Worte der Compañera Hortencia im Namen des CCRI-CG der EZLN 19. Oktober 2017, Oventik
Brüder und Schwestern, Marichuy – wie wir liebevoll sagen – ist unsere Sprecherin, unsere Vocera, die gemeinsam mit allen
Rätinnen und Räten des Indigenen Regierungsrats das gesamte mexikanische Gebiet durchlaufen
wird, um die am Stärksten vergessenen, marginalisierten, verachteten Pueblos (3) unseres Landes zu Unsere Vocera wird von hier aus die Stimme der Pueblos originarios tragen – die Stimme der Pueblos, die kämpfen, die Widerstand leisten, die gegen die vom kapitalistischen System – repräsentiert durch die schlechten Regierungen – verursachten Übel rebellieren. Als Pueblos originarios sind wir die am meisten Vergessenen, Marginalisierten, Verachteten; als Pueblos originarios erhalten wir keinerlei Respekt. Während mehr als fünf Jahrhunderten erlitten wir die grausamste Ausbeutung, die Plünderung unserer Reichtümer, den Raub unseres Land und unserer Gebiete, die Zerstörung unserer Sprachen und Kulturen, lediglich weil wir Originarios (6) dieser Länder und von der Farbe der Erde sind, die wir sind. Wir haben keinerlei Wert, haben weder Recht auf Gesundheitsversorgung noch bessere Bildung; wir sind für die großen Kapitalisten und schlechten Regierungen nur ein Störfaktor. Wenn wir Pueblos, tribus, naciones originarios (7) unsere Rechte und Gerechtigkeit fordern, werden wir unterdrückt, verhaftet,verfolgt, verschwunden gemacht, gefoltert und ermordet. So lebt man in unseren Bundesstaaten und in unserem gesamten Land Mexiko – und in allen Winkeln der Welt. Wenn wir uns organisieren, um uns sichtbar zu machen, um uns hörbar zu machen – damit alle
wissen, wir existieren – wenn wir Widerstand leisten, rebellieren, wir leben, dann fangen sie mit
ihren Beleidigungen, ihren Lügen an: Wir könnten nicht denken, nicht organisieren; wir würden
manipuliert. Wir dienten den politischen Interessen der Vende-patrias (8) und bildeten einen Sie wollen uns unter Druck setzen, damit wir den Chef, den Herrn, den Patron, den
Großgrundbesitzer wechseln.
Wir wissen, auf gleiche Weise leben und leiden unsere Hermanos und Hermanas indígenas in vielen
Ländern unseres Kontinents Amerika und in der ganzen Welt. Um nur einige zu nennen: Wir Wir grüßen hier im Besonderen den Hermano pueblo (11) Mapuche, der Widerstand leistet im
letzten Winkel der Welt. Dem Pueblo Mapuche und denjenigen, die sie in ihrem Widerstand
begleiten, wie Santiago Maldonado, schicken wir eine große Umarmung, die den gesamten
Kontinent Amerika ausfüllen möge – bis sie ihn, Santiago Maldonado, gefunden haben (12). Heute, morgen, für immer gilt: Ein Pueblo originario zu sein – aus welchem Teil der Welt auch
immer – bedeutet nicht mehr Beschämung, sondern stolz zu sein. Es bedeutet nicht mehr, eine
Erzählung, ein Mythos zu sein, sondern eine Wirklichkeit. Denn es sind wir, die Pueblos
originarios, die unsere Madre tierra (13) und die gesamte Natur bewahren und verteidigen werden. Darum sagen wir... Heute ist die Stunde der Pueblos originarios. Es ist die Stunde der Frauen, der Marginalisierten, der
Verachteten, der Vergessenen. Es ist die Stunde all der Armen und Ausgebeuteten Mexikos,
Amerikas und der Welt. Es ist die Stunde, dieses kriminelle und mörderische kapitalistische
Gesellschaftssystem zu ändern. Es ist die Stunde, dass wir – alle Armen auf dem Land und in der Von heute an werden unsere Pueblos wissen, sich selbst zu regieren und ihr eigenes Schicksal zu bestimmen – so wie wir zapatistischen Frauen und Männer es demonstrieren, indem wir seit mehr als zwanzig Jahren unsere Autonomie aufbauen. Denn wir, Frauen und Männer, wollen nicht den Herrn, den Patron, den Befehlsgeber wechseln. Wir
wollen keinen Herrn, keinen Patron, keinen Befehlsgeber – weder Ladino, Meztizo noch Indígena. Was wir wollen ist Freiheit, unsere Freiheit, DIE FREIHEIT. Wir wissen gut, keiner wird sie uns schenken. Wir wissen gut, wir müssen Tag für Tag kämpfen, jede Stunde und überall, um unsere Freiheit zu erlangen. Doch damit hört es nicht auf: Wir müssen kämpfen, dass niemand uns diese Freiheit dann entreißt. Wir bitten unsere Vocera und den Indigenen Regierungsrat respektvoll, dass sie losgehen, um den
Stimmen der Pueblos originarios und all der armen gesellschaftlichen Sektoren Mexikos zuzuhören,
um von den Kämpfen, dem Widerstand und der Rebellion der vielen Hermanos im ganzen Land Wir bitten, dass sie die Wahrheit klar aussprechen: Niemand wird uns etwas schenken. Wir müssen kämpfen, um das zu erhalten, was wir wollen, verdienen und brauchen. Dies müssen wir organisiert erreichen. Wir, Pueblos zapatistas, sind mit der Vocera und dem Indigenen Regierungsrat und mit dem
Congreso Nacional Indígena. Sie, Männer und Frauen, werden den Auftrag erfüllen, das Land zu
durchlaufen – um die Wahrheit zu sagen und zu hören – und auch um Euch zum Kämpfen Unsere Vocera wird davon sprechen, dass es möglich und notwendig ist, ein anderes Mexiko zu schaffen, wo unter den Prinzipien des Gehorchend Regierens regiert werden kann, wo die Leute befehlen und die Regierung gehorcht. Hermanos, Hermanas auf dem Land und in der Stadt, wir laden Euch ein, der Vocera zuzuhören,
damit Ihr die Wahrheit hört. Die Wahrheit ist, es gibt gegenwärtig keine Regierung, die unser Land
regiert. Diejenigen, die sagen, sie seien die Gouverneure und der Präsident, sind nichts anderes als Denn wir wissen, die Pläne der schlechten Regierungen und verfluchten neoliberalen Kapitalisten bedeuten Tod, Zerstörung, Vernichtung derer, die rebellieren. Wir wissen, mit ihren Waffen sind sie ausgerüstet, um der gesamten Menschheit ein Ende zu bereiten. Wir müssen jedoch keine Angst haben. Sie, die befehlen und sich der Reichtümer unseres Landes
bemächtigen, sind wenige. Die Arbeitenden, die armen Schichten der Gesellschaft – gleich welcher
Beschäftigung sie nachgehen – leiden. Jedoch sind wir viele Millionen. Und darum: Wenn wir Wenn wir jedoch nichts tun, werden unsere Kinder, unsere Enkel – alle Generationen, die nach uns kommen – schlechter leben als wir; und unser Land wird keine Zukunft haben. Darum dürfen wir nicht zulassen, dass unsere Gebiete und unser Land zum Besitz der großen
transnationalen Unternehmen und neoliberalen Mächtigen werden, die lediglich unsere
Naturschätze ausplündern und zerstören. Wir dürfen nicht zulassen, dass sie uns manipulieren,
betrügen und unsere Pueblos umbringen. Es ist die Stunde, um zu sagen: BASTA; ES REICHT – Es ist die Stunde, anzufangen eine neue Gesellschaft zu schaffen, eine neue Welt, in der wir menschliche Wesen in Freiheit und Gerechtigkeit und nicht mehr im Elend leben und an heilbaren Krankheiten sterben müssen. Wo wir uns als Hermanos gleich und respektvoll behandeln, in Verbindung und Gleichklang mit der Madre naturaleza (15). Mexiko muss ein inkludierendes Land sein, in dem Raza (16), Hautfarbe, Sprache, Kultur, Religion keine Rolle spielen. Wir haben darum keinen anderen Weg, nur den, uns zu entscheiden, uns zusammenzutun und
gemeinsam zu kämpfen – organisiert. Wir können nicht darauf warten, dass uns irgendjemand aus
diesem Unglück rettet. Die Teilnahme von allen ist dafür notwendig: Männer, Frauen, Jugendliche – -*- Wir möchten jetzt im Besonderen einige Worte an die Frauen auf dem Land und in der Stadt, in ganz Mexiko und der ganzen Welt, richten. Compañeras und Hermanas! Wie wir wissen, werden wir Frauen auf dem Land und in der Stadt – wir alle – am wenigsten
wahrgenommen, beachtet. Das Einzige, was man tagtäglich erfährt, ist, es gibt viele vergewaltigte,
verschwunden gemachte und ermordete Frauen überall in unserem Land. Wir wissen auch, viele Frauen werden misshandelt und gedemütigt – zu Hause, in der gesamten
Gesellschaft. Es gibt Männer, die ihre Ehefrauen schlagen, demütigen, misshandeln, psychisch wie
physisch. Wenn eine Frau aus irgendeinem Grund vor einem Richter erscheinen muss, wird ihr Wort Weil sie Frau ist, weil sie arm ist, kann die Frau sich nicht ausdrücken, nicht die Stimme vor dem
Patron, dem Ehemann, der Gesellschaft erheben. Es gibt Frauen, die aus Not als Prostituierte arbeiten müssen. All dies nehmen wir hin – weil wir
arm sind, weil uns nicht anderes übrigbleibt, um mit der Familie überleben zu können. Wir Frauen auf dem Land und in der Stadt werden durch die Programme und Projekte der
schlechten Regierung betrogen. Sie machen uns glauben, diese wären zu unseren Gunsten, jedoch in
Wirklichkeit sind sie ein Betrug. Sie profitieren von der Situation der Armut, in der wir uns
befinden. Das ist die Realität, die wir Frauen auf dem Land und in der Stadt erfahren. Es ist eine Situation, die traurig und wütend macht; denn verantwortlich für all das ist das Scheiß-System, das neoliberale kapitalistische System, das uns ein Leben in Ungleichheit und Ungerechtigkeit verschafft. Unsere Würde als Frauen, die wir sind, wird nicht respektiert. Das ist jedoch nicht, was wir wollen, und was wir verdienen. Wir als Frauen wollen respektiert werden, einen würdigen Platz innerhalb der Gesellschaft einnehmen, die gleichen Rechte wie die Männer haben und als Frauen und als menschliche Wesen unsere Freiheit erhalten. Darum – Compañeras und Hermanas in Mexiko und der Welt – wir können so, wie es war und
gegenwärtig ist, nicht weitermachen. Es ist nicht der Moment, sich zu demütigen, zu verneigen, still
und schweigsam zu sein, sich dem Mann gegenüber unterlegen zu fühlen. Es ist nicht mehr die Zeit,
um zuzulassen, dass der Kapitalismus uns weiter ausbeutet, manipuliert, betrügt. Die Stunde ist
gekommen, unsere Herzen mit Kraft und Mut zu füllen. Es ist die Stunde, den Blick und unsere
Stimme zu erheben und zu schreien: YA BASTA. ES REICHT. Dazu ist die Teilnahme der Frauen auf dem Land und in
der Stadt notwendig. Alter, Hautfarbe, Sprache, Organisations- und Religionszugehörigkeit spielen Es ist die Stunde gekommen, niemanden um Erlaubnis bitten zu müssen, um frei zu sein. Wir müssen uns stolz fühlen, Frauen zu sein, Mütter zu sein, Ehefrauen zu sein, junge Frauen zu sein, Mädchen zu sein, alte Frauen zu sein – das zu sein, was jede ist. Denn fürs Kämpfen hat das, was wir auch immer sein mögen, keinerlei Bedeutung. Das Wichtige ist, wir wollen die Situation des Landes und der Welt, die voller Ungerechtigkeiten steckt, verändern. Und eine andere Welt – gerechter, menschlicher – schaffen. Dazu jedoch ist es notwendig, dass wir Frauen – Jugendliche, Mädchen, Alte – aktiv an diesem Kampf teilnehmen. Wir müssen froh sein, weil wir der Welt jetzt zeigen werden: Auch wir Frauen wissen und können unsere Pueblos regieren. Unsere Vocera bedeutet einen Schritt, den wir jetzt machen: Sie wird alle Bundesstaaten unseres Landes durchlaufen. Hoffentlich werden sie und die Rätinnen eingeladen und bleiben bei guter Gesundheit. Nun, möglicherweise kommt sie ja bis in andere Länder, um mit ihrem Herzen – das wir alle sind – zu sprechen. Unser Vocera wird nicht betrügen, keine Lügen in die Welt setzen, keinerlei Versprechen machen,
keine Geschenke verteilen, keine Geld- oder andere Almosen ausgeben, nur damit wir sie wählen
sollen und sie derart auf den Präsidentschaftsstuhl gelangt. Unsere Sprecherin ist eine Frau. Eine Frau, die das Herz hat, unsere Pueblos zu repräsentieren. Es ist das erste Mal in der Geschichte Mexikos, dass eine indigene Frau sagen wird: Wir haben die Fähigkeit, ein Land zu regieren. Und wenn sie sagt: Ja, es ist möglich – so sagen auch wir alle es mit ihr zusammen. Ja, wir wissen, es gibt, gab Frauen, die nach der Präsidentschaftskandidatur streben, gestrebt haben. Diese Frauen von oben sprechen, denken, sehen, hören zu wie machistische Männer. Es fehlt ihnen
lediglich das Toupé, um wie Peña Nieto oder wie dieser scheiß Trump zu sein. Es fehlt, sich den
Kopf zu scheren, um den Glatzkof (17) zu geben, sich zu parfümieren wie ein PRI-Mitglied, sich
Brillantine ins Haar zu schmieren, um wie all die kleinen Machos zu scheinen. Jetzt wird die Welt es erfahren: Wir Frauen von unten und von links –
und alle Armen – wissen zu denken, uns zu denken, uns selbst zu regieren und unser eigenes
Geschick als Pueblos zu lenken. Für uns zapatistische Frauen und Männer und für viele andere Pueblos zählt das Wort, der Blick, das Gehör des Indigenen Regierungsrats und seiner Sprecherin María de Jesús Patricio Martínez – denn sie und die Frauen und Männer suchen nicht diese Aufgabe, diesen Cargo (18). Was sie suchen, ist, die Leute von unten aufzurufen, sich zu organisieren. Es hat somit keinerlei Bedeutung, ob sie die Kandidatur oder die Wahlen gewinnt oder nicht
gewinnt – denn die Reichen und die schlechten Regierungen sind es ja gewohnt, Fallen zu stellen,
Betrug zu begehen, Stimmen zu kaufen, um an die Macht zu kommen. Darum: Wichtig ist, dass wir alle – Frauen und Männer – uns organisieren. Jede, jeder nach ihrer,
seiner Art und Weise, ihrer, seiner Zeit, ihrem, seinem Ort, an dem sie, er lebt, arbeitet, kämpft,
widersteht. Es ist die Stunde, dass wir Frauen die Welt zum Erbeben und die Mauern zum Einsturz bringen, die Ketten des Unrechts, die uns Jahrhunderte lang fesselten, sprengen. Folgen wir dem Beispiel vieler Compañeras und Hermanas, die kämpften und ihr Leben gaben für
unsere Freiheit. Wir müssen unseren Kampf auch mit jenen der anderen (19) vereinen. Diese führen ihre eigenen
Kämpfe, und die Politik von oben schenkt ihnen keinerlei Beachtung. Als ob die_der Anderen eine
Erlaubnis bräuchten, um zu existieren, um zu sein, um zu kämpfen. Denn die Politik von oben
beschämt es, dass wir Frauen sind – von der Farbe der Erde, von der wir sind. Es beschämen sie
Homosexuelle, Lesben, Transgender – und alles Differente. Aber gut: Wir sehen uns: wir respektieren uns; wir wissen und erkennen uns. Fehlt nur, dass wir uns
zusammentun, um diese Scheinheiligen von dort oben zur Hölle zu schicken. Compañeras Hermanas! Als Frauen, die wir sind, müssen wir unsere Freiheit in die eigenen Hände nehmen. Denn wenn wir
es nicht machen, niemand wird kommen, um uns zu befreien. Unsere Söhne und Töchter werden
dann schlechter leben als wir, werden vergewaltigt, gedemütigt, versklavt werden in ihrem eigenen Zum Abschluss möchten wir dem Indigenen Regierungsrat und seiner Vocera sagen, dass sie sich
stolz fühlen dürfen, dieses Land zu durchlaufen. Habt den Mut, die Wahrheit zu sagen und Bescheid
zu geben, dass der Sturm sich bereits über uns befindet. Wir Frauen sind sicher, es wird Herzen und Es darf außerdem keine Spaltung und keine Konkurrenz zwischen Euch geschaffen werden; und Ihr
müsst die Prinzipien des Gehorchend Regierens erfüllen. Alldem muss widerstanden werden. Wir müssen unsere Fähigkeit demonstrieren: Eine Frau kann kämpfen, kann regieren, weiß im Kollektiv, das Schicksal seines Pueblos zu lenken. Es ist die Stunde gekommen, dass die würdigen Frauen im Widerstand und in der Rebellion Mexiko
und der Welt klar sagen: Die Frauen, die kämpfen und sich organisieren – verkaufen sich nicht,
geben nicht auf und lassen nicht nach. Nie mehr ein Mexiko geführt vom kapitalistischen System! Für das CCRI-CG der EZLN
(1) "pueblos y municipios": hier: "Gemeinden/Dörfer und Bezirke/Landkreise" |