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Die Zapatistas und die Andere Kampagne
Die Fußgänger der Geschichte
Einführung
Dieser Text ist in erster Linie an und für die AnhängerInnen der Sexta und der Anderen Kampagne gerichtet und gedacht. Und natürlich an alle, die mit unserer Bewegung sympathisieren.
Die folgenden Darstellungen sind Teil der Überlegungen und Schlussfolgerungen, die wir mit einigen Personen, Gruppen, Kollektiven und Organisationen geteilt haben, die Anhänger der Sechsten Erklärung aus dem Lakandonischen Urwald sind. Wie es in der Anderen Kampagne unsere "Art" ist, haben wir zuerst dem Wort dieser Compañer@s zugehört, um danach unsere Analyse und unsere Schlussfolgerung vorzubringen.
Die Sechste Kommission der EZLN hat die Meinungen und Vorschläge eines Teils der Compañer@s der Anderen Kampagne bezüglich der so genannten "postelektoralen Krise", den Mobilisierungen an verschiedenen Orten des Landes (insbesondere der APPO in Oaxaca und von AMLO in D.F.), und der Anderen Kampagne aufmerksam mitverfolgt. In Briefen, Protokollen von Treffen und Versammlungen, über die Webseite, in einigen Fällen in öffentlichen Stellungnahmen sowie persönlichen Zusammenkünften und Gruppentreffen haben sich einige AnhängerInnen zu diesen Punkten geäußert.
In der zweiten Julihälfte und im gesamten Monat August, hielt die Sechste Kommission der EZLN multilaterale Treffen mit einigen zugehörigen Compas aus 19 Bundesstaaten der Republik ab: D.F., Bundesstaat México, Morelos, Michoacán, Querétaro, Tlaxcala, Puebla, Veracruz, Oaxaca, Guerrero, Jalisco, Hidalgo, Zacatecas, Nuevo León, San Luis Potosí, Colima, Nayarit, Guanajuato und Aguascalientes. Zusätzlich trafen wir uns auch mit politischen und sozialen Organisationen mit Präsenz in verschiedenen Teilen des Landes, und mit unseren Compañer@s vom Nationalen Indigenen Kongress.
Gemäß unserer beschränkten Möglichkeiten, fanden diese Treffen in Lokalen der Compas der Otras aus Mexiko Stadt und den Bundesstaaten Morelos, Michoacán, Querétaro, Tlaxcala und Puebla statt.
Es war uns weder möglich noch hielten wir es für wünschenswert, mit allen AnhängerInnen direkt zu sprechen. Dies hat in manchen Kreisen Anlass dazu gegeben, uns zu beschuldigen einige "ausgegrenzt" zu haben. Diesbezüglich möchten wir sagen, dass es in der Anderen Kampagne jeder Gruppe, jedem Kollektiv, jeder Organisation oder Einzelperson freisteht zu entscheiden, mit wem sie sich in der Otra treffen möchten, wann, wie und mit welchem Anliegen. Von diesem Recht Gebrauch machend hörte und sprach die Sechste Kommission der EZLN mit denjenigen, die unsere Einladung akzeptiert haben.
Obwohl es sich um private Versammlungen handelte, waren und sind unsere Erwägungen jedoch nicht geheim. Wir baten daher diejenigen, die so freundlich waren uns zuzuhören, den anderen Compañer@s in ihren Bundesstaaten und organisatorischen Arbeitseinheiten, unsere Gedanken als Sechste Kommission der EZLN zugänglich zu machen. Einige stimmten großherzig zu und kamen dieser Bitte entsprechend nach. Andere haben die Gelegenheit genutzt, um eigene Beurteilungen hinzuzufügen, als ob sie die Meinung der EZLN wiedergeben würden, oder ihre "Zusammenfassungen" dieser Treffen vorsätzlich überarbeitet, um eine tendenziöse Version unserer Vorschläge zu liefern.
Die Themen dieser Versammlungen waren:
Die nationale Situation oben, speziell mit Bezug auf die Wahlen. Die nationale Situation unten, mit Bezug auf die Menschen, die nicht der Otra angehören. Die Situation der Anderen Kampagne. Der Vorschlag der EZLN für die nächsten Schritte der Anderen Kampagne.
Einige Erwägungen der Compas, mit denen wir uns getroffen haben, haben wir hier in unsere Gedanken, Überlegungen und Schlussfolgerungen mit einbezogen. Wir möchten jedoch klarstellen, dass das, was wir hier kommunizieren und all unseren Compañer@s der Sexta und der Otra vorschlagen, einzig und alleine der Verantwortung der Sechsten Kommission der EZLN unterliegt und wir dies als zugehörige Organisation der Anderen Kampagne tun.
Wir möchten uns bei all jenen, die sich ausgeschlossen oder marginalisiert gefühlt haben, aufrichtig entschuldigen und um ihr Verständnis bitten.
Wir präsentieren hier eine kurze Zusammenfassung der Vorgänge im Inneren der EZLN, die zur Entstehung der Sechsten Erklärung geführt haben, unsere Bilanz des ersten Jahres der Sexta und der Anderen Kampagne (die keinen Anspruch auf Endgültigkeit erhebt), unsere Analyse und Stellungnahme zu dem, was oben geschieht, und unseren Vorschlag für die nächsten Schritte der Anderen Kampagne.
Die hier dargelegten Punkte sind in ihren Grundzügen bereits mit den KommandantInnen des Geheimen Revolutionären Indigenen Komitees der EZLN konsultiert worden und geben somit nicht nur die Haltung der Sechsten Kommission wieder, sondern die der gesamten Leitung der Zapatistischen Armee der Nationalen Befreiung.
Sale y vale.
Erster Teil: Die Wege zur Sechsten Erklärung
Da wir dieses Thema bereits behandelt haben, geben wir hier eine knappe Umschreibung der internen Prozesses der EZLN, der zur Sechsten Erklärung führte:
1. - Der Verrat der mexikanischen politischen Klasse und ihr Zerfall.
Ende April 2001, nach dem Marsch der Farbe der Erde und trotz der Unterstützung von Millionen Menschen aus Mexiko und der ganzen Welt für die konstitutionelle Anerkennung der indigenen Rechte und Kultur, bewilligte die politische Klasse in ihrer Gesamtheit eine Gegenreform. Da wir darüber bereits ausführlicher gesprochen haben, geben wir hier lediglich das Wesentliche wieder: Die drei wichtigsten Landesparteien, PRI, PAN und PRD, drehten den gerechten Forderungen der Indígenas den Rücken zu und verrieten uns.
An diesem Punkt kam es zu einem definitiven Bruch.
Dieses Ereignis (das jene sorgfältig "vergessen", die unsere Kritik an der gesamten politischen Klasse beanstanden), war grundlegend für die folgenden Schritte der EZLN, sowohl in interner als auch in externer Hinsicht. Von hier an nahm die EZLN eine Auswertung dessen vor, was ihr Vorschlag gewesen war, des nachfolgenden Prozesses und der möglichen Gründe dieses Verrats.
Durch öffentliche und private Analysen, charakterisierte die EZLN das dominierende sozial-wirtschaftliche Modell in Mexiko als NEOLIBERAL. Wir kennzeichneten eins seiner Hauptmerkmale als die Zerstörung des Nationalstaates, die unter anderem auch den Zerfall der politischen Akteure, ihrer Herrschaftsbeziehungen und ihrer "Gepflogenheiten" beinhaltet.
Der EZLN hatte bis zu diesem Zeitpunkt geglaubt, dass in einigen Sektoren der politischen Klasse eine gewisse Sensibilität existierte, insbesondere unter denjenigen, die sich um die Figur von Cuauhtémoc Cárdenas Solórzano scharrten (innerhalb und außerhalb der PRD); und dass es möglich wäre, durch Mobilisierungen und in Allianz mit diesem Sektor, den Regierenden die Anerkennung unserer Rechte als indigene Völker zu entringen. Aus diesem Grund war ein großer Teil der externen öffentlichen Aktionen der EZLN auf den Gespräch mit dieser politischen Klasse, auf den Dialog und die Verhandlungen mit der Bundesregierung ausgerichtet.
Wir dachten, dass die Politiker von oben eine Forderung begreifen und erfüllen würden, die einen bewaffneten Aufstand und das Blut mexikanischer Bürger gefordert hatte; dass dies den Dialog- und Verhandlungsprozess mit der Bundesregierung zu einem befriedigenden Abschluss führen könnte; dass wir auf diese Weise dazu übergehen könnten, zivile und friedliche Politik zu betreiben; dass mit der konstitutionellen Anerkennung eine "juristische Grundlage" für die Autonomieprozesse gegeben sein würde, die sich in verschiedenen Teilen des indigenen Mexikos heranbildeten; und dass dies eine Stärkung des Pfades von Dialog und Verhandlung als Alternative für die Lösung von Konflikte bedeuten würde.
Wir haben uns geirrt.
Die politische Klasse in ihrer Gesamtheit war habgierig, niederträchtig, geizig und dumm. Die Entscheidung der drei wichtigsten politischen Parteien (PRI, PAN und PRD) zeigte, dass die angeblichen Unterschiede, die zwischen ihnen bestehen, nichts weiter sind als Simulationen. Die "Geometrie" der Politik von oben war durcheinander geraten. Es gab weder eine Linke, noch eine Mitte, noch eine Rechte. Nur eine einzige Räuberbande, die Immunität geniesst ... und Zynismus zu den besten Sendezeiten.
Wir wissen nicht, ob wir uns von Anfang an geirrt haben, ob der Zerfall der politischen Klasse bereits 1994 (als die EZLN sich für zivile und friedliche Initiativen entschied) im Gange war (und der so genannte "Neocardenismus" nur eine Nostalgie von 1988 war); oder ob die Macht den Zersetzungsprozess der professionellen Politiker in den letzten sieben Jahren beschleunigt hat.
Seit 1994 hatten sich uns Menschen und Gruppen der damaligen so genannten "Zivilgesellschaft" genähert, um uns zu sagen, dass der Neocardenismus ehrlich, konsequent und ein natürlicher Verbündeter aller Volkskämpfe sei, nicht nur des neozapatistischen. Wir glauben, dass diese Menschen in den meisten Fällen in guter Absicht handelten.
Die Haltung zur indigenen Gegenreform die heute von Vicente Fox, Cuauhtémoc Cárdenas Solórzano und seinem Sohn, dem pathetischen Lázaro Cárdenas Batel (heute Gouverneur eines vom Drogenhandel kontrollierten Michoacáns) eingenommen wird, ist bereits bekannt.
Mit der Feder von AMLOs späterem glänzenden Wahlkampfkoordinator, Jesús Ortega, stimmten die PRD Senatoren für ein Gesetz, das sogar von anti-zapatistischen indigenen Organisationen als Farce denunziert wurde. So bestätigten sich die Worte eines alten linken Militanten: "General Cárdenas ist 1988 gestorben". Die PRD Abgeordneten ihrerseits bewilligten in der unteren Kammer eine Reihe sekundärer Gesetze und Regelungen, die den Verrat konsolidierten.
Wir erinnern nur daran, dass wir, als wir dieses Verhalten des Neocardenismus öffentlich denunzierten, von den gleichen Menschen angegriffen wurden (einschließlich von Karikaturen), die Cárdenas heute praktisch als Verräter bezeichnen (nur diesmal, weil er López Obrador nicht unterstützte). Natürlich, es ist eine Sache, ein paar Indios zu verraten, und etwas völlig anderes, den FÜHRER zu verraten. Uns nannte man damals "Sektierer", "Marginale", und den Zapatisten wurde vorgeworfen, mit dem "Angriff" auf Cárdenas der Rechten in die Hand zu spielen. Klingt das vertraut? Und heute möchte sich der Ingenieur zum "Linken" mausern und AMLO kritisieren... während er für den Untermieter in Los Pinos in der Kommission für die Zweihundertjahrfeier der mexikanischen Unabhängigkeit arbeitet.
Nach diesem Verrat konnten wir nicht so tun, als ob nichts passiert sei (wir sind keine PRDistas). Um das indigene Gesetz zu erzielen hatten wir einen Dialog- und Verhandlungsprozess mit der Bundesregierung aufgenommen und Vereinbarungen getroffen, wir hatten ein Gespräch mit der politischen Klasse aufgebaut, und wir hatten die Menschen (in Mexiko und auf der ganzen Welt) dazu aufgerufen, sich mit uns für diese Forderung zu mobilisieren.
In unseren Irrtum haben wir viele Menschen hineingezogen.
Nicht mehr. Der nächste Schritt der EZLN würde nicht nur nicht darauf ausgerichtet sein, mit denen von oben zu sprechen und ihnen zuzuhören, sondern sollte sie auch radikal konfrontieren. Das heißt, der nächste Schritt der EZLN würde sich gegen alle Politiker richten.
2.- Bewaffneter Kampf oder zivile und friedliche Initiative?
Nachdem der Oberste Nationale Gerichtshof (SCJN) die Proteste und Einsprüche der verschiedenen indigenen Gemeinden gegen die Gegenreform zurückgewiesen hatte, riefen einige Intellektuelle (von denen einige uns später vorwerfen würden, AMLO und die PRD im Kampf um die Präsidentschaft nicht unterstützt zu haben) implizit zur Gewalt auf. Mit mehr oder weniger Worten sagten sie, den Indígenas bliebe nun keine andere Wahl (lesen Sie die Erklärungen und Leitartikel dieser Tage - September und Oktober 2002). Einige von ihnen, die heute dem glänzenden "intellektuellen Organ" der post-elektoralen Bewegung von López Obrador angehören, feierten die Entscheidung des SCJN und schrieben, dass der EZLN damit nur noch zwei Wege offen stünden: eine Neuverhandlung mit der Regierung oder ein erneuter bewaffneter Aufstand.
Die Alternativen, die von oben vorgeschlagen wurden (und von gewissen "linken" Intellektuellen aufgegriffen wurden), sind falsch. Es ist auf unsere Selbstbetrachtung zurückzuführen, dass wir uns weder für das eine noch das andere entschieden haben.
Wir hatten also die Option, den bewaffneten Kampf wieder aufzunehmen. Wir besaßen dazu nicht nur die nötige militärische Kapazität, sondern auch die Legitimität es zu tun. Aber die militärische Aktion ist eine typisch ausgrenzende Aktion, das beste Beispiel für Sektierertum. Sie steht nur jenen offen, die dafür die Ausrüstung, die Kenntnisse und die körperlichen und geistigen Voraussetzungen besitzen, und die nicht nur bereit sind zu sterben sondern auch zu töten. Wir hatten darauf nur zurückgegriffen, weil uns, wie wir es damals schon sagten, kein anderer Weg mehr übrig gelassen wurde.
Außerdem waren wir 1994 eine Verpflichtung eingegangen, auf dem zivilen Weg zu beharren. Nicht mit der Regierung, sondern mit "den Menschen", mit der "Zivilgesellschaft", die in diesen sieben Jahren nicht nur unsere Forderung unterstützt, sondern auch direkt an unseren Initiativen teilgenommen hatte. Diese Initiativen waren Freiräume für die Beteiligung aller, einzig unter Ausschluss der Unehrlichkeit und des Verbrechens.
Unserem Ermessen zufolge, waren wir diesen Menschen gegenüber eine Verpflichtung eingegangen. Deshalb, dachten wir, musste unser nächster Schritt ebenfalls eine zivile und friedliche Initiative sein.
3. - Die Lektion der früheren Initiativen: nach unten blicken.
Während die politische Klasse ihren Verrat 2001 in ein Gesetz verwandelte, lieferte in den zapatistischen Gemeinden die Delegation, die am so genannten "Marsch der Farbe der Erde" teilgenommen hatte, ihren Bericht ab. Entgegen allen Erwartungen bezog sich der Bericht in erster Linie nicht auf das, was mit und von Politikern, Direktoren, Künstlern, Wissenschaftlern und Intellektuellen gesprochen und gehört worden war; sondern auf das, was wir im Mexiko von unten gesehen und gehört hatten.
Und die Auswertung, die wir vorlegten, stimmte mit der überein, die von den 5.000 Delegierten der Consulta von 1999 und des Marsches der 1.111 von 1997 vorgebracht worden war. Nämlich, dass es einen Sektor der Bevölkerung gab, der uns aufrief, der uns sagte "wir unterstützen euch bei diesen indigenen Forderungen, aber was ist mit uns?" Und dieser Sektor war und wird gebildet von Campesinos, Arbeitern, Frauen, Jugendlichen. Vor allem Frauen und Jugendlichen aller Farben, aber mit der gleichen Geschichte der Demütigung, Enteignung, Ausbeutung und Unterdrückung.
Nein, wir lasen daraus nicht, dass sie einen bewaffneten Aufstand forderten. Auch nicht, dass sie auf einen Anführer, einen Lenker, einen "Hoffnungsstrahl" warteten. Nein, was wir lasen und verstanden war, dass sie hofften, wir würden gemeinsam mit ihnen für ihre jeweiligen Forderungen kämpfen, so wie sie gemeinsam mit uns für die unseren kämpften. Wir lasen und verstanden, dass diese Menschen eine andere Form wollten sich zu organisieren, Politik zu betreiben, zu kämpfen.
Der "Einsatz" der 1.111 und der 5.000 hatte dazu geführt, unser Hören und unseren Blick weiter zu "öffnen", denn diese Compas hatten DIREKT UND OHNE VERMITTLER jene von unten gesehen und gehört. Nicht nur die Lebensbedingungen der Personen, Familien, Gruppen, Kollektive und Organisationen, sondern auch ihre kämpferische Überzeugung, ihre Geschichte, ihr "das bin ich", ihr "hier bin ich". Und es waren Menschen, die nie in der Lage gewesen sind, unsere Gemeinden zu besuchen, die unseren Prozess nicht direkt kannten, die über uns nur das wussten, was unser Wort ihnen erzählt hatte. Und das waren nicht Menschen, die auf der Bühne der verschiedenen Initiativen gestanden hatten, in denen die Neozapatisten in direktem Kontakt mit den Bürgern getreten waren.
Es waren bescheidene und einfache Leute, denen niemand zuhörte und denen wir zuhören mussten... um zu lernen, um Compañer@s zu werden. Unser nächster Schritt sollte dazu dienen, in direkten Kontakt mit diesen Menschen zu treten. Und während dies früher erfolgt war, um selbst zu sprechen und von ihnen angehört zu werden, sollte es jetzt dazu dienen, ihnen zuzuhören. Und nicht um mit ihnen konjunkturbedingt in Beziehung zu treten, sondern langfristig, als Compañer@s.
Unsere Analyse ergab auch, dass die zapatistische Delegation bei den Initiativen, bei denen sie "auftraten", zumeist durch eine Gruppe von Personen "isoliert" wurde: jene, die organisierten, die entschieden wann, wo und mit wem. Wir urteilen nicht ob das gut oder schlecht war, wir weisen nur darauf hin. Daher sollte die folgende Initiative in der Lage sein, derartige "Isolationen" von Anfang an "wahrzunehmen", um sie später zu vermeiden.
Außerdem hatten die "Auftritte" der EZLN, ob gewollt oder ungewollt, dem Gespräch mit einem Sektor der Bevölkerung den Vorzug gegeben: die kultivierte Mittelklasse, Intellektuelle, Künstler, Wissenschaftler, soziale und politische Führer. Vor der Wahl gestellt, würden wir uns in der neuen Initiative zwischen diesem Sektor oder dem der am meisten Enteigneten entscheiden müssen. Und wenn wir uns entscheiden mussten, dann würden wir uns für sie entscheiden, für jene von unten, und einen Raum errichten, um uns mit ihnen zu treffen.
4. - Die Kosten der Konsequenz.
Jede Schlussfolgerung, die wir in der internen Analyse zogen, führte uns zu einer neuen Definition, und diese wiederum zu einer neuen Schlussfolgerung. Wie es unsere Art ist, konnten wir die Menschen nicht zu einer Initiative aufrufen, ohne ihnen klar zu sagen, was wir dachten, und wohin wir gehen wollten. Wenn unsere Auswertung ergeben hatte, dass wir mit der politischen Klasse nichts zu tun haben würden, nichts mit denen von oben, mussten wir das sagen. Wir mussten eine frontale und radikale Kritik der GESAMTEN politischen Klasse aufbieten, ohne weiterhin zu unterscheiden (so wie wir früher Cárdenas und die PRD unterschieden hatten), und unsere Argumente und Gründe dafür liefern. Das heißt, wir mussten die Menschen davon in Kenntnis setzen, dass es einen Bruch gegeben hatte.
Wir dachten damals (und wie sich hinterher herausstellte haben wir uns nicht geirrt), dass der Sektor, der früher Cuauhtémoc Cárdenas Solórzano folgte, später die legislativen Handlungen der PRD-Regierung "vergessen würden", die Aufnahme ehemaliger PRIistas, das Kokettieren mit dem großen Geld, die Unterdrückungen und Aggressionen der PRD-Regierungen gegen Volksbewegungen außerhalb ihrer Umlaufbahn, das komplizenhafte Schweigen von López Obrador angesichts der PRD-Abstimmung gegen die San Andrés Verträge im Senat, und AMLOs Ernennung zum neuen Anführer. Auf López Obrador werden wir später zu sprechen kommen, für jetzt genügt es zu sagen, dass die Kritik ihn mit einbezog, und dies wie erwartet diesen Sektor, der dem Neozapatismus nahe gestanden hatte, verärgerte und entfremdete.
Zu diesem Sektor, der in erster Linie, aber nicht ausschließlich, von Intellektuellen, Künstlern, Wissenschaftlern und sozialen Führern gebildet wurde, gehörte auch die so genannte "Sozialbasis der PRD", und viele Menschen, die ohne der PRD anzugehören oder mit ihr zu sympathisieren glaubten, dass es in der mexikanischen politischen Klasse noch etwas gab, dass zu retten sei. Und all diese Menschen, gemeinsam mit vielen weiteren, die sich den Analysen und Positionen der PRD nicht anschlossen, hatten eine Art "Schutzschild" um die indigenen zapatistischen Gemeinden gebildet. Sie hatten sich jedes Mal mobilisiert, wenn wir eine Aggression erlitten hatten ... außer wenn diese Aggression von der PRD ausging.
Die Kritik und die Distanzierung gegenüber AMLO würde von jenen, die ihn für ihre Alternative für oben hielten und es weiterhin tun, als eine Kritik gegen sich selbst betrachtet werden. Ergo würden sie nicht nur aufhören uns zu unterstützen, sondern sie würden auch dazu übergehen, uns anzugreifen. So geschah es.
Unter den "Triumphen" derer, die aus dem Bereich der Akademie, der Wissenschaften, der Künste, der Kultur und der Information, López Obrador bedingungslos und unkritisch unterstützen (und die Intoleranz und Despotismus an den Tag legen, auch ohne die Regierung innezuhaben) ist auch einer, der unbeachtet geblieben ist: Sie haben das erreicht, was weder das Geld, noch Unterdrückungen und Drohungen geschafft haben, das heißt, die wenigen öffentlichen Räume zu versperren, die dem Wort der EZLN offen standen. Zuerst durch Lügen, dann durch Verdrehungen und Verleumdungen, dann durch Drängen, und zuletzt durch die Beseitigung unseres Wortes. Jetzt haben sie freies Feld, um sich zum (vorbearbeiteten) schrillen Echo für alles zu machen, was AMLO sagt und dem er widerspricht, ohne dabei von irgendwem überschattet zu werden.
Aber die Kosten würden nicht nur politisch sein ... sondern auch militärisch. Das heißt, der "Schutzschild" würde aufhören zu existieren, und die Möglichkeit eines Militärangriffs gegen den EZLN würde für die Mächtigen immer attraktiver erscheinen. Die Aggression würden dann olivgrün, blau und dreifarbig gekleidet kommen ..., oder wie es der Fall war, in gelb (die PRD-Regierung von Zinacantán, Chiapas, griff am 10. April, 2004 eine friedliche Mobilisierung zapatistischer Unterstützungsbasen mit Schusswaffen an, die gelben Paramilitärs bildeten später, von der PRD gefördert, die ersten "Bürgernetzwerke für die Unterstützung AMLOs", eine weitere "Vergesslichkeit" derer, die der EZLN vorwarfen und vorwerfen, den PRD-Politiker weder unterstützt zu haben noch zu unterstützen).
Also beschlossen wir, die politisch-militärische Organisation von der zivilen Struktur der Gemeinden zu trennen. Dies war dringend notwendig. Die Einmischung der politisch-militärischen Struktur in den Gemeinden hatte aufgehört ein Antrieb zu sein, und begonnen ein Hindernis zu werden. Der Augenblick war gekommen, beiseite zu treten und nicht länger zu stören. Aber es ging nicht nur darum zu vermeiden, dass der Prozess, den die zapatistischen Gemeinden (mit eigenem Einsatz, Erfindungsgeist und Kreativität) errichtet hatten, gemeinsam mit der EZLN vernichtet, oder von ihr gestört werden würde. Es sollte auch versucht werden, dass die Kosten der Kritik an der politischen Klasse nur von der EZLN, und vorzugsweise von ihrem militärischen Anführer und Sprecher, "gezahlt" werden würden.
Aber nicht nur das. In dem Fall, dass die zapatistischen Gemeinden entschieden den Schritt zu unternehmen, den die EZLN als notwendig, dringend und konsequent ansah, mussten wir darauf vorbereitet sein, einen Angriff zu überleben. Aus diesem Grund würde später die Sechste Erklärung aus dem Lakandonischen Urwald mit einem Roten Alarm beginnen und erforderte eine jahrelange Vorbereitung.
5. - Antikapitalistisch und links.
Aber die wichtigste Schlussfolgerung, zu der wir in unserer Auswertung gekommen waren, hatte nichts mit diesen Aspekten zu tun, die wir als taktisch bezeichnen, sondern mit etwas Grundlegendem: Verantwortlich für unseren Schmerz, für die Ungerechtigkeiten, die Verachtung, den Raub und die Schläge, mit denen wir leben, ist ein wirtschaftliches, politisches, soziales und ideologisches System, das kapitalistische System. Der nächste Schritt des Neozapatismus würde es sein, diese Verantwortung eindeutig zu benennen, nicht nur für die Verweigerung der indigenen Rechte und Kultur, sondern für die Verweigerung der Rechte und für die Ausbeutung der großen Mehrheit der mexikanischen Bevölkerung. Das heißt, es musste eine Initiative gegen das System sein. Obwohl alle Initiativen der EZLN in der Regel gegen das System gerichtet waren, waren sie nicht immer eindeutig als solche gekennzeichnet worden. Die gesamte Mobilisierung für die indigenen Rechte und Kultur war innerhalb des Systems erfolgt mit der Absicht, einen Dialog und einen juristischen Raum innerhalb des gesetzlichen Rahmens zu errichten. Und die Definition des Kapitalismus als Verantwortlichen und Feind brachte eine weitere Schlussfolgerung mit sich: Wir mussten über den indigenen Kampf hinausgehen. Nicht nur in unseren Erklärungen und Vorschlägen, sondern auch in der Organisation.
Was gebraucht wurde und wird, so dachten und denken wir, ist eine Bewegung, die die Kämpfe gegen das System vereint, das uns ausraubt, ausbeutet, unterdrückt und als Indígenas verachtet. Und nicht nur uns als Indígenas, sondern auch Millionen andere, die keine Indígenas sind: Arbeiter, Campesinos, Angestellte, Kleinhändler, Strassenhändler, SexarbeiterInnen, Arbeitslose, Migranten, Unterbeschäftigte, Strassenarbeiter, Homosexuelle, Lesben, Transsexuelle, Frauen, Jugendliche, Kinder und Alte.
Im Lauf der Geschichte des öffentlichen Lebens der EZLN hatten wir andere Organisationen und indigene Völker kennen gelernt und Beziehungen zu ihnen aufgenommen. Der Nationale Indigene Kongress hatte uns nicht nur gestattet, die Kämpfe und die Autonomieprozesse, die von indigenen Völkern vorangebracht wurden, in Erfahrung zu bringen und von ihnen zu lernen, sondern uns auch beigebracht, mit ihnen respektvoll in Beziehung zu treten.
Aber wir hatten auch Organisationen, Kollektive und politische und kulturelle Gruppen kennen gelernt, die sich eindeutig als antikapitalistisch und links definierten. Ihnen gegenüber hatten wir immer Misstrauen, Distanz und Skepsis bewahrt. Unser Verhältnis zueinander hatte vor allem aus einer ununterbrochenen Nichtbegegnung bestanden... beiderseits.
Mit der Anerkennung des kapitalistischen Systems als Quelle des indigenen Schmerzes musste die EZLN auch anerkennen, dass es diesen Schmerz nicht nur uns verursachte. Da gab und gibt es auch diese Anderen, denen wir im Verlauf dieser 12 Jahre begegnet sind. Ihre Existenz anzuerkennen bedeutete ihre Geschichte anzuerkennen. Das heißt, keine dieser Organisationen, Gruppen und Kollektiven war mit der EZLN geboren worden, weder durch ihr Beispiel, noch in ihrem Schatten, noch unter ihren Fittichen. Sie waren und sind Gruppierungen mit einer eigenen Geschichte des Kampfes und der Würde. Eine kapitalistische Initiative gegen das System musste sie nicht nur berücksichtigen, sondern auch eine ehrliche Beziehung zu ihnen vorschlagen, das heißt eine Beziehung des Respekts.
Die Compañer@s vom Nationalen Indigenen Kongresses hatten uns beigebracht, dass die Anerkennung von Geschichte, Vorgehensweisen und Zielen die Basis des Respekts bildet. Also dachten wir, wir könnten den anderen antikapitalistischen Organisationen, Gruppen und Kollektiven diesen Vorschlag machen. Die neue Initiative sollte den Aufbau der Gemeinsamkeiten und Bündnisse mit diesen Anderen vorschlagen, ohne eine völlige Vereinheitlichung oder Hegemonie von ihnen oder der EZLN zu bedeuten.
6. - Nach oben blicken ... was nicht gesagt wird.
Während oben der Kampf um die Präsidentschaft im Gange war, wurde uns klar, dass es das Fundamentale niemals berühren würde: das wirtschaftliche Modell. Das heißt, das System, dem wir als indigene Völker und als MexikanerInnen unterworfen sind, wurde in keinem Vorschlag derer angesprochen, die sich dort oben stritten, weder von der PRI, noch von der PAN, noch von der PRD.
Wie bereits hingewiesen wurde, und nicht nur von uns, war und ist der angeblich "linke" Vorschlag (der PRD im allgemeinen und von AMLO insbesondere) nichts dergleichen. Es war und ist ein Projekt der Krisenadministration, um Gewinne für die großen Eigentümer zu sichern und den sozialen Unmut durch wirtschaftliche Hilfen, durch die Kooptierung von Anführern und Bewegungen, und durch Drohungen und Repression zu kontrollieren. Seit dem Eintritt von Cárdenas Solórzano in die Hauptstadtregierung, später mit Rosario Robles, und danach mit López Obrador und Alejandro Encinas, wurde und wird Mexiko Stadt wie unter der PRI regiert, aber jetzt unter der Fahne der PRD. Die Partei hat sich geändert, aber die Politik bleibt die gleiche.
Aber AMLO besaß und besitzt was keiner seiner Vorgänger hatte: Charisma und Geschick. So wie Cárdenas vor ihm die Stadtregierung als Sprungbrett für die Präsidentschaft benutzte; tat López Obrador das auch, aber geschickter und erfolgreicher als der Ingenieur. Die Regierung von Vicente Fox, mit ihren Ungeschicklichkeiten, wurde zum wichtigsten Förderer und Publizisten der Kandidatur des PRD-Politikers. Unseren Schätzungen zufolge würde AMLO die Wahl zum Präsidenten der Republik gewinnen.
Und wir haben uns nicht geirrt. López Obrador erhielt die meisten Stimmen unter denen, die sich um die Präsidentschaft stritten. Obwohl nicht so groß wie vorausgesagt, war sein Vorsprung klar und eindeutig. Worin wir uns geirrt hatten, war zu denken, dass das Mittel des Wahlbetrugs bereits der Vergangenheit angehörte. Aber darauf werden wir später zu sprechen kommen.
Unserer Analyse zufolge würde der Antritt von AMLO und seines Regierungsteams (zusammengesetzt aus offenen oder verschämten Salinisten, und einem Haufen niederträchtiger und verabscheuungswürdiger Personen) der Präsidentschaft der Republik, den Antritt einer Regierung bedeuten, die vorgab links zu sein, aber eine rechte Politik betrieb (so wie es die Regierung von D.F. getan hat und tut). Und darüber hinaus würde sie die Macht mit Legitimität, Sympathie und Popularität antreten. Aber sie würde das Essentielle des wirtschaftlichen Systems nicht anrühren. Um mit den Worten von AMLO und seines Teams zu sprechen: "Die makrowirtschaftliche Politik wird fortgesetzt werden."
Wie es fast niemand sagt, bedeutet diese "makrowirtschaftliche Politik" eine steigende Ausbeutung, die Zerstörung der sozialen Sicherheit, die Gefährdung der Arbeit, die Enteignung von Ejido- und Gemeindeländereien, eine zunehmende Migration in die Vereinigten Staaten, die Vernichtung von Geschichte und Kultur, die Unterdrückung der Unzufriedenheit in der Bevölkerung ... und die Privatisierung des Erdöls, der Stromindustrie und aller natürlichen Ressourcen (was im lopezobradorischen Diskurs als "Co-Investition" getarnt wird)
Die "soziale" Politik (die "Analysten" um AMLO "vergessen" wieder einmal die großen Ähnlichkeiten mit der "Solidarität" von Carlos Salinas de Gortari" - dem "Unnennbaren", der im Team von López Obrador wiederbenannt wurde) des PRD-Vorhabens, so wurde uns gesagt, würde es gestatten die Ausgaben des Regierungsapparates zu verringern und die Korruption zu eliminieren (ha!). Die eingesparten Gelder würden dazu dienen, den "schwächsten" Sektoren zu helfen (Senioren und ledige Mütter) und um die Wissenschaften, Künste und Kultur zu unterstützen.
Also dachten wir: AMLO gewinnt die Präsidentschaft mit Legitimität und mit der Unterstützung der großen Unternehmer, und dazu noch mit der bedingungslosen Unterstützung der progressiven Intellektuellen; der Vernichtungsprozess unserer Heimat wird fortgesetzt (aber unter dem Alibi eine Zerstörung "der Linken" zu sein); und jede Art von Opposition oder Widerstand würde als "von der Rechten gefördert, nützlich für die Rechte, sektiererisch, ultra-radikal, infantil, im Bunde mit Martha Sahagún (damals schien Martita die Wunschkandidatin der PAN zu sein - später lautete ihr Etiquette "Verbündete von Calderón") - und bla, bla, bla" kategorisiert, unterdrückt (wie die Studentenbewegung 1999 bis 2000; die Bevölkerung von San Salvador Atenco - erinnern wir uns, dass alles mit dem PRD-Bezirkspräsidenten von Texcoco begann, die PRD Abgeordneten des Bundesstaates von México, die heute die Freiheit der Gefangenen fordern, haben damals die polizeiliche Repression begrüßt und unterstützt; und die Jugendlichen, die von der PRD Regierung dieses "Verteidigers der Ausdrucksfreiheit", Alejandro Encinas unterdrückt wurden, paradoxerweise, weil sie eine Strasse blockierten um Freiheit und Gerechtigkeit für Atenco zu fordern); angegriffen (wie die zapatistischen Unterstützungsbasen in Zinacantán); oder verleumdet, verfolgt und verteufelt (wie die Andere Kampagne und die EZLN).
Aber die Illusion würde verfliegen, sobald ersichtlich wurde, dass sich für die von unten nichts geändert hat. Und dann würde eine Phase der Entmutigung, Verzweiflung und Enttäuschung einsetzen, das heißt, der Nährboden für den Faschismus.
Für diesen Augenblick würde eine organisatorische linke Alternative vonnöten sein. Unserer Rechnung zufolge, würde sich die wahre Natur des so genannten "Alternativen Landesprojekts" in den ersten drei Regierungsjahren definieren.
Unsere Initiative musste dies berücksichtigen und darauf vorbereitet sein, mehrere Jahre lang alles gegen sich zu haben (einschließlich Karikaturen), bevor sie zu einer wirklichen linken und antikapitalistischen Option werden würde.
7.- Was danach folgte? Die Sexta.
Ende 2002 war das Projekt, das später als die Sechste Erklärung aus dem Lakandonischen Urwald bekannt werden würde, bereits grob umrissen: eine neue politische Initiative, zivil und friedlich; antikapitalistisch, die das Gespräch mit den Politikern nicht nur nicht suchte, sondern diese auch offen und vorbehaltlos kritisierte; die den direkten Kontakt zwischen der EZLN und den Anderen von unten ermöglichte; die ihnen zuhörte, die es vorzog, mit den einfachen und bescheidenen Menschen in Beziehung zu treten, die es gestattete sich mit Organisationen, Gruppen und Kollektive mit der gleichen Auffassung zu verbünden, die ausdauernd war, die darauf vorbereitet sein musste, mit allem gegen sich zu laufen (einschließlich des Sektors der progressiven Künstler, Wissenschaftler und Intellektuellen), und die bereit war eine Regierung zu konfrontieren, die als legitim galt. Kurzum: zu sehen, hören, sprechen, laufen, kämpfen, unten ... und links.
Im Januar 2003 "besetzten" zehntausende Zapatisten die Stadt von San Cristóbal de las Casas, Chiapas. Macheten (zu Ehren der RebellInnen von Atenco) und brennende Ocote-Zweige erstrahlten und erleuchteten den zentralen Marktplatz des altehrwürdigen Jovel. Die zapatistische Führung hielt eine Rede. Unter ihnen warnte Comandante Tacho jene, die auf das Vergessen, den Zynismus und die Bequemlichkeit setzten: "Sie irren sich, es gibt da noch etwas anderes". In diesem Augenblick, noch halb im Schatten der Dämmerung, fing die Sechste Erklärung an zu laufen...
Teil II: Die Wege der Otra
Im August 2003 wurden die zapatistischen Caracoles geboren und zusammen mit ihnen, die so genannten Räte der Guten Regierung. Damit wurde die beginnende Trennung zwischen dem politisch-militärischen Apparat der EZLN und den zivilen Strukturen der zapatistischen Gemeinden weiter avanciert. Parallel dazu arbeiteten wir an der Strukturierung der Befehlskette und verfeinerten die Details für Verteidigung und Widerstands gegen einen eventuellen Militärangriff. Die ersten Schritte zur Sechsten Erklärung und der späteren Otra Campaña [Andere Kampagne] waren genommen...
1.- Alleine?
In der zweiten Hälfte von 2004 publizierte die EZLN in einer Reihe von Texten das Fundament ihrer kritischen Haltung gegenüber der politischen Klasse und signalisierte, wo das ganze hinzielte. Zu Beginn des Jahres 2005 waren die Prämissen für die Errichtung der Sechsten Erklärung gesetzt.
Der Wahlkampf war inzwischen vorgerückt. Der EZLN präsentierten sich somit drei mögliche Wege: sich der "Welle" von Lopez Obrador anzuschließen, und die Anzeichen und Hinweise über ihre wahre Tendenzen zu ignorieren (das heißt, inkonsequent zu sein); das Schweigen zu bewahren und den Ausgang des Wahlprozesses abzuwarten; oder das Projekt, das wir vorbereiteten zu lancieren.
Diese Entscheidung zu treffen lag nicht bei der zapatistischen Führung, sondern bei den Gemeinden. Also begannen wir das vorzubereiten, was später der Rote Alarm sein würde, die interne Consulta und, je nach ihrem Ausgang, die Sechste Erklärung.
Unmittelbar vor der Sexta wurde der Text "Die Unmögliche Geometrie der Macht" veröffentlicht. Es kam nach dem Roten Alarm, der von einigen als Ankündigung einer zapatistischen Offensive oder als "Antwort" auf die ständigen Militärpatrouillen interpretiert wurde. Es war weder das eine noch das andere, sondern eine Präventivmassnahme gegen eine mögliche feindliche Militäraktion ... ermutigt durch die Medienattacken der progressiven Intellektuellen, die uns aus Enttäuschung darüber, dass wir uns ihren Lobeshymnen auf AMLO nicht anschließen wollten - und darüber auch nicht schwiegen - bereits rücksichtslos angriffen.
Die Sexta wurde mit den zapatistischen Dörfern konsultiert, und diese entschieden und sagten: "Wir sind dazu bereit, auch wenn wir alleine bleiben werden". Das heißt, bereit, alleine das Land zu bereisen, den Menschen von unten zuzuhören, gemeinsam mit diesen Menschen das Nationale Kampfprogramm zu errichten, um unsere Heimat zu verwandeln und ein neues Abkommen, eine neue Verfassung zu kreieren. Darauf hatten wir uns drei Jahre lang vorbereitet: alleine gelassen zu sein.
Aber so kam es nicht.
Die Sechste Erklärung fing schon bald an, Beitritte zu erhalten. Aus dem ganzen Land erreichten uns Botschaften, die zeigten, dass die Sexta nicht nur verstanden und akzeptiert wurde, sondern dass viele sie auch für sich annahmen. Mit jedem Tag wurde die Sexta größer und verbreitete sich im ganzen Land.
2.- Die ersten Schritte... und Reibungen
Wie wir bereits erklärten, hatten wir einen langen Prozess vorausgesehen. Unsere Idee war, eine Reihe von Vorbereitungstreffen einzuberufen, um die Menschen kennen zu lernen, mit denen wir Weg und Anliegen umarmen würden. Und diese Treffen sollten sich bereits von allen früheren unterscheiden. Diesmal sollte das zapatistische Hören an vorderster Stelle stehen.
Wir begannen als erstes mit dem Treffen für die politischen Organisationen, um die Bedeutung zu zeigen, die wir ihnen beimessen. Dann folgten die indigenen Völkern und Organisationen, um hervorzuheben, dass wir unseren Kampf nicht aufgaben, sondern ihn in einem größeren Kampf einreihten. Dann mit den sozialen Organisationen, in Anerkennung eines Terrains, auf dem der Andere seine Geschichte errichtet hatte. Danach mit verschiedene NGO, Gruppen und Kollektive, die uns stets nahe geblieben waren. Danach mit Familien und Einzelpersonen, um darauf hinzuweisen, dass für uns alle zählten, ungeachtet ihrer Größe oder Anzahl. Und zuletzt mit den Anderen, um anzuerkennen, dass unsere Außensicht eingeschränkt sein könnte (was auch tatsächlich der Fall ist).
In Juli, August und September 2005 fanden die so genannten "Vorbereitungstreffen" statt. Darin hielten wir unser Wort, wir hören ALLEM mit Aufmerksamkeit und Respekt zu, was gesagt wurde, einschließlich von Vorwürfen, Kritiken, Drohungen... und Lügen (obwohl wir damals nicht wussten, dass es Lügen waren).
Vor einem Jahr, am 16. September 2005, in der Anwesenheit der heute verstorbenen Comandanta Ramona, übergab die Führung der EZLN die so genannte "Andere Kampagne" formell an die Gesamtheit der AnhängerInnen. Sie informierte darüber, dass sie an der Bewegung, außer durch die zapatistischen Gemeinden auch durch eine Delegation ihrer Führung (genannt die "Sechste Kommission") teilnehmen würden, und gab den "Aufbruch" des ersten Kundschafters bekannt, der Delegierte Nr. Null (um anzuzeigen, dass danach andere Delegierte folgen würden). Seine Mission würde darin bestehen im ganzen Land, alle Compañer@s, die nicht an den Vorbereitungstreffen hatten teilnehmen können, kennen zu lernen und ihnen zuzuhören, und die Bedingungen zu erkunden, in denen die Sechste Kommission ihre ständige Arbeit aufnehmen würde.
In dieser ersten Vollversammlung schlug die EZLN vor, den Vorsatz der Sechsten Kampagne eine andere Form der Politik zu errichten zu erfüllen, und das Wort aller zu berücksichtigen, ungeachtet dessen, ob sie an den Treffen teilgenommen hatten oder nicht
In dieser Versammlung gab es auch die ersten Versuche einiger Organisationen, die Andere Kampagne in die Briefkopfliste einzugliedern, die sich aus der "Promotora", dem "Frentote" und dem so genannten "Diálogo Nacional" zusammensetzt. Angesichts dieser Position schlug die EZLN vor, bei dieser Gelegenheit noch keine Beschlüsse zu fassen. Dass man zwar argumentieren und diskutieren würde, aber dass keine Entscheidungen OHNE DIE BETEILIGUNG ALLER ANHÄNGER/INNEN getroffen werden sollten. Jene, die darauf gesetzt hatten, dass in den Versammlungen das Grundlegende in Abwesenheit der großen Mehrheit der AnhängerInnen beschlossen werden würde, erlebten ihre erste unangenehme Überraschung, als vereinbart wurde, dass die so genannten "6 Punkte" zur Diskussion durch alle AnhängerInnen im ganzen Land zu stellen. Später, in den Treffen, die auf diese erste Vollversammlung folgten, ging die EZLN aufgrund dieser versuchten Manipulationen auf Abstand zu diesen Organisationen.
Die Leiter dieser wenigen Organisationen, Gruppen und Kollektive waren nicht aufrichtig. Wie es sich später herausstellte, hatten sie darauf gesetzt der Bewegung beizutreten um ihre Leitung zu übernehmen, um sie zu sprengen ? oder um bessere Positionen auf dem "Marktplatz" auszuhandeln, in dem sich die Bewegung um AMLO verwandelte. Sie waren so sicher, dass er Präsident werden würde... nun, offizieller Präsident, dass sie fürchteten der Zug (des Budgets) könnte ihnen davonfahren, und sie hätten kein Fahrschein. Und die Andere Kampagne war die Ware, die sie gegen Vergünstigungen, Kandidaturen und Regierungsposten umtauschen wollten.
3.- Die ersten Probleme
In dieser ersten Vollversammlung machte sich auch ein Ungleichgewicht bemerkbar: die Gruppen und Kollektive (die in der Form der Vollversammlung ihre gewohnte Art zu diskutieren und zu entscheiden vorfinden), waren zahlenmäßig viel stärker vertreten als die politischen und sozialen Organisationen, Familien und Einzelpersonen? und die indigenen Völker.
An diesem Punkt sollten wir erklären, dass die meisten Anhänger der Sechsten Erklärung Indígenas sind (und zwar die Zapatisten nicht mitgezählt). Wenn sich das in den Veranstaltungen und Versammlungen nicht widerspiegelt, dann deshalb weil die indigenen Völker andere Räume der Mitwirkung und des Kampfes haben, die weniger "sichtbar" sind. Für den Augenblick reicht es zu sagen, dass wenn sich sämtliche AnhängerInnen irgendwann mal zur gleichen Zeit und am gleichen Ort versammeln sollten, bei einer sehr vorsichtigen Schätzung ein Verhältnis von 10 Indígenas für jede Person einer anderen politischen oder sozialen Organisation, NGO, Gruppen, Kollektiven, Familien oder Einzelpersonen bestehen würde. Wenn es hoffentlich jemals dazu kommen sollte, könnten die indigenen Völkern uns dann allen vielleicht beibringen, nicht das "ich" sondern das "wir" zu benutzen, um uns zu selbst zu bezeichnen, und zu sein wer wir sind.
Wir sahen all dies und noch einige weitere Dinge (zum Beispiel, dass es weder ein Entscheidungsmechanismus noch Raum für Debatten gab; dass die Gruppen und Kollektive den politischen und sozialen Organisationen ihre Arbeitsweise aufzwingen wollten und umgekehrt), aber das machte uns keine Sorgen. Wir dachten, dass es zunächst mal darauf ankam uns alle gegenseitig kennen zu lernen, und hinterher würden wir dann alle gemeinsam das immer noch unvollständige Profil der Anderen Kampagne definieren.
4. - Die Zeiträume
Unserer Idee zufolge war es aus mehreren Gründen von Vorteil, den Beginn der Anderen Kampagne und der ersten Rundreise während des Wahlkampfes anzusetzen. Zum einen würde wir aufgrund unserer Haltung gegen die politische Klasse in den Rednertribünen und auf Versammlungen, auf jene, die auf der Wahlkampfschiene standen und stehen, wenig "anziehend" wirken. Den "Wohlüberlegten" gegen den Strich zu gehen, würde jene bloßstellen, die sich der EZLN in der Vergangenheit nur genähert hatten um sich fotografieren zu lassen, und sie dazu bringen uns zu meiden und sich vom Neozapatismus zu distanzieren (durch Bücher, Statements ? und Kandidaturen)
Nicht weniger wichtig war, dass während wir den Menschen von unten zuhörten, das Wort der anderen Kämpfe sichtbar, und somit auch deren Geschichte und Weg greifbar werden würden. Sich in der Anderen Kampagne zu "präsentieren", bedeutete dann auch, sich für die Repression der Kaziken, Regierung, Unternehmer und Parteien zu "präsentieren". Wir dachten uns, dass die Wahlkampfzeit die "Kosten" einer repressiven Aktion "anheben" würde, was die kleinen Kämpfen und Organisationen etwas weniger verletzlich machte. Ein weiterer Vorteil war, dass die da oben ganz von den Wahlen in Anspruch genommen wären, und uns in Ruhe lassen würden um unseren Projekt umzusetzen, und der Neozapatismus keine angesagte Mode mehr wäre.
Also überlegten wir uns die folgenden Zeiträume:
- Sechs Monate für die Erkundungsreise und um uns im ganzen Land kennen zu lernen (Januar bis Juni 2006). Zum Abschluss ein Bericht an die gesamte Andere Kampagne: "das sind wir, wir sind hier, dies ist unsere Geschichte"; dann in Ruhe die Wahlen verstreichen lassen und die nächsten Schritte vorbereiten.
- Dann eine anschließende Etappe, um die Bekanntschaften zu vertiefen und die Möglichkeiten der Kommunikation und Unterstützung (das Netzwerk) zwischen den AnhängerInnen auszubauen, um uns gegenseitig zu unterstützen und verteidigen zu können (bereits unter Mitwirkung mehrerer Delegierten der Sechsten Kommission - von September 2006 bis Ende 2007 - mit Unterbrechungen für Zwischenberichte und um die Delegierten abzulösen).
- Danach die Exposition, die Debatte und die Definition der Profils der Anderen Kampagne unter Beteiligung aller AnhängerInnen, nicht nur der EZLN (das gesamte Jahr 2008).
.- In 2009 könnte die Andere Kampagne bereits in der Lage sein, drei Jahre nach ihrer Initiierung, der mexikanischen Bevölkerung mit einem eigenen Gesicht und Stimme gegenübertreten, die von allen gemeinsam erschaffen worden sind. Damit Beginn des Nationalen Kampfprogramms, links und antikapitalistisch, von und für die Menschen von unten.
Erinnern wir uns, dass unserer Analyse zufolge, an diesem Jahr der "lopezobradorische Traum? enden würde. Dann gäbe es für unsere Heimat nicht die Enttäuschung, die Entmutigung und die Hoffnungslosigkeit als einzige Zukunft, sondern es würde da "noch etwas anderes" geben.
5.- Die Schritte bis Atenco: Compañer@s sein?
Dann begann die Reise . . . und es kam wie es kam. Der Schmerz, den wir geahnt hatten, kam dem nicht einmal nahe, den wir auf unserer Reise tatsächlich vorfinden, hören und kennen lernen sollten. Regierungen aller politischen Parteien (einschließend der angeblichen "Linken" - PRD, PT und Convergencia) verbündet mit Kaziken, Großgrundbesitzer und Unternehmer, um Ejidatarios indigene Gemeinden, Klein- und Straßenhändler, SexarbeiterInnen, Arbeiter, Angestellte, Lehrer, Studenten, Jugendliche, Frauen, Kinder, und alte Menschen auszuplündern, auszubeuten, zu verachten und zu unterdrücken; um die Natur zu zerstören, um die Geschichte und die Kultur zu verkaufen; um ein intolerantes, ausgrenzendes, machohaftes, homophobes und rassistisches Denken und Handeln zu stärken. Und nichts davon erschien in den Massenmedien.
Aber wenn in dem unteren Mexiko, das wir vorfanden, ein empörender Schmerz gärte, enthüllten und offenbarten die organisierten Rebellionen, die sich heranbildeten und vereinten, ein "anderes" Land, ein Land in Aufruhr, im Kampf, das dabei war eigene Alternativen aufzubauen.
Wenn die Reise der Sechsten Kommission zu Anfang noch, mit der Borniertheit derer, die nur nach oben blicken, als ein "ambulanter Beschwerdebriefkasten" betrachtet wurde, wurde das bald anders, und das Wort des und der Anderen nahm die Größe an, die das Verschweigen derer von oben bis dahin verschleiert hatte. Erstaunliche Geschichten von Heldenmut, Hingabe und Aufopferung, um sich der Zerstörung zu widersetzen, die von oben kommt, fanden Gehör und Echo in andere AnhängerInnen.
So erreichten wir den Bundesstaat México und D.F,. beladen mit dem Besten aller Farben, die unten kämpften. Der Kalender zeigte den 3. und 4. Mai 2006 an, und Schmerz und Blut zeichneten das Volk von Atenco und die Compas der Anderen Kampagne.
Eine wahre Lektion darin erteilend, was es in der Anderen Kampagne bedeutet Compañer@s zu sein, mobilisierte sich die Volksfront zur Verteidigung des Landes aus Atenco, um Compas in Texcoco beizustehen. Die städtische Regierung (PRD) täuschte vor ein Dialog und Verhandlungen führen zu wollen, während sie die Staatliche Polizei (PRI) und die Bundespolizei (PAN) herbeirief, um zu unterdrücken. Die repräsentativsten Parteien der politischen Klasse, PRD-PRI-PAN, vereinten ihre Kräfte um der Anderen Kampagne einen Schlag zu versetzen. Rund 200 Compas wurden angegriffen, geschlagen, gefoltert, missbraucht und eingekerkert. Ein Minderjähriger, Javier Cortés Santiago, wurde von der Polizei ermordet. Unser junger Compañero Alexis Benhumea Hernández, Anhänger der Anderen Kampagne und Student der UNAM, starb nach einem langen Todeskampf, ebenfalls ermordet.
Die meisten von uns reagierten und nahmen Aktionen für Solidarität und Unterstützung in Angriff, und um zu denunzieren und Druck auszuüben. Mit einem Mindestmass von Anstand und Kameradschaft, unterbrachen wir die Reise der Sechsten Kommission der EZLN, und widmeten uns als erstes der Aufgabe, die Verleumdungs- und Lügenkampagne anzufechten, die in den Massenmedien gegen die Volksfront zur Verteidigung des Landes betrieben wurde (was, einige Compas von den alternativen Medien brüskierte); dann Aktivitäten zu realisieren, um Geldmittel für die Gefangenen zu sammeln, und Veranstaltungen, um die Wahrheit über das Vorgefallene darzulegen.
Im Gegensatz zur Mehrheit der Anderen Kampagne, mobilisierten und fühlten sich einige Organisationen nur betroffen, solange sich eigene Militanten unter den Gefangenen befanden, oder die Veranstaltung Aufsehen erregten. Sobald ihre Compañeros freigelassen wurden und Atenco aus der Mode kam, ließen sie die Forderung nach Freiheit und Gerechtigkeit für die anderen Gefangenen fallen. Später würden sie die ersten sein, die losrannten um sich in AMLOs Proteststreik auf dem Zócalo und der Reforma einzureihen. Was sie nicht bereit waren für Atenco zu tun, taten sie für López Obrador... weil mit ihm die "Massen waren"!? und, ja, auch die Scheinwerfer.
Andere Organisationen nutzten die Konjunktur um geschickt zu versuchen die Andere Kampagne in eine Bündnispolitik mit jenen zu drängen, die nach oben blickten und blicken. Unter dem Vorwand von "wir müssen im Kampf für die Gefangenen alle vereint stehen", versuchten sie (indem sie Vollversammlungen manipulierten) Abkommen durchzusetzen, welche die Andere Kampagne an das Wahlkampf-Kalkül von Organisationen fesselten, die offen oder versteckt gelb waren (die Farbe der PRD). Und nicht nur das, sie versuchten auch Zwietracht und Spaltung zu säen, indem sie herumerzählten, die EZLN würde dem Volk von Atenco eine Politik sektiererischer Allianzen aufzwingen wollen. Aber damit sind sie gescheitert.
Eine andere Organisation mit einigen Compañer@s verkündete, dass die Gefangenen sowieso nicht so schnell freigelassen werden würden, und es deshalb sinnlos sei soviel Kraft darin zu investieren, dass "irgendjemand anderes" (vermutlich nicht sie), diese Aufgabe übernehmen sollte, damit die Andere Kampagne weitergehen könne, und dass die Sechste Kommission der EZLN einen Fehler gemacht hatte ihre Reise zu unterbrechen, dass es sich dabei um eine "unilaterale" Entscheidung gehandelt hätte, und sie ihre Reise besser wiederaufnehmen sollte ... um die Orte aufzusuchen, an denen sie [*die Compañer@s dieser Organisation] politische Arbeit leisteten oder daran interessiert waren es zu tun.
Aber das Verhalten dieser Compañer@s" wurde von der solidarischen Aktivität der Mehrheit der Anderen Kampagne übertroffen. In ganz Mexiko, und in mehr als 50 Ländern der Welt, ertönte die Forderung nach Freiheit und Gerechtigkeit für die Gefangenen von Atenco mit vielen Farben.
6.- Indios versus Mestizen und Provinz versus D.F.
Während die EZLN für die Andere Kampagne einen langsamen Fortschritt in mehreren Etappen vorausgesehen hatte (mit ein oder zwei Vollversammlungen pro Jahr), fanden in Mai und Juni 2006 sogar ganze vier Vollversammlungen statt, alle davon in D.F., da sich ein Großteil der Aktivitäten für Atenco dort konzentrierte.
Und in diesen Treffen manövrierten die "Versammlungsprofis" darauf hin, sie in beschlusstreffende Instanzen zu verwandeln, ungeachtet dessen, dass dies eins der wichtigsten Vorsätze der Sexta missachtete: die Meinung aller einzubeziehen. Obwohl wegen Atenco einberufen, sahen sich die Versammlungen den Manipulationen einiger Organisationen, Gruppen und Kollektive ausgesetzt, in erster Linie aus D.F., um Entscheidungen und Definitionen zu treffen, die diesen zusagten. Und diese Logik verallgemeinerte sich.
Einige Diskussionen und Entscheidungen waren, gelinde gesagt, lächerlich. Zum Beispiel schlug in einer Versammlung irgend jemand vor, der sich kulturell mit der Náhuatl Sprache befasste, Náhuatl zur offiziellen Sprache des Landes zu erklären, und dieses Dokument der EZLN zu übergeben (die sich zu 99.99% aus Indígenas zusammensetzt, die Maya-Sprachen sprechen). Die Versammlung stimmte einhellig dafür. Auf diese Weise beschloss die Andere Kampagne das durchzusetzen, was weder die Azteken, noch die Spanier, noch die Gringos, noch die Franzosen, noch die etceteras, noch alle Regierungen seit der Kolonialzeit geschafft hatten: die zapatistischen Gemeinden ihrer Muttersprache zu berauben, die nicht Náhuatl ist. In einer späteren Versammlung versuchte die Moderation zur Diskussion zu stellen, ob die indigenen Völker einen Sektor darstellten oder nicht ... ohne dass die indigenen Compañer@s dazu irgendetwas gesagt hätten. Nach 500 Jahren von Widerstand und Kampf und zwölf Jahre des bewaffneten zapatistischen Aufstandes, beabsichtigte die Versammlung zu diskutieren was die indigenen Völker wären, ohne ihnen das Wort zu erteilen.
Wenn die Repression in Atenco uns veranlasste, als Bewegung organisiert zu antworten, läuft das Vakuum, das durch das Fehlen grundsätzlicher Definitionen entstanden ist (wie den Stellenwert der Debatte und die Art und Weise wie Beschlüsse zu treffen sind) Gefahr, von den Vorschlägen und "Vorgehensweisen" derer gefüllt zu werden, die im Gegensatz zu den anderen AnhängerInnen nicht nur in der Lage sind an den Versammlungen teilzunehmen, sondern auch stundenlang ausharren können, um im richtigen Augenblick (das heißt, wenn ihnen der Sieg sicher ist) ihren Vorschlag abstimmen zu lassen, oder die Abstimmung durch Anträge abzuwenden (wenn sie zu verlieren drohen).
In einer Versammlung zählt nur wer spricht, nicht wer arbeitet. Und zwar auf Spanisch. Denn wenn gerade nur indigene Sprachen gesprochen werden, nutzen die "Spanisch-Sprecher" die Zeit um auf die Toilette zu gehen, zu essen, oder zu schlafen. Wir Zapatisten haben die Sexta überprüft, und darin wird an keiner Stelle gesagt, dass man Spanisch oder Rhetorik beherrschen muss, um beitreten zu können. Aber in den Versammlungen hat die Logik dieser Organisationen, Gruppen und Kollektive das so durchgesetzt.
Und mehr noch. In diesen Versammlungen wurde per Handzeichen gestimmt. Und da diese alle zufällig alle an einem bestimmten geographischen Punkt stattfanden (sagen wir in DF), entsendeten die Otras in den Bundesstaaten und Regionen Delegierte, um zu vertreten was die AnhängerInnen an diesen Orten beschlossen hatten. Aber als es zur Abstimmung kam, wurde das nicht berücksichtigt. In der Versammlung zählt die Stimme eines staatlichen oder regionalen Delegierten genauso viel, wie die eines jeden, der zu einer Gruppe oder einem Kollektiv gehört. Einige Compañer@s mussten tagelang reisen um an der Versammlung teilzunehmen, aber nach den Regeln mussten sie sich mit den gleichen drei Minuten Redezeit begnügen, wie eine Person, die mit der U-Bahn zum Treffen gekommen war. Und wenn der staatliche oder regionale Delegierte vorzeitig abreisen musste, weil sie tagelang unterwegs sein würden um nach Hause zu gelangen, und nicht bis zum Abschluss der Versammlung bleiben konnte (also dann wenn die Moderatoren - wie das in der Vollversammlung am 1. Juli der Fall war - die Resolutionen ausschließlich von AnhängerInnen aus D.F. abstimmen ließen, schon halb aus der Tür, weil im Lokal bereits die Lichter abgedreht wurden), dann ging gar nichts. Und wenn diese Resolution lautete, dass in 15 Tagen eine weitere Versammlung stattfinden sollte, hier in D.F., und der oder die Compa war ein/e Delegierte/r einer indigenen Gemeinde, dann sahen sie sich gezwungen nach Hause zu eilen, und die Zeitauffassungen der Stadt einem indigenen Dorf aufzudrängen, das in die Andere Kampagne eingetreten war, weil sie dachten es sei ein Ort an dem ihre Lebensweise und ihre Zeitauffassungen respektiert würden.
Die Aktionen und Verhalten dieser Gruppen und Kollektive (die in der Anderen Kampagne in D.F. und landesweit nur eine kleine Minderheit darstellen, aber so viel Rummel machen als ob sie die Mehrheit wären), haben zum Aufkommen zweier Tendenzen geführt, die sich in der Anderen Kampagne bemerkbar machen:
- Dass einige Compañer@s aus der Provinz die AnhängerInnen aus D.F. mit dieser autoritären Form identifizieren (getarnt als "demokratisch", "antiautoritär" und "horizontal") und davor zurückscheuen mit ihnen mitzuwirken, zu diskutieren und Vereinbarungen zu treffen. Ohne für diese Art "Torpedierung" der Versammlungen verantwortlich gewesen zu sein, wird die Mehrheit der Compas aus D.F. von dieser Ablehnung getroffen.
.- Dass die Compas vom Nationalen Indigenen Kongress die Geringschätzung und Borniertheit dieser Gruppen als "Eigenart" aller Mestizen identifizieren. Denn wenn es jemand versteht in einer Versammlung beizusitzen, zu diskutieren und Vereinbarungen zu treffen, dann sind das die indigenen Völker (und sie müssen nur selten tatsächlich abstimmen um zu sehen wer gewinnt). Das ist ebenso ungerecht, denn die überwältigende Mehrheit der Nicht-Indígenas in der Otra haben große Achtung vor den Indígenas.
Beide Tendenzen sind ungerecht und falsch. Aber das Problem, so denken wir Zapatisten, besteht darin, dass die Versammlungen diese Irreführung gestatten; also dass einige Gruppen, Kollektive und Organisationen ihre unfaire und unehrenhafte Art zu diskutieren und Beschlüsse zu treffen, als Meinung aller oder der Mehrheit präsentieren.
Nein. Wir Zapatisten denken, dass die Versammlungen dazu da sind, um zu informieren und gegebenenfalls operative Fragen zu diskutieren und zu beschließen, nicht um Grundsätzliches zu diskutieren, zu beschließen und zu definieren.
Wir denken auch, dass es ein Fehler unsererseits, der EZLN gewesen ist, die Definition der Räume und Mechanismen für Information, Debatte und Entscheidungsfindung, nicht von Beginn der Anderen Kampagne an in Angriff genommen zu haben. Aber lediglich unsere Unzulänglichkeiten als Organisation und als Bewegung aufzuzeigen und anzuerkennen löst die Probleme nicht. Diese grundsätzlichen Definitionen fehlen weiterhin. Hierzu, hinsichtlich der so genannten "Sechs Punkte", werden wir im letzten Kapitel dieser Reflexion einen Vorschlag unterbreiten.
7.- Ein weiteres "Problem"
Von einigen Kollektive und Personen wurde Kritik gegen den "Protagonismus" und dem "Autoritarismus" des Sup erhoben. Wir verstehen, dass einige sich von der Präsenz eines Militärs (auch wenn er "anders" ist) in der Anderen Kampagne beleidigt fühlen, da er das Bild der vertikalen Ausrichtung, des Zentralismus und des Autoritarismus personifiziert. Beiseite lassend, dass diese Personen "übersehen" was die EZLN und ihr Kampf für Millionen Mexikaner und Menschen auf der ganzen Welt bedeuten, möchten wir sie darauf hinweisen, dass wir die moralische Autorität, die sich unsere Gemeinden in mehr als 12 Kriegsjahren erworben haben, niemals zum eigenen Vorteil "genutzt" haben. In unseren Beteiligungen in der Anderen Kampagne haben wir alle die ihr angehören stets loyal verteidigt, auch wenn wir mit ihren Symbolen und Positionen nicht einverstanden waren.
Mit unserer Stimme haben wir den Hammer und die Sichel der Kommunisten verteidigt, das "A" auf schwarzem Hintergrund der Anarchisten und Libertären, die Skinheads, die Punks, die Goths, die Gangs, die Raza, die Autonomen, die SexarbeiterInnen, jene, die zur Wahlenthaltung aufriefen, oder zur Annullierung der Wahl, oder denen es egal war ob man wählte oder nicht, die Arbeit der alternativen Medien, jene, die das Wort gebrauchten und missbrauchten, die Intellektuellen in der Anderen Kampagne, die stille aber effektive politische Arbeit des Nationalen Indigenen Kongresses, die Kameradschaft der politischen und sozialen Organisationen, die ohne damit zu prahlen, ALLES was sie hatten für die Andere Kampagne und den Kampf um Freiheit und Gerechtigkeit für die Gefangenen von Atenco eingesetzt haben, die freie Ausübung von Kritik, manchmal grob und gemein (wie die Kritik gegen die sozialen und politischen Organisationen von D.F., die den Raum, die Einrichtung und die Audioausrüstung für Veranstaltungen und Treffen der Anderen Kampagne zur Verfügung gestellt haben, und sich deshalb Vorwürfe des "Protagonismus" gefallen lassen mussten!), oder, wie so oft, brüderlich und kameradschaftlich.
Auch uns wurden mitunter unter der Maske der "Kritik" einige echte Schwachsinnigkeiten vorgeworfen. Wir haben darauf nicht geantwortet . . . noch nicht. Aber wir haben diese stets von der ehrlichen Kritik unterschieden, die erhoben wird um uns auf unsere Fehler hinzuweisen und uns verbessert haben.
8.- Tendenzen angesichts der postelektoralen Mobilisierung von AMLO
Der Wahlbetrug, der gegen López Obrador verübt wurde, hat unter anderem eine Mobilisierung hervorgerufen. Wir werden unsere Position ihr gegenüber später erläutern. Zunächst möchten wir auf einige der Positionen verweisen, die soweit wir sehen konnten, in der Anderen Kampagne vertreten sind:
- Da gibt es die unehrliche und opportunistische Position einiger - weniger - linken politischen Organisationen. Sie behaupten, wir stünden heute vor einem historischen, pre-revolutionärem Moment ("eine Wasserscheide [= ein entscheidender Wendepunkt], Bruder, und bei dem Regen braucht man einen Regenschirm *) aber dass AMLO kein Führer sei, der es verstehen würde die Massen zum Sturm auf den Winterpalast zu führen ? na schön, auf den Regierungspalast. Aber dafür gibt es ja die politischen Avantgarden, die wissen was die Massen sich erhoffen und ersehnen, die der PRD-Politiker heute einberuft.
Also haben sie sich dem Proteststreik und den Mobilisierungen für Lopez Obrador angeschlossen, um "Bewusstsein für die Massen zu schaffen", um die Bewegung dieser "reformistischen" und "nachgiebigen" Führung zu "entreißen", und die Mobilisierung auf ein "höheres Kampfniveau" zu bringen. Also legten sie schnell ihr Geld zusammen, erklärten die Andere Kampagne für "tot und erledigt" (Marcos? Pah! Ein politischer Kadaver), kauften sich ihr Zelt und installierten sich im Proteststreik auf der Reforma. Dort riefen sie dann zu Sammelaktionen für Verpflegung auf.
Nein, nicht für die Compas, die unter heldenhaften Bedingungen den Proteststreik vor dem Gefängnis von Santiaguito in Unterstützung der Gefangenen von Atenco aufrechterhalten, sondern für den Proteststreik von Lopez Obrador.
Dort organisierten sie Konferenzen und runde Tische, und verteilten Flugblätter und "revolutionäre" Zeitschriften, mit "tiefgehenden" Analysen über die Konjunktur, die Korrelation der Kräfte und das Aufkommen der Massenfronts, Volkskoalitionen? und noch mehr nationale Promotoras und Dialoge! Hurra! Jaaaa!
Und, gut, dort warteten sie geduldig darauf, dass die Massen ihren Irrtum einsehen (den der Massen, natürlich) und ihre Klarsicht und Entschlossenheit (die der Organisationen, natürlich) zujubeln würden. Oder dass López Obrador, oder Manuel Camacho, oder Ricardo Monreal, oder Arturo Núñez sie aufsuchen, um Rat, Orientierung, Unterstützung oder F-ü-h-r-u-n-g zu finden? aber nichts passierte. Später nahmen sie ungeduldig an der CND teil, um AMLO zuzujubeln und zum legitimen Präsidenten auszurufen.
Dort akzeptierten sie auch ohne zu mucksen, die Leitung und die politische Kontrolle von, unter anderen "angesehenen Revolutionären": Dante Delgado, Federico Arreola, Ignacio Marván, Arturo Nuñez, Layda Sansores, Ricardo Monreal und Socorro Díaz (wer hier einen findet, der nicht mal zur PRI gehört hat, kriegt einen Preis), also die tragenden Säulen der "neuen" Republik, der "neuen" Generation der zukünftigen "neuen" politischen Partei (Verdammt, habe ich jetzt zu schnell vorgesprungen?).
Die Massen kehrten dann wieder nach Hause zurück, zu ihrer Arbeit, zu ihren Kämpfen, aber diese Organisationen werden den richtigen Augenblick abzuwarten wissen ? und sie werden López Obrador die Führung der Bewegung entreißen! (Ha!)
Jedem das seine, aber sind sie nicht ein bisschen rührend?
.- Es gibt innerhalb der Anderen Kampagne auch eine ehrliche Tendenz derer, die aufrichtig besorgt über die "Isolation" sind, die sich für uns aus der Weigerung sich der Mobilisierung von AMLO anzuschließen ergeben könnte. Sie halten es für möglich die Mobilisierung zu unterstützen, ohne damit auch den PRDista zu unterstützen. Ihre Analyse besagt, dass es auch [in dieser Bewegung] Menschen von unten gibt, an die wir herantreten sollten, weil unsere Bewegung mit und für die Menschen von unten ist, und wenn wir es nicht tun, werden wir dafür einen hohen politischen Preis zahlen.
9. - Die Andere Kampagne, die wirklich existiert
Und dann gibt es da die Tendenz, die, nach allem was wir gesehen und gehört haben, innerhalb der Anderen Kampagne von der Mehrheit vertreten wird. Diese Position (die auch wir als Zapatisten vertreten) besagt, dass die lopezobradorische Mobilisierung nicht unsere Schiene ist, und dass wir fortfahren müssen nach unten zu blicken und als Andere Kampagne zu wachsen, weder danach suchend jemand zu führen und befehligen, noch nach jemanden verlangend, der uns führt und befiehlt.
Und diese Position besagt eindeutig, dass sich die Überlegungen, die der Sechsten Erklärung Antrieb gaben nicht geändert haben, das heißt, eine Bewegung hervorzubringen und zum Wachsen zu bringen, die von unten, antikapitalistisch und links ist.
Denn abgesehen von diesen Problemen, die wir entdeckt und auf die wir hier hingewiesen haben, und die sich auf einige wenigen Compas beschränken und konzentrieren, die im ganzen Land verstreut sind (nicht nur in D.F.) und auf diese wenigen Organisationen (die, wie wir jetzt wissen und verstehen, niemals woanders gewesen, noch woanders sein werden, als dort wo es Massen gibt, die auf eine Avantgarde warten), geht die Otra [das Andere] - im ganzen Land weiter, und gibt weder ihren Weg auf noch ihr Schicksal.
Es ist die Otra der politischen Gefangenen von Atenco, von Ignacio Del Valle, Magdalena García, Mariana Selvas und allen Namen und Gesichter dieser Ungerechtigkeit.
Es ist die Otra der politischen Gefangenen in Guanajuato, Tabasco, Chiapas, Oaxaca, Puebla, Hidalgo, Jalisco, Guerrero, Bundesstaat México, und im ganzen Land; Die Andere Kampagne von Gloria Arenas und Jacobo Silva Nogales.
Er ist die Otra des Nationalen Indigenen Kongresses (Region Pazifik-Mitte), die ihre Kontakte bis zu den Halbinseln von Yucatán und Baja California und nach Nordosten hin ausstreckt und weiter wächst.
Es ist die Otra, die in Chiapas blüht, ohne Identität und Wurzel zu verlieren, der es gelingt Zonen und Kämpfe zu organisieren und zu artikulieren, die bisher stets getrennt geblieben sind, und die Darlegung und Definition des Anderen Kampfes um die Gleichstellung der Geschlechter avanciert.
Es ist die Otra, die in Gruppen und Kollektiven für Kultur und Information weiterhin Freiheit und Gerechtigkeit für Atenco fordert, die ihre Netzwerke festigt, und Musik spielt, die für ein anderes Hören und für den Tanz mit anderen Füssen bestimmt ist.
Es ist die Otra, die im Proteststreik vor Santiaguito aufrecht hält und zum Licht und zur Botschaft für unsere gefangenen Compañer@s pres@s wird: "Wir werden euch nicht vergessen, wir werden euch rausholen".
Es ist die Otra, die in linken politischen und sozialen Organisationen, ihre Beziehungen und Verpflichtungen mit einer neuen Art Politik zu betreiben knüpft.
Es ist die Otra, die sich in den nördlichen Staaten Mexikos und jenseits des Rio Bravo, von dem Warten auf die Sechste Kommission nicht abhalten ließ, und weiter arbeitete.
Es ist die Otra, die in Morelos, Tlaxcala, Querétaro, Puebla, der Huasteca von Potosí, Nayarit, Bundesstaat México, Michoacán, Tabasco, Yucatán, Quintana Roo, Veracruz, Campeche, Aguascalientes, Hidalgo, Guerrero, Colima, Jalisco, in D.F., kämpfend lernt "wir" zu sagen.
Es ist die Otra, die in Oaxaca wächst, unten und ohne Protagonismus, die Bewegung, die heute ganz Mexiko mit Verwunderung erfüllt.
Es ist die Otra der Jugendlichen, der Frauen, der Kinder, der alten Menschen, der Homosexuellen, der Lesbierinnen.
Es ist die Otra der Bevölkerung von Atenco.
Es ist die Otra, das zu den besten gehört, das dieser mexikanische Boden jemals hervorgebracht hat.
Teil III: Der längste Tag, des längsten Jahres
1. - Das Jahr 2006 begann im Januar... 2004.
Die Mittelmäßigkeit von Präsident Fox als Leiter der Bundesexekutiven und die persönlichen Ambitionen seiner Ehegattin, Martha Sahagún, beschleunigten den Disput um die Amtsnachfolge nicht nur, sondern führten auch dazu, dass er mit einer bisher beispiellosen Dreistigkeit und Impertinenz ausgetragen wurde.
Die elementaren "Gesetze" der oberen Politik waren in jeder Hinsicht klar umrissen. Die Bühne war und ist, die der neoliberalen Politik. Die Darsteller können sich von einem Extrem zum anderen bewegen (was sie tatsächlich auch tun), aber ohne vom festgelegten Drehbuch abzuweichen (das heißt, "die makrowirtschaftlichen Variablen" zu erhalten und zu vertiefen). Die Politik oben war und ist nur beschränkt zugänglich, sie ist nur den politischen Parteien vorbehalten, und die Rolle des Bürgers beschränkt sich auf die eines stillen Zuschauers (der nur am Wahltag applaudieren oder auspfeifen darf), der zusieht wie die Skandale aufeinander folgen. Zudem müssen alle politischen "Akteure" (eine Bezeichnung, die nie zutreffender war als heute) anerkennen, dass ihre Aufgabe alleine auf dem Terrain der Massenmedien zu bewerkstelligen ist. Und in und durch diese Medien wurde der neue Richtwert der modernen Demokratie errichtet: die Meinungsumfragen. Die Meinungsumfragen verwandelten sich daraufhin in die postmoderne Version des "Applausometers". Es gab und gibt dort oben keinen einzigen politischen Akteur, der sich nicht nach ihnen richtet.
Wie man sich erinnert, nahm der Kampf um die Präsidialnachfolge seit Anfang 2004 einen schärferen Ton an. Mittels einer Reihe von Amateurvideos wurde der frühere PRD-Anführer Carlos Ahumada von den Massenmedien benutzt um einen Schlag gegen López Obrador auszuführen. Millionen von Zuschauer konnten Personen aus dem nahen Umkreis der lopezobradoristischen Administration dabei zusehen, wie sie in Las Vegas Wetten ablegten und riesige Geldmengen in Empfang nahmen. In einem Manöver, das eindeutig die Handschrift des "Kojoten" Diego Fernández de Cevallos trug, übernahmen die Massenmedien (allen voran die elektronischen) die Funktionen der Staatsanwaltschaft, klagten an, richteten und verurteilten . . . mit der schwersten Strafe, die es für die mexikanische politische Klasse gibt: der Mediendiskreditierung.
Obwohl der Skandal mit dem Familienclan der Grünen Umweltschutz-Partei losging, traf der Schlag in erster Linie den Kandidaten, der laut der wahren IFE (also, laut Umfragen), in Führung lag: Andrés Manuel López Obrador. Zu seiner Verteidigung griff dieser seinerseits zu dem, was sein verlässlichstes Hilfsmittel und bevorzugtes Schlagwort werden sollte: "Das ist ein Komplott".
Und das war es auch. Sowohl die Filmaufnahmen als auch ihre spätere Handhabung, waren Teil eines Diskreditierungs-Manövers. Das "Präsidentenehepaar" war gerade dabei sich eine besondere Phobie einzuhandeln: die Lopezobrador-Phobie, also setzte sie das ganzen ihnen zur Verfügung stehende Apparat und die "unparteiische" Hilfe einiger der großen Massenmedien ein um sich zu "kurieren" (es wäre in jeder Hinsicht billiger gewesen zu einem Psychoanalytiker zu gehen, aber Doña Martha war aus einem einfachen Grund zu allem bereit: um zu beweisen, dass sie das Sagen hatte).
Allerdings beantworteten weder López Obrador noch die PRD (noch die vielen Fürsprecher, die damals aus dem Boden schossen) einige grundlegenden Fragen: warum akzeptierten diese Personen Bestechungsgelder und benutzten die öffentliche Staatskasse? Und warum standen diese Personen dem PRD-Politiker nahe? Die Grobheit des Medienmanövers gegen AMLO, verhinderte, dass diese Fragen angesprochen wurden. Danach folgte das beabsichtigte Desafuero. Fox scheiterte damit nicht nur, er machte López Obrador auch zum landesweit stärksten Anwärter auf den Präsidentenposten.
2. - Ein langer, langer 3. Juli
Wenn 2006 das längste Jahr gewesen ist, so war der 3. Juli (der Tag, an dem bekannt werden sollte wer der neue Präsident sein würde) der längste Tag. Ein von der mexikanischen Regierung ausgeführter, und von einem Sektor der großen Eigentümer und einigen großen Massenmedien unterstützen Wahlbetrug, setzte den Wahlsieg von Felipe Calderón Hinojosa, von der Nationalen Aktionspartei (PAN), zum mexikanischen Präsidenten durch.
Der 3. Juli begann am 2. Juli gegen 15:00 Uhr (drei Uhr Nachmittags), und dauerte bis zum 4. September, der Tag an dem sieben Personen im Bundeswahltribunal die Wahlstimmen von Millionen von Mexikaner usurpierten. Mit dem Urteil des TRIFE (eine wahre "Perle" des juristischen Stumpfsinns: "Manipulationen haben zwar stattgefunden, haben aber das Endergebnis nicht beeinflusst"), war der Höhepunkt der Krise der selbsternannten "repräsentativen (also elektoralen) Demokratie" des mexikanischen politischen Systems erreicht.
Nachdem Millionen von Pesos auf lächerliche Kampagnen verschleudert worden waren, nach allen Diskursen, Werbespots, Wahlveranstaltungen und Erklärungen der Wahlakteure (vor allem der Mafia, das sich "Bundeswahlinstitut" nennt) über die Bedeutung des Votums und der Wichtigkeit der bürgerlichen Beteiligung; nach allen Toten, Verschwundenen, Gefangenen und Geschlagenen im Kampf für das legitime Recht auf Demokratie; nach all den Reformen und Anpassungen; nach der "Verbürgerlichung" des Wahlorgans; wurde die Ernennung des Präsidenten letzten Endes nicht von der größten Anzahl der abgegebenen Stimmen bestimmt, sondern von der Entscheidung von sieben "Richtern".
Dass die Konkretisierung des Wahlbetrugs mehr als zwei Monate lang dauerte, ist zu einem großen Teil den Widerstandsaktionen der Bürgerbewegung zu verdanken, die von Andrés Manuel López Obrador angeführt, geleitet und befehligt wird.
In dem Radioprogramm "Política de Banqueta" denunzierten wir den Betrug am 3. Juli, gegen 20:00 Uhr, und gaben die Anzahl der manipulierten Stimmen an (anderthalb Millionen). Dies führte dazu, dass dem Besitzer des Senders aus Los Pinos aus angeordnet wurde, die Sendung abzusetzen (später erfuhren wir, dass dieses Veto sich auf alle radikalen Rundfunksender erstreckte, und merkwürdigerweise "aufgehoben" wurde, sobald der TRIFE den Wahlausgang bestätigte). Diese Denunzierung (und die darauf folgende Absetzung der Sendung) erntete nur die Geringschätzung des "gebildeten Lopezobradismus" und erst mehr als eine Woche später fingen die Führer langsam damit an, zu berichten und zu denunzieren was geschehen war.
Was wir hier darstellen, ist das, was uns von einem Teil der Geschichte eines Betruges bekannt ist, der zu den ungeschicktesten und schmutzigsten im ausgedehnten Leben der mexikanischen politischen Klasse gehört. Die Informationen stammen von Personen, die als "Insider" direkte Zeugen des Geschehens waren. Obwohl die Informationen nicht bestätigt werden können (es gibt weder Aufzeichnungen noch Videoaufnahmen), lassen sich anhand der Daten erhärten, die von mehreren Bürgern ohne Parteizugehörigkeit zusammengetragen und veröffentlicht worden sind.
2. Juli 2006. 15:00 Uhr. - Die letzten Hochrechnungen hatten den Kandidaten der so genannten "Koalition zum Wohle Aller", Andrés Manuel López Obrador, zum Gewinner der Wahlen erklärt, mit einem Vorsprung von rund anderthalb Millionen Stimmen mehr als der Kandidat der Nationalen Aktionspartei (PAN), Felipe Calderón Hinojosa. In der Amtsresidenz von Los Pinos nimmt das "Präsidentenehepaar" die Nachricht mit bestürzten Gesichtern entgegen. Ihre Rechnungen waren fehlgeschlagen. Ihnen zufolge hätte die gigantische Verleumdungskampagne gegen López Obrador, sowie die Manöver der landeseigenen Lady Macbeth (Elba Esther Gordillo), um Wählerstimmen der PRI an die PAN zu transferieren, ausreichen sollen um AMLO mit ungefähr eine Million Wählerstimmen zu schlagen. Aber Plan "A" zur Einsetzung Calderóns war gescheitert.
Plan A. - Den Rechnungen in Los Pinos zufolge, würde in einem Universum mit ungefähr 40 Millionen Wählern (auf die 40% Stimmenthaltung hatten sich alle politischen Akteure bereits Wochen vor den Wahlen eingestellt), López Obrador um die 15 Millionen Stimmen erhalten, und Calderón und Madrazo rund 13 Millionen erreichen. Die "Maestra" [Elba Esther Gordillo] hatte jedoch versprochen drei Millionen Wählerstimmen aus dem Haufen Madrazos, auf das Konto des PAN-Kandidaten zu transferieren. Das Ergebnis würde knapp sein: 16 Millionen für Calderón, nur 15 für López Obrador (und Madrazo mit 10 oder weniger). Mit der richtigen Handhabung der Medien wäre die "Legitimität" erzielt, da es sich um ein "sauberes" Manöver handeln würde, das heißt, ohne Spuren in der Stimmenabgabe und den Wahllokalen zu hinterlassen. Es würde eine beispielhafte Wahl sein, ohne die "Laster", mit denen die PRI die Wahlprozesse vor der "Fox-Ära" geprägt hatte: es würde weder "verrückte Ratten", noch "falsche Wahllokale", noch eine "Operation Tamal" noch gestohlene Wahlurnen geben, noch irgendwelche andere etceteras, die endlich der Vergangenheit angehören mussten.
Aber die Rechnungen gingen nicht auf: Am 2. Juli sah es so aus, als könnte López Obrador bis zu 15 ein Halb Millionen erzielen, und Calderón die 14 Millionen nicht erreichen würde. Es blieb keine Zeit mehr um die alten "Alchimisten" der PRI zu rekrutieren und zum Einsatz zu bringen (abgesehen davon waren einige von ihnen - wie José Guadarrama- als PRD- Kandidaten angetreten).
Plan B.- am Rande des Nervenzusammenbruchs drängt Martha Sahagún de Fox, den selbsternannten Präsidenten von Mexiko, Vicente Fox Quesada, sich mit der "Maestra" Elba Esther Gordillo in Verbindung zu setzen. Wie gewohnt gehorcht Fox der Señora Sahagún, und der "rote Draht" nimmt direkten Kontakt mit Gordillo auf. Diese bestätigt die Information: López Obrador wird mit einem Vorsprung von etwa einer Million Stimmen die Wahl gewinnen. "Was sollen wir tun?" fragt Fox. "Ich möchte mit Felipe sprechen", antwortet Elba Esther. Die Zeiger der Uhr haben sich kaum gedreht, als das Dreiergespräch hergestellt wird:
Vicente Fox: - Maestra, Felipe ist bereits in der Leitung.
Elba Esther Gordillo: - Felipe?
Felipe Calderón: - Ja?
Elba Esher Gordillo: - Ich werde dir ein Angebot unterbreiten, das du nicht abschlagen kannst.
Sobald das Telefongespräch beendet ist, wird Plan B in Angriff genommen: den Anweisungen der Gordillo folgend, betätigt Señor Fox einen neuen Anruf, diesmal an Señor Ugalde, Präsident der IFE. Er bittet diesen das PREP derart zu "handhaben", dass als erstes und in angemessenen Dosen, Ergebnisse gezeigt werden, die Felipe Calderón vor López Obrador in Führung halten (deshalb das befremdliche und abnorme Verhalten der "Ergebniskurven" - das von mehreren Spezialisten denunziert wurde, und insbesondere von dem Journalisten Julio Hernández Astillero" in seiner Kolumne "Astillero", in der mexikanischen Tageszeitung La Jornada behandelt worden ist).
Ein weiterer Anruf an die großen Medienkonzerne vereinbart, Schweigen über die Ergebnisse der letzten Hochrechnungen zu bewahren. Die Version, auf die man sich einigt lautet, dass kein Ergebnis gegeben werden könne, dass man abwarten müsse, bis die IFE (ha!) die Ergebnisse bekannt gibt. Ein ausgemachter Schwindel. Die großen Massenmedien konnten mit den "Wahl-Institutionen" machen was sie wollten, und hatten (mit der Einwilligung ALLER Parteien und ALLER Kandidaten) die Kultur der Umfragen als "demokratisches Model" durchgesetzt. Es war nicht weniger lachhaft, dass die Señores Joaquín López Dóriga (Nachrichtensprecher von Televisa und de facto Minister für Kommunikation) und Javier Alatorre (Nachrichtensprecher von TV Azteca), und ihre jeweiligen "Spiegelbilder" in Radio und Presse dazu aufriefen den Beschluss "der Wahlbehörden" abzuwarten.
Kurzum, alles dies verfolgte das Ziel etwas entscheidendes zu gewinnen: Zeit.
"Zeit, ich brauche Zeit", sagt 'Maestra' Elba Esther Gordillo im kulminierenden Teil des Dreiergesprächs mit Fox und Calderón. "Gebt mir ein paar Stunden und ich erledige das", weist sie an bevor sie auflegt.
Die Gordillo fängt daraufhin an das Telefonnetz zu aktivieren (einschließlich der Satellitenverbindung) das sie "für extreme Notfälle" eingerichtet hat. Die "Maestra" erteilt Befehle an ihre Operatoren, die an verschiedene Schlüsselpunkte der elektoralen Geografie verteilt sind. Der Befehl ist einfach: modifiziert die 'actas'.*
Die Abwesenheit von Repräsentanten der "Koalition zum Wohle Aller" in einem strategischen Teil der Wahllokale war eine große Hilfe. Die Journalisten Gloria Leticia Díaz und Daniel Lizárraga, von der mexikanischen Wochenzeitschrift Proceso (No.1549. 9 Juli 2006, "Die Netzwerke: ein Fiasko)" weisen nach, wie die so genannten "Bürgernetzwerke" die Teilnahme der Koalition an der Überwachung der Wahllokale kompliziert haben, zusätzlich zu AMLOs Misstrauen zur PRD-Struktur und der Bestechung von Aufsehern: "Offiziellen Informationen der PRD zufolge, war der Hauptteil dieser Geldmittel, um die 300 Millionen Pesos, die von (Alberto) Pérez Mendoza verwaltet wurden, für diese Parallelorganisation bestimmt (gemeint sind die Bürgernetzwerke). Erst eine Woche vor dem 2. Juli gestattete López Obrador, dass die PRD intervenierte, und die Listen der Wahllokalrepräsentanten an die Lokalleiter verteilte, um die Aufsicht während den Wahlen zu koordinieren. Obwohl diese Information bereits in de r IFE allgemein bekannt war, wurde sie im Wahlkampfhauptquartier den Militanten vorenthalten, um zu dem Verkauf der Listen an die PRI oder PAN vorzubeugen. Ein PRD-Mitglied, der die Repräsentantenliste am Freitag, den 30. Juni um Mitternacht erhalten hatte, vertraute der Proceso an, dass während den Militanten untersagt wurde sich an der Wahlstruktur zu beteiligen, er auf seiner Rundreise um sich mit den Aufsehern zu koordinieren, die mit der Überwachung der Wahllokale beauftragt waren, feststellen konnte, dass "einige an den Fassaden ihrer Häuser Wahlpropaganda der PRI oder PAN angebracht hatten, daher mussten wir am Sonntag Maßnahmen implementieren um unsere Repräsentanten zu überwachen". Am 2. Juli, so erzählte er weiter, suchte er die Repräsentanten auf, die an den Wahllokalen nicht erschienen waren, und diese teilten ihm mit, dass während die PRD ihnen 200 Pesos dafür zahlte die Wahlen zu überwachen, andere ihnen 1000 Pesos gezahlt hatten um nicht hinzugehen. Das Fehlen von Repräsentanten in den Wahllokalen im ganzen Land lag bei durchschnittlich 30%, was natürlich die Erfolgsaussichten für den Wahlsieg von López Obrador schwächte, vor allem im Norden und Nordosten des Landes, die Zonen, die ursprünglich Manuel Camacho Solís und Socorro Díaz zugewiesen waren. Den IFE-Registern zufolge, versicherte die Koalition, dass in Nuevo León 90,55% aller Wahllokale gesichert wären, aber interne PRD-Dokumente - zu denen die Wochenzeitschrift Zugang hatte - zeigen, dass nur in etwa 31% davon Repräsentanten anwesend gewesen waren" (Hervorhebungen von mir).
Ja, die "Maestra" hatte ihre Aufgabe erfüllt. Sie besaß nicht nur ausführliche Informationen über die Lage der Wahllokale, die Zusammensetzung der Wählerschaft und ihrer möglichen politischen Sympathien; sondern auch darüber wer die Funktionäre und Repräsentanten an allen Orten sein würden. Das heißt, sie wusste wo das gesamte Wahlsystem "hinkte". Außerdem hatte sie die Wahlüberwachungsstruktur der Koalition mit eigenen Leute "infiltriert".
Hier also, ist die Essenz des Betrugs. Ein erneutes Auszählen der Stimmen hätte die Manipulation klar und transparent enthüllt: in einer großen Anzahl von Wahllokalen stimmen den 'actas' nicht mit der Stimmenanzahl in den Wahlurnen überein.
Die Forderung der "Koalition zum Wohle Aller" und der von AMLO geführten Bürgerbewegung nach einer Neuauszählung "Stimme um Stimme, Wahllokal um Wahllokal" war nicht nur legitim und korrekt, sondern zielte auch darauf hin aufzudecken wo, wie und von wem der Betrug verübt worden war. Und ein weiteres kleines Detail: die neue Auszählung hätte gezeigt, dass der Gewinner der Präsidentschaftswahlen von Juli, Andrés Manuel López Obrador war und ist.
Das ist der Grund weshalb sowohl Calderón, als auch die IFE und die Massenmedien, die an dem Betrug beteiligt waren, und später das TRIFE, sich kategorisch weigerten eine Neuauszählung zu gestatten. Dies zu tun hätte den Nachweis des Wahlsieges von López Obrador, und die Veröffentlichung einer langen Liste von Wahlverbrechern bedeutet (mit dem Namen des IFE-Präsidenten Ugalde an erster Stelle).
Obwohl ein Teil des "gebildeten" lopezobradorischen Kretinismus, die Version er hätte die Wahl verloren sofort "kaufte", und ein Kreuzzug lancierte um die Verantwortlichen für die Niederlage zu suchen (einige darunter: Marcos, die EZLN, und die Andere Kampagne), lautet die Wahrheit:
a).- López Obrador hat die Präsidentschaftswahlen am 2. Juli 2006 gewonnen. b).- Das Präsidialbüro und die IFE haben ihn darum betrogen. c).- Einige der großen Massenmedien haben den gesamten Prozess manipuliert. d).- Die Meinungsumfragen wurden zu Täuschungszwecken vorgenommen. Die Umfragen "messen" die öffentliche Meinung nicht, sie "bilden" sie. e).- Seine Parteiorganismen und Bürgernetzwerke waren ineffizient, untereinander zerstritten, und einige ließen sich korrumpieren.
3. - Andere Lügen.
In den Tagen nach der Wahl, machten sich die verschiedensten und gegensätzlichsten Bereiche daran, eine Lüge in Wahrheit zu verwandeln: die Wahlen vom 2. Juli 2006 hätten die höchste Wahlbeteiligung gehabt und die Wahlenthaltung sei abgewendet worden. Aber dies war nur mit einer großen Unwahrheit möglich (so groß wie jene, die Fecals** Wahlsieg bestätigte). Seit 1994 ist die Wahlbeteiligung konstant gefallen. Wir erwähnen einfach nur drei Dinge: während das Wählerverzeichnis - von 1994 bis 2006 - um 26 Millionen gewachsen ist, stieg die Zahl der tatsächlichen Wähler um lediglich 6 Millionen, das heißt, nur 23% der Mexikaner, die seit 1994 als Wähler eingetragen sind, haben in 2006 gewählt. Andererseits ist die Wahlenthaltung von 22% in 1994, auf 36% in 2000 gestiegen, und erreichte mindestens 41,5% in 2006. Außerdem sind die Wahlstimmen für die Präsidentschaft stark gesunken: Zedillo erhielt etwas über eine Million Stimmen mehr als Fox, und über zwei Millionen mehr als Calderón (in Anbetracht dessen, dass das Wählerverzeichnis bei den letzten Wahlen um 76% größer war als in 1994). Die tatsächliche Wahlenthaltung (einschließlich der annullierten Wahlzettel) lag bei mehr als 30 Millionen Bürger, eine Zahl die höher liegt, als die Anzahl der Stimmen, die Fecal und AMLO zusammen erhalten haben.
4.- Weshalb der Betrug?
Aus der Frage nach dem wie, wo, und von wem der Wahlbetrug verübt worden ist, ergibt sich zwangsläufig auch die Antwort auf das "weshalb?"
Wenn AMLO, wie wir Zapatisten sagen, die "bessere" Wahl gewesen wäre (das "kleinere Übel", "wie die gebildeten Kretins sagen) um der neoliberalen Politik Kontinuität zu verleihen, und mit Legitimität (und sogar mit der "kritischen" Unterstützung der Intellektuellen) die Privatisierungen des Erdöls, die Elektrizität und der natürlichen Ressourcen zu konkretisieren (mittels der Koinvestition);
Wenn der Unterschied zwischen AMLO und Fecal sich nicht durch zwei verschiedene National-Projekte ausdrückte, insofern sie beide die Grundlagen des neoliberalen Projekts verteidigten (also, den Freihandelsvertrag, Privatisierungen, ein Mexiko der Maquiladoras, die Autonomie der Bank von Mexiko, pünktliche Zahlung der externen und internen Schulden, Mexiko als Durchgangspunkt für die großen Weltmärkte - das lopezobradistische Vorhaben beabsichtigte den Trans-Isthmus Projekt, das Eisenbahnnetz und die Autobahn im 21 Jh. zum Abschluss zu bringen);
Wenn sie sich auch nicht in der Art des Verhältnisses voneinander unterschieden, den sie zwischen Gesellschaft und Politik festlegten (das heißt: politische Arbeit ist einzig der politischen Klasse vorbehalten);
Wenn all dies der Fall war, weshalb entschieden sich die von oben dann für Calderón? Die Vorgaben dieser Frage sind kein Produkt unseres "radikalen Infantilismus". In einem Interview mit Elena Poniatowska antwortete Andrés Manuel López Obrador ihr folgendermaßen:
E.P.: - Andrés Manuel, ich glaube aufrichtig, dass die Unternehmer dich nicht zu fürchten brauchen, weil dein Antritt zur Präsidentschaft sie in keiner Weise beeinträchtigen würde.
AMLO: - Nein, das würde es nicht. Sie haben sich wegen der Furchtkampagne verschlossen, sie ließen sich hinters Licht führen, und haben diese ganze dunkle Legende geglaubt, und jetzt stehen sie in einen Konflikt.
E.P: - Wenn Du Präsident wirst, würdest ihnen du irgend etwas wegnehmen? -.
AMLO: - Nein, das habe ich schon oftmals öffentlich gesagt; ich sagte dass ich nicht hasse, dass meine Stärke nicht die Rache ist.
E.P.: - Wie können sie außer Acht lassen, dass ein Land mit einer riesigen Bevölkerungsmasse ohne Kaufkraft keine Fortschritte machen kann
AMLO: - Das tun sie, weil sie auch nicht fähig sind zu verstehen, dass man in einem Meer, einem Ozean der Ungleichheit keine Regierbarkeit des Landes erreichen kann, keine Ruhe, keinen sozialen Frieden, keine öffentliche Sicherheit garantieren kann, dass man keine politische, soziale, wirtschaftliche und finanzielle Stabilität erzielen wird, solange diese Situation der Ungerechtigkeit, der Verwahrlosung, der Rückständigkeit und der Armut für den größten Teil der Bevölkerung besteht. Sie sind sehr rückständig, sehr vergangenheitsbehaftet.
In Zusammenfassung bot López Obrador den Kapitalisten drei wesentliche Dinge an:
a).- Der Antritt einer Regierung, die sich keinen allzu großen Anteil des sozialen Überschusses aneignen würde. Die Korruption würde weiterhin bestehen, aber mit einem sehr verfeinerten Niveau der Selbstkontrolle (und weniger Videokameras ausgesetzt)
b).- Die Kapazität zur sozialen Kontrolle als Grundlage und Garantie für die Kapitalinvestition. Ein Beispiel: die Idee des Trans-Isthmus Projektes existierte seit der Zeit als der so genannte "Plan Puebla Panamá" nur ein Papierentwurf war, der von Büro zu Büro und von Universität zu Universität die Runde machte. Die weitere Realisierung dieses Projektes (das beabsichtigt die Landesgeografie durch eine Verschiebung der Grenzen neu zu zeichnen) konnte weder von der PRI noch von der PAN implementiert werden. AMLO war davon überzeugt, den sozialen Konsens zu haben um dieses Projekt auszuführen (welches, das muss nicht extra erwähnt werden, für die indigenen Bevölkerungen der Region verheerend sein würde)
c).- Den Wiederaufbau der Staatsgewalt, was der politischen Klasse gestatten würde sich auf eine Weise neu zu bilden, in der sie nicht mehr nur das persönliche Interesse in den Vordergrund stellte, sondern als Instrument für die Errichtung eines viel größeren Projekts wirken könnte, stets im Rahmen des Neoliberalismus.
Das heißt, AMLO versprach ihnen einen starken Staat, Regierbarkeit, Ruhe, sozialen Frieden, öffentliche Sicherheit und Stabilität. Also alles was das Kapital braucht um zu gedeihen. Wieso haben dann die großen Eigentümer das Angebot von López Obrador nicht "ergriffen"?
"Se ließen hinters Licht führen und glaubten der ganzen dunklen Legende", antwortet AMLO (na gut, die großen Unternehmer waren nicht die einzigen, die "der dunklen Legende" geglaubt haben, dass López Obrador links wäre; das taten auch etliche linke politische, soziale und intellektuelle Organisationen).
Ja, AMLOs Antwort ist richtig: es war, weil sie glaubten, er sei ein Linker ... und antikapitalistisch. Aber nicht nur deswegen. Wir schlagen hier einige "andere" Ansätze einer Antworten vor, stets gemäß unseren Überlegungen als Zapatisten:
Erstens. - Das Geschäft der Macht. Die Politik im Mexiko von oben ist sehr profitabel (man muss nur in eine politische Partei investieren), und der Privatisierungsprozess der beiden Perlen des alten mexikanischen Staates (das Erdöl und die Elektrizität) wird denjenigen, die ihn autorisieren Millionen einbringen. Wenn es heißt, dass PEMEX alleine 250 Milliarden Dollar wert ist, kann man sich eine Vorstellung davon machen, wie viel derjenige einstecken wird, der den Verkauf über die Bühne bringt. Somit ist der Kampf um die Präsidentschaft vor allem auch der Kampf um ein äußerst lukratives Geschäft.
Zweitens. - Die reale Macht des Drogenhandels. Die Privatisierungen sind nicht das einzige Geschäft für die Politiker (Präsident, Staatssekretäre, Gouverneure, Bürgermeister, Abgeordnete und Senatoren), da gibt es auch noch das, was als das "Managen des Drogenhandels" bezeichnet wird, das darin besteht, eines der Kartelle zu begünstigen. In der Ära Fox lässt sich sagen, dass die Wahl dieser Regierung auf das Kartell von Chapo Guzmán gefallen ist. Die gesamte Staatsstruktur: Armee, Bundespolizei, Gerichtssystem (einschließlich Richtern und Gefängnisdirektoren), wurden in den Diensten dieses Kartells in seinem Kampf gegen die anderen gestellt.
Dieses Verhältnis wurde nicht nur von dieser Gruppe bestimmt, sondern schaffte es auch Sektoren der PRD einzubeziehen, die nach dem Gewinn staatlicher Regierungen, sofort mit diesem Kartell in den Verhandlungsring stiegen, so wie im Fall der Gouverneure von Michoacán und Guerrero. Auf diese Weise gehört die politische Klasse viel mehr zum organisierten Verbrechen als in der PRI Epoche. Die Präsidentschaft der Republik ist somit auch deshalb so begehrt, weil die politische Gruppe, die zur Macht gelangt den gerichtlichen Apparat zu "managen", sich auch die Zusammenarbeit mit einigen Drogenkartelle sichert.
Aber trotz der Vorteile, die AMLO den Geldbesitzern versprach, neigte sich die Entscheidung schließlich nicht zugunsten der Option, die in ganz Lateinamerika durchgesetzt wurde (mit der Überstellung der neoliberalen Projekte in den Händen "linker" Regierungen, die garantieren die kapitalistischen Barbarei "geschmiert" zu halten). Die enge Sicht der Mehrheit der politischen Klasse, und der führenden mit ihr verbundenen Bourgeoisie, veranlasste sie den vertrauten Weg des Altbewährten zu wählen, und rief somit die schlimmste Herrschaftskrise der letzten Jahre hervor. Sehr hoch oben entschieden jene, die wirklich das Sagen haben unter sich, Calderón durchzusetzen, ungeachtet dessen, was danach kommen würde.
5. - Die politischen Parteien.
Der 2. Juli hat gezeigt, dass die politischen Parteien aufgehört haben zu existieren, sei es aufgrund der Assimilierung der politischen Klasse in das organisierte Verbrechen, oder weil sie nur noch als elektoraler Dachverband irgendeines Caudillos oder irgendeines Empfängers von Steuervergünstigungen fungieren. Die politischen Kräften von oben haben bereits alle Kennzeichen der früheren politischen Parteien verloren. Jetzt sind sie kaum mehr als ein Cocktail aus korrupten Unternehmern und Verbrechern mit oder ohne weißem Kragen. Das Programm, die Prinzipien, die Statuten? "Auf geht's!" ist das Schlagwort für infantile Radikale und "Ultras".
Aber die Krise beschränkt sich nicht auf das Gebiet der Institutionen, sondern erreicht auch die Stütze der Flausen der "modernen" Demokratie: die repräsentative Demokratie, das heißt, die gutbürgerliche Demokratie. Die Krise des Nationalstaates geht bereits Hand in Hand mit der Krise der repräsentativen Demokratie einher, und damit mit der Krise der politischen Parteien.
Aber sehen wir uns mal an, wie die verbleibenden politischen Optionen da oben aussehen:
PRI.- Auf Seiten des PRI, wurde unter der Illusion gearbeitet, dass sich am 2. Juli ihr altes korporatives Votum an den Urnen ausdrücken würde. Ihre Wahlsiege in den staatlichen Wahlen von 2005 hatten bei ihnen den Anschein erweckt, dass ihr hartes Votum ihnen trotz der Umfragen und dem abstoßenden Effekt von Madrazos Kandidatur erlauben würde, die Präsidentschaft zu gewinnen. Aber dabei haben sie nicht mit der "Maestra" Elba Esther Gordillo gerechnet.
Andererseits reichte die Abnutzung der alten korporativen Struktur der PRI tiefer, als sie vermuteten. Die alten Arbeitergewerkschaften, die immer schwächer und wirkungsloser geworden waren, spalteten sich als die Direktion des Revolutionären Arbeiter- und Campesinobündnisses (CROC) beschloss AMLO zu unterstützen. Auf diese Weise stürzte die PRI, und mit ihr diese gesamte alte korporative Struktur in eine tiefe Krise, ohne dass an ihre Stelle neue Strukturen der bürokratischen Kontrolle geschaffen worden wären. Die neuen Gewerkschaften, wie die Nationale Arbeiterunion (UNT), von alter PRI Abstammung, entschied sich AMLO zu unterstützen, in der Überzeugung und mit dem Versprechen, sich dadurch als neues bürokratisches Kontrollorgan zu konstituieren. Damit bietet sich das Aufkommen eines neuen Typs von Korporativismus an, unter der Ideologie der "neuen Arbeitskultur", die stark an die Arbeitgeber gebunden ist. Diese Situation in der PRI kennzeichnet eins der wesentlichen Merkmale der gegenwärtigen Krise: die alten Kontrollmechanismen sind nicht nur unwirksam sondern vor allem auch beschwerlich. Die vielen Jahre der PRIistischen Herrschaft hatten einen doppelten Effekt zur Folge: erstens, war die PRI unfähig sich zu regenerieren; und zweitens, verwandelte sich die PRI in das "Ideal", es zur Staatspartei zu bringen. Aufgrund dessen wimmelt es sowohl in der PAN als auch in der PRD und den "Bonsai-Parteien" nur so von ehemaligen PRIistas.
PAN. - In der Nationalen Aktionspartei wurden die letzten Schaufel Erde auf das Grab geworfen, das Vicente Fox für sie geöffnet hatte. Die Partei war nur noch ein Deckmantel, der dem Präsidentenbüro (oder genauer gesagt, Martha Sahagún) dabei diente den Wahlbetrug zu implementieren, nicht nur den vom 2. Juli, sondern auch während des gesamten vorangegangenen Wahlprozesses: die Beziehung zu den Konzernen für Meinungsforschung; die Allianz mit den Massenmedien; die Organisierung eines ganzen Teams von Unternehmern und Unternehmerorganisationen um einen Medienkrieg gegen AMLO zu betreiben; die Allianz (die später ein Hörigkeitsverhältnis werden sollte) mit Elba Esther Gordillo; den Empfang von Geldmitteln als Entgelt für den Schutz der Regierung für das Drogenkartell von Chapo Guzmán, etc.
Die PAN wurde einem endgültigen Verwandlungsprozess unterzogen: die alte konservativ- demokratische Partei, die eine gewisse Rolle im Kampf gegen das Einparteiensystem gespielt hatte, hörte endgültig auf zu existieren. Wenn die PAN schon genug mit der Ankunft der "nördlichen Barbaren" geschlagen worden war, verschärfte sich dieser Prozess mit der Ankunft des "Präsidentenpaars". Dieser Faktor führte dazu, dass die PAN ihre Identität vollständig einbüsste, und sich in eine bläuliche PRI verwandelte, insbesondere mit Hinblick auf die ererbte Verwendung des Staatsapparats zum eigenen Vorteil, die Verbindungen zum organisierten Verbrechen, und die Einsetzung von Beamten, die fürs Nichtstun bezahlt werden (die Ähnlichkeiten zwischen Luis H. Álvarez, der "Friedensabgeordnete" der Fox Regierung, und Emilio Rabasa unter Zedillo, sind vielfältig).
Parallel dazu übernahm eine geheime ultrarechte Organisation, "El Yunque" ("der Amboss"), die Kontrolle über die Leitung dieser Partei. Obwohl diese Organisationen einen eindeutig faschistischen Charakter hat, ist die Rechte zweifellos nicht einheitlich und unteilbar (man lese dazu die Bücher über diese geheime Organisation, die von dem Journalisten Álvaro Delgado geschrieben worden sind). Die Präsidentschaftskandidatin von El Yunque war zunächst Martha Sahagún; später war es Santiago Creel. Fecals Sieg im Streit um die PAN-Kandidatur, zwang den Yunque sich neu zu orientieren, und jetzt strebt er danach mit Fecal die gleichen Privilegien zu haben, wie mit Fox.
Bis heute ist die PAN unfähig gewesen die richtigen Mechanismen zu finden, um eine stabile und langfristige Form der Sozialherrschaft zu errichten, (also das, was das Kapital zum "investieren" benötigt). Wenn die PANistas nicht die leiseste Ahnung davon haben was eine Massenpolitik ist, ist es um Fecals Mannschaft noch schlechter bestellt. Deshalb wird Elba Esther Gordillo die neue Ideologin-Operateurin-Leiterin sein. Jawohl, die PAN soll tatsächlich von einer PRIista geleitet werden.
Die Zwergparteien. - Die PANAL und die PASC waren zwei Parteien, die einzig für die Wahlkonjunktur geschaffen worden sind. Ihr Auftreten offenbart das wirkliche Ziel des gegenwärtigen Wahlgesetzes: die Macht selbst entscheidet, wer ihre "Rivalen" sein werden. Es existiert keine wirkliche gesetzliche Grundlage, keine Möglichkeit zur Gründung einer authentischen politischen Partei, die unabhängig und autonom in den politischen Streit eintreten könnte. Der elektorale Weg ist heute für den ehrlichen Kampf als Route verschlossen.
PRD-PT-Konvergenz. - Bis zum 2. Juli, schwelgte die Koalition zum Wohle Aller in ihrem Sieg . obwohl sie ihn noch nicht hatte. Die Intellektuellen, die heute wegen dem Regierungsantritt der Ultrarechten hysterisch kreischen, beschränkten sich darauf uns ständig den Slogan von "lächeln, wir werden gewinnen" zu wiederholen, und es ist öffentlich bekannt, dass das lopezobradoristische Team am 1. Juli bereits die "Knochen" untereinander verteilte. Aber auf die Koalition, die Widerstandsbewegung gegen den Wahlbetrug und der lopezobradoristischen CND werden wir später zu sprechen kommen.
6.- Und unten?
Na gut, das unten ist eine andere Sache .
*acta: die unterzeichneten Endergebnisse der Stimmenauszählung in den einzelnen Bezirke
**Fecal: Spitzname für Calderon, zusammengesetzt aus: FE(lipe) (CAL)deron. Auf deutsch: "Fäkal"
Teil IV: Zwei Fußgänger auf verschiedenen Wegen . . . und mit verschiedenen Zielen.
1. - Die "Wesensart" eines Anführers.
Die Abneigung des "Präsidentengespanns" gegen López Obrador wurde größer je weiter die Kandidatur des Politikers aus Tabasco voranschritt. Mit seinen frühmorgendlichen Konferenzen (und die ausführliche Berichterstattung, die ihm die Massenmedien offerierten - heute erklärte Feinde des PRD-Politikers), setzte der Regierungschef von Mexiko-Stadt sein Zeichen auf die Tagesordnung von Los Pinos . . . und die übrige politische Klasse. Auch in der abgelegensten Ecke des Landes, war man darüber informiert was Fox gesagt hatte (also schön, wenn er es schaffte etwas verständlich auszudrücken), was AMLO gesagt hatte, und später am Tag, was das übrige Ensemble der mexikanischen Politik zu den Äußerungen des Regierenden von D.F. zu sagen hatte. Fox schien damit kein allzu großes Problem zu haben ... Anfangs. In einer Fernsehsendung zeigte sich López Obrador bestürzt über die plötzliche Feindseligkeit des "señor presidente" (man erinnern sich an das: "wir müssen das Präsidentenamt bewahren"). "Wir waren doch Freunde, ich weiß nicht was mit ihm passiert ist", sagte AMLO darauf. Gut, was passiert war, ist dass das "Präsidentenamt" bereits einem Gespann gehörte: dem von Vicente Fox und Martha Sahagún. Und "señora Martha", wie ihr Ehegatte sie nennt, wollte und will nicht die Frau des Präsidenten sein, sondern die "Frau Präsidentin".
Wenn das an ein gewisses Theaterstück erinnert, so ist das kein Zufall. In der Komödie, die tagtäglich in Los Pinos aufgeführt wurde, spielte señora Sahagún stets die Hauptrolle (wenn auch nicht immer die erfolgreichste, man darf ja nicht zu anspruchsvoll sein). Doña Martha hatte ihre lange und jetzt nunmehr abgesägte Laufbahn zum Präsidentenstuhl schon sehr früh begonnen. Um genau zu sein, seitdem López Obrador als stärkster Anwärter auf die Bühne trat. Aber, während sie dabei war die (für sie) unbequemen Persönlichkeiten des Kabinetts und des Kreises um Vicente Fox aus dem Weg zu räumen, sah Martha mit Verzweiflung, dass AMLO sich hielt. Man brauchte nicht viel Verstand (was sie sowieso nicht haben) um zu erkennen wer señora Marthas Rivale sein würde, wenn sie die Kandidatin der Nationalen Aktionspartei (PAN) wäre.
Das Manöver mit den "Videoskandalen" war das erste Anzeichen eines ernsthaften Gefechts, um AMLO aus der Präsidentenlaufbahn zu drängen. Das Gefecht wurde zur Schlacht mit dem Versuch des Desafuero. Wenn in der Sache mit den Videos die Hand der Fox-Regierung zu erkennen war, so hatte man beim Desafuero bereits jegliche Hemmung verloren. Eine wachsende Bürgermobilisierung (die von López Obrador deaktiviert wurde) versetzte Fox eine überwältigende Niederlage. Aber in der Politik gibt es keine entscheidenden Schlachten.
Währenddessen war López Obrador dabei eine Kandidatur aufzubauen, das heißt, ein Image. Natürlich reichte der privilegierte Balkon der Regierung von Mexiko Stadt dazu nicht aus, dafür hatte in der PRD die Figur von Cuauhtémoc Cárdenas Solórzano immer noch zu viel Gewicht. Aber die Regierung von D.F. bot nicht nur die Möglichkeit ins Scheinwerferlicht der Medien zu treten, sie bedeutete auch Geld, viel Geld. Und dieses Lied klingt sehr verlockend für die gesamte politische Klasse, nicht nur für die Parteispitze der PRD. Mit diskreter Geschicklichkeit machte sich AMLO daran die Sympathien (und die Kontrolle) des Apparats der Demokratischen Revolutionspartei (PRD) für sich zu gewinnen . . . und die eines wichtigen Sektors von Intellektuellen, Künstlern und Wissenschaftlern. Im ersten Fall durch Geld. Im letzteren, durch Gespräche und besondere Aufmerksamkeiten.
Kurzum, alles lief prima.
Es war zur gleichen Zeit, dass einige Informationsmedien einen Köder auswarfen, den der Lopezobradorismus mit ganz besonderer Begeisterung schluckte: die ersten Meinungsumfragen. Da er darin mit einem skandalösen Vorsprung vor allen anderen Aspiranten abschnitt, schenkte ihnen AMLO Glaubwürdigkeit und verbürgte sich für sie.
Von der Presse darin bestärkt und geschmeichelt, vergaß López Obrador ein Grundgesetz des sumpfigen Terrains der Medien: das Flüchtige und das Augenblickliche. Die Medien erschaffen Helden ("und Heldinnen", fügt Martita begeistert hinzu - ob das Diminutiv ein "h" enthält oder nicht, überlasse ich Ihnen.) und Schurken ("und Schurkinnen", vervollständigt Elba Esther Gordillo) nicht nur in den Telenovelas, sondern auch auf der politischen Bühne. Aber so wie sie sie erschaffen, zerstören sie sie auch. Der anfangs "reife", "umsichtige" und "verantwortungsbewusste" Regierungschef, verwandelt sich später in einen "verantwortungslosen", "messianischen" und "provokanten" Politiker; und die Umfragen, die ihn oben zeigten, können ihn später auch nach unten ziehen.
Bei der Mobilisierung gegen das Desafuero, zeigte sich ein erster Hinweis auf die "Wesensart" von Lopéz Obrador. Obwohl es offensichtlich war, dass viele der Menschen, die sich mobilisierten, dies gegen die Ungerechtigkeit taten und nicht weil sie ihn persönlich unterstützten, benutzte AMLO diese Bewegung, um seine Laufbahn zur mexikanischen Präsidentschaft offiziell zu beginnen. Als die Mobilisierung dann anfing eine Bewegung zu werden (in einigen Gruppen wurde das Interesse wach, tiefgehende Probleme aufzuwerfen, wie den Stellenwert der Wissenschaften, der Kunst, der Kultur, und vor allem der politischen Arbeit), und die Fox Regierung zurückwich, befahl López Obrador den Leuten nach Hause zu gehen.
Das Ziel das Desafuero aufzuhalten und AMLO auf den höchsten Gipfel der Welle zu tragen war erreicht worden, und er hatte sich verpflichtet, die Mobilisierungen aufzuhalten. Also tat er es.
Die Botschaft von López Obrador an die übrige politische Klasse (der er, nicht zu vergessen, angehörte) und an die Herren (und Damen) des Geldes war klar gewesen: "Ich bin nicht nur in der Lage eine große Mobilisierung einzuberufen, ich kann sie auch leiten, kontrollieren, dosieren . . . und anhalten."
2. - AMLOs Intellektuelle
Seit dieser Zeit begann sich in einem Teil des progressiven intellektuellen Milieus das heranzubilden, was wir als den gebildeten Lopezobradorismus kennen. Diese Tendenz würde die Einführung einer neuen Klassifizierung initiieren, um festzustellen wer zum politischen Mexiko gehörte und wer nicht; oder anders ausgedrückt, um zwischen zwei Kategorien zu unterscheiden: die Guten (jene, die AMLO unterstützen - das heißt, die "Sympathischen" und "Beliebten"), und die Schlechten (jene, die AMLO nicht unterstützen - also laut Elenita*, die "Neidischen"). Jegliche Kritik oder Hinterfragung von López Obrador, also das über mehr hinausging als Gleichgültigkeit und Schweigen, wurde als ein Komplott der Reaktionären, von Carlos Salinas de Gortari, der finsteren Kräfte der Ultrarechten, des El Yunque oder des verhüllten Konservativismus gewertet. Wenn sie heute ein wenig "toleranter" sind, werden die Kritiken an den Lopezobradorismus" als "sektiererisch", "marginal", "extremistisch", und "infantil" beiseite gefegt.
Mit einem Hartnäckigkeit, die eines besseren Anliegens würdig gewesen wäre, etablierte dieser Sektor ein sektiererisches, intolerantes, despotisches und kleinliches Denken. Und das taten sie so wirkungsvoll, dass es zum führenden Denken der intellektuellen "Spiegel" von López Obrador im Wahlkampf wurde, sowie später in der Widerstandsbewegung gegen den Wahlbetrug und, jetzt, in AMLOs CND.
Als die mexikanische Tageszeitung La Jornada, eine ihrer Ausgaben in August 2005 (anlässlich des ersten Vorbereitungstreffen der Anderen Kampagne) unter der Schlagzeile: "Sie sind entweder mit uns oder gegen uns" (oder so ähnlich) veröffentlichte, lag sie zugleich richtig als auch falsch. Dieser Satz wurde nicht von Marcos ausgesprochen. Aber er wurde und wird seitdem ausgesprochen, und zwar vom gebildeten Lopezobradorismus.
Dieses Denken (das begann sich zu konsolidieren, als die Unterstützung der PRD für die indigene Gegenreform in Vergessenheit geriet) hatte dazu ermutigt die Augen und Ohren zu verschließen, als die PRD-Anhänger von Zinacantán im Hochland von Chiapas, zapatistische Unterstützungsbasen angriffen; und hat zugelassen, dass die Ermordungen der Menschenrechtsverteidigerin Digna Ochoa y Plácida, sowie des jungen Studenten Pável Gonzáles, von der PRD-Regierung von D.F. mit einer Schäbigkeit gehandhabt wurden, die später zu Routine werden sollte. In den Fällen von Digna und Pável, als sich zum Verbrechen auch noch die Herabwürdigung des Todes der sozialer KämpferInnen hinzugesellte, bewahrten ehrliche Stimmen das Schweigen . . . "um nicht der Rechten in die Hand zu spielen". Der gebildete Lopezobradorismus feierte damit seinen ersten Triumph, illegitim wie alle weiteren, die er seitdem errungen hat.
Wenn die Sympathisanten, Militanten und Vorstandsmitglieder des PRD, dieser ganze intellektuelle Sektor und AMLO selbst damals schwiegen, stand zu erwarten, dass sie auch nichts sagen würden, wenn die Mörder von PRD-Militanten Kandidaturen unter der gelb-schwarzen Fahne antraten.
So war es auch.
Wer zu so etwas schweigt, schweigt zu allem. Das Gespenst des "Unnennbaren", Carlos Salinas de Gortari, lauerte überall und alle Mittel waren recht um sich ihm entgegenzusetzen. Alle Mittel, sogar die Wiederaufbereitung ehemaliger Salinistas . . . in der PRD und im Kreis der Vertrauten von López Obrador.
Mit dieser autochthonen Modalität des "einzig möglichen Denkens" kam ein neues Bewertungssystem, eine neue Waagschale: die gleiche Sache konnte unterschiedlich bewertet werden, je nachdem wer sie machte oder vorschlug. Wenn AMLO oder einer seiner Sympathisanten sie machte oder vorschlug, wurde der Handlung oder dem Projekt jede erdenkliche Tugend beigemessen; aber wenn es jemand war, der López Obrador kritisierte, wurde es zu einem Projekt der "dunklen Mächte" der Ultrarechten.
Als wir darauf hinwiesen (in "Die Unmögliche Geometrie der Macht"), dass das Projekt von AMLO salinistisch war, schrieen die Intellektuellen zum Himmel auf (da oben sind sie jetzt noch, völlig aufgebracht). Aber als der Beauftragte des lopezobradorischen Wirtschaftsplans (Señor Ramírez de la O, Berater für Politwirtschaft - und laut einigen, der nächste Finanzminister, wenn AMLO die Präsidentschaft gewonnen hätte) einige Tagen vor den Wahlen erklärte, sein Vorhaben sei der "soziale Liberalismus", ähnlich wie der von Carlos Salinas de Gortari, blickten die Intellektuellen in die andere Richtung.
Die wirkliche Rechte konnte mit all dem recht zufrieden sein. Einige ihrer Überlegungen und Vorhaben wurden bereits in das Umfeld der PRD übernommen: der "schändliche" (und gescheiterte) Plan Puebla Panamá von Vicente Fox sollte seine Läuterung in AMLOs Trans-Isthmus Projekt finden; die Bewilligung des so genannten "Televisa Gesetzes" durch die PRD Fraktion der Abgeordnetenkammer war ein weiterer "taktische Fehler"; die kleineren Gesetze und Reglementierungen, ebenfalls von dieser Partei bewilligt, welche die Enteignung von indigenem Boden legalisierten, waren "nicht so schwerwiegend"; die zweideutige Beziehung zwischen López Obrador und dem Unternehmer Carlos Slim war "hohe Politik"; die Privatisierung des Historischen Zentrums von Mexiko Stadt war "Modernisierung"; die gigantische Investition in einer zweiten Umgehungsstrasse, die zu einer der reichsten Zonen von D.F. führt, während gleichzeitig die Investitionen in die öffentlichen Verkehrsmittel sanken, waren ein Beispiel von "guter Regierung" (und nicht etwa eine Unterlassung des "die Armen zuerst"); der Schlag gegen die urbane Volksbewegung war "Ordnung durchsetzen" . . . und der Caudillismo, der gehegt und kultiviert wurde, war . . . die "Heranbildung einer neuen Führung".
Ohne auch nur irgendeinen Hinweis darauf zu finden, dass er das wäre, wurde verkündet, dass López Obrador ein Linker sei, weil . . . weil . . . na gut, weil er das selbst so sagte (schön, manchmal sagte er es, manchmal nicht, je davon abhängig mit wem er gerader sprach)
Der Kalender erreichte den 3. und 4. Mai, und der Tod und der Schmerz erreichten San Salvador Atenco und Texcoco, im Bundesstaat México. Die Umfragen sagten, dass man die Unterdrückung unterstützen oder schweigen musste. Fecal sagte, wie gut, wie großartig, genau was getan werden muss. Desgleichen Madrazo, der immer schwächer wurde. Auf der "linken" Seite, applaudierte die PRD Fraktion im mexikanischen Kongress das Vorgehen der Polizei und unterstützte Peña Nieto. Was López Obrador betrifft . . . er bewahrte das Schweigen. Atenco wäre nützlich gewesen, wenn damit die Wahlen zu beeinflussen wären, aber die "Messsäulen" in den Medien zeigten an, dass dies nicht der Fall war. Der gebildete Lopezobradorismus beschwerte sich ein wenig, ohne irgendeine Überzeugung und nur über das Nachspiel.
Es wurde auch vergessen, dass AMLO sich während seiner gesamten Kandidatur darum bemüht hatte, dem Unternehmersektor angenehm zu erscheinen. Wenn man die Reden und Erklärungen seiner Vor- und Wahlkampagne durchgeht, haben sie nichts mit dem zu tun, was er nach dem 2. Juli von sich gegeben hat. Immer wieder beharrte er den Politikern gegenüber: "es wird keine Rache geben". Und dem Unternehmersektor sagte er wörtlich: "haben Sie keine Angst vor mir". Das heißt: "ich werde weder ihr Eigentum, noch ihre Profitlage, noch die Sitten und Gebräuche der politischen Klasse anrühren".
Um dies nicht zu sehen, bedurfte es schon einer sehr schweren Kurzsichtigkeit. Aber um dies zu sehen und dazu zu schweigen, bedurfte es eines Zynismus, der nie aufhören wird uns in Erstaunen zu versetzen.
Einige Zeit später, bereits während der Mobilisierung gegen den Wahlbetrug, erklärte López Obrador auf dem Zócalo von Mexiko Stadt, der Wahlsieg von Juan Sabines in Chiapas, habe dem Vormarsch der Rechten Einhalt geboten. Dass AMLO diese "läuternde" (und nach links befördernde) Waagschale seinen Unterstützern gegenüber ausspielen würde, kann man noch durchgehen lassen, schließlich hat er sie ja erschaffen. Aber dass der gebildete Lopezobradorismus einem Schwachsinn solcher Tragweite mit Begeisterung applaudieren konnte, ist schlicht unbegreiflich . . . oder eine Kostprobe davon, wie weit der Kretinismus bereits fortgeschritten war. Dem "rechten Vormarsches Einhalt zu gebieten" hatte die Wiederaufbereitung von Croquetas Albores bedeutet, und die jenes Finqueros, der einst den berühmten Ausspruch prägte, dass "in Chiapas ein Huhn mehr wert ist als ein Indio" (Constantino Kanter). Wer das schluckt, schluckt alles. Und, wenn es im gebildeten Lopezbradorismo etwas in Überfluss gibt, dann sind es Mühlräder dieser Größenordnung.
In dieser "gesunden" Atmosphäre von Diskussion und hochwertige Analyse, war der gebildete Lopezobradorismus beim Anbruch des 1.Juli nicht etwa dabei ein progressives Programm für bürgerliche Partizipation aufzuziehen (was ja den Parteien das Feld der politischen Arbeit streitig gemacht hätte), oder ein innovativer Vorschlag für Kunst, Kultur und Wissenschaften, sondern ein Slogan voller Hochmut und Überheblichkeit: "Lächeln, wir werden gewinnen". Nein, sie riefen uns nicht dazu auf der Rechten Einhalt zu gebieten (klar, das hatten sie ja jetzt bereits schon erledigt). Sie riefen dazu auf, sich auf die Siegesfeier vorzubereiten (und das mit Mäßigung und Reife).
Ah! Es würde alles so einfach sein, so ganz ohne Mobilisierungen, ganz ohne Unterdrückung, ganz ohne Zusammenstöße, ganz ohne politische und ideologische Konfrontationen, ganz ohne Debatten, ganz ohne interne Kämpfe, ganz friedlich, ganz ruhig, ganz stabil, ganz ausgeglichen, ganz ohne Radikalismus, ganz ohne Kapitalflucht, ganz ohne Börsenkrach, ganz ohne internationalem Druck, ganz ohne irgendetwas wahrzunehmen, ganz ohne Klassenkampf, ganz - ganz.
Die Unterdrückung? Na gut, um die zu erdulden gab es ja die Andere Kampagne, Atenco, die "Indios" und den "vulgären Pöbel". Und man würde keine Blockaden der Hauptstrassen dulden, wie für die legitime Forderung nach Freiheit und Gerechtigkeit für die Gefangenen von Atenco, Als die Otra in Solidarität mit unseren Compañer@s Strassen blockierte, griff die Polizei von D.F. ein um "den ungehinderten Verkehr zu garantieren". Dutzende Jugendliche, größtenteils Studenten der ENAH und der CCH Sur, wurden auf dem südlichen Ring verprügelt und mit Tränengas besprüht, und bis in das Gebäude der Landesschule für Anthropologie und Geschichte (ENAH) hinein verfolgt.
Der gebildete Lopezobradorismus sagte, dass gut, dass bravo, dass die Straßen, dass die Autos, dass Erlass Nr. 13 (erlassen von AMLO als er noch Regierungschef war), dass der ungehinderte Verkehr, dass die "Ultras", dass die Ordnung, dass die Stabilität. Schließlich waren das ja nur ein paar Chamac@s (und wahrscheinlich würden sie sowieso nicht wählen oder hatten nicht einmal ein Wahlschein). Also, wie es Alaska und Thalía mal sagten, "wen juckt es?".
Einige Zeit später, blockierte die Mobilisierung gegen den Wahlbetrug, in Ausübung des legitimen Rechts auf Ausdrucksfreiheit, die Reforma Zufahrt (ich glaube, so heißt sie). Als die Unternehmer und die "gut gestellten Menschen" protestierten (trotz finanziellen Zuwendungen) und den Kopf des Regierungschefs von D.F. forderten, interviewte Elenita Poniatowska den belagerten Alejandro Encinas. Dieser erklärte, er müsse die Demonstrationsfreiheit respektieren und beschützen.
Vielleicht aus lauter Rührung über Encinas' Leiden, "vergaß" Elenita ihn zu fragen, weshalb diese Freiheiten galten und respektiert wurden wenn es um AMLO Sympathisanten ging, und nicht wenn es sich um die Andere Kampagne handelte, oder die Bewegung der abgewiesenen Studenten, oder alle anderen Bewegungen, die auf solche Aktionen zurückgreifen mussten um gesehen und gehört zu werden. In dem "Vergessen" des Interviewtem und der Interviewerin schwang deutlich mit: "es gibt ein Gesetz für die einen (die auf meine Seite sind), und ein anderes für die Anderen (die mich nicht unterstützen, mir nicht folgen oder gehorchen)
Aber in der Nacht vom 1. Juli träumte der gebildete Lopezobradorismus, dass das Land sich nur durch die Abgabe einer Stimme ändern würde. Und sie würden mit Bescheidenheit die Dankbarkeitsbezeugungen der Armen ("Sieh nur, Töchterchen, da geht der Doktor spazieren, er hat den Herrn Präsidenten und seinen Sohn unterrichtet; und weiter drüben gehen die Leute, die wir auf der Tribüne gesehen haben. Lass sie uns grüßen, denn sie haben unsere Befreiung angeführt"), der Indios (aber nicht der ZapatistInnen, weil die ja bekanntlich undankbar sind), der Arbeiter, der Campesinos, der Frauen, der Jugendlichen, der Senioren, also, von ganz Mexiko über sich ergehen lassen. Und im Ausland würde es Konferenzen und Gesprächsrunden geben. Und der gebildete Lopezobradorismus würde zurückhaltend und bescheiden erzählen, was sie alles für Mexiko getan hatten . . . dazu mussten sie nur noch das Podium besteigen.
Aber der 2. Juli kam und mit ihm, die Gordillo. Und mit ihr . der Wahlbetrug.
3. - Die Mobilisierung gegen den Wahlbetrug.
Aber nach der anfänglichen Verwirrung und Forderungen nach dem Schafott um Marcos, die EZLN, die Andere Kampagne und alle die sich ihrer "Läuterung" widersetzten auszutilgen, fingen diese Intellektuellen an zu merken was passiert war. AMLO bewies ein weiteres Mal, dass er intuitiver und intelligenter ist als der gebildete Lopezobradorismus. Er konnte gut abschätzen, dass eine Mobilisierung gegen den Wahlbetrug davon abhängig sein würde, was er sagte und tat . und er sagte und tat es. Daraufhin bildete sich eine authentische, legitime und gerechte Volksbewegung: die Mobilisierung gegen den Wahlbetrug, und folglich, gegen die Einsetzung von Felipe Calderón.
Es wurde behauptet, die Mobilisierung sei nicht das was sie vorgab und vorgibt zu sein. Es ist von Anfahrtskosten die Rede, von der dreisten und unverschämten Einmischung der Regierung von D.F. und der PRD-Struktur, davon, dass sie nie so viele gewesen wären wie behauptet wird. Das kann schon sein. Was nicht bezweifelt werden kann, jedenfalls nicht für uns Zapatisten, ist, dass es in dieser Mobilisierung ehrliche Menschen gegeben hat und gibt, die dort aus Überzeugung und Prinzipien gestanden haben und stehen. Sie verdienen und haben unseren Respekt, aber ihr Weg führt in eine Richtung, die wir nicht einschlagen möchten.
Wir teilen mit ihnen weder den Weg noch das Ziel.
Und unsere Art sie zu respektieren besteht darin, uns nicht in ihre Mobilisierung einzumischen, weder um AMLO seine unbestreitbare Führung streitig zu machen, noch um zu sabotieren, noch aus Opportunismus, noch um die Massen zu "ernüchtern" (was einige der Argumente und Gründe mancher Organisationen sind, die sich daran beteiligen, obwohl sie mit der Leitung der Mobilisierung nicht einverstanden sind).
Die ehrlichen Menschen, die es dort wie wir wissen gibt, glauben es sei möglich die Mobilisierung in eine Bewegung zu verwandeln (mit dem Nationalen Demokratischen Konvent - CND), die nicht von einem Führer oder von der Kontrollstruktur abhängig ist, die den Konventteilnehmer aufgedrängt wurde. Das kann sein. Wie glauben es nicht, und außerdem denken wir, dass es nicht ethisch wäre auf eine Mobilisierung "aufzuspringen" oder sie "auszunutzen", für die wir nichts geleistet haben, und es wäre auch nicht mit einem kritischen Skeptizismus vereinbar.
Nun gut, über die Mobilisierung gegen den Wahlbetrug und den Versuch, sie mit dem CND in eine Bewegung zu verwandeln, sagen wir folgendes:
1. - AMLOs "Gewissenhaftigkeit" in Hinblick auf die Unrechtmäßigkeit der Institutionen tritt nur auf, weil sein Wahlsieg durch ein Betrug aberkannt wurde. Es wäre etwas anderes, wenn ihm der Sieg zum Präsidenten zuerkannt worden wäre.
2. - Das Nationale Demokratische Konvent (CND) lag dem lopezobradoristischen Denken nicht von Anfang der Mobilisierung an im Sinn. Andernfalls wäre die Protestbesetzung dazu genutzt worden, die verschiedenen Vorschläge zu analysieren, zu diskutieren und zu debattieren, die später am 16. September 2006 durch Zuruf abgestimmt worden sind. Das CND war und ist ein Weg die Protestbesetzung zu beenden und auf legitime Art den Aufbau einer Bewegung zu beginnen, um die Präsidentschaft in 2012 zu gewinnen . . . oder früher, wenn es gelingt Fecal zu stürzen.
3. - Dem CND wurde eine Direktion aufgedrängt, die beabsichtigt die Bewegung nicht nur zu führen, sondern sie zu kontrollieren. Es gibt darin nicht den mindesten Ansatz einer demokratischen Partizipation an Diskussionen und Beschlüssen, ganz zu schweigen von Selbstorganisation. Diese Direktion hat ihre eigenen Interessen und Kompromisse (obwohl das CND vereinbarte einige Firmen und Produkte zu boykottieren, erklärten einige Leiter, dass sie sich nicht daran halten würden - siehe dazu die Worte von Federico Arreola in der Tageszeitung Milenio am Tag nach dem CND.
4. - Die im Entstehen begriffene Bewegung des Lopezobradorismus zielt nicht auf eine Krise der Institutionen hin (die den Wahlbetrug geschmiedet und ausgeführt haben). Andernfalls hätten man beschlossen, alle bei diesen Wahlen gewonnenen Ämter auszuschlagen, was einen schwer zu bewältigenden Bruch herbeiführen würde. Das CND zielt auch nicht auf Autonomie und Unabhängigkeit hin. Im Gegenteil, ist es weiterhin der alten politischen Klasse verhaftet (jetzt umkonvertiert zur "Linken")
5. - Die meisten, nicht alle, derjenigen, die zur Direktion des CND gehören, glänzen durch ihre Korruption, ihren Opportunismus und ihre Neigung zu Intrigen. Während sie einerseits die betrügerischen Institutionen "zum Teufel" schicken, nehmen sie andererseits an ihnen teil (Gelder inklusive). Die Verhandlungen stehen an der Tagesordnung und es fehlt nur noch etwas wichtiges: das Bundesbudget und das Budget von Mexiko Stadt.
6. - Der gebildete Lopezobradorismus richtet jetzt seine Angriffe gegen sich selbst, gegen jene, die AMLO zwar unterstützten, ihn jetzt aber kritisieren. Die internen Disqualifizierungen und Säuberungsaktionen werden zunehmen.
7. - Die Mobilisierung hatte und hat zweifellos Licht- und Glanzmomente: zum Beispiel, die Kreativität und Erfindungsgeist in den Aktionen zu Denunzierung einiger der Konzerne, die in den Wahlbetrug impliziert sind (Banken, Wall Mart etcétera); die entschlossene Teilnehme von Menschen von unten; die gerechte und legitime Wut gegen die Anmaßung der PAN und der Fox-Regierung, sowie gegen den beleidigende Geringschätzung die einige Massenmedien (Televisa, TV Azteca und die großen Senderketten), jenen zuteil werden lassen, die an der Mobilisierung teilnehmen.
4. - Unten ... und währenddessen, im unteren Mexiko ... die ehrlichen Menschen.
Unten befindet sich der größte Teil derjenigen, die sich gegen den Wahlbetrug mobilisiert haben. Jene, die wollten, dass AMLO Präsident wird, weil sie ihn gewählt und gewonnen haben. Jene, die das Recht verteidigen, demokratisch die Regierung zu wählen. Jene, die nicht wollen, dass sich 1988 wiederholt. Jene, die, ein gesundes Misstrauen gegen die Koalitionsgehörigen Apparate hatten und haben. Jene, die die bestehende Macht herausfordern und das neoliberale System verändern wollen, das das soziale Gewebe zersetzt und das Land zugrunde richtet.
Oaxaca.- Das unten brach auch in Oaxaca hervor, und nahm Form und Weg in der Volksversammlung der Bevölkerung von Oaxaca (APPO) an. Die Veto Kapazität dieser Bewegung ist anerkennungswürdig gewesen. Es ist unerheblich, ob ihre Teilnehmer gewählt haben oder nicht (oder ob sie sich für die Koalition oder irgendeine andere parteiische Macht ausgesprochen haben). Das ist nicht wichtig, wichtig ist nur, dass sie ein Vertrauen in ihre eigenen Kräfte haben, die weit über ihre Anführer und Konjunkturen hinausgeht. Dieses Vertrauen hat es ihnen bis heute ermöglicht ihre Taktiken selbst zu bestimmen, ohne dem Druck von außen und den Ratschlägen der "Wohlüberlegten" nachzugeben.
Als EZLN unterstützen wir diese Bewegung und versuchen durch die Compañer@s der Otra, die in ihr kämpfen, zu sehen und zu lernen. Unsere Unterstützung muss sich aus zwei Gründen darauf beschränken: Zum einen, weil es sich um eine Bewegung handelt, die in sich sehr komplex ist, und eine direktere Unterstützung könnte "Aufruhr", Verwirrung und Argwohn hervorrufen. Zum anderen, weil die Bewegung der Bevölkerung von Oaxaca schon mehrmals beschuldigt worden ist, Verbindungen zu bewaffneten Gruppen zu unterhalten, und unsere direkte Präsenz könnte die Medienkampagne, die sie bereits schon gegen sich haben noch verstärken.
Die Otr@s. - Und abseits des hin und her der Politik von oben, wird eine andere Rebellion in den tiefsten Schichten der Gesellschaft errichtet: in den indigenen Völkern, unter den Jugendlichen, die von der Macht misshandelt werden (einschließlich der PRD), unter den Arbeitern in den Maquilas, unter den SexarbeiterInnen, unter den ungehorsamen Frauen, die mit der Furcht leben, dass ihre Ehemänner in den Norden emigrieren müssen, in den linken politischen Organisationen, die davon überzeugt sind, dass es noch etwas jenseits des Kapitals und der repräsentativen Demokratie existiert, unter all jenen, aus denen sich die Andere Kampagne zusammensetzt, die im ganzen Land leben, und eine andere Form der Politik der Beziehung zu ihren Gleichartigen-Verschiedenen organisieren und erfinden.
Die Andere Kampagne ist nicht das, was in den Medien über sie gesagt wurde, auch nicht das, was einige ihrer Teilnehmer von ihr behaupten, im Grunde, ist sie nicht einmal das, was die Sechste Kommission der EZLN über ihren Hergang erklärt hat. Sie ist viel mehr als das alles. Sie ist eine Sturzflut, die nach unten fließt, die noch nicht vollständig zum Ausdruck gekommen ist, die im Keller Mexikos existiert sich reproduziert.
Aber unten existieren auch Millionen von Menschen, die Mehrheit, die nicht gewählt hat. Die nicht an den Wahlen glauben (viele von ihnen, so wie wir Zapatisten, haben noch niemals aus Überzeugung gestimmt). Jene, die zum verachteten und erniedrigten Mexiko gehören (und die der gebildete Lopezobradorismus jetzt noch mehr verachten und erniedrigen will, indem er ihnen eine vermeintliche Niederlage zuschreibt). Viele von ihnen gehören zum Mexiko der indigenen Völker, die noch vor wenigen Jahren für ihren Kampfwillen und ihren Widerstand gepriesen wurden.
Mit diesen letzteren, mit jenen, die nicht nach oben blicken, sind wir Zapatisten. Und wir denken, dass sie diejenigen sind, mit denen die Andere Kampagne sein sollte.
Einige von unten, die sich in der Anderen Kampagne organisieren, haben nämlich unseren Schmerz und den Feind, der ihn verursacht bereits identifiziert: den Kapitalismus.
Und wir wissen bereits zwei wesentliche Dinge: Zum einen, dass um diesen Kampf zu liefern, die Konstruktion einer autonomen und unabhängigen sozial-politischen Bewegung nötig ist. Und zum anderen, dass es da oben keine grundlegende Lösung gibt, weder für die wirtschaftlichen und sozialen Probleme, die das mexikanische Volk quälen, noch für die Beschlagnahmung der Partizipation und Organisation der Bevölkerung durch die politische Klasse.
Wir, die Zapatisten der EZLN, haben uns vor einem Jahr dafür entschieden, eine antikapitalistische landesweite Bewegung voranzutreiben, von unten und nach links, die über der elektoralen Konjunktur steht - insofern als dass sie unabhängig davon bleiben konnte, wie sich jeder zu den Wahlen positionierte. Bis heute konnten wir vieles sehen und lernen. Von denen da oben, von der Otra, von uns selbst.
Wir denken dass, ob man sich über die Legitimität oder Popularität der Bewegung von Andrés Manuel López Obrador einig ist oder nicht, sie nicht der Weg der Anderen Kampagne ist, und vor allem, nicht das gleiche Ziel verfolgt wie wir Compañer@s in der Otra.
Wir, die Otra, sucht weder von jemandem geführt zu werden, noch jemanden zu führen. Wir suchen nicht, von oben zu erreichen, was von unten aufgebaut wird.
Und euch, unseren Compañeras und Compañeros der Anderen Kampagne, möchten wir einen Vorschlag unterbreiten ...
* Elenita: Elena Poniatowska. Die berühmte mexikanische Schriftstellerin und AMLO Unterstützerin verkündete vor kurzem in der La Jornada (12. Sept.), Cuauhtémoc Cárdenas, Subcomandante Marcos und die unabhängige Kandidatin Patricia Mercado würden AMLO ihre Unterstützung nur aus Neid verweigern.
Fünfter Teil: Die Stunde der Definitionen?
In dem kollektiven Herz, das wir Zapatistas sind, wissen wir nicht genau, wie unser Wort der Sexta bei euch angekommen ist. Das, was wir wohl wissen, ist, dass es dort war, an seinem Ort, mit seiner Geschichte und innerhalb seines Kampfes, dass ihr auf die Einladung zur Sexta und das, was wir später unter uns als die Otra Campaña [dt.: Andere Kampagne] kennen gelernt haben, mit einem "Ja" geantwortet habt. Es ist im Herz jedes/jeder einzelnen, manchmal individuell, manchmal kollektiv, als indigenes Volk, als politische oder soziale Organisation, als NGO, als Kollektiv, als Gruppe, als Individuum, wo entschieden wurde, diesen Schritt in Angriff zu nehmen, der inzwischen nicht mehr nur zapatistisch ist, sondern von vielen, von allen, die wir dabei sind.
Im vergangenen Jahr, seit jenem Plenum im Caracol von La Garrucha (16. September 2005) bis zu den heutigen unruhigen Tagen, haben wir gesehen, dass einige gehen, dass andere bleiben, dass einige mehr sich annähern, dass einige arbeiten, dass einige lediglich "herumnerven" und das Vorwärtskommen behindern, dass einige - die meisten - dieses Projekt zu dem ihren gemacht haben. Dieses Auf und Ab hat nicht nur "Lärm" innerhalb der Otra [Die Andere Kampagne] provoziert, sondern hat ihr Gesicht, ihr Wort und ihren Weg noch diffuser gemacht.
Als Zapatistas denken wir, dass dieses Jahr, das vergangen ist, gut dazu gedient hat, uns kennenzulernen. Und auch dazu, zu wissen, wer sich annähert oder wer sich angenähert hat, nur um daraus politischen Nutzen zu ziehen. Manchmal, um zu versuchen, einen angeblichen "medialen" Effekt der EZLN zu kapitalisieren, manchmal, um zu versuchen, die Otra zu hegemonisieren, manchmal, um sie zu einer Politik der Allianzen zu führen, die ihnen nutzen würde, manchmal, um zu schauen, worum es sich handelt und später auf die andere Seite zu wechseln und weiter zu schauen, manchmal, um zu versuchen, sie gemäß ihrer Idee zu homogenisieren.
Wir glauben, dass dies - außer durch unsere Fehler (einige davon haben wir erkannt und benannt, plus die, die ihr hinzufügen werdet) - dadurch begünstigt wurde, dass die Otra eine große Dosis Unbestimmtheit mit sich trägt.
Was am Anfang eine Tugend war, denn es wurde erreicht, eine breite Palette der besten Kräfte der nationalen antikapitalistischen Bewegung zusammenzurufen, fängt jetzt an, sich in Ballast zu wandeln.
Obwohl sie fundamental sind, sind die Basisdefinitionen der Otra zu allgemein, vor allem in dem Bereich, der sich auf die organisatorische Struktur bezieht, auf die Politik der Allianzen, auf den Ort der Unterschiedlichkeiten, und wer aufgerufen ist und wer nicht.
Außerdem ist es nach dem, was wir während unserer Reise und auf den verschiedenen Plena und Versammlungen gesehen und gehört haben, notwendig, dazu Stellung zu beziehen, ob die aktuellen Charakteristiken vollständig sind oder nicht. Um nur ein Beispiel zu nennen, an nicht wenigen Orten wurde darauf hingewiesen, dass die Otra den antipatriarchalen Aspekt als ein grundsätzliches Charakteristikum einbeziehen solle.
Ein anderes schweres und dringendes Problem ist, dass wir nicht das Wie definiert haben, wie die Entscheidungen in der Otra als Bewegung getroffen werden. So wird manchmal eine persönliche, eine gruppenbezogene oder organisationsbezogene Position (die EZLN eingeschlossen) so präsentiert, als sei es die Position der gesamten Otra.
In den Reflektionen, die wir euch hier präsentiert haben, haben wir bereits erklärt, dass wir die Otra als notwendig begriffen haben, für eine zukünftige Zeit und dass wir also ein bisschen Zeit hatten, um ins kennenzulernen, anzupassen und zu definieren.
Wie wir ebenfalls schon dargelegt haben, denken wir, dass die Zeit der Krise der Politik von oben, in der eine linke antikapitalistische Alternative notwendig ist, bereits gekommen ist. Obwohl die Tiefe der Krise der Politik von oben klar ist, wissen wir Zapatistas gut, dass, wenn es keine Alternative von unten gibt, die von oben schließlich Vereinbarungen finden und sich eine neue Atempause geben.
Wir glauben, dass die Stunde der Otra, die Stunde der Niemande, die wir sind, gekommen ist.
Dass wir bereits mit der direkten Kontaktaufnahme zu allen von unten, mit unserer Bevölkerung, anfangen müssen; und bereits beginnen müssen, mit ihnen ein nationales Kampfprogramm aufzubauen.
Nicht mehr nur sich kennen lernen und unter sich die Widerstände bekanntmachen und vernetzen, die es in unserem Land gegen das kapitalistische System gibt, sondern uns bereits um diesen Plan herum zu organisieren, seinen Inhalt, seine Ziele und die Schritte und die Art und Weise, ihn zu erfüllen.
Aber wir haben noch immer kein eigenes Gesicht als Otra. Wir denken, dass es bereits Zeit ist, es unter uns allen gemeinsam zu erstellen. Und dass es Zeit ist, dass diejenigen, die sich nicht damit identifizieren, was das mehrheitliche Denken der Otra ist, gehen sollen, und dass die bleiben und kommen sollen, die sich in diesem kollektiven Gesicht, das wir aufbauen werden, erkennen.
Wir glauben also, dass die Stunde der Definitionen gekommen ist, die noch unerledigt geblieben sind.
Die, die wir als die wesentlichen empfinden, sind in den so genannten 6 Punkten enthalten: die Charakteristiken der Otra; wer aufgerufen ist und wer nicht; die organisatorische Struktur (der Mechanismus oder die Art der Entscheidungsfindung eingeschlossen); der Ort der Unterschiede, die Politik der Allianzen, und die unmittelbaren Aufgaben.
Diese Fragen haben wir in den Vorbereitungsversammlungen entdeckt und auf der ersten Vollversammlung haben wir vorgeschlagen, dass sie von allen AnhängerInnen diskutiert und entschieden werden. Aber es wurde weder ein Datum gesetzt noch wurde festgelegt, wie die Stimme jedes/jeder Einzelnen zu diesen Angelegenheiten berücksichtigt werden kann.
Und die Berücksichtigung aller ist etwas, das uns von anderen Vorschlägen, Projekten oder politischen Bewegungen unterscheidet.
Ein Jahr lang sind wir mit der Diskussion dieser 6 Punkt mehr oder weniger vorwärts gekommen. Wir denken, dass wir nun diese Etappe abschließen müssen, jede/r eine Position bezieht und wir eine Definition als Otra annehmen.
D.h., bereits als Otra auf die Fragen zu antworten: Wer sind wir? Wo sind wir? Wie sehen wir die Welt? Wie sehen wir unser Land? Was wollen wir tun? Wie werden wir das tun?
Wegen all dem, was wir jetzt sagen und wegen dem, was wir in diesem Jahr gesehen, gehört und gesagt haben, schlagen wir euch vor:
1.- Dass wir, alle AnhängerInnen, unsere Analyse, Diskussion und Definition beenden und dass wir eine Position einnehmen, in Bezug auf:
(-) Die fundamentalen Charakteristiken der Otra (also ihre kollektive Identität).
(-) Ihre Struktur (wie wir untereinander in Beziehung treten).
(-) Ihre Politik der Allianzen (wen wir unterstützen, mit wem wir uns vereinen).
(-) Der Ort der Unterschiede (wo befinden wir uns). 5.-
(-) Wer ist aufgerufen und wer nicht (wer ist Compañer@ und wer nicht). 6.-
(-) Die gemeinsamen Aufgaben aller AnhängerInnen (zusätzlich zu denen, die jede/r im eigenen Kampf hat)
2.- Dass die Beendigung dieser Analyse, Diskussion und Definition auf fundamentale Weise realisiert wird, an dem Ort, wo der Beitritt beschlossen wurde: indigenes Dorf, politische oder soziale Organisation, NGO, Gruppe, Kollektiv, Familie, Individuum. Das ist dort, wo jede/r Einzelne Widerstand leistet und kämpft. Und das ist dort, wo jede/r Einzelne diskutiert und entscheidet, welche Art der Otra besser für das ist, was wir uns vorschlagen.
3.- Dass für diese Analyse und Diskussion, alle, die es vorhaben, dem Rest ihre Positionen und Argumente bekannt geben können. Bis jetzt haben wir keinen weiteren Raum als die elektronischen Seiten der Comisión Sexta und der Organisationen, Gruppen und Kollektive, die welche haben. Wir denken, obwohl es wenig und begrenzt ist, wir alle sollten die Medien, die wir haben, für diese Analyse und Diskussion zur Verfügung stellen. Über Artikel, alternative Radio- und TV-Programme, "blogs", Briefe/Email, runde Tische, Plena, Konferenzen, Flugblätter, Zeitschriften, Versammlungen oder wie auch immer könnten die Positionen von Individuen, Familien, Gruppen, Kollektiven und Organisationen über jeden Punkt anderen AnhängerInnen bekannt gemacht werden; zum Beispiel, über den antipatriarchalen Aspekt (was bedeutet das, warum die Otra das sein soll und wie). Schlussendlich, eine intensive - aber jederzeit respektvolle - Debatte generieren über die Ideen und Vorschläge jedes /jeder Einzelnen.
4.- Dass diese internen Analysen, Diskussionen und Debatten der Otra während der Monate Oktober und November diesen Jahres 2006 beendet werden.
5.- Dass die Entscheidung jedes/jeder Einzelnen sich in einer Consulta [dt.: Befragung] aller AnhängerInnen manifestiert. Eine universelle interne Consulta der Otra, wo die Meinung von allen und von jedem Anhänger und jeder Anhängerin angehört und berücksichtigt wird, unabhängig davon, an welchem Ort er/sie sich befindet, welche Sprache er/sie spricht, seinem/ihrem Alter, seinem/ihrem Volk, seiner/ihrer sexuelle Präferenz, seiner/ihrer Schulausbildung, ob er/sie in der Öffentlichkeit sprechen kann oder nicht, etc., [wichtig ist] nur, dass er/sie sich der Sechsten Deklaration angeschlossen hat. Eine Abstimmung aller AnhängerInnen also.
6.- Dass diese Consulta in der Woche vom 4. bis zum 10. Dezember diesen Jahres durchgeführt wird.
7.- Dass die Realisierung dieser Consulta von den verschiedenen organisatorischen Arbeitseinheiten, die existieren oder die dafür gegründet werden, übernommen wird. Dass, auch wenn jemand an einer Versammlung oder einem Plenum aus welchem Grund auch immer nicht teilnehmen kann, jemand von der Otra zu dem Ort, wo diese Person arbeitet, studiert oder lebt, geht und sie fragt und ihre Meinung über jeden der Punkt notiert, egal ob dies eine oder viele Personen sind.
8.- Dass die "Arten" jeder einzelnen Person respektiert werden, auf die sie sich ausdrückt oder ihre Position bekanntmacht: sei es durch eine Stellung als Individuum, Familie, Gruppe, Kollektiv, Organisation oder indigene Gemeinde.
9.- Dass jede organisatorische Arbeitseinheit über Form und Inhalt der Realisierung der Consulta in dem Bereich entscheidet, in dem sie durchgeführt werden wird.
10.- Für diejenigen, die sich so entscheiden, bietet sich die Comisión Sexta der EZLN an, ihre Meinung zu erhalten und zu schauen, dass ihre Meinung in der internen Consulta der Otra berücksichtigt wird (auch wenn sie nicht mit der unsrigen übereinstimmt oder gegenteilig zu dem ist, was wir als Zapatistas unterstützen).
11.- Dass, wenn die Consulta beendet ist, jede organisatorische Arbeitseinheit auf der Internetseite von Enlacezapatista bekannt gibt, welche Ergebnisse wo erreicht wurden. So werden wir alle die Berechnung erstellen und wissen, was die Mehrheit entschieden hat.
12.- Dass, wenn alle das Endergebnis kennen, alle AnhängerInnen informiert werden, wobei dem selben Weg gefolgt wird, der für ihre Befragung genutzt wurde.
13.- Dass die Otra so bereits am Ende diesen Jahres klar ihre Charakteristika, ihre organisatorische Struktur, ihre Politik der Allianzen, die Orte jedes/jeder Einzelnen, wer dabei ist und wer nicht sowie die gemeinsamen Aufgaben definiert hat.
14.- Dass im Februar 2007 bereits eine weitere Etappe der Otra initiiert wird, die der Errichtung eines Nationalen Kampfprogramms, mit der direkten Partizipation der Delegierten der Comisión Sexta der EZLN, wobei direkt mit unseren Gemeinden in Kontakt getreten wird, sowie die allgemeinen Aufgaben, die beschlossen werden, wie der Kampf für die Freiheit der Gefangenen von Atenco, die Freiheit aller politischen Gefangenen, die lebendige Präsentierung der Verschwundenen und die Aufhebung aller Haftbefehle gegen soziale KämpferInnen.
15.- Dass die AnhängerInnen, die mit diesem Vorschlag einverstanden sind, es uns über verschiedene Arten von Schreiben wissen lassen, über die organisatorischen Arbeitseinheiten der Otra in ganz Mexiko oder über die Medien, die ihnen angemessen erscheinen.
Dies ist unser Vorschlag, Compañeras und Compañeros der Otra Campaña
für das CCRI-CG der EZLN
Comisión Sexta der EZLN
Comandanta Grabiela (delegada uno)
Comandante Zebedeo (delegado dos)
Comandanta Miriam (delegada tres)
Compañera Gema (delegada cuatro)
Comandanta Hortensia (delegada cinco)
Comandante David (delegado seis)
Comandante Tacho (delegado siete)
Subcomandante I. Marcos (delegado zero)
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