Radio Insurgente


Hier ist Radio Insurgente, wir senden aus den Bergen des mexikanischen Südostens.
Willkommen zur ersten intergalaktischen Sendung von Radio Insurgente!
Radio Insurgente, die Stimme der Zapatistischen Armee der Nationalen Befreiung, sendet auf 5.8 Megahertz, 49 Meter Band auf Kurzwelle, und wenn die hohe Regierung interferiert, zirkulieren wir auf Pirat CDs.

Wir möchten die verschiedenen Filialen von Radio Insurgente grüßen, die Stimme derer ohne Stimme im Hochland von Chiapas, in der Selva Fronteriza und in der Selva Tzeltal.
Wir grüßen ebenfalls die aufständischen Truppen, die in unseren Positionen in den Bergen in Alarmbereitschaft bleiben, sowie alle Unterstützungsbasen der Zapatistischen Armee der Nationalen Befreiung. Dies ist Radio Insurgente

Bei dieser Gelegenheit senden wir besondere Grüße an die Zivilgesellschaftler, die sich in diesem Augenblick in dem Caracol von Oventik befinden, und an der Fiesta des Todes der Aguascalientes und der Geburt der Caracoles und der Räte de Buen Gobierno teilnehmen.

Wir grüßen ebenfalls die Brüder und Schwestern der Zapatistischen Front der Nationalen Befreiung und des Zapatistischen Netzwerkes der Nationalen Befreiung. Und ein Gruß auch nach Deutschland, besonders an die Kirchengemeinde von Pfarrer Dieter Zöhler (?), oder wie er heißt, in Göttingen, oder wie das heißt.
Grüße auch an Free Speech Rader News, Big Noise und Autonomous Media Projects.

Willkommen bei Radio Insurgente, der Stimme der Zapatistischen Armee der Nationalen Befreiung. Wie alle wissen, besteht die Zapatistische Armee der Nationalen Befreiung aus einer unbestimmten Anzahl von Gesetzesbrechern und Gesetzesbrecherinnen, die nichts anderes im Sinn haben, als Probleme für die Oberen und die Angesehenen zu schaffen. Ihre Aktivitäten haben ihnen Feinde aller Art eingehandelt, und um zu demonstrieren, daß sie eine postmoderne Guerilla sind, haben die Zapatisten die Feindseligkeit globalisiert, und haben das geschafft, was keiner Organisation vor ihnen gelungen ist: nicht weniger als einen Feind in allen Ecken der Welt zu haben. Okay, daß ist nur Angabe, denn die US-Regierung hat nicht weniger als eine Tonne Feinde in allen Ecken der Welt.

Und nun, exklusiv für die wenigen Verirrten, die uns eingeschaltet haben, folgt ein Exklusivreport: Unser effizientes und professionelles Team von Reportern - nun, von Reporterinnen, denn die Frauen sind wie überall sonst auch hier in der Mehrzahl.
Gut, wie ich schon sagte, unser Reporterteam hat nach geduldiger und gründlicher Recherche etwas über die Zapatisten herausgefunden. Was die Zapatisten anscheinend am meisten wollen, ist eine neue Welt zu errichten, eine Welt, in die viele Welten passen. Und nicht nur das, wir haben auch herausgefunden, daß sie bei dieser subversiven Aufgabe auf dem ganzen Planeten Erde Komplizen haben, und Gerüchten zufolge, die aber noch nicht bestätigt sind, sogar in anderen Galaxien.
Und die Zapatisten sagen, daß es irgendwo eine bessere Welt geben muß. "Irgendwo muß es eine bessere Welt geben" ... hmmm... ah, dieser Satz kommt mir auch bekannt vor. Deshalb habe ich alle Bücher und Schriften, die ich finden konnte, zu Rate gezogen, und nein, dieser Satz stammt weder von Karl noch Groucho Marx. Er stammt auch nicht von Lenin, oder dem Sub, auch nicht von Che Guevara oder Emiliano Zapata.
Natürlich blieb ich unverzagt, und war bereit, alles zu tun um dieses Rätsel zu lösen, also setzte ich meine Ermittlungen fort und fand heraus, daß dieser subversive Satz von B.B. King stammt, der daraus einen Blues gemacht hat. Und hier kommt er, exklusiv für Radio Insurgente, der King, B.B. King und das Stück mit dem unverschämten Namen "There must be a better world somewhere" - Irgendwo muß es eine bessere Welt geben!

[...]

Hier bei Radio Insurgente wiederholt sich die von ihrem Lauf erschöpfte Geschichte. Wenn Arbeit Affen zu Menschen macht, schafft es der Krieg, Menschen in Affen zu verwandeln. Und natürlich kamen die ersten Proteste von den Affen ("monos") und den Karikaturen. Die Karikaturen protestierten, weil das Image der politischen Klasse bei weitem komischer ist als sie. Und so werden die Comic Strips durch den unfairen Wettbewerb der nationalen und internationalen Politikseiten verdrängt. Eine allgemeine Übersicht reicht aus: da heißt es, daß Señor Bush nichts buchstabieren kann außer Bomben, und die nordamerikanische Presse nimmt große Mühen auf sich, um sein scheinbares Gegrunze in verständliche Worte auszudrücken.

Weiter drüben steht Señor Berlusconi, der jedes Verständnis für Zeit und Raum verloren hat und zwischen Regieren und der Zusammenstellung eines Fernsehprogramms nicht mehr unterscheiden kann.

Nur ein kleines bißchen daneben beschließt Señor Garzón - sicher erschöpft von seiner intensiven Arbeit durch die Schließung von Zeitungen, die Verfolgung der baskischen Sprache, Folterverhöre, Fotosessions mit den hinterbliebenen Verwandten von Bombenopfern und die Kampagne für den Friedensnobelpreis - daß er Ferien braucht. Und um natürlich in einer vertrauten Umgebung zu bleiben, beschließt er seine Ferien in Chiapas zu verbringen, ein Ort der heutzutage von Illegalen und Kommunikationsmedien nur so überfließt, Richter Garzóns zwei großen Leidenschaften.

Dort drüben wird Señor Blair wieder von existentiellen Zweifeln geplagt, aber es wäre irrig anzunehmen, daß er nach Rechtfertigungen für den Skandal um die falschen Berichte über die irakische Gefahr sucht. Nein, Señor Blair hat Zweifel, weil er nicht weiß, welchen Anzug er tragen soll. Ganz in der Nähe treffen sich Aznar und der kleine König, weil ihre Geheimdienste in Mexiko - das heißt, die mexikanische Regierung - sie darüber informiert haben, daß die Zapatisten die Idee einer Invasion Europas nicht aufgegeben haben, natürlich mit Landung auf den iberischen Gestaden.
Und da mir, wie allgemein bekannt, Monarchien absolut Schuppe sind, nahm ich die Zeitung mit auf die Latrine, um dort über die politische Klasse zu reflektieren, in der gleichen Sitzposition wie Rodins "Denker". Als ich in das brandneue Hauptquartier des EZLN Generalkommandos zurückkam, las ich einen Brief, in dem wortwörtlich drinstand: "Ich kann nicht aufhören an Dich zu denken".
Ich wurde aufgeregt, senkte die Augen wie in Blick Nr. 7 aus dem Katalog für "Verführerische Blicke", Band 1, und seufzte. Aber nicht sehr lange, denn ich fand schnell heraus, daß der Brief an Brad Pitt adressiert war, der zufälligerweise ebenfalls in unser Programm eingeladen ist.

Ich verstaute meinen verführerischer Blick Nr. 7 im Ordner für sinnlose Gesten und - wohlwissend, daß ich für dieses Programm schwerer Kritik ausgesetzt sein werde - wendete mich Cuco Sánchez zu und diesem Stück, das leicht die andere Hymne der Zapatisten sein könnte. Es heißt, wie es heißt: "No soy monedita de oro".

[...]

Wir machen weiter mit dem intergalaktischen Sonderprogramm von Radio Insurgente. Intergalaktisches Programm bedeutet, daß wir mit so wenig Saft übertragen, daß wir das ganze nicht mal mit einem elektronischen Viagra hochkriegen könnten, deshalb sind wir auch nur mit intergalaktischer Technologie zu hören. Aber auch so haben wir unsere Methoden, um die hohe Regierung daran zu hindern uns aufzuspüren und mit dem zittrigen Signal von Radio Insurgente zu interferieren. Zum Beispiel werden wir immer wieder das Lied spielen, das als nächstes zu hören sein wird, damit der Feind denkt er würde eine andere Radiostation hören, nämlich "69 point G". Hier kommt also Joaquin Sabina, mit "69 point G" vom Album "Dimelo en la calle", und gleichzeitig senden wir Grüsse an Panchito Varona, der uns sicher nicht zuhört, aber was soll's. [...]

Sie hören Radio Insurgente, die Stimme der Zapatistischen Armee der Nationalen Befreiung, das nicht auf "69 point G" sendet, es aber gerne tun würde. Ja, das würden wir wirklich gerne . Es ist nur so, daß sie manchmal "ja" zu einem sagen, aber nicht sagen wann. Hier ist Mariachi Vargas' "El son de la Negra."

Sub Marcos