wehen nicht in den Gängen derer von oben. Weder die Kalender noch die Winde der Macht sind unsere.

Zweitens. Unser unmittelbarer Wind bläst im Kampf gegen das neoliberale Wirtschaftsmodell, für den Übergang zur Demokratie und für die Begleichung fälliger Rechnungen mit der Landesgeschichte.

Drittens. Unsere Stunde verkündet die Zeit des Kampfes gegen das neoliberale Wirtschaftsmodell. Nicht nur weil es dem Wesen nach ungerecht ist, sondern auch und vor allem, weil sein Ziel die Zerstörung Mexikos als souveräne und unabhängige Nation ist. Der Kampf gegen den Neoliberalismus ist eine Überlebensfrage für das Land.

Viertens. Unser Wind treibt das Boot der Kämpfe um die direkte Demokratie und die repräsentative Demokratie an. Das Hauptproblem ist nicht, wer der Präsidentschaftskandidat für das Jahr 2000 ist, sondern wie mit dem Präsidentialismus und damit aufgeräumt werden kann, was System der Staatspartei genannt wird. Die direkte Teilnahme der Regierten an den Dingen, die sie angehen (das heißt an allem), sowie die gewählten Repräsentanten dazu zu zwingen, "gehorchend zu befehlen", sind Weg und Station beim Übergang zur Demokratie.

Fünftens. Unser Kalender zeigt die Zeit der Anerkennung an, daß wir aus unterschiedlichen Wesen gebildet sind und unterschiedliche Rechte haben. Eins davon ist, mit anderen zusammen sein zu können, ohne die Unterschiedlichkeit aufzugeben. Die Rechte der indianischen Völker müssen anerkannt werden. Nicht nur weil dies gerecht ist, sondern auch weil nichts vollständig ist, wenn ein Teil vergessen wird.

Sechstens. Eine neue Form der Politik ist notwendig. Eine Politik, die zusehends neue Akteure einbezieht, deren Verschiedenheit und deren Gewicht anerkennt und in der Lage ist, diese Verschiedenheiten und Gewichtigkeiten einzubeziehen, um daraus eine gemeinsame Geschichte zu machen, das heißt, eine Nation. Alle zu fragen, sie zu befragen, was zu tun ist, wie es zu tun ist, wann es zu tun ist und wozu es zu tun ist, bildet einen wichtigen Bestandteil dieses neuen politischen Handelns. Zu sprechen und ihr Gewicht spüren zu lassen, ist die Herausforderung für die mexikanische Zivilgesellschaft. Einen Mechanismus zu schaffen, um sich Gehör zu verschaffen, und eine Waage, auf der das eigene Gewicht zur Geltung kommt, heißt, den Strahler zu schaffen, in dem das heute verstreute Licht gesammelt und dahin gerichtet werden kann, wohin es gerichtet werden soll, das heißt: auf das Morgen.

Siebtens. Von oben werden nur Kriege und Katastrophen kommen. Von unten wird der Frieden aus Demokratie, Freiheit, Gerechtigkeit und Würde kommen. So nennen wir auch die Welt, die wir für alle wollen.

aus den Bergen des mexikanischen Südostens
für das CCRI-CG der EZLN
Subcomandante Marcos