Auf politischem Weg weiterkommen


Vor dem Hintergrund der Errichtung vier autonomer Kulturzentren in Chiapas, den vier neuen Aguascalientes, verhinderte die indianische Bevölkerung in diesen Tagen mit spontanem Widerstand das Eindringen der Militärs in die autonomen Gemeinden. Mit großem Spektakel und kulturellen Darbietungen feierten die Zapatistas den zweiten Jahrestag des Aufstandes vom 1. Jänner 1994.  
In den ersten Jännertagen 1996 fand in San Cristóbal de las Casas das internationale Forum zu indianischen Rechten und Kultur statt. Selbst Subcomandante Marcos kam zu diesem Ereignis aus seinem Versteck in der Selva Lacandona, um die Eröffnungsrede zu halten und mitzudiskutieren. Nur wenige Tage zuvor einigten sich die zapatistischen Rebellen und die Regierung auf einen neuen Pakt zwischen den indianischen Völkern und dem Staat Mexiko. Die beschlossene Autonomie soll nicht nur für Chiapas gelten, sondern für alle indianischen Gebiete in Mexiko. Geplant ist auch ein neues Gesetz zur Agrarreform in Chiapas.
Sollten die bisher papiernen Beschlüssen tatsächlich in die Praxis umgesetzt werden, ist dies eine in Mittel- und Südamerika einmalige Föderation zwischen Staat und unabhängigen Gemeinden. Der Pferdefuß dürfte jedoch die Ausklammerung der Verfügungsgewalt über die Naturressourcen sein.


In den vergangenen Tagen haben wir das Verhalten der mexikanischen Regierung gegenüber der EZLN genau beobachten können. Die Bundesregierung hat ihre Truppen in der sogenannten Konfliktzone mobilisiert, und die EZLN reagiert darauf nicht etwa mit Waffengewalt, sondern mit Theatervorführungen, Musik, Poesie, Malerei, eben mit kulturellen Aktivitäten. Wollt ihr damit gegenüber der restlichen Welt demonstrieren, daß ihr eure Waffen nicht mehr anrührt?

Wir versuchen dies, soweit es geht, aber die Bundesarmee provoziert uns permanent, indem sie militärische Zusammenstöße geradezu herausfordert. Trotzdem werden wir unser Möglichstes tun, um auf politischem Weg voranzukommen und so die Konflikte zu lösen.

Heißt das, ihr werdet eure Waffen nicht niederlegen?

Keineswegs. Wir geben unsere Waffen nicht aus der Hand, solange unsere Forderungen von der Regierung nicht erfüllt werden. Zur Zeit sind wir in der Dialogphase, und wir sind bereit, den Dialog fortzusetzen. Aber wenn uns alle Möglichkeiten versperrt bleiben und uns die Regierung weiterhin provoziert, entsteht natürlich die Gefahr von erneuten Zusammenstößen.

Glaubt ihr, daß die mexikanische Regierung bereit ist, eure Forderungen auf friedlichem Weg zu erfüllen?

Bisher werden nur immer wieder Zusammenstöße provoziert. Um eine wirkliche Lösung der Konflikte geht es der Regierung nicht. Seit Beginn unseres Aufstands ist keine einzige unserer Forderungen erfüllt worden. Mit Repression, mit ihren Panzern und ihren Waffen droht uns die Regierung, das ist ihre Antwort.

Zwei Jahre sind verstrichen, seit sich die EZLN Waffengewalt gegen die mexikanische Regierung erhoben hat und ihre Forderungen nach Frieden, Gerechtigkeit, Demokratie und Freiheit formulierte. Haben diese Forderungen auch heute noch ihre Gültigkeit?

Wir werden unsere Forderungen nicht ändern. Wir werden weiterhin für Frieden, Gerechtigkeit, Freiheit und Demokratie kämpfen, bis wir unser Ziel erreicht haben. Währenddessen demonstriert uns die Regierung ihre Doppelzüngigkeit, ihre zwei Gesichter.

Wie lange wollt ihr auf dem Weg des Dialogs bleiben?

Von Anfang an haben wir uns verpflichtet, den Dialog zu führen, und wir müssen diese Verpflichtung erfüllen. Jetzt umso mehr, da die Zivilgesellschaft uns gebeten hat, auf politischem Weg voranzukommen, unser Wort zu halten, solange bis wir keine andere Möglichkeit mehr haben. Denn es gibt schließlich Momente, in denen wir uns verteidigen müssen. Gerade in den letzten Tagen sind wir dermaßen unter Druck gesetzt worden mit den Militärpatrouillen und Truppenbewegungen auf unserem Territorium, während wir hier unsere seit langem angekündigten kulturellen Veranstaltungen abhalten. Die Militärpräsenz ist extrem hoch, Tag und Nacht kreisen Militärflugzeuge über uns. Wir haben keine Angriffspläne. Diese Kulturveranstaltungen sind sogar ganz entscheidend auf unserem Weg zu einem gerechten und würdigen Frieden. Mit Provokation gegenüber der Regierung hat das nichts zu tun.

Im Ausland gibt es viele Menschen, die mit der EZLN sympathisieren. Welche Botschaft könnt ihr diesen Leuten übermitteln?

Wir können ihnen sagen, daß wir unseren Weg weitergehen werden, daß wir unser Wort halten werden bis zum Schluß. Wir sind mehr als bereit dazu, über unsere Forderungen weiter mit der Regierung zu reden. Aber wir sehen und hören auch die Regierenden, wie sie von Frieden, von Dialog reden, sich gleichzeitig aber immer intensiver damit beschäftigen, uns unter Druck zu setzen und zu provozieren. Währenddessen befinden wir uns ruhig und friedlich in unserem Territorium, auf unserem Land, in unseren Häusern und wollen auf politischem Weg weiterkommen.
Wir bereiten keine militärische Offensive vor, sondern bauen diesen Ort hier auf, einen Ort für kulturellen Veranstaltungen, bei denen wir unsere Erfahrungen und unsere Kultur mit all jenen teilen können, die zu uns hierher kommen, mit der mexikanischen Bevölkerung, mit der Zivilgesellschaft. Das haben wir vor.
Die Regierung glaubt, wir würden eine militärische Offensive vorbereiten, was natürlich nicht stimmt. Deswegen lehnen wir auch mit aller Schärfe diese massive militärische Präsenz ab, mit der sie uns einschüchtern, unter Druck setzen und provozieren wollen. Sie wollen, daß wir den Dialogprozeß abbrechen. Aber diesen Gefallen werden wir ihnen nicht tun. Wir sind bestens für diesen Dialog gerüstet.
Und noch etwas, was wir der nationalen und internationalen Zivilgesellschaft oder allen Solidarischen sagen können: Im Moment hätte es für uns keinen Nutzen, zu den Waffen zu greifen, dies ist nicht die richtige Zeit dafür. Wir wünschen uns, daß sich alle mit uns solidarisieren, unseren Kampf auf ihre Art und Weise unterstützen.
Im Namen des Geheimen Revolutionären Indigenen Komitees senden wir diesen Menschen einen Gruß aus den Bergen von Chiapas.