Sie verstehen nicht - und wir glauben ihnen nicht mehr


Momentan ist die aktuelle Situation in Chiapas von neuem sehr gespannt. Welche Faktoren haben hauptsächlich dazu beigetragen?

Das stimmt. Es begann am 29. August, als wir bekanntgaben, daß wir nicht am Dialog teilnehmen werden aufgrund der Consulta in unseren Unterstützungsdörfern mit Tausenden von Compañeros und Compañeras, die analysiert haben, daß es besser ist, wenn wir nicht zum Dialog nach San Andrés fahren, d.h. ihn suspendieren. Denn es haben jetzt schon zwei Verhandlungsrunden stattgefunden, und - um es deutlich zu sagen - es gibt keine Ergebnisse.
Zu Indigenen Rechten und Indigener Kultur gibt es bereits Vereinbarungen, unterschrieben, aber die werden einfach nicht erfüllt.
Also sagen unsere Compañeros aus den Dörfern, die Regierung behandelt uns wie in vorher, als ob wir eine pazifistische Organisation wären, als ob wir nicht bewaffnet wären. Wir denken schon, daß es besser ist, wenn es eine friedliche Lösung gibt, auch, wenn wir bewaffnet sind, deshalb sitzen wir in San Andrés am Verhandlungstisch.

Wir würden uns wünschen, daß es keine Toten gibt, keine Verluste von Menschenleben und kein Blutvergießen, um diesen Konflikt zu lösen. Aber ehrlich gesagt, man sieht, daß die Regierung diesen Willen nicht hat. Es ist sehr einfach, schau: Wir wollen nicht mehr hereinfallen wie in vorher, wo wir unterschrieben haben, und es folgten keine Taten. Was wir wollen ist, daß wir die Vereinbarungen realisiert sehen, d.h. das, was schon vereinbart und unterschrieben ist über indigenen Rechte und Kultur.
Und das ist, was die Regierung nicht will. Sie argumentiert mit vielen Vorwänden: Daß die EZLN nicht die Überprüfung der Vereinbarungen machen könne, weil sie das zu Propagandazwecken nutzen würde, denn dazu müßte sie ja die Selva verlassen, und wäre dann im Büro der Kommission zur Überprüfung anwesend.

Wir sagen: Wir wollen Taten sehen, daß unsere Repräsentanten in der Komission mit ihren eigenen Augen sehen, daß das geschieht, was in San Andrés vereinbart wurde. Das ist, was wir wollen.
Also, wenn sie nicht wollen, daß das Büro in Tuxtla ist oder in Mexiko-Stadt oder wo auch immer, dann sollen sie doch hierher kommen, und das Büro in einem der Aguascalientes einrichten, in La Realidad, in La Garrucha, in Oventic, wo auch immer. Wir werden das nicht für Propaganda nutzen. Die Regierung sieht also, daß wir, die Zapatistas, Veränderungen mit unseren eigenen Augen sehen wollen, denn wir glauben nicht mehr an das, was sie sagen.
Was sie jetzt z.B. gerade veröffentlicht haben: Daß sie viele Hilfsgüter verteilen, ja, das ist wahr, aber nur an die regierungsnahen Campesinos, die sie täuschen können und die von ihnen kontrolliert werden. Die verteilen sie, damit es Probleme der Campesinos untereinander gibt.
Und deshalb haben wir den Dialog suspendiert, damit die Regierung alles das, was schon vereinbart ist, einlöst. Und damit wir außerdem mit der folgenden Runde weitermachen können, die die interessanteste ist, wo ja bisher nichts herausgekommen ist, die über Demokratie und Gerechtigkeit. Das ist eine unserer Forderungen, für die wir kämpfen, und die Regierung hat dazu überhaupt nichts beigetragen.
Dieser Punkt ist natürlich schwierig, denn es ist das mexikanische Volk, das will, daß das Volk wirklich teilnimmt, mitredet, und das ist es, was die Regierung nicht will.

Die EZLN nennt 5 Bedingungen, die erfüllt sein müssen, damit der Dialog weitergehen kann:
1. Freilassung der 16 inhaftierten mutmaßlichen Zapatisten.
2. Eine Regierungsdelegation mit Willen und Kompetenz zur Verhandlung.
3. Einrichtung der "Kommission zur Überprüfung" der Vereinbarungen und Umsetzung der Ergebnisse der ersten Verhandlungsrunde.
4. Ernsthafte Vorschläge für die Verhandlungsrunde über "Demokratie und Gerechtigkeit".
5. Entwaffnung der paramilitärischen "Weißen Garden", die in Teilen von Chiapas operieren.

Welche Hoffnung habt Ihr, daß sich diese Bedingungen in nächster Zeit erfüllen?

Schau, die Regierung hat bis jetzt noch gar nichts vorgewiesen. Obwohl sie auf unser Comunicado geantwortet hat, daß die Bedingungen erfüllbar sind. Das sagen sie zum einen, damit das Volk ruhig bleibt und nicht protestiert. Zum anderen, damit die Investoren merken, daß es keine Probleme gibt, daß sich alles lösen wird, und damit sie sich nicht zurückziehen. Aber das ist keine Antwort für die EZLN, sondern für die Propaganda und die Investoren.
Wir haben manchmal das Gefühl, daß es deswegen nichts weitergeht, weil die Herren Bernal und deValle (die Sprecher der Regierungsdelegation) nicht in die Schule gegangen sind, in der wir sind, unsere Schule. Denn wir, obwohl wir auf keiner Universität waren, wissen sehr wohl, einander zu respektieren und unsere Fehler aufzuzeigen.
Und ich glaube, da Herr Bernal studiert hat - zuviel -, kann er nicht die Standpunkte anderer akzeptieren und nimmt an, daß die nicht sein Bildungsniveau haben. Und das ist das Problem. Er kann nicht respektieren.
Und noch dazu ist es eine Person, die nie etwas erlitten hat, die es nie mit ihrem eigenen Blut erlebt hat, mit ihrer eigenen Anstrengung und ihren eigenen Opfern, deshalb versteht er nicht. Ihm fehlt, daß er mal irgendwo hingeht, damit er mal merkt, wie das Leben hier ist. Das ist das Problem, deshalb geht es mit dem Dialog nicht vorwärts.

Ihr habt also keine große Hoffnung ...

Wir haben sowieso keine Hoffnung, daß sich die Sache mit dem Dialog löst, mit der Regierung. Unsere Hoffnung ist das Volk, die Basis, diese Männer und Frauen. Wir müssen uns organisieren, damit es nicht nötig ist, zu töten und zu sterben und unser Blut zu vergießen. Es ist notwendig, um von der Regierung zu fordern, daß sie wirklich wahr macht, wovon Präsident Zedillo soviel spricht und die Führer der politischen Parteien: das Wort Demokratie.
Wie ist das möglich, daß nur eine Gruppe von Vorsitzenden sich in Bucareli (Sitz der mex. Regierung) zum Diskutieren trifft? Warum? Wo hier die Millionen von Mexikanern sind? Die muß man fragen, um ihre Meinung bitten, wie ein demokratisches Mexiko sein soll, wie die Politik funktionieren soll, die Wirtschaft, die Ideologie in unserem Land, das sind die Leute.
Aber das machen sie nicht. Deshalb haben wir keine Hoffnung. Die Regierung wird immer versuchen, Fallen zu stellen, Hindernisse, damit sich unser Land nicht demokratisiert. Aber die Leute in unserem Land dürfen diesen Weg nicht verlieren, müssen ihn weiter verfolgen. Bis wir an einen Punkt kommen, an dem das Land wirklich als demokratisch verstanden werden kann. Wie hier, in vielen von unseren Dörfern. Sie sind die, die ihre Dorfvorsteher gewählt haben, ihre Kreisvorsitzenden und ihre Kreisräte.
Aber wirklich das Volk, nicht einige wenige, so wie die Regierung das macht. Also es ist so, daß wir keine Hoffnung haben. Die einzige Hoffnung, die wir haben ist, daß das Volk Forderungen stellt, sowohl national wie auch international.

Und wenn sich das nicht erfüllt? Wenn man die Situation der Dörfer ansieht, die einem nicht erklärten Krieg gleicht, die Angriffe der Weißen Garden, 2.000 Vertriebene im Norden und die Lebensbedingungen in extremer Armut - wie lange noch wird die EZLN dazu stillhalten?

Das Problem ist, daß es jetzt nicht mehr nur die EZLN ist, die das aushält, sondern, daß es jetzt das mexikanische Volk ist. Seit '94 haben wir gesagt, daß die Regierung verstehen muß, daß es nicht notwendig ist, sein Leben und sein Blut zu geben. Von beiden Seiten. Klar, die Regierung gibt nicht ihr Leben. Das ist das Problem, nicht? Deshalb verstehen sie nicht.
Aber sie töten sehr wohl. Sie töten Leben, von beiden Seiten - denn sie kaufen das Leben des Soldaten in der Bundesarmee, damit er hierher kommt, um zu töten, damit er ein anderes Leben tötet, das des Volkes. Wir haben gesagt, daß es nicht notwendig ist, dieses Leben zu geben, denn es ist sowieso die Pflicht der Regierung, gute Bildung zu schaffen, ein gutes Gesundheitswesen, gute Arbeit. Und das Land zu verteilen, nicht? Wieso enthält uns die Regierung das vor, und die Großgrundbesitzer? Wenn doch das Land dem gehört, der es bearbeitet, d.h. den Campesinos, den Indígenas.
Wir haben gesagt, diese Armut, diese Misere, diese Ungleichheit erleiden viele Campesinos, viele Indígenas in unserem Land. Und daß wir hier nicht die einzige bewaffnete Gruppe sind.
Warum? Weil die Ausbeutung jedes mal schlimmer wird, auch wenn die Regierung sagt, daß sich das schon beruhigt, daß die ökonomische Krise sich bessert. Das haben sie immer schon gesagt, bei jeder ökonomischen Krise. Und deswegen, zur Verteidigung der EPR muß man sagen, daß ihr Kampf korrekt ist, denn die Regierung löst nichts.
Aber wir sagen: Der Kampf an sich ist sowieso korrekt, damit sich all die Forderungen erfüllen, und auch das, was die EPR fordert, das ja. Aber was wir verstehen müssen ist, daß der bewaffnete Kampf nicht das einzige Mittel sein darf, um das zu lösen. Wir müssen alle Anstrengungen vereinen, und das ist es, was das mexikanische Volk jetzt verstanden hat, die Beisitzer beim Dialog, das ist es, worauf sie antworten. Also, daß es mit Waffen sein muß - das ist das, was die Regierung will. Das müssen wir abwägen. Wir müssen alle Anstrengungen ausschöpfen, um eine Lösung der Forderungen zu erreichen. Und wenn die Regierung sie nicht lösen will, gut, dann sollen sie uns halt angreifen. Und wenn sie uns angreifen, ... dann werden wir antworten.

Im Falle einer neuen Offensive der Bundesarmee, wie schätzt ihr die Möglichkeit ein, daß sich der Bürgerkrieg auf das ganze Land ausbreitet, sowohl von Seiten der Regierung als auch von anderen bewaffneten Gruppen?

Die anderen bewaffneten Gruppen würden wahrscheinlich auftauchen, wenn sie sehen, daß der Moment auch für sie gekommen ist, das hängt von ihrer Entwicklung ab, von der Vorbereitung, die sie haben. Wenn sie sehen, das jetzt ihr Moment ist, werden sie auftauchen.
Aber wir wenden uns immer an das Volk. Das Wort Opposition bedeutet, sich gegen das Schlechte stellen, in diesem Fall gegen die, die das System schlecht machen, die Staatspartei PRI. Wie muß man sich dem entgegenstellen? Im Falle eines Krieges, den die Regierung anfängt, müssen alle anderen unabhängigen Organisationen in der Lage sein, ihre Kämpfe zu vereinigen, in dem Falle ja. Und diese Einheit darf dann nicht mehr vereitelt werden. Denn die Geschichte unseres Landes zeigt, daß wenn es einen starken Schlag gibt, dann werden die Leute aufgerüttelt, wie das am 1. 1. '94 der Fall war. Damals haben die Leute einen starken Protest gegen Salinas organisiert und es war ihnen nicht wichtig, ob sie von der PRD sind, von der PRI, der PAN, der PT oder von welcher Organisation. Sondern sie haben sich vereint, um die Regierung zu zwingen- und uns auch. Beide Seiten wurden gezwungen, beide Armeen, die Zapatistische Armee und die mexikanische Bundesarmee, von wem?
Von der Zivilgesellschaft, wie wir sie nennen. Deswegen sitzen wir beim Dialog am Verhandlungstisch. Also wir sind sicher, wenn der Krieg ausbricht, wird das den Leuten nicht gefallen, so wie sie das jetzt schon sagen: Wir wollen keinen Krieg. Wir wollen, daß sich das auf dem friedlichen, auf dem politischen Weg löst. Das ist unsere Hoffnung.
Und wenn nicht, gut, dann die Hoffnung, die ich hier auf dem Rücken trage, eine "negra". (zeigt auf seine MP).

Wenn man die Spaltung innerhalb der Regierung in Betracht zieht und die wachsende Bedeutung der Armee, muß man einen Staatsstreich befürchten?

Das ist ein bißchen schwierig. Könnte sein. Aber wenn dem so ist, hieße das noch schneller und noch klarer eine allgemeine Repression.
Das bedeutet das mehr oder weniger. Wenn es einen Staatsstreich gibt, ist nichts mehr mit Dialog, nichts mehr mit Vereinbarungen, gar nichts.
Aber dann werden sich die Leute auch erheben, denn die Repression wird dann alle treffen. Wir sehen, daß das schlimm wäre.

Aber seht ihr es als wahrscheinlich an, daß es dazu kommt?

Unser Land ist schon voll von jeder Art von Argumenten. Ehrlich gesagt, haben wir keine Ahnung. Aber eigentlich paßt das nicht, weil in dem Moment alles komplett zerstört wird, was schon erreicht worden ist.

Die USA haben der Mexikanischen Regierung Hilfe im Kampf gegen die EPR angeboten. Für wie wahrscheinlich haltet ihr eine Intervention der USA, um mit den Zapatistas Schluß zu machen?

Also, dann ist ja für uns Mexikaner v.a. ganz klar, daß Zedillo mit der Armut nicht Schluß machen kann. Wenn er mit dem bewaffneten Volk wie der EPR nicht Schluß machen kann, und deshalb die USA um Hilfe bitten muß, dann haben wir es doch: Dann demonstriert er ganz klar die Abhängigkeit unseres Landes, und dann total, politisch, ökonomisch und militärisch. Deswegen müssen wir Mexikaner verstehen, daß wir uns jetzt organisieren müssen und uns unsere Unabhängigkeit nehmen.
Darum muß man wieder kämpfen, wie wir es schon vorher gesagt haben. Aber die mexikanische Regierung hat kein Recht dazu, falls sie das tun sollten. Sie haben da überhaupt kein Recht. Und die Nordamerikaner auch nicht. Auch wenn sie den Vorwand haben, daß die mexikanische Regierung sie bittet, es ist die mexikanische Regierung, die diese Forderungen lösen muß. Klar, Zedillo kann sie um Hilfe bitten. Aber das wäre ein ganz klares weiteres Signal der Unregierbarkeit des Landes.

Mexiko und die Europäische Gemeinschaft bereiten gerade ein Freihandelsabkommen vor. Was ist eure Meinung dazu und räumt ihr dem die gleiche Wichtigkeit ein wie dem NAFTA-Abkommen?

Wir wissen, daß mehr als die Hälfte des ganzen natürliche Reichtums in Mexiko in Händen der Nordamerikaner ist. Ich glaube, es ist das, was noch übrig ist, was dann die Europäer mitnehmen würden.
Auf alle Fälle, wie die  Musikgruppe "Los Nortenos" sagt: Es sind drei Jahrhunderte, daß sie Mexiko plündern. Trotzdem haben sie es nicht vernichten können. Also für das Wenige, was bleibt, würden dann die Europäer kommen, um es mitzunehmen. Wir sagen, die, die diesen natürlichen Reichtum verschenken, die sollen am Besten auch gleich gehen, d.h. die Reichen hier in Mexiko. Die sollen die Europäer auch gleich mitnehmen, damit hier niemand mehr bleibt, der weiter den natürlichen Reichtum unseres Landes verschenkt.
Es ist trotzdem möglich, daß die Situation in Mexiko noch viel schwieriger, noch viel bitterer wird. Aber es ist auch nicht zu spät, daß wirklich ein Wechsel begonnen wird. Diese beiden Seiten stehen im Moment miteinander in Konkurrenz, das Schwierige und das Gute. Man muß immer das Gute antreiben, denn das ist es, was in Mexiko gewollt wird.
Also zu dem Freihandelsvertrag kann ich den Europäern sagen, daß sie nicht glauben sollen, was Zedillo sagt. Es stimmt nicht, daß es hier ruhig ist. Heute z.B. hat die EPR wieder angegriffen. Und das benutzt die Regierung als Vorwand, um die Repression gegen das Volk zu entfesseln. Denn die EPR haben sie bisher nicht schnappen können. Auch wenn sie in ihrem Bericht sagen, daß es keinen Dritten treffen wird, die, die das ausführen, die Polizei, die Armee machen genau das. Denn das ist die einzige Möglichkeit, um an Informationen zu kommen, das Volk zu verhaften, das Volk zu foltern.
Also es stimmt nicht, daß hier in Ruhe ein Freihandelsabkommen mit der Europäischen Gemeinschaft gemacht werden kann.

Euer letztes Comunicado an die Zivilgesellschaft hatte einen ziemlich bitteren Ton. Seid ihr enttäuscht?

Ja, das haben wir so empfunden. Wir wollen die Liebe zum menschlichen Leben. Und das haben wir beim Interkontinentalen Treffen gezeigt, wir haben gesagt, organisieren wir uns, Brüder und Schwestern, kämpfen wir, auf friedlichem Weg. Helfen wir uns dabei.
Wir hatten darauf gewartet, welche Art von Protest, von Forderungen an den Feind gestellt werden würden, wo so viele andere arme Länder ebenfalls einen Feind haben, deswegen sind sie arm. Und wir haben keinen Protest gehört und keinen gesehen. Also bevor unsere Stimme verstummt, solange noch Zeit ist, müssen wir der Menschheit sagen, mal sehen ob ihr euch noch an uns erinnert. Und wenn nicht mehr, naja, die, die sich bestimmt noch an uns erinnern, sind die Soldaten der Bundesarmee. Die erinnern sich nicht nur, sondern dringen in das Gebiet vor, in dem wir uns befinden. Deswegen konnten wir in diesen Tagen nicht herauskommen. Aber wir sehen, daß es notwendig ist, unseren zivilen Compañeros draußen Bescheid zu sagen, unseren Brüdern und Schwestern, denen, die mit uns sympathisieren.
Und die haben schon angefangen, sich zu mobilisieren. Und außerdem ist es unsere Pflicht, zu sagen: Wenn die Regierung mit uns Schluß macht, dann soll sie mit uns Schluß machen, aber daß diese Compañeros nicht nachgeben, daß sie dann weitermachen müssen. Genauso hat Zapata nie aufgehört, zu sein. Physisch siehst du seine Person jetzt nicht mehr. Aber sein Ideal des Kampfes, das hat nicht aufgehört zu existieren. Deshalb sagen wir schon im Voraus: Wenn sie uns vernichten wollen, gut, aber der Kampf darf nicht aufhören.

Seht ihr das Interkontinentale Treffen als Erfolg an?

Ja. Denn wir sehen, daß die Welt genug vom Krieg hat. Und wer zu diesem Treffen aufgerufen hat, war eine bewaffnete Gruppe, die der Regierung und der Bundesarmee den Krieg erklärt hat. Und die doch zu einem Kampf aufruft, einem gesünderem, aber gerechten, der aber eine wirkliche Kraft braucht.
Obwohl die Regierung auch das unterdrückt, wie es ja sowieso ihre Art ist. Wenn sie sehen, daß das Volk ernst macht mit seinen Forderungen, kommt sie mit Drohungen, das ist ihre Tradition, eine Bewegung zu zerschlagen.
Wir merken sowieso, daß uns die Regierung nicht respektiert. Wir sehen, daß all die Leute aus den verschiedenen Ländern, die gekommen sind, sich vereinen wollen mit einem friedlichen Kampf, und daß sie wissen wollen, wie das Leben der Mexikaner ist. Und wir wollen auch wissen, wie es ihnen dort geht. Wir sehen das als großen Erfolg an, daß so viele Leute gekommen sind, und das es sie interessiert hat. Denn es ist ja nicht so, daß wir diesen Brüdern und Schwestern ihre Reise bezahlt haben. Was jetzt nötig ist, ist daß jetzt dort gearbeitet wird, in jedem Land, wo sie jetzt sind. Daß gearbeitet wird, studiert, analysiert: Was ist das, was wir wirklich tun müssen auf diesem Planeten Erde ...

... um ihn zu befreien?

Nein, sondern um Schluß zu machen mit diesem Übel, das die Welt krank macht: die Ausbeutung.
Dazu braucht es gründliche Überlegungen, eine gute Analyse, ein gründliches Studium, welche Art von Medikament wir anwenden müssen. Denn es ist ja eine Krankheit, mit der wir es zu tun haben. Und wir sehen da einen Erfolg, denn es wird dort gearbeitet. Und wenn nicht gearbeitet wird, dann erinnern wir sie daran. Deswegen haben wir es ihnen in diesem Comunicado gesagt: Daß sie nicht aufgeben, daß sie weitermachen, daß sie kämpfen. Wenn man ausgebeutet wird, muß man kämpfen.

Zurück zum Interkontinentalen Treffen. Die deutsche Delegation hat kritisiert, daß es zuviel Organisation von Seiten der EZLN gab, daß das System innerhalb der Arbeitsgruppen nicht gut funktioniert hat und daß ihr die Figur des Subcomandante sehr herausstellt. Was sind eure Gründe dafür?

Schau, die Figur des Sup. Was man verstehen muß, oder was wir erklären, ist folgendes: Ich arbeite mit den Compañeros der Komitees, bekomme also eine Menge an Information, wir treffen uns also alle, erklären, wie die Lage ist, und wir bitten dann den Subcomandante, daß er das schriftlich formuliert, was wir diskutiert und analysiert haben. Das ist ein Befehl.
Das ist halt deine Aufgabe, auch wenn du sagst, daß du das jetzt schon mehrere Male gemacht hast, aber den Kampf muß man, wenn nötig bis zum Sterben führen. So ist das. Wenn einer bereit ist, zu kämpfen, kann er das nicht ablehnen. Wir übergeben ihm das also, daß er das macht, und das muß er erfüllen.
Deswegen taucht er auf. Aber das heißt nicht, daß es nur er ist. Wir können dazu sagen: Wenn es nur er wäre, der sagt "Auf in den Krieg!", wenn die Truppe nicht einverstanden wäre, und die Dörfer, die uns unterstützen, wer würde in den Krieg ziehen? Er kann den Krieg ja nicht alleine machen. Und wenn er sagen würde " Auf zum Widerstand" , und das Volk, die Dörfer sind aber nicht mehr einverstanden mit dem Widerstand und wollen den Krieg, kann er den Widerstand auch nicht alleine machen.
Es ist also so, daß wir ihm befehlen, daß er dem Volk von Mexiko und der Welt sagt, wenn wir in den Krieg ziehen. Und dann wird das Volk ziehen, weil es seine Entscheidung ist. Und genauso wenn es heißt "Widerstand", weil es die Entscheidung des Volkes ist.
Also das Problem ist nicht seine Figur. Man muß sehen, was er repräsentiert. So ist das, z.B., wenn sie uns jetzt angreifen, sagen die Compañeros, werden wir antworten, diesmal ja. Wenn sie in die Berge vordringen in Garrucha, in Sultana, in Santa Helena, wenn sie mit den Compañeros zusammenstoßen, dann bricht es diesmal los.
Denn die Compañeros werden antworten, und es gibt Kommunikationsnetze, und diesmal wird die Bundesarmee dann anfangen, alles zu zerstören. Dann wird eintreten, was wir gesagt haben.

In diesem Falle einer neuen Offensive, was erwartet ihr von der internationalen Solidarität?

Was unsere Brüder und Schwestern, unsere Compañeros draußen verstehen sollten, ist, daß sie nicht abwarten sollen. Daß sie nicht den Fall abwarten, daß es eine neue Offensive gibt. Nein, jetzt ist ihr Moment. Wenn der Krieg erstmal ausgebrochen ist, was können sie schon machen? Sollen sie sich vielleicht vorbereiten, in's Flugzeug steigen und ihre Waffe mitbringen? Nein.
Es ist ab sofort nötig, etwas zu tun. Man muß Druck auf die Regierung ausüben. Man muß fordern, mit Anzeigen, mit Demos, mit Briefaktionen, indem Compañeros und Compañeras hierherkommen in die Campamentos, die die Situation überwachen, z.B. in Santa Helena, in Patihuitz, in Guadalupe Trinitaria.

Es ist also wichtig, daß Leute hierherkommen?

Klar, damit sie sehen, damit sie informieren gegen das, was das Militär sagt. Z.B. in diesem Fall, wo der General sagt, da passiert nichts, und wir sehen es doch, und diese Beobachter können das überprüfen, das haben wir auch der COCOPA gesagt.

Hinsichtlich der EPR habt ihr gesagt, daß sie nicht eure Rivalen oder Feinde sind, aber ihr habt auch sehr klar ausgedrückt, daß ihr nicht ihre Unterstützung wollt und daß ihr nicht zusammengehen werdet. Was sind die Gründe für diese Entscheidung?

Es ist so, daß wir eine Abmachung haben mit der mexikanischen Zivilgesellschaft, und jetzt nicht mehr nur mit der mexikanischen Zivilgesellschaft, sondern mit der Welt. Es gibt eine internationale Consulta, nicht? Mir scheint, ich erinnere mich, daß es eine internationale Consulta gibt.
Das ist die Arbeit, die wir machen müssen. Für diese Consulta muß man sich motivieren. Und die Unterstützung, die uns die EPR geben will, ist militärisch, sind Waffen. Das ist jetzt nicht unser Ding.

Aber ihr habt gesagt, ihr wollt die Unterstützung auch nicht für den Fall, daß es wieder Krieg gibt.

Ja, denn es ist so: Falls die mexikanische Regierung uns wieder in eine Kriegssituation bringt, bis zur Vernichtung, wie sie das wollen, dann sollen sie es tun, es ist sowieso ihr Plan. Aber nicht, daß sie sagen, wegen der Unterstützung durch die EPR. Denn was für eine Unterstützung soll das denn sein? Sie kämpfen und wir auch.
Aber wir unterstützen das mexikanische Volk, wen sonst? Deswegen sagen wir: Wenn uns das Mexikanische Volk und die Welt etwas sagen, wenn sie etwas von uns fordern, werden wir gehorchen, wie '94 und '95, wo wir nicht angegriffen haben, obwohl wir das jetzt vielleicht gerne tun würden. Aber wenn das Volk sagt, es muß verhandelt werden, dann werden wir verhandeln.
Der Kampf ist sowieso lang und schwierig. Die EPR will nicht verhandeln. Also, wenn wir ihre Unterstützung annehmen, fällt das auch auf uns zurück. Also müßten wir ihnen sagen, daß sie aufhören sollen, und wozu sollen wir uns streiten? Besser von vornherein: Sie sollen es machen, sie sollen kämpfen, wie sie denken, und wir werden auch kämpfen, wie wir denken - mit dem Volk. Damit stellt sich heraus, daß unser Kampf verschieden ist.

Die Situation die sich jetzt stellt, ist, daß die EPR offensichtlich in Chiapas präsent ist, in zapatistischen Gebieten. Was bedeutet das für die Situation im Bundesstaat und für euch?

Das haben wir schon der EPR gesagt, ihren Kämpfern und ihren Befehlshabern, daß die Mexikaner und die Welt gemerkt haben, daß hier die Zapatistische Armee der Nationalen Befreiung existiert. Wir haben die Armee umzingelt, und die Armee hat uns auch umzingelt, beide sind wir hier. Sie wissen, wo wir sind, nicht wie bei der EPR, von denen sie nicht wissen, wo sie sind. Deshalb haben wir ihnen gesagt, ihren Befehlshabern und ihren Kämpfern, daß es keinen Sinn macht, daß sie hier ihre Präsenz zeigen, noch dazu, wo sie vorher gesagt haben, daß sie nichts in Chiapas unternehmen werden, weil sie nicht in den Dialog eingreifen wollen. Also, wozu haben sie das gemacht? Wir dürfen nicht zu engstirnig sein, aber wir müssen klar sein, und die Wahrheit sagen. Wenn ich sage, das ich das nicht will, dann, weil ich daß nicht will. Und wenn ich sage, daß ich gehe, dann werde ich gehen.
Aber sie sagen das und kommen dann hierher - das war nicht richtig, und das war es nicht wert. Und das haben wir ihnen gesagt, ihr habt euch gezeigt, und habt nicht einmal angegriffen. Und jetzt, nachdem ihr euch gezeigt habt, seid ihr verschwunden, aber die Regierung, die Armee benutzt das jetzt als Vorwand, um gegen uns vorzugehen.
Das haben wir der EPR gesagt, und nachdem, was sie uns öffentlich geantwortet haben, werden sie hier ihre Aktionen einstellen.

Vor kurzem hat die EPR aber nochmals bewaffnete Aktionen zur Selbstverteidigung in Chiapas nicht ausgeschlossen. Ist das nicht für die EZLN sehr heikel, bewaffnete Zusammenstöße in Chiapas?

Deswegen sagen wir das im Vornherein: Es passiert, daß man in einem Krieg einen Fehler macht, aber, wenn man das merkt, darf man ihn nicht noch einmal machen. Ihr Feind ist ja auch unser Feind. Und das andere, wo wir uns von ihnen unterscheiden, ist, daß sie sagen, sie kämpfen für die Macht, und wir nicht. Wir wollen, daß das Volk die Macht ausübt. Und sie nicht, sie sagen, daß sie die Macht übernehmen wollen, sie entwerfen ihr Bild, und wir nicht.

Damit sind wir gleich bei der nächsten Frage: Die EPR sagt, daß sie die Macht will und bezieht sich auf den "langen Volkskrieg". Ihr habt gesagt, daß euer Vorschlag radikaler ist. Könnt ihr etwas sagen über eure Vision für ein befreites Mexiko, und wie der Aufbau dieses "neuen Vaterlandes" aussehen soll?

Schau. Wir haben schon seit längerem gesagt, daß wir keine Führer sein wollen, ich will mich nicht in das Haus des Präsidenten der Republik setzen, damit ich dann sage, wir machen jetzt dies, das ist, was wir tun müssen, macht jenes, kommt her, damit ihr das und das tut - das wollen wir nicht.
Das ist das System, das sie uns viele Jahre gezeigt haben. Wir wollen, daß das Volk wirklich mitdenkt, mitarbeitet, analysiert, denn dazu dient es doch, daß wir lesen und schreiben können. Sagen wir, daß wir wirklich fühlen, was wir wollen. Also, wenn du mich fragst, wie das sein soll, wie die Macht ausgeübt werden soll, wenn man erst auf dem Präsidentenstuhl sitzt... also deshalb wollen wir eine neue politische Kraft schaffen, die Zapatistische Front der Nationalen Befreiung, wo die Leute reden, diskutieren, ihr Bild entwerfen, ihre Meinung sagen, kritisieren über ihr reales Leben, daß sie tagtäglich leben.
Aber das soll uns nicht eine Gruppe sagen. Deshalb sagen wir es noch mal: Was machen wir mit dieser Krankheit, die die Welt beherrscht? Das müssen wir uns fragen, wir, die Arbeiter, die Lehrer, die Studenten, die Bauern, die Bettler, die Straßenkehrer, alle muß man fragen: Was? Und wenn wir uns das fragen, das heißt, wenn du sagst, man muß die Arbeit niederlegen, und das heißt, sie sollen die Arbeit niederlegen. Aber jemand wird dir sagen, nein, ich kann meine Arbeit nicht niederlegen, denn sonst entlassen sie mich, und was soll ich dann essen, wo soll ich leben? Das ist das Problem, nicht? Also, wenn es darauf keine Antwort von unserer Seite gibt, was werden wir dann machen? Das heißt also, wir müssen alle teilnehmen. Wenn wir das nicht wissen, das Volk weiß es.
Aus den Tausenden oder Millionen von Meinungen, daraus müssen die Überlegungen entstehen: Was ist die Idee, was wir tun müssen? Deswegen ist das interessant. Und wer hat das jemals gemacht? Wenn du anfängst, in den Geschichtsbüchern zu suchen, wirst du das niemals finden. Das wirst du nicht finden, du wirst die Bücher zu Ende lesen über die vergangene Geschichte und wirst es niemals finden. Deswegen sagen wir, das es so radikal ist, so unbeugsam und kraftvoll, weil es das bisher nicht gibt.

Die EPR bezieht sich im allgemeinen ziemlich respektvoll auf die EZLN, sagt man. Ihre einzige Kritik war, daß die Poesie nicht die Fortführung der Politik sein könne. Was antwortet ihr darauf, und warum ist euch die Poesie wichtig und eure Sprache als Zapatistas? Denn die unterscheidet sich ja sehr von der Sprache der EPR.

Das haben wir ihnen ja in jenem Comunicado gesagt, und sie haben uns geantwortet, daß das so nicht gemeint war, daß sie nicht das haben sagen wollen, also sie haben das akzeptiert und damit ist das vergessen. Also ist gut, wenn sie das jetzt verstanden haben. Genau, wie wir uns nicht in ihre Angelegenheiten einmischen. Aber diese Sprache ist unsere Art, unsere Weise als Zapatistas, manchmal sind wir am Tanzen und kurze Zeit später hagelt es Kugeln, falls notwendig. Denn wir wissen auch, daß es eine Art ist, dich auszudrücken, mit deinen Gefühlen, mit deinen Gedanken, mit deinem Kampf. So sind wir. Aber wir sehen, daß die von der EPR das schon akzeptiert haben, und daß es nicht ihre Absicht war.

Kehren wir zur aktuellen Situation zurück. In welche Richtung weisen die jüngsten Signale, die von der Regierung kommen?

Worauf wir abzielen, ist der nationale Dialog. Das ist das, was jetzt nötig ist. Deshalb erscheint uns die Idee gut, die von den sozialen Bewegungen draußen kommt, daß es einen nationalen Dialog geben muß. Daraus würden gute Gedanken entstehen, was wir angesichts der Situation in unserem Land tun müssen. Und wenn die Regierung uns deswegen vernichten will, ich sage nicht, daß sie das nicht können, das können sie machen, aber dann zeigen sie ihren Plan. Aber das ist, was wir sehen. Und wenn es notwendig ist, daß wir deswegen die Dörfer verlassen , dann werden wir sie verlassen müssen.

Sind die Dörfer jetzt zur Zeit schon darauf vorbereitet, um wieder in die Berge zu gehen?

Die Compañeros, ja. Die Dörfer, die uns unterstützen, sind zur Zeit in ihren Dörfern und die Kämpfer in den Bergen. Aber wir kennen das Risiko, denn die Bundesarmee greift die Zivilbevölkerung an. Das ist das Traurige. Die wissen ja nicht, wie man Krieg führt. Und wenn sie das wirklich wissen, dann sollen sie den Feind suchen, d.h. den bewaffneten, die Bewaffneten. Aber wir sind sowieso schon in den Bergen, und warten, falls sie uns angreifen wollen.

Und wie ist die Lage in den Dörfern hinsichtlich der Versorgung mit Lebensmitteln? Das hat ja in einer solchen Situation auch eine gewisse Bedeutung.

Ja, klar, aber das Problem sind jetzt mehr die Medikamente. Die Compañeros in dieser Zone ernten jetzt schon Mais, aber es gibt keine Medizin. Wie ich schon sagte, die Regierung verteilt, aber an die Organisationen, die sie kontrolliert, und nicht an das ganze Volk. Und da sie wissen, welches die zapatistischen Dörfer sind, geben sie denen natürlich nichts.