28. Juni 2005

Deutsche Ausgabe
des wöchentlichen Pressedienstes
lateinamerikanischer Agenturen


Interne zapatistische Befragung beendet

In einer am 26. Juni von der Kommandantur des Zapatistischen Befreiungsheeres EZLN (Ejército Zapatista de Liberación Nacional) veröffentlichten Erklärung geben die Zapatisten das Ende der internen Befragung bekannt. Zwischen dem 20. und 26. Juni hätten in mehr als 1000 indigenen Gemeinden in Chiapas Versammlungen stattgefunden. Teilnehmer an diesen Treffen seien ausschließlich erwachsene indigene mexikanische Frauen und Männer gewesen, die die EZLN unterstützen. Diese hätten nach den Berichten der zapatistischen Führung, deren Analyse der Situation im Land und dem Vorschlag, einen neuen Schritt zu machen, über die Vor- und Nachteile sowie Gefahren und Risiken diskutiert. Die darauf folgende Abstimmung des Vorschlages sei frei und individuell erfolgt.

Mehr als 98 Prozent hätten für den neuen Schritt gestimmt, weniger als zwei Prozent wollten den Vorschlag nicht unterstützen. Mit der Unterstützung der großen Mehrheit ihrer Mitglieder werde die EZLN nun eine neue landesweite und internationale politische Initiative auf den Weg bringen. In den nächsten Tagen werde die EZLN-Kommandantur eine Reihe von Texten der so genannten "Sechsten Erklärung aus dem Lakandonischen Urwald" veröffentlichen.

 

Die Zapatisten gehen in Klausur

Am Ende einer aufregenden Woche sorgte Subkommandant Marcos für Klarheit. "Um die Spekulationen zu beenden", erklärte der Sprecher des Zapatistischen Befreiungsheeres EZLN (Ejército Zapatista de Liberación Nacional): "Wir von unserer Seite aus planen und beraten keine Wiederaufnahme offensiver militärischer Kämpfe." Die Zapatisten hätten sich zu internen Konsultationen zurückgezogen, um über eine neue Ausrichtung der Organisation zu beraten. Dabei stehe zur Disposition, ob sich die indigenen Rebellen aus dem südmexikanischen Bundesstaat Chiapas künftig in ihrer Orientierung ausweitet. Alles, was man seit dem Aufstand vom Januar 1994 unternommen habe, sei "ausschließlich von und für Indígenas" gemacht worden. "Nun konsultieren wir unser Herz, um zu sehen, ob wir von einer "anderen Sache" sprechen und diese auch machen", heißt es in einem Schreiben an die "nationale und internationale Zivilgesellschaft", das am Donnerstag vergangener Woche (23. Juni) veröffentlicht wurde. Gezeichnet: "Subcomandante Insurgente Marcos" im Namen des Revolutionär-Klandestinen Indígena- Komitees - Generalkommandantur der EZLN".

In den Tagen zuvor hat es gleich drei Kommuniqués gegeben, die für reichlich Furore in der mexikanischen Öffentlichkeit und der internationalen Unterstützerszene sorgten. Im ersten Schreiben vom 19. Juni rief die EZLN die "Alarmstufe Rot" für die von ihr kontrollierten Gebiete aus. Alle öffentlichen Stützpunkte der Bewegung seien vorübergehend geschlossen worden und man ziehe sich in die Klandestinität zurück, hieß es. Betroffen von diesen Maßnahmen waren sowohl die bislang als öffentliche Anlaufstellen dienenden so genannten Caracoles als auch die Büros der "Räte der Guten Regierung", mit denen die Zapatisten seit knapp zwei Jahren das von ihnen kontrollierte Territorium autonom verwalten.

Zudem rief die EZLN alle mexikanischen und internationalen Aktivisten der Zivilgesellschaft dazu auf, das von den Zapatisten kontrollierte Gebiet zu verlassen oder sich "auf eigenes Risiko" in den Caracoles zusammenzuziehen. Außerdem würden nun auch jene Mitglieder der EZLN, die in letzter Zeit "soziale Arbeit in den zapatistischen Dörfern geleistet haben", wieder in die militärischen Strukturen zurückberufen. Der zapatistische Sender "Radio Insurgentes" setze seine Übertragungen aus.

Einen Tag später meldeten sich die Rebellen erneut zu Wort. Man informiere darüber, dass die EZLN in der zweiten Hälfte des Jahres 2002 in einen Prozess der Reorganisierung ihrer politisch- militärischen Struktur eingetreten sei, der nun beendet sei. "Wir haben jetzt die notwendigen Bedingungen, um als Organisation eine Attacke oder Aktion des Feindes zu überleben", die darauf abziele, die Führung zu vernichten, hieß es in einem Kommuniqué. Zeitgleich ließ die EZLN jedoch auch wissen, dass der Rückzug und die Mobilmachung eine "defensive Vorsichtsmaßnahme" sei. Die EZLN habe "die aufständischen Truppen, alle Kommandanten und Kommandantinnen, die regionalen und lokalen Verantwortlichen sowie die zapatistischen Unterstützungsbasen zu einer internen Umfrage aufgerufen", erklärt Marcos und verweist darauf, dass die mexikanische Armee die letzte Konsultation dieser Art im Februar 1995 zu einer Offensive gegen die Zapatisten genutzt hatte. Diesem Risiko wollte man sich dieses Mal nicht ungeschützt aussetzen.

Für Entwarnung sorgte auch dieses Kommuniqué nur bedingt, denn zur Debatte stehe nun "ein neuer Schritt im Kampf, ein Schritt, der unter anderem das Risiko in sich trägt, das Viele oder Wenige zu verlieren, das wir erreicht haben". Erst die letzte Erklärung an die "Zivilgesellschaft" vom Donnerstag (23. Juni) stellte klar, dass mit diesen Worten keine offensive militärischen Aktionen gemeint war. Zudem erklärte Marcos, dass kein Peso des zur Unterstützung der Zapatisten gesammelten Geldes für Waffen oder andere Kriegsmittel ausgegeben worden sei. "Um Krieg zu führen, haben wir keine Unterstützung gebraucht. Für den Frieden brauchen wir sie schon."

Die zapatistischen Konsultation dauerte eine gute Woche. Nun wollen die Maskierten aus dem mexikanischen Süden über das Ergebnis ihrer Debatte informieren.

 

Drogenfelder nicht auf zapatischem Gebiet

Der Sprecher des Präsidenten Vicente Fox, Rubén Aguilar Valenzuela, räumte ein, dass dem Außenminister Luis Ernesto Dérbez ein Fehler bezüglich der Drogenplantagen im Staat Chiapas unterlaufen sei. Dérbez hatte vom Sprecher des Zapatistischen Befreiungsheeres EZLN (Ejército Zapatista de Liberación Nacional), Subkommandante Marcos gefordert, er müsse erklären, warum auf dem von der EZLN kontrollierten Gebiet Drogen angebaut würden. Aguilar dagegen musste nun richtig stellen, dass die jüngst vom Militär enttarnten Plantagen nicht innerhalb des zapatistischen Gebietes liegen. "Es muss klargestellt werden, dass tatsächlich [...] die drei Gebiete, in denen diese 44 Plantagen gefunden wurden, nicht im Einflussgebiet der Zapatisten liegen, sondern an dessen Rande", bestätigte er.

Das Verteidigungsministerium hatte drei Tage zuvor die Zerstörung von 3,8 Hektar Marihuanafeldern in den Gemeinden von Pueblo Nuevo, Tapilula und Rayón in den Altos de Chiapas "innerhalb des Einflussgebietes" des Zapatistischen Befreiungsheeres EZLN gemeldet. Diese Meldung erlangte nicht nur besondere Brisanz, weil sie quasi zeitgleich zur zapatistischen Ausrufung der "Alarmstufe rot" erschien. Die mexikanische Regierung geht zudem derzeit im Rahmen der Aktion "México Seguro" – "Sicheres Mexiko" medienwirksam gegen einen Teil der Drogenmafia vor. Schlagzeilen wie "Die EZLN – eine Narcoguerilla" stoßen also auf offene Ohren.

Die parlamentarische Kommission zur Einheit und Befriedung (Cocopa) für Chiapas zog die Erklärung der mexikanischen Armee sofort in Zweifel. Sie traf sich am Tag, nachdem die EZLN "Alarmstufe Rot" in den von ihnen kontrollierten Gebieten ausgerufen hatte. Diese "Alarmstufe Rot", die eine Vorsichtsmaßnahme der Zapatisten darstellt, beinhaltete die vorübergehende Schließung ihrer "Räte der Guten Regierung", mit denen die indigenen Rebellen ihr Gebiet verwalten.

Aguilar signalisierte, dass der Schritt der EZLN nichts mit dem Militär zu tun haben könne, weil die Soldaten gar nicht bis auf zapatistischem Gebiet vorgedrungen seien. "Ich kann bestätigen, dass sich die Armee von einigen Posten zurückgezogen hat, um sich auf größere Posten zu konzentrieren", sagte er. Weiter erklärte der Präsidentensprecher: "Es gibt keinen Anlass von Seiten der Regierung, von einer Alarmsituation auszugehen. Die Regierung wird immer aufmerksam sein gegenüber der Entwicklung der Ereignisse und immer besten Willens, eine Lösung der Probleme in Chiapas im Rahmen eines Dialoges zu finden."

Die EZLN formierte sich am 1. Januar 1994, akzeptierte nach zehn Tagen des Kampfes mit 150 Toten einen Waffenstillstand und nahm später Friedensgespräche auf. Das 1996 mit der Regierung ausgehandelte Abkommen von San Andrés, das grundlegende Rechte der indigenen Bevölkerung Mexikos garantiert, wurde jedoch von der Regierung bis heute nicht umgesetzt.

 

Diözese beurteilt "Alarmstufe Rot" der EZLN

Nach Bekanntgabe der "Alarmstufe rot" durch das Zapatistische Befreiungsheer EZLN (Ejército Zapatista de Liberación Nacional) veröffentlichte die Diözese der Römisch-katholischen Kirche, ICR (Iglesia Católica Romana) in San Cristóbal de las Casas eine Erklärung, die sich an "alle Männer und Frauen guten Willens" richtet. Das Ziel des Schreiben sei es, dass "diese unsere Befürchtungen teilen und Worte des Mutes und der Hoffnung für die Lösung unserer ernsthaften und akuten Probleme aussprechen, mit denen unsere Gesellschaft konfrontiert ist". Dabei sollen vor allem "diejenigen Personen angesprochen werden, die auf Grund ihrer Verantwortung besonders dazu verpflichtet sind, sich für diese Aufgabe zu engagieren". Die Erklärung wurde veröffentlicht, bevor die EZLN darüber informierte, dass die Alarmstufe Rot eine "defensive Vorsichtsmaßnahme" war, um vom Militär ungestört ihre interne Konsultation durchführen zu können.

Die Mitteilung der Diözese brachte die Besorgnis zum Ausdruck über "die ungewisse Situation und die Tatenlosigkeit in Hinblick auf die Ursachen, die für die Konflikte im Bundesstaat Chiapas verantwortlich sind und diesen immer weiter nähren". Dabei wurde der Alarm der EZLN als "Indikator dieser Situation" gesehen. Der Diözese von San Cristóbal de las Casas ist es ein besonderes Anliegen, "für die Situation der Kommunen in der Diözese ein offenes Ohr zu haben und sie dabei zu unterstützen, mögliche Trenn- und Konfliktlinien zu überwinden". Zudem werde sie die Gemeinden "bei der Suche nach humanitärer Hilfe unterstützen, die die Situation erforderlich macht".

Die Erklärung, die vom Bischof von San Cristobal de las Casas, Felipe Arizmendi Esquivel und vom stellvertretenden Bischof Enrique Díaz Díaz unterzeichnet wurden, merkt an, "dass die Programme der Regierung bis heute die strukturelle Ungerechtigkeit nicht beseitigt haben" und damit "die Ineffizienz des neoliberalen Modells verdeutlichen".

Die ICR von San Cristóbal de las Casas formulierte eine Aufforderung an die Bundes- und die Landesregierung, damit diese "den tatsächlichen Bedürfnissen der Menschen Gehör schenke, effektive Lösungen zur Beseitigung der Armut, der Marginalisierung und des Rassismus anbiete". Zudem sollen beide Regierungen "aufmerksam" den Kritikern zuhören, damit "eine grundlegende Reform des mexikanischen politischen Systems durchgeführt werde".

Auf der anderen Seite fordert die Diözese die EZLN dazu auf "dass sie sich in ihrem sozialen und politischen Kampf weiterhin der gerechten Sache widmet und alles ihr Mögliche unternimmt, um jede Form von gewaltsamen Aktionen zu unterlassen" und "sie sich weiterhin einer selbstkritischen Prüfung ihres Weges unterwerfe".