Chiapas: Die dreizehnte Stele



Teil Eins:
Caracol - Eine Muschel

Dämmerung in den Bergen des mexikanischen Südostens.
Sachte, mit einer langsamen aber stetigen Bewegung, läßt die Mondfrau das dunkle Tuch der Nacht von ihrem Körper gleiten und enthüllt endlich die erotische Nacktheit ihres Lichtes. Dann lehnt sie sich am Himmel zurück, im Verlangen zu sehen und gesehen zu werden, das heißt, zu berühren und berührt zu werden. Licht skizziert das Entgegengesetzte, und so, tief unten, reicht ein Schatten der Wolke seine Hand und murmelt:
"Komm mit mir, sieh mit deinem Herzen, was meine Augen dir zeigen, gehe mit meinen Schritten und träume in meinen Armen! Über uns bilden die Sterne eine Muschelschale, mit dem Mond als Ursprung und Schicksal. Sieh und höre! Dies ist ein würdiges und rebellisches Land. Die Männer und Frauen, die auf ihm leben, sind wie viele Männer und Frauen auf der ganzen Welt. Laß uns gehen, um sie zu sehen und ihnen zuzuhören, jetzt, während die Zeit zwischen Nacht und Tag schwebt, und die Dämmerung Königin und Herrin dieses Landes ist!

Gib auf die Pfützen und den Schlamm acht! Es ist besser, den Spuren zu folgen, die wie in so vielen Dingen am meisten wissen. Hörst du das Lachen? Es kommt von einem Paar, das das uralte Ritual der Liebe wiederholt. Er murmelt etwas und sie lacht, sie lacht, als ob sie singen würde. Dann Schweigen, dann Seufzen und leises Stöhnen. Oder vielleicht andersrum, zuerst Seufzen und Stöhnen und danach Murmeln und Lachen. Aber gehen wir weiter, denn Liebe braucht keine anderen Zeugen als Blicke, die zu Fleisch werden, und da trotz der Stunde Sonnenlicht herrscht, entkleidet sie auch die Schatten.

Komm! Setzen wir uns ein wenig hin und lass mich dir einiges erzählen! Wir befinden uns auf Rebellenland. Hier leben und kämpfen jene, die man "Zapatisten" nennt. Und diese Zapatisten sind sehr anders, und sie bringen mehr als nur einen zur Verzweiflung. Anstatt ihre Geschichte mit Hinrichtungen, Tod und Zerstörung zu weben, beharren sie auf dem Leben. Und die Avantgarden der Welt raufen sich die Haare, denn was das "Sieg oder Tod" angeht, verschwinden und sterben die Zapatisten nicht, aber sie ergeben sich auch nicht, und sie verachten Martyrium genauso wie die Kapitulation. Sehr anders, das stimmt. Und dann gibt's da noch den einen, den man als ihren Anführer bezeichnet, so einen Sup Marcos, dessen öffentliches Bild mehr an Cantinflas und Pedro Infante erinnert als an Emiliano Zapata und Ché Guevara. Und es ist Zeitverschwendung zu sagen, daß niemand sie ernst nimmt, denn sie sind die ersten, die über ihr Anderssein Witze reißen.

Sie sind rebellische Indígenas. Damit brechen sie das traditionelle Vorurteil, zuerst von Europa, und dann all derer, die in der Farbe des Geldes gekleidet sind, die ihnen aufgezwungen wurde, um zu sehen und gesehen zu werden.

Und so fügen sie sich nicht dem "diabolischen" Bild derer, die Menschen opferten, um die Götter zu besänftigen, auch nicht dem Bild des bedürftigen Indígenas, der mit ausgestreckter Hand auf die Brosamen und die Almosen desjenigen wartet, der alles hat. Nicht dem Bild des edlen Wilden, der von der Modernität pervertiert wird, oder dem des Kleinkindes, das die Älteren mit seinem Kauderwelsch unterhält. Nicht dem Bild des unterwürfigen Peon aller Haciendas, der die Geschichte Mexikos durchzieht. Auch nicht dem Bild des talentierten Handwerkers, dessen Erzeugnisse die Wände derer schmücken, die ihn verachten, oder dem Bild des ungebildeten Narren, der über das, was über den begrenzten Horizont seiner Geographie hinausgeht, keine Meinung haben darf, und nicht dem Bild von jemandem, der himmlische oder weltliche Götter fürchtet.

Denn du mußt wissen, meine blaue Gelassenheit, daß diese Indígenas auch auf jene ärgerlich werden können, die mit ihrer Sache sympathisieren. Und Tatsache ist, daß sie nicht gehorchen. Wenn man erwartet, daß sie sprechen, schweigen sie. Wenn Schweigen erwartet wird, sprechen sie. Wenn man erwartet, daß sie sich vorwärtsbewegen, gehen sie zurück. Wenn man erwartet, daß sie weiter zurückgehen, gehen sie auf die andere Seite. Wenn man erwartet, daß sie nur sprechen, brechen sie aus und sprechen über andere Dinge. Wenn man von ihnen erwartet, daß sie mit ihrer Geographie zufrieden sind, durchwandern sie die Welt und ihre Kämpfe.

Oder sie sind mit niemandem einverstanden. Und das scheint nicht viel für sie zu zählen. Was für sie zählt, ist, daß ihr Herz zufrieden ist, und so folgen sie den Pfaden, die ihnen ihr Herz zeigt. Das scheinen sie jetzt gerade zu tun. Überall sind Menschen unterwegs. Sie kommen und gehen, tauschen kaum die üblichen Grüße aus. Sie verbringen viele Stunden auf Treffen oder Versammlungen oder was auch immer. Sie gehen mit gerunzelter Stirn hinein, und wenn sie wieder gehen, lächeln sie komplizenhaft.
Hmmm.

Was auch immer es ist, ich bin sicher, daß das, was sie tun oder sagen werden, vielen Leuten nicht gefallen wird. Außerdem, wie der Sup zu sagen pflegt, besteht die Spezialität der Zapatisten darin, Probleme zu schaffen, und erst später zu sehen, wer sie lösen wird. Also sollte man von diesen Treffen nicht viel anderes erwarten als Probleme.

Vielleicht können wir erraten, worum es geht, wenn wir aufmerksam zusehen. Die Zapatisten sind sehr anders - ich weiß nicht, ob ich dir das schon gesagt habe - also stellen sie sich Dinge vor, bevor es diese Dinge gibt, und sie glauben daß, wenn sie sie benennen, diese Dinge anfangen zu leben und zu gehen... und ja, Probleme zu schaffen. Und deshalb bin ich mir sicher, daß sie sich bereits etwas vorgestellt haben, und daß sie anfangen werden so zu handeln, als ob dieses Etwas bereits existiere, und für eine Weile wird keiner irgendwas verstehen, denn wenn Dinge erst einmal benannt sind, fangen sie an, einen Körper, ein Leben und ein Morgen anzunehmen. Dann könnten wir nach irgendeinem Hinweis Ausschau halten. Nein, ich weiß nicht, wohin wir sehen sollten. Ich glaube, ihre Art ist, mit den Ohren zu sehen und mit den Augen zuzuhören. Ja, ich weiß, das klingt kompliziert, aber mir fällt sonst nichts besseres ein. Komm, gehen wir weiter!

Sieh mal, der Fluß verwandelt sich dort in einen Strudel, und in seiner Mitte schimmert der Mond in seinem sinnlichen Tanz. Ein Strudel oder eine Muschel [span. = caracol].

Sie sagen hier, daß die Ältesten sagen, daß andere, noch Frühere sagten, daß die Allerersten dieses Landes die Form der Muschel [Anm.: gemeint ist die dem Schneckenhaus ähnliche spiralförmige Muschel] hoch achteten. Sie sagen, daß sie sagen, daß sie sagten, daß die Muschelschale den Eintritt in das Herz symbolisiert, das ist, was die allerersten Weisen sagten. Und sie sagen, daß sie sagen, daß sie sagten, daß die Muschel auch das Verlassen des Herzens symbolisiert, um die Welt zu durchwandern, was die Allerersten Leben nannten. Und mehr noch, sie sagen, daß sie sagen, daß sie sagten, daß sie mit der Muschel das Kollektiv zusammenriefen, damit das Wort vom einen zum anderen gehen und ein Abkommen erreicht werden konnte. Und sie sagen auch, daß sie sagen, daß sie sagten, daß die Muschel dabei half, daß das Ohr auch das entfernteste Wort wahrnehmen konnte. Das sagen sie, daß sie sagen, daß sie sagten. Ich weiß es nicht. Ich gehe Hand in Hand mit dir spazieren, und ich zeige dir, was meine Ohren sehen und meine Augen hören. Und ich sehe und höre eine Muschel, die "PU'Y", wie sie hier in ihrer Sprache sagen.

Pssst! Sei still! Die Dämmerung ist bereits dem Tag gewichen. Ja, ich weiß, es ist immer noch dunkel, aber sieh mal, wie die Hütten sich langsam mit dem Licht der Herdfeuer füllen. Da wir nun Schatten im Schatten sind, sieht uns niemand, aber wenn sie uns sehen würden, würden sie uns sicher eine Tasse Kaffee anbieten, die wir bei dieser Kälte schätzen würden. Genau wie ich den Druck deiner Hand in meiner schätze.

Sieh mal, der Mond gleitet bereits nach Westen, und verbirgt sein schwangeres Licht hinter dem Berg. Es ist Zeit aufzubrechen, die Reise im Schatten einer Höhle zu verbergen, dort wo Verlangen und Erschöpfung von einer anderen, angenehmeren Erschöpfung gestillt werden. Komm her, ich werde dir mit Fleisch und Worten zuflüstern:


"Und, ach, wie sehr ich wünschte
eine Freude unter Freuden zu sein
eine einzige, die Freude, die dich erfreuen würde!
Eine Liebe, eine einzige Liebe:
Die Liebe, die du lieben würdest
Aber ich bin nur das, was ich bin"

(Pedro Salinas, "La voz a ti debida")

Wir werden uns dort nicht länger anblicken, aber im Halbschlaf des Verlangens, verankert in einem sicheren Hafen, werden wir der Aktivität zuhören können, die diese Zapatisten nun antreibt, jene, die darauf bestehen, sogar die Zeit zu stürzen, und die erneut einen Kalender wie eine Fahne heben... den Kalender des Widerstandes."

Schatten und Licht weichen. Sie haben nicht bemerkt, daß in einer Hütte ein schwaches Licht die ganze Nacht hindurch gebrannt hat. Dort drin teilen sich nun eine Gruppe Männer und Frauen Kaffee und Schweigen, genau wie sie zuvor das Wort geteilt haben.

Mehrere Stunden lang haben diese Menschen mit Herzen von der Farbe der Dämmerung, mit ihren Ideen eine große Muschel umrissen. Ausgehend vom Internationalen wandten sich ihre Augen und ihre Gedanken nach innen, durchstreiften nacheinander das Nationale, das Regionale und das Lokale, bis sie das erreichten was sie "El Votan" nennen. Der Wächter und das Herz des Volkes, "der zapatistischen Völker". Und so, von der äußersten Windung der Muschel, dachten sie Worte wie "Globalisierung", "Eroberungskrieg", "Widerstand", "Wirtschaft", "Stadt", "Land", "politische Lage", und andere, die der Radierer nach der üblichen Frage eliminierte: "Ist das klar, oder gibt es fragen?" Am Ende des Pfades von außen nach innen, im Zentrum der Schale, bleiben nur einige Initialen zurück: "EZLN". Danach kommen Vorschläge, und sie malen, in Gedanken und Herzen, Fenster und Türen, die nur sie sehen können (unter anderem deshalb, weil sie noch nicht existieren). Das uneinige und verstreute Wort beginnt, einen gemeinsamen, kollektiven Pfad zu schaffen. Jemand fragt: "Ist man sich einig?, "Das ist man", antworten die nun kollektiven Stimmen bestätigend. Die Muschel wird wieder umrissen, aber in entgegengesetzter Richtung, von innen nach außen. Der Radierer setzt den umgekehrten Pfad ebenfalls fort, bis nur noch ein einziger Satz übrigbleibt, der die alte Tafel ausfüllt, ein Satz, der für viele verrückt anmutet, aber der für diese Männer und Frauen, ein Grund zu kämpfen ist: "Eine Welt, in die viele Welten passen". Kurz darauf wird eine Entscheidung getroffen.

Nun herrscht Schweigen und Warten. Ein Schatten geht raus in den Nachtregen. Ein Lichtfunke erhellt schwach das Auge. Wieder steigt Rauch von seinen Lippen in die Dunkelheit auf. Mit den Händen hinter seinem Rücken beginnt er, ziellos hin und her zu gehen. Vor wenigen Minuten, dort drin, wurde ein Tod beschlossen.


Teil zwei:
Ein Tod

Vor einigen Tage beschloß die Zapatistische Armee der Nationalen Befreiung den Tod der sogenannten Aguascalientes von La Realidad, Oventik, La Garrucha, Morelia und Roberto Barrios. Alle befinden sich auf rebellischem Gebiet. Die Entscheidung die Aguascalientes verschwinden zu lassen, wurde nach einem langen Prozeß der Reflexion gefällt .

Am 8. August 1994 während des Nationalen Demokratischen Konvents in Guadalupe Tepeyac weihte Comandante Tacho, im Namen des CCRI-CG der EZLN vor ungefähr 6000 Personen aus verschiedenen Teilen Mexikos und der ganzen Welt, das sogenannte Aguascalientes ein und übergab es der nationalen und internationalen Zivilgesellschaft.

Viele Leute kannten dieses erste Aguascalientes nicht, entweder weil sie nicht hingehen konnten, oder weil sie in jenem Jahr zu jung waren (wenn Sie jetzt 24 sind oder 25 werden, wären Sie damals 14 oder 15 Jahre alt gewesen), aber es war ein großartiges Schiff. Am Abhang eines Hügels geankert hofften seine weißen Segeln die sieben Meere zu durchfahren. Die Flagge mit dem grimmigen Totenkopf und den gekreuzten Knochen wehte wild und trotzig über der Brücke. Zwei riesige Landesfahnen waren seitlich ausgebreitet wie Schwingen. Es hatte seine Bibliothek, sein Krankenhaus, Toiletten, Duschen, atmosphärische Musik (die obsessiv zwischen "La del moño colorado" und " Cartas marcadas" hin und her wechselte), und es heißt, es habe sogar einen Platz für Angriffe gehabt. Der Entwurf der Gebäude sah, wie ich einmal erzählte, wie eine riesige Schnecke aus, dank dem was wir als "das gekrümmte Haus" bezeichneten. Das "gekrümmte Haus" war nicht krumm, es hatte eine Biegung, die auf den ersten Blick wie ein architektonischer Fehler aussah, der einem aber von oben gesehen ermöglichte, die Spirale zu bemerken, die von den Gebäuden geformt wurde. Die Mannschaft des ersten Aguascalientes bestand aus Personen ohne Gesichter, eindeutige Übertreter der maritimen und terrestrischen Gesetze. Und ihr Kapitän war der bestaussehende Pirat, der jemals die Ozeane umfahren hatte: Eine Augenklappe über dem fehlenden rechten Auge, ein schwarzer Bart, der mit Silberfäden glänzte, eine prominente Nase, ein Haken in der einen Hand, ein Säbel in der anderen, ein Bein aus Fleisch, das andere aus Holz, eine Pistole im Gürtel und eine Pfeife zwischen den Lippen.

Der Prozeß, der zum Bau des ersten Aguascalientes führte, war zufällig - und schmerzvoll. Und ich meine nicht die physische Konstruktion (die in einer Rekordzeit und ohne Fernsehspots ausgeführt wurde), sondern die konzeptuelle. Lassen Sie mich erklären:

Nachdem wir uns 10 Jahre lang auf das Töten und Sterben vorbereitet hatten, auf die Handhabung und das Abfeuern von Waffen aller Art, auf die Herstellung von Sprengsätzen, auf die Ausführung strategischer und taktischer Militärmanöver, kurzum, auf Krieg, fanden wir uns nach den ersten Tagen des Kampfes von einer wahren Armee überrannt. Zuerst einer Armee von Journalisten, aber später von Männern und Frauen verschiedenster sozialer, kultureller und nationaler Herkunft. Es war kurz nach dem "Kathedralen-Dialog", Februar - März 1994. Die Journalisten tauchten weiterhin in Abständen auf, aber das, was wir als "Zivilgesellschaft" bezeichnen - um sie von der politischen Klasse zu unterscheiden und um sie nicht in sozialen Klassen zu kategorisieren - war immer konstant.

Wir lernten dazu, und ich denke, daß es die Zivilgesellschaft auch tat. Wir lernten zuzuhören und zu sprechen, ich denke genau so wie die Zivilgesellschaft. Ich denke auch, daß das Lernen für uns weniger anstrengend war.

Schließlich war das ja der fundamentale Ursprung der EZLN gewesen: eine Gruppe "Illuminaten", die aus der Stadt kamen, um die Ausgebeuteten zu "befreien", und die nach der Konfrontation mit der Realität der indigenen Gemeinden mehr wie ausgebrannte Glühbirnen aussahen denn als "Illuminaten". Wie lange brauchten wir um zu kapieren, daß wir lernen mußten zuzuhören, und danach zu sprechen? Ich bin mir nicht sicher, es sind viele Monde seitdem vergangen, aber ich schätze mindestens zwei Jahre. Das heißt, was 1984 ein klassischer, revolutionärer Guerillakrieg gewesen ist (bewaffneter Aufstand der Massen, Machtübernahme, der Aufbau des Sozialismus von oben, viele Statuen und Namen von Helden und Märtyrer überall, Säuberungswellen, usw., kurzum, eine perfekte Welt), war 1986 bereits eine bewaffnete Gruppe, überwiegend indigen, die aufmerksam zuhörte und gerade die ersten Worte ihrer neuen Lehrer nachplapperte: den indigenen Völkern.

Ich glaube, ich habe diesen Teil der Bildung (oder Neubildung) der EZLN bereits mehrmals erzählt. Aber wenn ich es jetzt wiederhole, dann nicht um Sie mit Nostalgie zu überwältigen, sondern um zu versuchen zu erklären, wie wir zum Bau des ersten Aguascalientes gekommen sind, und deren spätere Vermehrung auf zapatistischem, das heißt rebellischem Gebiet.

Was ich damit meine ist, daß der Hauptakt bei der Gründung der EZLN es war zu lernen zuzuhören und zu sprechen. Ich denke zu jener Zeit haben wir gut gelernt und waren erfolgreich. Mit dem neuen Werkzeug errichteten wir das gelernte Wort, die EZLN verwandelte sich schnell in eine Organisation, die nicht nur aus Tausenden Kämpfern bestand, sondern eindeutig mit den indigenen Gemeinden "verwachsen" war.

Anders ausgedrückt, wir hörten auf, "Fremde" zu sein und wurden Teil dieser von Mexiko und der Welt vergessenen Ecke: den Bergen des mexikanischen Südostens.

Ein Augenblick kam, ich kann nicht genau sagen wann, in dem nicht länger die EZLN auf der einen Seite und die Gemeinden auf der anderen standen, sondern als wir alle einfach Zapatisten waren. Ich vereinfache natürlich, wenn ich mich an diese Periode erinnere. Es wird hoffentlich andere Gelegenheiten und Mittel geben, um diesen Prozeß genauer darzustellen, der grob ausgedrückt nicht ohne Widersprüche, Rückschläge und Bauchlandungen war.

Wir waren immer noch dabei zu lernen (denn ich glaube, das Lernen geht nie zu Ende) als der "neuerschienene" Carlos Salinas de Gortari (dank eins kolossalen Wahlbetrugs der damalige Präsident von Mexiko) die "brillante" Idee hatte, Reformen durchzuführen, die das Recht der Campesinos auf Land beseitigten.

Die Auswirkung in den Gemeinden, die bereits zapatistisch waren, waren gelinde ausgedrückt brutal. Für uns (man beachte, daß ich zwischen den Gemeinden und der EZLN nicht länger unterscheide) ist das Land keine Ware, sondern hat kulturelle, religiöse und historische Bedeutung, die hier nicht erklärt werden muß. Und so füllten sich unsere Reihen, schnell und exponentiell. Und da war noch mehr. Die Armut wuchs ebenfalls und damit der Tod, besonders von Kinder unter fünf Jahren. Zu meinen Pflichten gehörte es, mit den nun Hunderten Dörfern per Funk Kontakt zu halten, und es verging kein Tag, ohne daß jemand den Tod eines kleinen Jungen oder Mädchens, oder einer Mutter zu melden hatte. Als ob es einen Krieg gab. Hinterher begriffen wir, daß es sich tatsächlich um einen Krieg handelte. Das neoliberale Modell, das Carlos Salinas de Gortari auf eine so zynische und sorglose Weise befahl, war für uns ein echter Vernichtungskrieg, ein Ethnozid, der die gesamte indigene Bevölkerung betraf. Deshalb wissen wir wovon wir reden, wenn wir von der "neoliberalen Bombe" sprechen.

Ich denke (es gibt ernsthafte Studien hier, die präzise Zahlen und Analysen liefern können), daß dies in allen indigenen Gemeinden in Mexiko stattgefunden hat. Aber der Unterschied bestand darin, daß wir bewaffnet waren und für einen Krieg ausgebildet. Mario Benedetti sagt in einem Gedicht, daß man nicht immer das tut, was man will, daß man das nicht immer kann, aber daß man das Recht hat zu lassen, was man nicht will. Und in unserem Fall wollten wir nicht sterben. Oder genauer gesagt, wir wollten nicht auf diese Weise sterben.

Ich habe bei früheren Gelegenheiten bereits davon gesprochen, wie wichtig für uns die Erinnerung ist. Und deshalb war (und ist) der Tod durch Vergessen für uns der schlimmste Tod. Ich weiß, das klingt vermutlich apokalyptisch, und mehr als nur eine Person wird in dem, was ich sage nach einer Spur Märtyrertum suchen, aber einfach ausgedrückt, wir befanden uns damals vor einer Wahl, aber nicht zwischen Leben und Tod, sondern zwischen zwei verschiedenen Arten von Tod. Die Entscheidung, kollektiv und in Absprache mit den damals Zehntausenden Zapatisten, ist bereits Geschichte, und war der Funke des Morgens vom 1. Januar 1994.

Hmm. Ich scheine abzuschweifen, denn es geht hier darum, Sie darüber zu informieren, daß wir beschlossen haben, die zapatistischen Aguascalientes zu töten. Und nicht nur Sie darüber zu informieren, sondern zu versuchen, es Ihnen zu erklären. Nun gut, seien Sie großherzig und lesen Sie weiter.

In die Ecke gedrängt, brachen wir an diesem Morgen des Jahres 1994 mit nur zwei Gewißheiten auf: die eine war, daß sie uns in Stücke reißen würden. Die andere war, daß dies die Aufmerksamkeit guter Menschen auf ein Verbrechen ziehen würde, das, nur weil es im Schweigen und fern von den Medien verübt wurde, nicht weniger blutig war: der Genozid an Tausenden indigenen mexikanischen Familien. Und, wie ich schon sagte, das könnte so klingen, als wären wir darauf aus gewesen, Märtyrer zu werden, die sich für andere aufopfern.

Ich würde lügen, wenn ich ja sagte. Denn auch, wenn wir bei kühler Betrachtung militärisch keine Chance hatten, dachten unsere Herzen nicht an den Tod, sondern an das Leben. Und da wir Zapatisten waren (und sind), und folglich auch uns selbst bezweifeln, dachten wir, daß wir mit dem In-Stücke-gerissen-werden vielleicht falsch liegen könnten, und daß sich vielleicht das ganze mexikanische Volk erheben würde. Aber ehrlich gesagt gingen unsere Zweifel nicht weit genug, um sich vorzustellen, daß das, was wirklich geschehen ist, auch tatsächlich geschehen konnte.

Und was geschah, war genau das, was das erste Aguascalientes ins Leben rief und dann die anderen, die ihm folgten. Ich glaube, es ist nicht nötig zu wiederholen, was passiert ist. Ich bin fast sicher (und meistens bin ich über überhaupt nichts sicher) daß jeder, der diese Zeilen liest, etwas oder viel mit dem zu tun hatte, was passiert ist. Also versuchen Sie, sich an unsere Stelle zu versetzen: jahrelang bereiten wir uns darauf vor, Waffen abzufeuern, und am Ende sind es Worte, die abgefeuert werden müssen. Wenn man das so sagt, und wenn ich lese, was ich gerade geschrieben habe, scheint es beinahe natürlich, wie eins dieser Syllogismen, die man in der Schule lernt. Aber glauben Sie mir, zu dieser Zeit war gar nichts einfach. Wir hatten viel zu kämpfen und tun es noch. Aber schließlich vergißt ein Krieger nicht, was er gelernt hat, und wie ich vorhin erklärte, lernten wir zuzuhören und zu sprechen. Und so wurde, wie jemand, den ich nicht kenne, es einmal ausdrückte, die Geschichte müde voranzuschreiten und wiederholte sich. Wir standen wieder wie am Anfang da. Lernend.

Und wir lernten zum Beispiel, daß wir anders waren, und daß es viele gab, die anders als wir waren, aber daß sie sich auch untereinander unterschieden. Oder, fast unmittelbar nach den Bomben ("es waren keine Bomben, es waren Raketen", werden die vernetzten Intellektuellen sich beeilen zu korrigieren - jene, die die Presse kritisieren, wenn sie von der "Bombardierung der indigenen Gemeinden" spricht), stürzte eine Vielfalt auf uns ein, die uns oft denken ließ, daß wir besser dran gewesen wären, wenn sie uns in Stücke gerissen hätten.

Ein Kämpfer beschrieb dies im April jenen Jahres 1994 auf sehr zapatistische Weise. Er kam, um mich über die Ankunft einer Karawane der Zivilgesellschaft zu unterrichten. Ich fragte ihn, wie viele (sie mußten irgendwo untergebracht werden) und wer sie wären (ich habe nicht nach ihren einzelnen Namen gefragt, sondern welcher Organisation oder Gruppe sie angehörten). Der Rebell dachte eine Weile über die frage nach und über die Antwort, die er geben würde. Das dauert normalerweise eine Weile, also zündete ich meine Pfeife an. Nachdem er nachgedacht hatte, sagte der Compañero: "Sie sind verdammt viele und sie sind ein absolutes Chaos."
Ich denke, es ist sinnlos auf das quantitative Universum einzugehen, auf das sich das wissenschaftliche Konzept von "verdammt viele" bezieht, aber der Rebell verwendete "absolutes Chaos" nicht mißbilligend oder um die Geisteshaltung der Anreisenden zu charakterisieren, sondern eher um die Zusammensetzung der Gruppe zu definieren.
"Was meinst du mit "absolutem Chaos"? fragte ich ihn. "Ja," antwortete er. "Da gibt es alles, das ist... ein absolutes Chaos," endete er, darauf beharrend, daß es absolut kein wissenschaftliches Konzept gab, um die Vielfalt zu beschreiben, die das Rebellengebiet gestürmt hatte.
Der Sturm wiederholte sich wieder und wieder. Manchmal waren sie tatsächlich "verdammt viele", manchmal waren es zwei oder drei. Aber es war immer, um diesen Neologismus des Rebellen zu verwenden, ein "totales Chaos". Wir spürten sofort, da hilft nichts, wir müssen lernen, und dieses Lernen muß für so viele wie möglich sein. Und so dachten wir an eine Art Schule. Wo wir die Studenten sein würden und das "absolute Chaos" der Lehrer. Das war bereits im Juni 1994 (wir begriffen ziemlich langsam, daß wir lernen mußten), und wir standen kurz davor, die "Zweite lakandonische Erklärung" zu veröffentlichen, die zur Gründung der "Nationalen Demokratischen Konvents" (CND) aufrief.

Die Geschichte des CND ist Stoff für eine andere Geschichte, und ich erwähne ihn nur, um Sie in Zeit und Raum zu orientieren. Raum. Ja, das war ein Teil des Problems mit unserem Lernen. Das heißt, wir brauchten einen Raum, um mit dieser Pluralität, die wir "Zivilgesellschaft" nennen, zu lernen, und zuzuhören und zu sprechen. Wir einigten uns darauf, den Raum zu bauen, und ihn Aguascalientes zu nennen, da es der Sitz des Nationalen Demokratischen Konvents sein würde (in Gedächtnis an den Konvent der Mexikanischen Revolutionären Streitkräfte im 2. Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts). Aber die Idee für das Aguascalientes ging weiter. Wir wollten einen Raum, um einen Dialog mit der Zivilgesellschaft zu führen. Und "Dialog" bedeutet auch zu lernen, dem anderen zuzuhören und zu lernen, mit ihm zu sprechen.

Der Raum von Aguascalientes jedoch wurde im Zusammenhang mit einer damaligen politischen Initiative erschaffen, und viele nahmen an, daß das Aguascalientes seine Bedeutung verlieren würde, sobald diese Initiative ihren Lauf genommen hätte. Einige wenige, sehr wenige, kehrten zum Aguascalientes von Guadalupe Tepeyac zurück. Später folgte Zedillos Verrat am 9. Februar 1995, und das Aguascalientes wurde von der Bundesarmee fast vollständig zerstört. Sie bauten sogar eine Militärbaracke dort.

Aber wenn irgendetwas die Zapatisten charakterisiert, dann ist es Zähigkeit ("Dummheit" würde wohl mehr als nur einer sagen). Und so war nicht einmal ein Jahr vergangen, als neue Aguascalientes in verschiedenen Teilen des Rebellengebietes aus dem Boden schossen: Oventik, La Realidad, La Garrucha, Roberto Barrios, Morelia. Und dann, ja, die Aguascalientes waren, was sie sein sollten: Räume für ein Encuentro und den Dialog mit der nationalen und internationalen Zivilgesellschaft. Außer Hauptquartiere für große Initiativen und Treffen an bedeutungsvollen Tagen zu sein, waren sie der Ort, an dem sich die "Zivilgesellschaft" und die Zapatisten täglich trafen.

Ich erzählte Ihnen bereits, daß wir versuchten, aus unseren Treffen mit der nationalen und der internationalen Zivilgesellschaft zu lernen. Aber wir erwarteten, daß auch sie davon lernen würden. Die zapatistische Bewegung wuchs unter anderem aus der Forderung nach Respekt. Aber wir erhielten nicht immer Respekt. Es war nicht so, daß sie uns beleidigten. Oder zumindest nicht absichtlich. Aber für uns ist Mitleid eine Kränkung und Almosen ein Schlag ins Gesicht. Denn parallel zur Entstehung und Arbeit dieser Begegnungsstätten, die die Aguascalientes darstellten, behielten einige Sektoren der Zivilgesellschaft das bei, was wir als das "Cinderella-Syndrom" bezeichnen.

Ich hole jetzt aus der Kiste der Erinnerungen einige Abschnitte eines Briefes hervor, den ich vor mehr als neun Jahren geschrieben habe: "Wir werfen Ihnen nichts vor (den Angehörigen der Zivilgesellschaft, die in die Gemeinden kamen), denn wir wissen, daß Sie viel riskieren, um herzukommen und uns zu sehen, und den Zivilisten dieser Seite Hilfe zu bringen. Es sind nicht unsere Bedürfnisse, die uns Schmerz verursachen. Es ist, bei anderen zu sehen, was andere nicht sehen - die gleiche Preisgabe von Freiheit und Demokratie, der gleiche Mangel an Gerechtigkeit (...). Von den Vorteilen, die unsere Leute durch diesen Krieg erhielten, habe ich ein Beispiel "Humanitärer Hilfe" für die chiapanekischen Indígenas aufbewahrt, das vor ein Paar Wochen angekommen ist: ein rosaroter, einzelner, hochhackiger Damenschuh, importiert, Größe 6½. Ich trage ihn immer in meinem Rucksack um mich, inmitten von Interviews, Photoreportagen und attraktiven sexuellen Angeboten, daran zu erinnern, was wir seit dem ersten Januar für das Land sind: eine Cinderella. (...) Diese guten Menschen haben uns mit den besten Absichten einen rosaroten einzelnen, hochhackigen Damenschuh, importiert, Größe 6½, geschickt, in der Annahme, daß wir, arm wie wir sind, alles annehmen würden, Mildtätigkeit und Almosen. Wie können wir diesen guten Menschen sagen, daß wir nicht länger als Mexikos Schande leben wollen. In dem Teil, der hübsch gemacht werden muß, um den Rest nicht häßlich aussehen zu lassen. Nein, wir wollen so nicht weiterleben."

Das war im April 1994. Damals dachten wir, es sei nur eine Frage der Zeit, bis die Menschen verstehen würden, daß die zapatistischen Indígenas würdig sind, und daß sie keine Almosen wollten, sondern Respekt. Der andere rosarote Damenschuh kam niemals an, und das Paar blieb unvollständig, und in den Aguascalientes häuften sich nutzlose Computer, Medikamente mit ausgelaufenem Verfallsdatum, (für uns) extravagante Kleidung, die nicht mal für Theaterspiele ("señas," werden sie hier genannt) benutzt werden konnten, und, ja, einzelne Schuhe. Und diese Dinge kamen weiter an, so als ob diese Leute sagten "arme kleine Dinger, sie sind wirklich bedürftig. Ich bin sicher, alles wäre gut für sie, und das ist meine Art."

Und das ist nicht alles. Es gibt eine komplexere Art von Mildtätigkeit. Es ist jene, die von einigen NGOs und internationalen Organisationen praktiziert wird. Sie besteht, grob ausgedrückt, darin, daß sie entscheiden was die Gemeinden brauchen, und ihnen, ohne sie auch nur zu konsultieren, nicht nur spezifische Projekte aufdrängen, sondern auch den Zeitraum und die Mittel ihrer Implementierung. Stellen Sie sich die Verzweiflung einer Gemeinde vor, die Trinkwasser braucht und mit einer Bibliothek geschlagen wird. Oder eine, die eine Schule für die Kinder braucht, und stattdessen einen Kurs in Heilpflanzen kriegt.

Vor einigen Monate, schrieb ein linker Intellektueller, die Zivilgesellschaft sollte sich für die Erfüllung der San Andrés Abkommen mobilisieren, weil die zapatistischen indigenen Gemeinden schwer litten (nicht, weil es für die indigenen Völker Mexikos gerecht wäre, sondern damit die Zapatisten keine Armut mehr leiden müßten).

Moment mal. Wenn die zapatistischen Gemeinden das wollten, könnten sie den besten Lebensstandard in ganz Lateinamerika haben. Stellen Sie sich vor, wie viel die Regierung willens wäre zu investieren, um unsere Kapitulation zu gewährleisten und viele Bilder zu knipsen und viele "Webespots" zu drehen, in denen Fox und Marta sich anpreisen könnten, während das ganze Land unter ihren Händen auseinander fiele. Wie viel hätte der nun "neu erschienene" Carlos Salinas de Gortari gegeben, um seine Amtszeit nicht mit der Last der Ermordungen von Colosio und Ruíz Massieu beendet zu haben, sondern mit einem Bild der zapatistischen Rebellen beim Unterzeichnen des Friedensvertrages und dem Sup, der seine Waffe (die Gott selbst ihm verliehen hat) dem Mann übergibt, der Millionen Mexikaner in der Ruin getrieben hat? Wie viel hätte Zedillo geboten, um die Wirtschaftskrise, in die er das Land gestürzt hat, mit dem Bild seines triumphalen Einzugs in La Realidad zu vertuschen? Wie viel hätte "Croquetas" Albores gegeben, um die Zapatisten dazu zu bringen, die flüchtige "Neuaufteilung der Distrikte" zu akzeptieren, die er während seiner tragikomischen Amtszeit durchgesetzt hat?

Nein. Die Zapatisten haben viele Angebote erhalten, um ihre Gewissen zu kaufen, aber sie setzen ihren Widerstand weiterhin fort, und verwandeln ihre Armut (für den, der lernt zu sehen) in eine Lektion über Würde und Großzügigkeit. Denn wir Zapatisten sagen "Für alle alles, für uns nichts", und wenn wir das sagen, dann leben wir das auch. Die konstitutionelle Anerkennung der indigenen Rechte und Kultur und die Verbesserung der Lebensbedingungen ist für alle indigenen Völker Mexikos, nicht nur für die zapatistischen Indígenas. Die Demokratie, Freiheit und Gerechtigkeit, die wir anstreben, ist für alle Mexikaner, nicht nur für uns.

Wir haben vielen Menschen gegenüber betont, daß der Widerstand der zapatistischen Gemeinden nicht Mitleid hervorrufen will, sondern Respekt. Hier ist Armut nun eine Waffe, die von unseren Völkern aus zwei Gründen gewählt worden ist: um zu bezeugen, daß wir nicht Wohlfahrt suchen, und um mit unserem Beispiel zu demonstrieren, daß es möglich ist, zu regieren und uns selbst zu regieren, ohne den Parasiten, der sich Regierung nennt. Aber gut, in diesem Text geht es auch nicht um das Thema des Widerstandes als Kampfform.

Die Unterstützung die wir fordern, gilt dem Aufbau eines kleinen Teils dieser Welt, in die alle Welten passen. Es handelt sich daher um eine politische Unterstützung, nicht um Mildtätigkeit.

Ein Teil der indigenen Autonomie (die das "COCOPA Gesetz" sicher anspricht) ist die Fähigkeit, sich selbst zu regieren, das heißt, die harmonische Entwicklung einer sozialen Gruppe zu führen. Die zapatistischen Gemeinden sind dieser Bemühung verpflichtet, und haben oft demonstriert, daß sie es besser erledigen können, als jene, die sich Regierung nennen. Die Unterstützung der indigenen Gemeinden sollte nicht als Hilfe geistig Minderbemittelter angesehen werden, die nicht einmal wissen, was sie brauchen, oder für Kinder, denen man sagen muß, was sie essen müssen, wann und wie sie lernen, was sie sagen und was sie denken sollen (obwohl ich bezweifle, daß es viele Kinder gibt, die sich das gefallen lassen würden). Aber das ist die Denkweise einiger NGOs und eines guten Teils der Finanzierungsvorstände der Gemeindeprojekte.

Die zapatistischen Gemeinden leiten die Projekte (viele NGOs können dies bezeugen), sie gründen sie und bringen sie zum Laufen, sie machen sie produktiv und verbessern damit die Kollektive, nicht die Individuen. Wer einer oder mehreren zapatistischen Gemeinden hilft, hilft nicht nur, die materielle Situation eines Kollektivs zu verbessern, sondern unterstützt ein viel einfacheres, aber schwierigeres Projekt: den Aufbau einer neuen Welt, einer, in die viele Welten passen, einer, in der gegenseitige Mildtätigkeit und Mitleid Stoff für Science Fiction Novellen ist oder für eine vergessenswürdige und entbehrliche Vergangenheit.

Mit dem Tod der Aguascalientes, wird das "Cinderella Syndrom" einiger "Zivilgesellschaften" und der Paternalismus einiger nationaler und internationaler NGOs ebenfalls sterben. Zumindest werden sie für die zapatistischen Gemeinden sterben, die von nun an keine Überbleibsel mehr annehmen werden und sich keine Projekte mehr aufzwingen lassen.

Aus all diesen Gründen und aufgrund anderer Dinge, die später erklärt werden, wird an diesem 8. August 2003, am Jahrestag des ersten Aguascalientes, der "wohlgestorbene" Tod der Aguascalientes verkündet werden. Die Fiesta (denn es gibt Tode, die gefeiert werden müssen) wird in Oventik stattfinden, und Sie sind alle eingeladen, die in den letzten zehn Jahren die Rebellengemeinden unterstützt haben, ob mit Projekten oder mit Friedenscamps, mit Karawanen oder mit einem aufmerksamen Ohr, auf welche Art auch immer, so lange es nicht Mitleid und Barmherzigkeit waren.

Am 9. August 2003 wird etwas Neues geboren werden. Aber ich werde Ihnen morgen davon erzählen. Oder genauer gesagt, in Kürze, denn es dämmert hier gerade in den Bergen des mexikanischen Südostens, würdige Ecke der Heimat, rebellisches Land, Unterschlupf der Gesetzesübertreter (einschließlich des Gesetzes zum Ernstsein) und ein kleines Stück des großen Weltpuzzles der Rebellion für die Menschlichkeit und gegen den Neoliberalismus.


Teil Drei:
Ein Name

Es regnet. Wie immer hier im Juli, dem siebten Monat des Jahres. Ich zittere neben dem Ofen und drehe mich herum wie ein Hühnchen auf dem Drehrost, in der Hoffnung so ein wenig trocken zu werden. Das Treffen mit den Gemeinden endete ziemlich spät, in der Dämmerung, und wir lagerten ziemlich weit von dem Ort, an dem das Treffen stattfand. Es regnete nicht, als wir aufbrachen, aber als ob es nur auf uns gewartet hätte, brach gerade dann ein gewaltiger Sturzregen aus, als wir auf halber Strecke waren und es genauso lange gedauert hätte zurückzugehen oder weiter zu marschieren. Die Rebellen gingen zu ihren jeweiligen Hütten, um ihre nassen Uniformen zu wechseln. Ich tat es nicht, nicht aus Tapferkeit, sondern aus Blödheit, denn ich hatte nichts zum Wechseln eingepackt, um das Gewicht meines Rucksacks zu erleichtern. Also sitze ich hier, wie ein" Hühnchen á la Sinaloa". Völlig nutzlos auch, denn aus irgendeinem mir unerfindlichen Grund, scheint meine Mütze, wenn es regnet, das Wasser wie ein Schwamm aufzusaugen, und läßt es erst wieder raus, sobald ich drinnen bin. So habe ich in der Hütte beim Ofen meinen eigenen, persönlichen Regen. Diese Absurditäten erstaunen mich nicht. Schließlich sind wir auf zapatistischem Gebiet, und hier ist das Absurde so häufig wie der Regen, ganz besonders im siebten Monat des Jahres. Jetzt habe ich wirklich zuviel Holz ins Feuer geworfen, nicht bildlich gesprochen, und die Flammen drohen, das Dach abzubrennen. "Es gibt nichts, was nicht noch schlimmer kommen könnte," sage ich mir selbst, mich an einen von Duritos Refrains erinnernd, und ich ziehe es vor zu gehen.

Draußen regnet es nicht mehr, aber unter meiner Mütze schüttet es. Ich versuche eine Pfeife mit der Öffnung nach unten anzuzünden, als Major Rolando ankommt. Er sieht mich nur an. Er sieht sich den Himmel an (der in dieser Höhe bereits wieder vollkommen klar ist, mit einem Mond, der ungelogen wie die Mittagssonne aussieht). Er sieht wieder mich an. Ich verstehe seine Verwirrung und sage: "Es ist die Mütze." Rolando sagt "Hmm", was inzwischen so viel bedeutet wie "Ah." Mehr Rebellen kommen herüber und natürlich eine Gitarre (ja, sie ist trocken), und sie fangen an zu singen. Rolando und ich brechen in ein Duett aus, "La Chancla," vor einem verwirrten Publikum, denn die "Hitparade" hier tendiert mehr zu Cumbias, Corridos und Norteñas.

Angesicht meines erneut gescheiterten Karrierestarts als Sänger zog ich mich in eine Ecke zurück und folgte dem weisen Ratschlag von Monarca, der genau wie Rolando zuerst mich ansah, dann den Himmel und wieder mich und nur sagte: "Nimm die Mütze ab, Sup." Ich nahm sie ab, und mein privater Regen hörte auf.
Monarca ging zu den anderen. Ich sagte Hauptmann José Luis (der als meine Leibwache fungiert) er solle sich ausruhen gehen, da ich jetzt nichts tun würde. Der Hauptmann ging, aber nicht, um sich auszuruhen, sondern um sich dem Singen anzuschließen. Und so blieb ich alleine. Immer noch zitternd, aber nun ohne Regen über mir. Ich versuchte wieder meine Pfeife anzuzünden, diesmal mit der Öffnung nach oben, aber dann entdeckte ich, daß mein Feuerzeug naß geworden war und nicht einmal flimmern wollte. Ich murmelte "Verdammter Mist, jetzt kann ich nicht mal meine Pfeife anzünden," und war überzeugt, daß dadurch mein ganzer sex appeal im Eimer war.
Ich suchte gerade meine Hosentaschen (und davon gibt's ziemlich viele) ab, nicht nach einer Taschenbuchausgabe des Kamasutra, sondern nach einem trockenen Feuerzeug, als direkt neben mir eine Flamme gezündet wurde.

Ich erkannte das Gesicht des Alten Antonio hinter dem Licht. Ich rückte die Öffnung meiner Pfeife zum brennenden Streichholz und sagte immer noch paffend zum Alten Antonio: "Es ist kalt."

"Das ist es," antwortete er, und zündete sich mit einem anderen Streichholz seine handgerollte Zigarette an. Im Licht der Zigarette sah der Alte Antonio mich an, dann den Himmel, dann wieder mich, aber er sagte nichts. Ich sagte auch nichts, in der Gewißheit, daß der Alte Antonio genau so wie ich an die Absurditäten gewöhnt war, die die Berge des mexikanischen Südostens bewohnen. Ein plötzlicher Wind löschte die Flamme aus, und uns blieb nur das Licht eines Mondes, der wie eine Axt war, abgenutzt und voller Kerben und Rauch, der an der Dunkelheit kratzte. Wir ließen uns auf dem Stamm eines umgestürzten Baumes nieder. Ich glaube, wir sagten eine Zeit lang gar nichts, ich erinnere mich nicht sehr gut, aber im Grunde war der Alte Antonio, ohne daß ich es richtig bemerkt hätte, bereits dabei, mir etwas zu erzählen...


Die Geschichte des Halters des Himmels

"Unsere Ältesten erzählen, daß der Himmel gestützt werden muß, um nicht zu fallen. Der Himmel ist nicht einfach fest, sondern wird zwischendurch immer schwach und kippt um, und dann läßt er sich einfach fallen, wie Laub von den Bäumen, und dann passieren schreckliche Katastrophen, weil das Böse auf die Felder kommt, und der Regen bricht alles nieder, und die Sonne bestraft das Land und Krieg beherrscht und die Lüge erobert und der Tod durchwandert es, und Leid ist in seinen Gedanken.

Unsere Ältesten sagen, dies passiert, weil die Götter, die die Welt erschaffen haben, die Allerersten, sich so abgemüht haben, um die Welt zu erschaffen, daß sie, nachdem sie damit fertig waren, nicht mehr genug Kraft übrig hatten, um den Himmel als das Dach unserer Welt zu erschaffen, sondern setzten es aus allem, was sie hatten, zusammen. Und so wurde der Himmel über die Erde plaziert, genau wie eins dieser Plastikdächer. Deshalb ist der Himmel nicht fest, sondern lockert sich manchmal. Und Du mußt wissen, wenn das passiert, werden Winde und Wasser aufgewühlt, das Feuer wird rastlos und das Land erhebt sich und wandert, ohne Ruhe zufinden.

Deshalb sagten jene, die vor uns kamen, daß vier Götter, in vier verschiedenen Farben, auf die Erde zurückkamen. Sie stellten sich an den vier Ecken der Welt auf, um den Himmel zu packen, damit er nicht mehr fallen, sondern still und gut und gerade bleiben würde, damit Sonne, Mond, Sterne und Träume mühelos wandern konnten. Aber, so erzählen jene, die zuerst über dieses Land schritten, manchmal würde einer (oder mehrere) der Bacabes, den Haltern des Himmels, anfangen zu träumen oder von einer Wolke abgelenkt, und dann könne er die Seite seines Erdendachs nicht fest genug halten, und der Himmel, das Dach der Welt, werde dann locker und drohe, auf die Erde zu fallen, und weder die Sonne noch der Mond oder die Sterne hätten einen geraden Pfad. Deshalb übergaben die ersten Götter, die die Welt geboren haben, einem der Halter des Himmels die Verantwortung, und er mußte wachsam bleiben, um den Himmel zu lesen und zu sehen, wann er locker wird, und dann mußte der Halter die anderen Halter ansprechen, um sie zu wecken, damit sie ihre Seiten fester packen und alles wieder gerade hinstellen würden.

Und dieser Halter schläft nie, er muß immer wachsam und aufmerksam sein, um die anderen zu wecken, wenn Böses die Erde befällt. Und die Ältesten von Reise und Wort sagen, daß dieser Halter eine Muschel auf der Brust trägt, und damit hört er sich die Laute und das Schweigen der Welt an und ruft die anderen Halter, damit sie nicht einschlafen oder um sie aufzuwecken.

Und die Allerersten sagen, daß dieser Halter des Himmels, um nicht einzuschlafen, in sein eigenes Herz ging, auf den Pfaden ,die er auf seiner Brust trug, und diese alten Lehrer sagen, daß dieser Halter den Männern und Frauen der Welt das Wort und die Schrift beibrachte, denn sie sagen, so lange das Wort die Welt durchstreift, kann das Böse zum Schweigen gebracht werden, und die Welt kann gerade sein.

Deshalb reist das Wort des einen, der nicht schläft, der gegen das Böse und seine boshaften Taten wachsam ist, nicht direkt von einer Seite zur anderen. Stattdessen geht es auf ihn selbst zu und folgt den Linien der Vernunft, und die Weisen von einst sagen, daß die Herzen der Männer und Frauen die Form einer Muschel haben, und jene mit guten Herzen und Gedanken gehen von einer Seite zu anderen und wecken Götter und Menschen auf, damit sie aufpassen, daß die Welt gerade steht. Deshalb benutzt der eine, der wach bleibt, wenn die anderen schlafen, seine Muschel, und er benutzt sie für viele Dinge, aber besonders, um nicht zu vergessen."

Bei seinen letzten Worten, hatte der Alte Antonio einen Stab in die Hand genommen und skizzierte etwas auf dem Boden. Der Alte Antonio geht, und ich gehe auch. Im Osten lugt die Sonne über den Horizont, als ob sie nur einen Blick rüberwerfen würde, um festzustellen, ob der eine, der wach bleibt, nicht eingeschlafen ist, und ob irgendjemand Wache steht, damit die Welt wieder gerade wird.

Ich kehrte zur Stunde des Pozol zurück, als die Sonne die Erde und meine Kappe bereits getrocknet hatte. Auf der einen Seite des umgestürzten Baumes sah ich die Skizze des Alten Antonio auf den Boden. Es war eine festgezeichnete Spirale, eine Muschel.

Die Sonne hatte ihre Reise bereits zur Hälfte hinter sich gebracht, als ich zu dem Treffen mit den Gemeinden zurückkehrte. Der Tod der Aguascalientes war bereits am letzten Abend beschlossen worden, nun wurde über die Geburt der "Caracoles" [Muscheln] entschieden, mit anderen Funktionen neben denen der nun sterbenden Aguascalientes.

Und so werden die Caracoles wie Türen sein, um in die Gemeinden zu gehen, und für die Gemeinden, um wegzugehen. Wie Fenster, um uns zu sehen, und für uns, um hinauszusehen. Wie Lautsprecher, um unser Wort weit zu tragen, und für uns, um zu hören, was weit weg gesagt wird. Aber vor allem, um uns zu erinnern, daß wir wach bleiben sollten, und wachsam sein, damit die Welten, die die Welt bevölkern, gerade bleiben.

Die Komitees jeder Region haben sich getroffen, um für ihre jeweiligen Caracoles Namen zu wählen. Es wird Stunden an Vorschlägen, Diskussionen über Übersetzungen, Lachen, Ärger und Abstimmungen geben. Ich weiß, daß es lange dauern wird, also ziehe ich mich zurück und sage ihnen, sie sollen es mich wissen lassen, wenn eine Einigung erzielt worden ist.

In den Baracken essen wir dann. Und dann, während wir am Tisch sitzen, sagt Monarca, er hätte einen wirklich "fantastischen" Teich zum Baden gefunden und so weiter. Darauf wird Rolando, der nicht einmal schwimmt, um sein Leben zu retten, enthusiastisch und sagt: "Gehen wir."

Ich habe mit einiger Skepsis zugehört (es wäre nicht das erste Mal, daß Monarca einen Streich gespielt hätte), aber da wir sowieso darauf warten müssen, daß die Komitees eine Einigung erzielen, sage auch ich: "Gehen wir". José Luis bleibt zurück um später zu uns zu stoßen, weil er noch nichts gegessen hat, also brechen wir drei - Rolando, Monarca und ich - zuerst auf. Wir überqueren eine Weide und nichts. Wir überqueren ein Feld und nichts. Ich sage zu Rolando: "Ich denke, bis wir ankommen, ist der Krieg zu Ende." Monarca antwortet: "Wir sind fast da."

Wir kommen endlich an. Der Teich befindet sich in einer Furt des Flusses, wo die Rinder durchwaten, und ist deshalb trüb und von Kuh- und Pferdemist umringt. Rolando und ich protestieren einhellig. Monarca verteidigt sich: "Gestern sah es nicht so aus." Ich sage: "Außerdem ist es jetzt kalt, ich glaube nicht, daß ich baden möchte." Rolando, dem sein Enthusiasmus während des Marsches vergangen ist, erinnert sich, daß Schmutz, wie Piporro das so schön ausdrückt, auch vor Kugeln schützt, also schließt er sich mir mit einem "Ich glaube ich auch nicht" an. Monarca rückt dann mit einer Rede über Pflichterfüllung und was weiß ich noch alles heraus, und sagt daß "Entbehrungen und Opfer keine Rolle spielen". Ich frage ihn was die Pflichterfüllung mit dem verdammten Teich zu tun hätte, und er versetzt mir dann einen Tiefschlag, indem er sagt: "Ah, ihr kneift also."

Das hätte er nicht sagen sollen. Rolando knirscht mit den Zähnen wie ein wütender Eber, während er seine Kleidung auszieht, und ich kaue auf meiner Pfeife herum, während ich mich bis auf meine "anderen gewöhnlichen persönlichen Details" ebenfalls ausziehe. Wir tauchen in das Wasser ein, mehr aus Stolz als aus Überzeugung. Wir baden irgendwie, aber der Schlamm richtet unsere Haare so zu, daß der radikalste Punker neidisch würde. José Luis kommt an und sagt: "Das Wasser ist ein Dreckloch." Roland und ich rufen ihm in Stereo zu: "Ah, du kneifst also." Und so steigt José Luis auch in den schlammigen Teich. Als wir herauskommen, merken wir, daß keiner etwas zum Abtrocknen mitgebracht hat. Rolando sagt: "Dann lassen wir uns eben vom Wind trocknen." Also ziehen wir nur unsere Stiefel und Pistolen an und machen uns auf den Rückweg, vollkommen nackt mit entblößten Kleinigkeiten und lassen uns von der Sonne trocknen.

Plötzlich gibt uns José Luis, der an der Spitze marschiert, einen Warnruf und sagt: "Da kommen Leute." Wir setzen unsere Skimasken auf und marschieren weiter. Es ist eine Gruppe Compañeras, die zum Fluß gehen, um ihre Kleidung zu waschen. Natürlich lachen sie, und eine sagt etwas in ihrer Sprache. Ich frage Monarca, ob er gehört hat, was sie gesagt haben, und er sagt: "Da geht der Sup." Hmm... ich glaube, sie haben mich an der Pfeife erkannt, denn ich habe ihnen ganz ehrlich nie einen Grund gegeben, mich anhand der "anderen gewöhnlichen persönlichen Details" zu erkennen.

Bevor wir zu den Baracken kommen, ziehen wir uns an, obwohl wir immer noch naß sind, denn wir wollen die Rebellen nicht beunruhigen. Sie benachrichtigen uns, daß die Komitees bereits zu Ende getagt haben. Jedes Caracol hat nun einen Namen:

Das Caracol von La Realidad der Tojolabal-, Tzeltal- und Mame-Zapatisten wird von nun an "Madre de los Caracoles del Mar de Nuestros Sueños [Mutter der Muscheln des Meeres unserer Träume] heißen, oder "S-NAN XOCH BAJ PAMAN JA TEZ WAYCHIMEL KU'UNTIC".

Das Caracol von Morelia der Tzeltal-, Tzotzil- und Tojolabal-Zapatisten wird von nun an "Torbellino de Nuestras Palabras" [Strudel unserer Worte] heißen, oder "MUC'UL PUY ZUTU'IK JU'UN JC'OPTIC".

Der Caracol von La Garrucha der Tzeltal-Zapatisten wird von nun an "Resistencia Hacia un Nuevo Amanecer" [Widerstand für einen Neuen Morgen] heißen, oder "TE PUY TAS MALIYEL YAS PAS YACH'IL SACAL QUINAL."

Das Caracol von Roberto Barrios der Chol-, Zoque- und Tzeltal-Zapatisten wird von nun an "El Caracol Que Habla Para Todos" [Die Muschel, die für alle spricht] heißen, oder "TE PUY YAX SCO'PJ YU'UN PISILTIC" (auf Tzeltal) und "PUY MUITIT'AN CHA 'AN TI LAK PEJTEL" (auf Chol).

Das Caracol von Oventik der Tzotziles und Tzeltales wird von nun an "Resistencia y Rebeldía Por la Humanidad" [Widerstand und Rebellion für die Menschlichkeit] heißen, oder "TA TZIKEL VOCOLIL XCHIUC JTOYBAILTIC SVENTA SLEKILAL SJUNUL BALUMIL".

An diesem Abend regnet es nicht, die Sonne kann problemlos hervorkommen und durchreist einen geraden Himmel zu ihrem Haus hinter dem Berg. Dann kommt der Mond heraus, und - so unglaublich es auch klingt -die Dämmerung erwärmte die Berge des mexikanischen Südostens.


Teil Vier:
Ein Plan

Die Zapatistischen Indigenen Gemeinden haben sich seit mehreren Jahren einem Prozeß zum Aufbau der Autonomie gewidmet. Für uns ist Autonomie keine Fragmentierung des Landes oder Separatismus, sondern die Ausübung des Rechtes zu regieren und uns selbst zu regieren, wie in Artikel 39 der politischen Verfassung der Vereinigten Mexikanischen Staaten verankert.

Vom Anbeginn unseres Aufstandes und schon lange davor haben wir zapatistischen Indígenas darauf bestanden, daß wir Mexikaner sind, aber auch Indígenas. Das heißt, wir fordern einen Platz innerhalb des mexikanischen Volkes, aber ohne aufzuhören zu sein wer wir sind.

Das angebliche zapatistische Projekt für eine "Maya Nation" existiert lediglich in den Papieren einiger der dämlichsten Militärs in der mexikanischen Bundesarmee, die wissen, daß der Krieg, den sie gegen uns führen, illegitim ist, und armselige Argumente verwenden, um ihre Truppen davon zu überzeugen, daß sie Mexiko verteidigen, indem sie uns angreifen. Die hohen Militärchefs und ihre Nachrichtendienste wissen jedoch, daß das Ziel der EZLN nicht die Abspaltung von Mexiko ist, sondern, wie die Initialen es schon sagen, die "Nationale Befreiung".

Das separatistische Projekt für den mexikanischen Südosten existiert andererseits tatsächlich, und zwar in der Implementierung der neoliberalen Doktrin auf unserem Gebiet, und es wird von der Bundesregierung geleitet. Der nun zum Untergang verurteilte " Plan Puebla - Panama " war nichts anderes als ein Plan zur Fragmentierung des Landes, in welchem dem mexikanischen Südosten die Funktion eines "Reservats" für das Weltkapital zugedacht wurde.

In diesem Fragmentierungsprojekt, das von der Regierung geleitet wird (das ist die wahre Agenda der politischen Parteien und der drei Bundesgewalten, nicht jene, die in der Presse erscheint), wird Mexiko in drei Teile gespalten: Der Norden mit seinen Staaten wird in den wirtschaftlichen und kommerziellen Rahmen der Amerikanischen Union einbezogen; das Zentrum, als Anbieter von Konsumenten mit mittlerer und hoher Kaufkraft, und der Süd-Südosten, als ein Territorium, das für die Aneignung der natürlichen Ressourcen erobert werden muß, die in der globalisierten Zerstörung immer wichtiger werden: Wasser, Luft und Land (Holz, Erdöl, Uran... und Menschen).

Einfach und lakonisch wie wir sind, würden wir sagen, daß es bei dem Plan darum geht, den Norden in eine große Maquila zu verwandeln, das Zentrum in ein gigantisches Einkaufszentrum und den Süd-Südosten in eine große Finca.

Aber Pläne auf dem Papier sind eine Sache, und die Realität ist etwas anderes. Die Gefräßigkeit des großen Kapitals, die Korruption der politischen Klasse, die Ineffizienz der öffentlichen Verwaltung, und der wachsende Widerstand von Gruppen, Kollektiven und Gemeinden haben die volle Implementierung des Planes verhindert. Und da, wo er in Angriff genommen werden konnte, demonstrierte er das Stehvermögen einer zittrigen Pappkulisse.

Da "Selbstmorde" für die Macht in der letzten Zeit so angesagt zu sein scheinen, gibt es kein besseres Konzept, um diesen Plan zu definieren, den Politiker und Geschäftsleute für unser Land haben: es ist ein Selbstmord.

Die Globalisierung des Kapitals setzt die Zerstörung des Nationalstaates voraus. Seit einiger Zeit ist der Nationalstaat (unter anderem) der Schützengraben gewesen, in den sich das lokale Kapital geflüchtet hat, um zu überleben und zu wachsen. Aber von diesem Schützengraben ist nur noch ein wenig Geröll übrig.

Auf dem Land haben kleine und mittlere Produzenten vor der großen Agro-Industrie kapituliert. Ihnen werden bald die großen nationalen Produzenten folgen. In den Städten vernichten die Einkaufszentren nicht nur kleine und mittlere Geschäfte, sondern verschlucken auch die großen nationalen Unternehmen. Gar nicht zu erwähnen die nationale Industrie, die sich bereits in den letzten Todeszuckungen befindet.

Als Antwort darauf ist die Strategie des Nationalkapitals naiv gewesen, wenn nicht gar idiotisch. Es warf auf allen Seiten des politischen Spektrums mit Geld um sich, um so zu gewährleisten (oder zumindest im Glauben es zu tun), daß es keine Rolle spielt, welche Partei regiert, da sie der Farbe des Geldes stets zu Diensten sein würde. Und so finanzieren große mexikanische Geschäftsleute die PRI, die PAN, und die PRD gleichermaßen, genau wie jede andere politische Partei, die im Intrigenspiel der Regierung und des Parlaments irgendeine Aussicht hat.

Auf ihren Treffen (wie in den Zeiten der Mafia in Nordamerika sind Hochzeiten grundsätzlich ein Vorwand für die großen Herren, um Abkommen zu unterzeichnen und Konflikte beizulegen) gratulieren sich die mexikanischen Señores gegenseitig. Sie haben die gesamte nationale politische Klasse auf der Gehaltliste.

Aber ich bedaure ihnen ein paar schlechte Nachrichten übermitteln zu müssen: Wie der nun verstummte Skandal um die "Amigos de Fox" demonstriert hat, stammt der Großteil des Geldes von einer anderen Seite. Wenn derjenige, der zahlt auch regiert, dann regiert der, der mehr zahlt auch mehr. Und so werden diese Politiker Gesetze erlassen, die mit den Schecks übereinstimmen, die sie erhalten. Früher oder später wird das große ausländische Kapital sich alles aneignen, angefangen mit dem Bankrott und dem Schlucken all derer, die das meiste besitzen. Und all dies unter dem Schutz der "Ad Hoc" Gesetze. Politiker sind jetzt und seit längerer Zeit gehorsame Angestellte dessen, der am meisten zahlt. Nationale Geschäftsleute liegen völlig falsch, wenn sie denken, daß sich das ausländische Kapital mit der Strom- und Erdölindustrie zufrieden geben wird. Die neue Weltmacht will alles. Und so wird vom nationalen Kapital nichts anderes übrigbleiben als Nostalgie, und, wenn sie Glück haben, ein paar niedrige Positionen im Direktorenvorstand.

Das sterbende nationale Kapital in seiner historischen Blindheit sieht jede Form der sozialen Organisation mit Schrecken. Die Häuser der reichen Mexikaner werden von komplizierten Sicherheitssysteme geschützt. Sie fürchten, daß die Hand, die ihnen alles wegnehmen wird, von unten kommt. Durch die Ausübung ihres Rechtes auf Schizophrenie enthüllen reiche Mexikaner nicht nur die Quelle ihres Reichtums, sondern auch ihre eigene Kurzsichtigkeit. Sie werden beraubt, ja, aber nicht durch die unwahrscheinliche Wut der Massen, sondern durch eine Gier, die noch größer ist als ihre: durch jene, die dort reich sind, wo der Reichtum ist. Ihr Unglück wird nicht über sie hereinbrechen, indem es die großen Paläste in der Dämmerung überfällt, sondern es wird durch die Vordertür während der Öffnungszeiten hereinspazieren. Der Dieb wird nicht das Antlitz des Mittellosen tragen, sondern das des reichen Bankiers.

Diejenigen, die den Slim, den Zambranos, den Los Romo, den Salinas Pliegos, den Azcárragas, den Salinas de Gortaris, und den anderen Familiennamen aus dem limitierten Universum der reichen Mexikaner alles wegnehmen werden, sprechen kein Tzeltal, Tzotzil, Chol oder Tojolabal, und sie haben keine dunkle Hautfarbe. Sie sprechen Englisch, ihre Hautfarbe ist das Grün des Geldes, sie haben an ausländischen Universitäten studiert, und sie sind Diebe mit kultivierten Manieren.

Deshalb werden ihnen Armeen und Polizeikräfte nichts nützen. Sie bereiten sich vor und verbarrikadieren sich, um gegen Rebellenstreitkräfte zu kämpfen, aber ihr größter Feind, der Feind, der sie vollkommen vernichten wird, praktiziert die gleiche Ideologie wie sie: den ungezügelten Kapitalismus.

Die traditionelle politische Klasse ihrerseits ist bereits dabei, ersetzt zu werden. Wenn der Staat als ein Unternehmen betrachtet wird, wird es besser von Managern als von Politiker regiert. Und in dem "Nationalstaat.com" Neo-Business, hat die Kunst der Politik keinen Nutzen.

Die Politiker von gestern haben nun begriffen, daß sie sich in ihren jeweiligen regionalen oder lokalen Schützengräben selbst in die Falle begeben. Der neoliberale Hurrikan wird sie auch dort finden.
Inzwischen wird das nationale Kapital weiterhin seine prächtigen Feste feiern. Und vielleicht werden sie nie begreifen, daß einer ihrer Gäste auch ihr Totengräber sein wird.

Deshalb warten jene von uns, die sich die Verteidigung des Nationalstaates durch die nationalen Geschäftsleute, Politiker oder die "Institutionen der Republik" erhoffen, vergeblich. Sie alle haben sich am Hologramm der Nationalmacht berauscht, und sie begreifen nicht, daß sie bald aus ihrem Palast hinausgeworfen werden.

Wir, die Zapatisten, haben gelegentlich von dem sogenannten "Plan Puebla - Panama" gesprochen, als ob er bereits gescheitert sei. Dies geschah aus mehreren Gründen.

Zum einen ist der Plan bereits unterminiert worden, und auch die Versuche, ihn zu implementieren werden nichts erreichen, außer die sozialen Aufstände zu verschlimmern.

Zum anderen erwartet der Plan von uns zu akzeptieren, daß alles bereits im Norden und im Zentrum des Landes beschlossen worden ist, und daß es keinen Widerstand dagegen gibt. Das ist falsch. Die Routen des Widerstandes und der Rebellion durchziehen das gesamte nationale Territorium, und tauchen auch dort auf, wo die Modernität scheinbar vollkommen triumphiert hat.

Ein weiterer Grund ist, daß zumindest in den Bergen des mexikanischen Südostens die Implementierung unter keinen Umständen zugelassen werden wird.

Wir haben nichts dagegen, wenn Derbez und Taylor weiterhin Unternehmer mit dem Plan ködern oder ein paar Beamte sich ihr Gehalt mit der Arbeit für eine Leiche verdienen. Wir haben unsere Pflicht erfüllt, indem wir sie darüber in Kenntnis gesetzt haben, und jeder kann glauben, was er will.

Der Hauptplan der Regierung ist nicht der " Plan Puebla - Panama ". Der dient nur dazu, einen Teil der Staatbürokratie zu unterhalten, und dazu daß nationale Unternehmer auf die Idee hereinfallen, daß die Regierung etwas tut oder tun wird, um die Wirtschaftslage zu verbessern.

Der Hauptplan des Präsidentenpaars andererseits beinhaltet etwas völlig anderes als den "PPP": die Auflösung aller bereits geschwächten Schutzmittel der nationalen Wirtschaft, die damit vollkommen dem globalisierten Chaos ausgeliefert wird, während die brutale Auswirkung eines Weltkrieges, der bereits mehrere Nationen verwüstet hat, mittels Predigten und Almosen ein bißchen gemindert wird.

Wenn Carlos Salinas de Gortaris Regierungsplan das "PRONASOL" gewesen ist (man erinnere sich, daß die "Solidaritätspartei" damals bereits dabei war, sich zu formieren), dann ist es für Fox die "Vamos Mexico Stiftung" ("Auf geht's Mexiko"), die von Martha Sahagún de Fox geleitet wird. "PRONASOL" war nichts anderes als institutionalisierte Almosen. "Vamos Mexico" haftet hinzu noch ein strenger Gestank nach ranzigem Klatsch an.

Regierungspläne sind gemeinhin kompliziert und grandios, aber das einzige, was die vielen Worte verbergen, sind die hohen Gehälter ihrer Funktionäre. Diese Pläne dienen nur dazu, Büros einzurichten, Pressekommuniques zu veröffentlichen und den Eindruck zu erwecken, daß etwas für die Menschen getan wird.

Jene, die regierend regieren, haben vergessen, daß die Stärke eines guten Planes darin liegt, einfach zu sein.

Und so, als Antwort auf den "Plan Puebla - Panama" insbesondere und auf alle globalen Pläne für die Fragmentierung Mexikos im allgemeinen, lanciert die Zapatistische Armee der Nationalen Befreiung hiermit den "Plan La Realidad - Tijuana" (oder "RealiTi").

Der Plan beinhaltet die Vernetzung allen Widerstandes in unserem Land und damit einhergehend den Wiederaufbau Mexikos von unten. Es gibt Männer, Frauen, Kinder und alte Menschen in allen Bundesstaaten, die sich nicht ergeben, und die, obwohl sie ungenannt bleiben, für Demokratie, Freiheit und Gerechtigkeit kämpfen. Unser Plan sieht vor, mit ihnen zu sprechen und ihnen zuzuhören.

Der "La Realidad-Tijuana" Plan hat kein Budget oder Beamte oder Büros. Er hat nur diese Leute, die an ihrem Ort, in ihrer Zeit und auf ihre Art, der Enteignung Widerstand leisten, und die sich erinnern, daß die Heimat kein Geschäft mit Filialen ist, sondern eine gemeinsame Geschichte. Und Geschichte ist nicht einfach nur Vergangenheit. Sie ist auch und vor allem die Zukunft.

Wie in dem Corrido vom Weißen Pferd, aber in Schatten-Licht und am Sonntag von La Realidad aufbrechend (und nicht aus Guadalajara), wird das zapatistische Wort und Ohr das gesamte nationale Gebiet durchkreuzen, von Cancun und Tapachula, nach Matamoros und La Paz, es wird in Tijuana bei Tageslicht ankommen, es wird Rosarito passieren, und es wird nicht ruhen, bis es Ensenada sieht.

Aber nicht nur das. Da es unser bescheidenes Ziel ist, auf irgendeine Weise zum Aufbau einer Welt, in die viele Welten passen, beizutragen, haben wir auch einen Plan für die fünf Kontinente.

Für den nordamerikanischen Kontinent haben wir den "Morelia - Nordpol Plan," der die Amerikanische Union und Kanada mit einschließt.

Für Mittelamerika, die Karibik und Südamerika haben wir den "La Garrucha - Tierra del Fuego Plan."

Für Europa und Afrika haben wir den "Oventik - Moskau Plan" (eine Reise in den Osten, die durch Cancun führt, in diesem September).

Für Asien und Ozeanien haben wir den "Roberto Barrios - Neu Delhi Plan" (eine Reise in den Westen).

Der Plan für die fünf Kontinente beinhaltet das gleiche: den Kampf gegen den Neoliberalismus und für die Menschlichkeit.

Und wir haben auch einen Plan für die Galaxien, aber wissen noch nicht wie wir ihn nennen sollen ("Erde - Alpha Centauri Plan"?). Unser intergalaktischer Plan ist genauso einfach wie die letzten, und beinhaltet, grob ausgedrückt, sich nicht dessen schämen zu müssen, sich als "menschliches Wesen" zu bezeichnen.

Es ist offensichtlich, daß unsere Pläne mehrere Vorteile haben: sie belasten nicht, sie haben keine Direktoren und können ausgeführt werden, ohne Bändchen durchzuschneiden, ohne langweilige Zeremonien, ohne Statuen und ohne daß die Musikgruppe ihren Wunsch das Stück zu spielen unterdrücken müßte - nun zum Rhythmus der Cumbia, und während die Angesehenen das Tanzbein schwingen - das ungefähr so läuft: "Der Horizont ist nun zu sehen..."

PS: Da wir gerade von üblen Plänen reden, an diesem 25. Juli werden es neun Jahre her sein, seit dem Angriff auf die Karawane des damaligen Kandidaten für das Gouverneursamt von Chiapas, Amado Avendaño Figueroa, bei dem die Sozialaktivisten Agustín Rubio, Ernesto Fonseca und Rigoberto Mauricio ihr Leben verloren. Für Gerechtigkeit wurde immer noch nicht gesorgt. Ich weiß nicht, wie's Ihnen geht, aber wir haben nicht vergessen.


Teil Fünf:
Eine Geschichte

Die Geschichte der zapatistischen Autonomen Bezirke in Rebellion ist relativ jung, sie ist etwa sieben Jahre alt und geht auf die acht zu. Obwohl sie zu der Zeit ausgerufen wurden, als die Belagerung vom Dezember 1994 durchbrochen wurde, brauchten die zapatistischen Autonomen Bezirke in Rebellion (MAREZ) noch eine Weile bis zu ihrer Verwirklichung.

Heute ist die Ausübung der indigenen Autonomie auf zapatistischem Gebiet Realität, und wir sind stolz darauf sagen zu können, daß dies von den Gemeinden selbst bewerkstelligt worden ist. Die EZLN war an diesem Prozeß nur insoweit beteiligt, um zu begleiten und bei Konflikten und Abweichungen zu intervenieren. Deshalb hatten die EZLN und die Autonomen Bezirke auch verschiedene Sprecher. Die Autonomen Bezirke selbst kommunizierten ihre Denuncias, Gesuche, Abkommen, "Partnerschaften" (nicht wenige zapatistischen Autonomen Bezirke unterhalten Beziehungen zu Bezirken in anderen Ländern, vor allem in Italien) direkt. Wenn die Autonomen nun die EZLN ersucht haben, die Pflichten eines Sprechers zu erfüllen, dann deshalb, weil sie eine höhere Stufe der Entwicklung erreicht haben, und aufgrund ihrer Erweiterung Ankündigungen nicht mehr nur in den Wirkungsbereich eines einzigen oder mehrerer Bezirke fallen. Das ist der Grund für die Einigung, daß die EZLN diese aktuellen Änderungen bekannt machen würde.

Die Probleme der autonomen Autoritäten in der vergangenen Periode können in zwei Kategorien geteilt werden: jene, die ihre Beziehung zur nationalen und internationalen Zivilgesellschaft betreffen, und jene, die mit der Selbstregierung zu tun haben, das heißt mit ihren Beziehungen zu zapatistischen und nicht-zapatistischen Gemeinden.

In der Beziehung mit der nationalen und internationalen Zivilgesellschaft war das primäre Problem eine ungleiche Entwicklung der Autonomen Bezirke oder der dazugehörigen Gemeinden und sogar der dort wohnenden zapatistischen Familien. Die bekanntesten Autonomen Bezirke (wie die Sitze der nun toten Aguascalientes oder die zentral gelegensten (näher an urbanen Zentren oder mit Verkehrsverbindungen) erhielten mehr Projekte und Unterstützung. Das gleiche passierte mit den Gemeinden. Die bekanntesten und die nahe der Autobahn erhalten mehr Aufmerksamkeit seitens der "Zivilgesellschaften".

Was die zapatistischen Familien angeht, geschieht es, wenn Angehörige der Zivilgesellschaft die Gemeinde besuchen oder an Projekten arbeiten oder Friedenscamps aufstellen, daß sie normalerweise besondere Beziehungen zu einer oder mehreren Familien in der Gemeinde aufbauen. Diese Familien haben dann natürlich Vorteile - Aufträge, Geschenke oder besondere Aufmerksamkeit - gegenüber den anderen, auch wenn sie alle Zapatisten sind. Auch für diejenigen, die wegen der Position, die sie in der Gemeinde, dem Autonomen Bezirk, der Region oder der Gegend einnehmen, mit der Zivilgesellschaft interagieren, ist es nicht ungewöhnlich besondere Aufmerksamkeit und Geschenke zu erhalten, was dann in der übrigen Gemeinde zu Gerede führt und nicht dem zapatistischen Grundsatz von "jedem nach seinen Bedürfnissen" folgt.

Ich sollte klarmachen, daß dies keine schlechte Beziehung ist, auch nicht das, was jemand stolz als "gutgemeinte Aufstandsbekämpfung" bezeichnen würde, sondern etwas völlig Natürliches in zwischenmenschlichen Beziehungen. Es kann jedoch zu Ungleichgewichten im Leben der Gemeinden führen, wenn diese privilegierte Aufmerksamkeit nicht ausbalanciert wird.

Was die Beziehung mit den zapatistischen Gemeinden angeht, wurde das "gehorchende Regieren" ohne Unterschied angewendet. Die Autoritäten müssen dafür sorgen, daß die Entscheidungen der Gemeinde ausgeführt werden, ihre Beschlüsse müssen regelmäßig berichtet werden, und das kollektive "Gewicht", zusammen mit der "Mundpropaganda", die in allen Gemeinden funktioniert, wird zu einer Art Kontrolle, die nur schwer zu umgehen ist. Doch auch so ist es vorgekommen, daß Personen es schafften, dies zu umgehen und korrupt wurden, aber das geht nicht sehr weit. Es ist unmöglich, unrechtmäßige Bereicherung in den Gemeinden zu verbergen. Der Schuldige wird mit Gemeindearbeit bestraft und muß der Gemeinde wiedererstatten, was er unrechtmäßig entwendet hat.

Wenn eine Autorität falsch läuft, wenn sie korrupt wird, oder wie wir es lokal ausdrücken "ein Drückeberger ist", werden sie abgesetzt und durch eine neue Autorität ersetzt. In den zapatistischen Gemeinden wird die Position einer Autorität nicht entlohnt (in der Zeit, in der man als Autorität dient, hilft die Gemeinde dabei, einen zu unterstützen). Sie wird als Arbeit im kollektiven Interesse betrachtet und rotiert. Sie wird einem nicht selten von der Gemeinde aufgedrückt, als Strafe für die Laxheit oder Gleichgültigkeit eines Gemeindemitglieds, wie zum Beispiel, wenn jemand viele Gemeindetreffen verpaßt, dann wird er bestraft, indem man ihm die Position des Bezirks- oder Ejidobeauftragten überträgt.

Diese "Form" der Selbstregierung (von der ich nur eine skizzenhafte Zusammenfassung wiedergebe) ist nicht eine Erfindung oder ein Beitrag der EZLN. Sie kommt aus viel älteren Zeiten. Als die EZLN geboren wurde, war sie schon seit längerer Zeit in Betrieb, wenn auch nur auf der Ebene der einzelnen Gemeinden.

Erst wegen des enormen Zuwachses der EZLN (wie ich bereits erklärte, geschah dies Ende der 80er Jahre), ging diese Praxis von der lokalen zur regionalen Ebene über. Sie funktionierte mit Verantwortlichen für das Lokale (das heißt, die Verantwortlichen für die Organisation in jeder Gemeinde), das Regionale (eine Gruppe von Gemeinden) und für eine Zone (eine Gruppe von Regionen), und die EZLN sorgte dafür, daß jene, die ihren Pflichten nicht nachkamen, naturgemäß durch andere ersetzt wurden. Obwohl hierbei, da es sich um eine politisch-militärische Organisation handelt, das Kommando die endgültige Entscheidung trifft.

Was ich damit meine ist, daß die Militärstruktur der EZLN irgendwie eine Tradition von Demokratie und Selbstregierung "kontaminiert" hat. Die EZLN war gewissermaßen eines der "undemokratischen" Elemente in einer Beziehung der direkten Gemeindedemokratie (ein weiteres anti-demokratisches Element ist die Kirche, aber das ist Stoff für einen anderen Text).

Als die Autonomen Bezirke ihre Arbeit aufnahmen, bewegte sich die Selbstregierung nicht nur von der lokalen zur regionalen Ebene, sie erhob sich auch aus dem "Schatten" der Militärstruktur. Die EZLN interveniert nicht bei der Ernennung oder Absetzung autonomer Autoritäten und hat sich damit begnügt, darauf hinzuweisen, daß die EZLN aus Prinzip nicht um die Machtergreifung kämpft, daß kein Angehöriger des Militärkommandos oder Mitglied des Geheimen Revolutionären Indigenen Komitees eine Autoritätsstellung in den Gemeinden oder Autonomen Bezirken einnehmen kann. Wenn sich jemand entschließt, sich an den autonomen Regierungen zu beteiligen, muß er von seiner organisatorischen Position in der EZLN zurücktreten.

Ich werde nicht ausführlich auf die Arbeit der Autonomen Räte eingehen. Sie haben ihre eigenen Methoden vorzugehen ("ihre Art", wie wir das sagen) und es gibt nicht wenige Zeugen (nationale und internationale, die sie bei der Arbeit gesehen haben und mit ihnen direkt zusammenarbeiten).

Ich möchte jedoch nicht den Eindruck erwecken, daß es etwas Vollkommenes wäre oder daß es idealisiert werden sollte. Das "gehorchend Regieren" in den zapatistischen Gebieten ist eine Tendenz, und nicht von Aufs und Abs, Widersprüchen und Irrtümern ausgenommen, aber es ist eine dominante Tendenz. Ihre Fähigkeit, unter Bedingungen von Verfolgung, Zusetzung und Armut wie selten zuvor in der Geschichte der Welt zu überleben, spricht dafür, daß sie den Gemeinden genützt hat. Zusätzlich schafften es die autonomen Räte mit der fundamentalen Unterstützung der Zivilgesellschaft, eine kolossale Arbeit voranzubringen: den Aufbau der materiellen Voraussetzungen für den Widerstand.

Mit der Regierung eines Gebietes in Rebellion beauftragt, das heißt, ohne jede institutionelle Unterstützung und ständiger Verfolgung und Zusetzungen ausgesetzt, konzentrierten die autonomen Räte ihre Bemühungen auf zwei fundamentale Aspekte: Gesundheitsfürsorge und Schulbildung.

Bei der Gesundheitsfürsorge haben sie sich nicht darauf beschränkt, Kliniken und Apotheken zu bauen (immer mit der Hilfe der Zivilgesellschaften, nicht zu vergessen). Sie bildeten auch Gesundheitsarbeiter aus und führen Kampagnen für Gesundheit in den Gemeinden und zur Vorbeugung von Krankheiten durch.

Wegen einer dieser Kampagnen stand ich einmal kurz davor, in der Versammlung gerügt zu werden (ich weiß nicht, ob Sie wissen wie es ist, in einer Versammlung gerügt zu werden, aber wenn nicht, dann reicht es, wenn ich Ihnen sage, daß es in der Hölle so ähnlich zugehen muß) und in der Gemeinde "angesehen" zu werden (die Leute "sehen" einen an, aber mit diesem Blick, der einen zum Zittern bringt, kurzum, ein Purgatorium). Ich kam zufällig nach La Realidad und verbrachte die Nacht in einer der Hütten, die die Compas für solche Fälle bereithalten. Das "Gesundheitskomitee" der Gemeinde machte gerade die Runde und überprüfte die Latrinen in jedem Haus (es war beschlossen worden, daß die Latrinen regelmäßig mit Kalk oder Asche zugedeckt werden mußten, um der Verbreitung von Krankheiten vorzubeugen). Unsere Latrine hatte natürlich weder Kalk noch Asche. Das "Gesundheitskomitee" sagte mir freundlich "Compañero Subcomandante Insurgente Marcos, wir überprüfen die Latrinen gemäß des Beschlusses unserer Gemeinde, und Ihre Latrine hat weder Kalk noch Asche, also werden Sie das nachfüllen, und wir kommen morgen wieder vorbei, um zu sehen, ob es ausgeführt wurde."
Ich fing an, etwas über die Reise zu stammeln, mein lahmes Pferd, die Kommuniques, Militärmanöver, die Paramilitärs und ich weiß nicht, was noch alles. Das "Gesundheitskomitee" hörte geduldig zu, bis ich aufgehört hatte zu sprechen, und sagte dann nur "Das wäre alles, Compañero Subcomandante Insurgente Marcos." Als das "Gesundheitskomitee" am nächsten Tag vorbeikam, hatte die Latrine natürlich Asche, Kalk und Sand, bloß keinen Zement, aber das nur, weil ich keinen auftreiben konnte, um die Latrine für immer zu versiegeln...

Was die Schulbildung betrifft - in Gebieten, wo es weder Schulen, geschweige denn Lehrer gegeben hat - bauten die Autonomen Räte (mit Hilfe der Zivilgesellschaft, wie ich es nie müde werde zu erinnern) Schulen, bildeten Bildungspromotoren aus, und in einigen Fällen entwarfen sie ihren eigenen Lehrplan. Alphabetisierungs- und Textbücher werden von "Schulkomitees" und den Promotores zusammengestellt, die sich auf diesem Gebiet auskennen, begleitet von der "Zivilgesellschaft".
In einigen Gegenden (nicht in allen, das stimmt), haben sie es geschafft, daß Mädchen - denen Schulbildung traditionell vorenthalten wurde - die Schule besuchen. Obwohl sie inzwischen durchgesetzt haben, daß Frauen nicht mehr verkauft werden, sondern sich ihren Lebensgefährten selbst aussuchen können, existiert das, was Feministen als "Geschlechterdiskriminierung" bezeichnen, weiterhin auf zapatistischem Gebiet. Die "Revolutionären Frauengesetze" haben noch einen langen Weg vor sich bis zu ihrer völligen Umsetzung.

Um weiter über die Schulbildung zu reden: An einigen Orten haben die zapatistischen Basen Abmachungen mit Lehrern der demokratischen Sektion der Lehrergewerkschaft (das sind die, die nicht zu Gordillo gehören) geschlossen, daß sie keine Aufstandsbekämpfungsarbeit mehr betreiben und den Lehrplan, der von den Autonomen Räten empfohlen wird, respektieren. Im Grunde Zapatisten haben diese demokratischen Lehrer die Abmachung akzeptiert und eingehalten.

Weder die Gesundheits- noch die Bildungsdienste erfassen alle zapatistischen Gemeinden, das stimmt. Aber eine große Anzahl davon, die Mehrzahl, haben nun die Möglichkeit, an Medikamente zu kommen, wegen einer Krankheit behandelt zu werden oder im Krankheitsfall oder im Falle eines schweren Unfalls ein Fahrzeug zur Verfügung zu haben, das sie in die Stadt fährt. Die Alphabetisierung und die Grundschulbildung sind nicht gerade weit verbreitet, aber eine Region hat bereits eine autonome weiterführende Schule, an der zufällig gerade eine neue Generation den Abschluß gemacht hat, die aus Männern und, oho, indigenen Frauen besteht.

Vor einigen Tagen zeigten sie mir ihre Diplome und Abschlußzeugnisse der Autonomen Zapatistischen Weiterführenden Schule in Rebellion. Meiner bescheidenen Meinung nach hätten sie aus Kaugummi gemacht werden sollen, denn ganz obenauf steht "EZLN. Zapatistische Armee der Nationalen Befreiung" und darunter (auf Spanisch und Tzotzil) "Das Rebellische Autonome Zapatistische Schulsystem der Nationalen Befreiung (das bezieht sich auf ihre Arbeit im Hochland, denn es gibt andere Schulsysteme in anderen Gegenden) bestätigt hiermit, daß der/die Student/in so-und-so die drei Stufen der Autonomen Weiterführenden Schule zufriedenstellend abgeschlossen hat, gemäß den zapatistischen Plänen und Programmen der ESRAZ, Escuela Secundaria Rebelde Autónoma Zapatista (Rebellische Autonome Zapatistische Weiterführende Schule) "Primero de Enero de 1994", mit einem Durchschnitt von __ . Daher erkennt unser Schulsystem seine/ihre Bemühungen und Beiträge im Widerstandskampf an, und lädt ihn/sie ein, mit unseren Völkern zu teilen, was das Volk ihm/ihr vermittelt hat". Und dann heißt es weiter "Für eine befreiende Schulbildung! Für eine wissenschaftliche und populäre Schulbildung! Ich stelle mich in den Dienst meines Volkes."
Und so wird der Student im Fall einer Verfolgung nicht nur nicht in der Lage sein, dieses Zeugnis vorzuzeigen, er wird es sogar aufessen müssen, deshalb sollte es besser aus Kaugummi sein.
Dann gibt es da auch noch den Notenbericht (der unter "Anerkennung" geführt wird), und da kann man die einzelnen Fächer nachlesen (in Wirklichkeit sind es keine Fächer, sondern "áreas" - Studiengebiete), die abgeschlossen wurden: Humanismus, Sport, Kunst, Realitätsbetrachtung, Sozialwissenschaften, Naturwissenschaften, Studium der Muttersprache, Kommunikation, Mathematik und Gemeindedienste und Produktion. Es gibt nur zwei Bewertungen: "A" ("área aprobada" - "Studiengebiet bestanden") und "ANA" ("área no aprobada" - "Studiengebiet nicht bestanden"). Ich weiß, daß alle "Anas" der Welt jetzt beleidigt sein werden, aber da kann ich nichts machen, denn wie ich das schon sagte, Autonomien sind Autonomien .

Schulbildung ist gebührenfrei, und die "Schulkomitees" nehmen große Anstrengungen auf sich (ich wiederhole: mit Hilfe der Zivilgesellschaft), damit jeder Student seinen eigenen Notizblock und seinen eigenen Kugelschreiber hat, ohne dafür zahlen zu müssen.

Bei der Gesundheitsfürsorge bemüht man sich, sie ebenfalls gebührenfrei zu halten. In einigen zapatistischen Kliniken müssen die Compañeros nichts mehr zahlen, weder für die Untersuchung, noch für die Medikamente, noch für die Operation (wenn sie notwendig ist und unter unseren Bedingungen durchgeführt werden kann), und in den anderen werden nur Medikamentskosten erhoben, aber nicht für die Untersuchung oder die medizinische Behandlung. Unsere Kliniken funktionieren mit der Hilfe und der direkten Beteiligung von Spezialisten, Chirurgen, Doktoren und Krankenschwestern aus der nationalen und internationalen Zivilgesellschaft, sowie Medizin- und Odontologiestudenten und Assistenten der UNAM, der UAM und anderer Institutionen der höheren Bildung. Sie verlangen keinen Peso und nicht selten zahlen sie die Gebühren aus eigener Tasche.

Ich weiß, daß einige von Ihnen denken werden, das hier hört sich langsam wie ein Regierungsbericht an, und das einzige, was noch fehlt, ist daß ich sage "die Zahl der Armen ist gesunken" oder irgendein anderer "Foxismus", aber nein, die Zahl der Armen hier ist gewachsen, da die Zahl der Zapatisten gewachsen ist, und das eine geht mit dem anderen einher.

Deshalb möchte ich betonen, daß all dies in Bedingungen extremer Armut, Kürzungen, unter technischen und informellen Beschränkungen stattfindet, zusätzlich zu der Tatsache, daß die Regierung alles in ihre Macht stehende tut, um diese Projekte, die aus anderen Länder kommen, zu blockieren.

Vor kurzem unterhielt ich mich mit einigen Angehörigen der Zivilgesellschaft über das, was sie durchmachen mußten, um einen Gefrierschrank zu beschaffen, der mit Solarenergie betrieben wird. Bei dem Projekt ging es um die Impfung von Kindern, aber die meisten Gemeinden haben keinen Strom, oder wenn sie ihn haben, dann haben sie keinen Kühlschrank. Mit diesem Gefrierschrank konnte das Serum für die Impfungen bis zu deren Verabreichung aufbewahrt werden. Schön, aber um den Gefrierschrank bringen zu können, mußten sie eine Unzahl bürokratischer Prozeduren durchlaufen, und wie sie herausfanden, war die einzige Organisation, die das Benötigte schnell aus dem Ausland beschaffen konnte, die "Vamos Mexico Stiftung" von Martha Sahagún de Fox. Natürlich ließen sie sich auf diese Werbeagentur nicht ein. Sie erledigten alle Prozeduren und der Gefrierschrank wird installiert werden, auch wenn das später sein wird als geplant, und es wird Impfungen geben.

Neben Schulbildung und Gesundheitsfürsorge kümmern sich die Autonomen Räte auch um Probleme, um Land, Arbeit und Handel, wo sie kleine Fortschritte machen. Sie kümmern sich auch um Wohn- und Ernährungsfragen. Wir stecken noch in den Kinderschuhen. Am besten läuft es im Bereich von Kultur und Information. Im Kulturbereich werden vor allem die Verteidigung der Sprache und der kulturellen Traditionen gefördert.
Im Bereich der Information werden Nachrichten in den Lokalsprachen durch verschiedene zapatistische Radiostationen übertragen. Regelmäßig werden, in Abwechslung mit Musik aller Art, Botschaften gesendet, die empfehlen, daß Männer Frauen respektieren, und die Frauen aufrufen, sich zu organisieren und Respekt für ihre Rechte einzufordern. Und auch wenn das nicht viel ist, aber unsere Berichterstattung über den Irakkrieg war der von CNN haushoch überlegen (was streng genommen nicht allzu viel zu sagen hat).

Die Autonomen Räte sorgen auch für Rechtsprechung. Die Ergebnisse sind erratisch. In einigen Orten (in San Andres Sacamch'en de los Pobres zum Beispiel) wenden sich sogar die PRIistas an die autonomen Autoritäten, denn wie sie sagen: "Sie kümmern sich um das Problem und lösen es". Anderswo gibt es, wie ich jetzt darlegen werde, Probleme.

Wenn die Beziehung zwischen den Autonomen Räten und den Gemeinden voller Widersprüche steckt, dann wurde die Beziehung zu den nicht-zapatistischen Gemeinden von ständigen Reibungen und Konfrontationen beherrscht.

In den Büros der Nichtregierungs- Menschenrechtsorganisationen (und der Comandancia der EZLN) gibt es eine stattliche Anzahl von Denuncias gegen Zapatisten wegen vermeintlicher Menschenrechtsverletzungen, Ungerechtigkeiten und Akten der Willkür. Die Denuncias, die an die Comandancia gehen, werden den Gemeinden in der Region übergeben, um den Wahrheitsgehalt zu überprüfen, und wenn die Ergebnisse positiv sind, das Problem zu lösen, die Konfliktparteien zusammenzubringen und eine Einigung zu erzielen.

Aber bei den Menschenrechtsorganisationen herrschen Zweifel und Verwirrung, da niemals genau definiert worden ist, an wen sie sich richten sollen. An die EZLN oder an die Autonomen Räte?

Und sie haben recht (die Menschenrechtverteidiger), weil es in dieser Hinsicht keine Klarheit gibt. Es gibt auch das Problem der Unterscheidung zwischen dem offiziellen Gesetz und den "Sitten und Gebräuchen" (wie die Juristen das nennen) oder dem "Pfad des guten Denkens" (wie wir das nennen). Die Lösung des letzteren Problems obliegt jenen, die die Verteidigung der Menschenrechte zu ihrem Leben gemacht haben. Oder, wie im Fall von Digna Ochoa (die von der Sonderbeauftragten der Staatsanwaltschaft lediglich als Büroangestellte betrachtet wurde - als ob eine Büroangestellte weniger wert wäre - aber die eine Verteidigerin der politisch Verfolgten war und ist), zu ihrem Tod. Was die Definition der Frage, an wen man die Denuncias adressieren muß angeht, dafür sind die Zapatisten verantwortlich. Es wird bald bekannt gegeben werden, wie sie versuchen werden, das zu lösen.

Kurzum, die indigene Autonomie in den zapatistischen Gebieten steht nicht wenigen Problemen gegenüber. Im Versuch einige davon zu lösen, wurden wichtige Änderungen in ihrer Struktur und Arbeitsweise vorgenommen. Aber davon werde ich Ihnen später erzählen. Jetzt möchte ich Ihnen einen kurzen Überblick darüber vermitteln, was wir im Augenblick tun.

Diese lange Erklärung ist deswegen nötig, weil die indigene Autonomie nicht das Werk von Zapatisten alleine gewesen ist. Wenn der Prozeß von den Gemeinden selbst geführt worden ist, so erfolgte seine Realisierung mit der Unterstützung vieler anderer Männer und Frauen.

Wenn der Aufstand vom 1. Januar 1994 wegen der verschwörerischen Mittäterschaft Tausender Indígenas möglich war, so wurde der Aufbau der Autonomie in den Rebellengebieten durch die Mittäterschaft Hunderttausender Personen verschiedener Hautfarben, Nationalitäten, Kulturen und Sprachen, kurzum, verschiedener Welten ermöglicht.

Mit ihrer Hilfe ermöglichten sie (das Gute - für das Schlechte sind wir allein verantwortlich), nicht die Resolution der Forderungen der zapatistischen Indígenas in Rebellion, sondern daß sie ihre Lebensbedingungen ein bißchen verbessern konnten, und vor allem, daß sie überleben und eine weitere, vielleicht die kleinste, Alternative erstehen lassen konnten, gegenüber einer Welt, die alle "Anderen" ausschließt, das heißt, Indígenas, Jugendliche, Frauen, Kinder, Migranten, Arbeiter, Campesinos, Taxifahrer, Ladenbesitzer, Arbeitslose, Homosexuelle, Lesbierinnen, Transsexuelle, engagierte und ehrliche religiöse Personen, Künstler und progressive Intellektuelle und _____________ (Fehlendes bitte eintragen)

Es sollte auch für sie alle ein Diplom geben (und für jene, die nicht sie sind), auf dem steht: "die Zapatistische Armee der Nationalen Befreiung und die Zapatistischen Indigenen Gemeinden in Rebellion bestätigen, daß _____________ (Name des besagten Komplizen) unser/e Bruder/Schwester ist, und er/sie in diesem Land und mit uns ein Herz von der Farbe der Dämmerung als Heim, Würde als Nahrung, Rebellion als Fahne hat und für morgen eine Welt, in die viele Welten passen. Erstellt auf zapatistischem Gebiet und unter zapatistischem Himmel, an dem und dem Tag und in dem und dem Monat des Jahres, etcetera." Und es wäre von allen Zapatisten unterzeichnet, die wissen wie es geht, und die, die es nicht wissen, würden ihr Zeichen darunter setzen. Und ich würde in eine Ecke schreiben: Aus den Bergen des mexikanischen Südostens. Subcomandante Insurgente Marcos


Teil Sechs:
Eine Gute Regierung

In jedem der fünf "Caracoles", die auf dem Rebellengebiet eingerichtet werden, arbeiten sie auf Hochgeschwindigkeit, damit alles fertig wird (nun, wie ein Compa Komiteemitglied mir sagte: "Es wird ein bißchen fertig sein, nicht ganz fertig, aber ein bißchen genug"). Mit mehr Enthusiasmus als Weisheit bauen sie, streichen sie Gebäude an, putzen, richten auf, ordnen um. Ein ständiges Hämmern-Sägen-Graben-Pflanzen erschallt in den Bergen des südöstlichen Mexikos, währen die dazugehörige Hintergrundsmusik von Ort zu Ort variiert. Einmal sind es zum Beispiel "Los Bukis" und "Los Temerarios." Anderswo "Los Tigres del Norte" und "El Dueto Castillo." Dort drüben "Filiberto Remigio," "Los Nakos," "Gabino Palomares," "Oscar Chávez." In dieser Richtung "Maderas Rebeldes" (eine zapatistische Gruppe, die überraschenderweise die lokale "Hitparade" gestürmt haben - aber ich bin mir nicht im klaren, ob nach oben oder nach unten).

Und in jedem Caracol ist ein neues Gebäude zu erkennen, das "Casa de la Junta de Buen Gobierno" [Haus des Vorstandes der Guten Regierung]. So wie es aussieht, wird es in jeder Region eine "Junta der Guten Regierung" geben, und das erfordert eine organisatorische Anstrengung seitens der Gemeinden, nicht nur, um die Probleme der Autonomie anzugehen, sondern auch um eine direktere Brücke zwischen ihnen und der Welt zu errichten.

Um der ungleichmäßigen Entwicklung in den Autonomen Bezirken und Gemeinden zu begegnen.

Um bei Konflikten zu vermitteln, die zwischen Autonomen Bezirken und zwischen Autonomen Bezirken und Regierungsbezirken entstehen könnten.

Um die Denuncias gegen die Autonomen Bezirke wegen Menschenrechtsverletzungen, Proteste und Mißstimmigkeiten entgegenzunehmen, ihren Wahrheitsgehalt zu überprüfen, den Zapatistischen Autonomen Räten in Rebellion anzuordnen, diese Fehler zu beheben und die Befolgung der Order zu überwachen.

Um die Implementierung von Projekten und Gemeindearbeit in den Zapatistischen Autonomen Bezirken in Rebellion zu beaufsichtigen, um zu gewährleisten, daß sie in dem Zeitrahmen und mit den Mitteln ausgeführt werden, auf die sich die Gemeinden geeinigt haben; um Unterstützung für Gemeindeprojekte in den Zapatistischen Autonomen Bezirken zu fördern.

Um die Erfüllung der Gesetze zu beaufsichtigen, die nach gemeinsamen Beschluß der Gemeinden in den Zapatistischen Bezirken in Rebellion in Kraft sind.

Um der nationalen und internationalen Zivilgesellschaft behilflich zu sein und sie zu beraten, damit es ihnen möglich ist, Gemeinden zu besuchen, produktive Projekte ausführen, Friedenscamps aufstellen, Studien zu betreiben (oho: solche, die für die Gemeinden Nutzen erbringen) und alle weiteren Aktivitäten betreiben zu können, die in den Rebellengemeinden gestattet sind.

Um nach gemeinsamem Beschluß mit dem CCRI-CG der EZLN die Teilnahme von Compañeros und Compañeras der Zapatistischen Autonomen Bezirken in Rebellion an Aktivitäten oder Veranstaltungen außerhalb der Rebellengemeinden zu fördern und zu bewilligen; und um diese Compañeros und Compañeras auszuwählen und vorzubereiten.

Kurzum, um dafür zu sorgen, daß auf dem zapatistischen Rebellengebiet, regierend, gehorchend regierend, am 9. August 2003 die " Juntas de Buen Gobierno " gebildet werden.

Sie werden ihren Sitz in den "Caracoles" haben, mit einer Junta für jede Rebellenregion, und sie wird aus einem bis zwei Delegierten aus jedem Autonomen Rat dieser Region bestehen.

Folgende Punkte werden weiterhin exklusive Regierungsfunktionen der Zapatistischen Autonomen Bezirke in Rebellion bleiben: Rechtssprechung, kommunale Gesundheitsfürsorge, Schulbildung, Wohnung, Land, Arbeit, Nahrung, Handel, lokale Bewegung und Information und Kultur.

Das Geheime Revolutionäre Indigene Komitee in jeder Region wird die Tätigkeit der Juntas der Guten Regierung beaufsichtigen, um Akte der Korruption, Intoleranz, Ungerechtigkeit und Abweichungen vom zapatistischen Prinzip des "gehorchend Regierens" zu vermeiden.

Jede Junta der Guten Regierung hat einen eigenen Namen, der von den jeweiligen Autonomen Räte gewählt wurde:

Die Junta der Guten Regierung der Selva Grenze (dazu gehören Marqués de Comillas, die Montes Azules Region und alle Bezirke entlang der Grenze mit Guatemala und Tapachula) heißt "Hacia la Esperanza" ["Auf die Hoffnung zu"] und umfaßt die Autonomen Bezirke "General Emiliano Zapata," "San Pedro de Michoacán," "Libertad de los Pueblos Mayas" und "Tierra y Libertad."

Die Junta der Guten Regierung von Tzots Choj (dazu gehört ein Teil des Gebietes, auf dem sich die Regierungsbezirke Ocosingo, Altamirano, Chanal, Oxchuc, Huixtán, Chilón, Teopisca und Amatenango del Valle befinden) heißt "Corazón del Arcoíris de la Esperanza" ["Herz des Regenbogens der Hoffnung"] (in der Lokalsprache, "Yot'an te xojobil yu'un te smaliyel") und umfaßt die Autonomen Bezirke "17 de Noviembre," "Primero de Enero," "Ernesto Ché Guevara," "Olga Isabel," "Lucio Cabañas," "Miguel Hidalgo" und "Vicente Guerrero."

Die Junta der Guten Regierung Selva Tzeltal (dazu gehört ein Teil des Gebietes, auf dem sich der Regierungsbezirk Ocosingo befindet) heißt "El Camino del Futuro" ["Pfad der Zukunft"] (in Lokalsprache: "Te s'belal lixambael") und umfaßt die Autonomen Bezirke "Francisco Gómez," "San Manuel," "Francisco Villa" und "Ricardo Flores Magón."

Die Junta der Guten Regierung der nördlichen Region (dazu gehört ein Teil des Gebietes auf dem sich die Regierungsbezirke im Norden von Chiapas befinden, von Palenque bis Amatán) heißt "Nueva Semilla Que Va a Producir" ["Neuer Samen der Hervorbringen Wird"] (auf Tzeltal: "yach'il ts' unibil te yax bat'poluc" und auf Chol: "Tsi Jiba Pakabal Micajel Polel") und umfaßt die Autonomen Bezirke "Vicente Guerrero," "Del Trabajo," "La Montaña," "San José en Rebeldía," "La Paz," "Benito Juárez" und "Francisco Villa."

Die Junta der Guten Regierung im Hochland von Chiapas (dazu gehört ein Teil der Gebiete, auf dem sich die Regierungsbezirke des Hochlandes von Chiapas befinden, und erstreckt sich bis Chiapa de Corzo, Tuxtla Gutiérrez, Berriozábal, Ocozocuatla und Cintalapa) heißt "Corazón Céntrico de los Zapatistas Delante del Mundo" ["Zentrales Herz der Zapatisten vor der Welt"] (in Lokalsprache: "Ta olol yoon zapatista tas tuk'il sat yelob sjunul balumil") und umfaßt die Autonomen Bezirke "San Andrés Sacamch'en de los Pobres," "San Juan de la Libertad," "San Pedro Polhó," "Santa Catarina," "Magdalena de la Paz," "16 de Febrero" und "San Juan Apóstol Cancuc."


Unter den ersten Bestimmungen
der Juntas der Guten Regierung sind folgende:

Erstens. - Spenden und Hilfe der nationalen und internationalen Zivilgesellschaft wird es nicht länger gestattet sein, sich an eine bestimmte Person, Gemeinde oder Autonomen Bezirk zu richten. Die Junta der Guten Regierung wird entscheiden, unter Berücksichtigung der Bedingungen in den Gemeinden, wo diese Hilfe am meisten benötigt wird. Die Junta der Guten Regierung wird auf alle Projekte eine "Brudersteuer" erheben, die sich auf 10% der Projektgesamtkosten erhebt. Mit anderen Worten, wenn eine Gemeinde, ein Bezirk oder ein Kollektiv wirtschaftliche Hilfe für ein Projekt erhält, müssen 10% an die Junta der Guten Regierung abgetreten werden, damit sie an eine andere Gemeinde weitergeleitet werden, die keine Hilfe erhält. Das Ziel ist, die wirtschaftliche Entwicklung der Gemeinden im Widerstand etwas auszugleichen. Überbleibsel, Almosen und aufgezwungene Projekte werden natürlich nicht akzeptiert.

Zweitens. - Nur die Personen, Gemeinden, Kooperativen und Handelsgesellschaften, die in einer Junta der Guten Regierung registriert sind, werden als Zapatisten anerkannt. Auf diese Weise sollen Personen daran gehindert werden, sich als Zapatisten auszugeben, die es nicht sind, oder sogar anti-zapatistisch sind (wie es der Fall mit einigen organischen Kaffeeproduzenten und Handelskooperativen ist). Überschüsse oder Prämien aus der Vermarktung von Produkte aus zapatistischen Kooperativen und Gesellschaften werden den Juntas der Guten Regierung übergeben, um den Compañeros und Compañeras zu helfen, die ihre Produkte nicht vermarkten können oder keine Unterstützung erhalten.

Drittens. - Es kommt oft vor, daß unehrliche Menschen die nationale und internationale Zivilgesellschaft betrügen und sich in den Städten als "Zapatisten" ausgeben, die angeblich in einer geheimen oder speziellen Mission unterwegs sind, um Geld für Kranke, Projekte, Reisen oder ähnliches zu sammeln. Manchmal gehen sie so weit und bieten Trainings in angeblichen und falschen "sicheren Häusern" der EZLN in Mexiko Stadt an. Im ersten Fall wurden Intellektuelle, Künstler, Professionelle und nicht wenige Regierungsbeamte betrogen. Im zweiten sind vor allem junge Studenten Opfer der Lüge geworden. Die EZLN betont ausdrücklich, daß sie keine "sicheren Häuser" in Mexiko Stadt hat, und daß sie keine Art von Ausbildung anbietet. Diese schlechten Personen sind unseren Berichten nach Banditen, und das Geld, das sie erhalten und angeblich für die Gemeinden sammeln, wird für ihre persönliche Bereicherung verwendet. Die EZLN hat nun eine Untersuchung begonnen um festzustellen, wer für die Usurpation ihres Namens und den Betrug von guten und ehrlichen Menschen verantwortlich ist. Da es schwierig ist, das Generalkommando der EZLN zu kontaktieren, um zu bestätigen ob eine Person der EZLN oder ihren Unterstützungsbasen angehört, und ob das, was sie sagen, wahr ist oder nicht, wird man jetzt einfach die Juntas der Guten Regierung kontaktieren (in der Region, aus welcher der "Schwindler" zu kommen behauptet), und innerhalb von Minuten wird man erfahren ob es stimmt oder nicht, ob er ein Zapatist ist oder nicht. Zu diesem Zweck, werden die Juntas der Guten Regierung Zertifikate und Akkreditierungen ausstellen, die aber trotzdem immer noch bestätigt werden sollten.

Diese und andere Entscheidungen werden von den Juntas der Guten Regierung getroffen werden (die, um das klarzustellen, nicht so heißen, weil sie bereits "gut" wären, sondern um sie klar von der "schlechten Regierung" zu unterscheiden)

Und so werden die Angehörigen der Zivilgesellschaft immer wissen, an wen sie sich wenden müssen, um Zustimmungen für Projekte, Friedenscamps, Besuche, Spenden und so weiter einzuholen. Menschenrechtsverteidiger werden nun wissen, an wen sie die Denuncias, die sie erhalten, richten müssen, und von wem sie eine Antwort erwarten sollten. Die Armee und die Polizei wissen nun, wen sie angreifen müssen. Die Medien, die sagen, wofür sie bezahlt werden, werden nun wissen wenn sie verleumden und/oder ignorieren müssen. Die ehrlichen Medien wissen nun, wohin sie sich wenden müssen, um Interviews oder Artikel über die Gemeinden zu erhalten. Die Bundesregierung und ihr "Friedensbeauftragter" wissen nun, was sie tun müssen um nicht zu existieren. Und die Macht des Geldes weiß nun, wen sie sonst fürchten sollten.

Der Lärm und die Aktivität gehen weiter. Irgendwo dreht jemand am Radio, und plötzlich ist klar zu hören: "Dies ist Radio Insurgente, die Stimme der Stimmlosen, wir senden von irgendwo in den Bergen des mexikanischen Südostens," und dann stimmt eine Marimba den unverwechselbaren Rhythmus von "Der Horizont ist nun zu sehen" an. Die Compañeros und Compañeras lassen die Arbeit für ein Moment ruhen und fangen an, Kommentare in einer Indígenasprache auszutauschen. Nur für einen Moment. Dann geht die Feier der Arbeit von neuem los.

Es ist seltsam. Mir wird plötzlich bewußt, daß diese Männer und Frauen nicht ein paar Häuser zu bauen scheinen. Es sieht aus, als ob eine neue Welt inmitten dieses geschäftigen Treibens aufgebaut wird. Vielleicht nicht. Vielleicht sind es in Wirklichkeit doch ein paar Gebäude, und es war nur der Effekt von Licht und Schatten, den die Dämmerung über die Gemeinden schickt, wo die "Caracoles" aufgestellt werden, der mich denken ließ, daß hier eine neue Welt gebaut würde.

Ich schleiche davon in eine Ecke der Dämmerung, und zünde meine Pfeife und meine Unsicherheit an. Dann höre ich mich deutlich zu mir selbst sagen: "Vielleicht nicht... aber vielleicht doch!"


Siebter und letzter Teil:
Ein Postskriptum

Und hier ist es wieder! Es ist zurück! Nach einer tragischen Periode, ohne den Genuß seines unvergleichlichen Stiles! Das heißersehnte! Das wiederkehrende Postskriptum! Jaaaa! Hurra! Bravo! Applaus!!! (Zu diesem Zeitpunkt ist das Publikum voraussichtlich in frenetischen Beifall ausgebrochen).

PS, in dem Hand und Wort ausgestreckt werden: Es ist offiziell: Sie sind in aller Form eingeladen, an der Feier zum Tode der Aguascalientes und der Fiesta zur Taufe der "Caracoles" und dem Anfang der "Juntas der Guten Regierung" teilzunehmen. Sie wird in Oventik, Autonomer Bezirk San Andrés Sacamch'en de Los Pobres, Zapatistisches und Rebellisches Chiapas, am 8., 9. und 10. August 2003 stattfinden. Oder, wie wir das hier sagen, Anreise ist am 8., die Fiesta am 9., und der Abschied am 10.. Am Eingang des Caracol von Oventik gibt es ein Schild, auf dem steht: "Sie befinden sich auf Rebellischem Zapatistischem Gebiet: hier regiert das Volk, und die Regierung gehorcht" (Ich möchte ein ähnliches Schild in unseren Camps aufstellen, aber darauf würde stehen: "Hier bestimmt der Sup, und jeder kann tun, was er will." Seufz).

PS, in dem klassifizierte Informationen enthüllt werden: Wie unsere Nachrichtendienste in Erfahrung gebracht haben (die letzten Endes doch nicht so toll sind, weil sie die Socke immer noch nicht gefunden haben, die ich gestern verloren habe), werden an dem Fest die Autonomen Räte ALLER zapatistischen Bezirke in Rebellion, das Geheime Revolutionäre Indigene Komitee - Generalkommando der EZLN und einige Tausend Unterstützungsbasen teilnehmen. Es wird wenige Ansprachen und viele Lieder geben (es gibt hartnäckige Gerüchte, daß zapatistische Musikgruppen aus verschiedenen Regionen da sein werden, und daß sie ein hyper-mega-magna-super-duper Konzert liefern werden, aus keinem anderen Grund als der Freude, weiterhin am Leben und Rebell zu sein - verglichen damit würde sich jedes Techno-Konzert wie ein Snack mit einer Piñata, Partyhüten und winzigen Tütchen mit Süßigkeiten ausnehmen.

Für den unwahrscheinlichen Fall, daß Sie beschließen sollten, teilzunehmen und diese Freude mit den Gesetzesübertretern zu teilen, wären Sie gut beraten, folgende Empfehlungen zu berücksichtigen:

PS: Auf zapatistischem Gebiet ist der Boden außer würdig und rebellisch auch noch kalt, naß und schlammig. Die Fiestas sind meistens so lebhaft, daß der Regen sich nicht beherrschen kann und teilnehmen muß, extrem heftig, inmitten der Tänze und herzlichen Worte. Deshalb wäre es keine schlechte Idee, zusätzlich zu leichten Tanzfüßen auch einen Regenschirm, Nylon, Plastik, einen Regenumhang (oder zumindest eine Zeitung) mitzunehmen, um sich von oben und unten bedecken zu können. Einer dieser schrecklichen "Schlafsäcke" wäre sehr nützlich, wenn Sie es vorziehen etwas zwischen sich und den Regen, und sich und den Boden zu legen.

PS, das ein Kreuz schlägt: Auf zapatistischem Boden ist das einzige sichere Dach das, das der Halter des Himmels hochhält (so sagte das der Alte Antonio), und wie ich das schon im letzten Postskriptum erklärte, regnet es in diesen Tagen und Nächten, als ob es hierzulande mehr Durst als Würde gäbe. Deshalb sollten Sie bereit sein, mit vielen, vielen anderen unter einem Dach zu schlafen (ave María purísima!), in einer Promiskuität, neben der sich römische Orgien wie eine Kinderparty ausnehmen würden.

Oder Sie sollten eins dieser Zelte mitbringen (die wirklich praktisch sind, weil sie als erste im Regen und Schlamm feststecken) um die unzähligen Momente der Stille und der Ruhe dort zu verbringen.

PS, das ein "Marcos Spezial" Sandwich vorbereitet: Unter dem zapatistischen Himmel ist die einzige Nahrung, die es im Überfluß gibt, die Hoffnung. Da wissenschaftlichen Studien zufolge, eine ausbalancierte Diät vonnöten ist um die Hoffnung mit Kalorien, Kohlenhydraten, Vitaminen, Hydrokarbonen und ähnlichem zu ergänzen, wäre es gut, wenn Sie eine ausreichende Menge an Essen in Dosen, Junk Food, Waffeln, Biskuits oder Kekse mitbringen (die mit Creme werden beschlagnahmt) oder etwas in der Art, denn das einzige, das Sie hier wahrscheinlich finden werden, sind Tortillas (und vielleicht nicht einmal das).

PS, das sich einschaltet: Wenn Sie so ein Ding haben, bringen Sie Ihr Kurzwellenradio mit (oder "borgen" Sie sich eins, kaufen Sie es nicht, es sei denn von einem Straßen- oder Kleinhändler - diese funktionieren besser als die aus den großen Einkaufzentren), denn am 9. August, zu einer noch nicht beschlossenen Zeit, wird die erste intergalaktische Übertragung von "Radio Insurgente" zu hören sein. Auch wenn Sie sich entscheiden, uns mit der Peitsche Ihrer Verachtung zu strafen, wo immer Sie auch sind, Sie werden uns empfangen können. Die genaue Bandweite und Frequenz sind: Band 49 Meter, auf 5.8 Megahertz, Kurzwelle. Da zu erwarten ist, daß der Allmächtige bei der Übertragung dazwischenfunken wird, drehen Sie am Regler mit dem gleichen Hüftschwung wie bei einer Cumbia und suchen Sie, bis sie uns finden.

PS, das jubelt: Im Verlauf dieses einmaligen Ereignisses wird es auch ein heißumkämpftes Basketballturnier geben. Das beste Team wird gewinnen (Anmerkung: Jedes Gastteam, das es wagt, die Ansässigen - sprich, die Zapatisten - zu besiegen, wird festgenommen und gezwungen werden, sich die komplette "Fox Contigo" Radiosendung anzuhören, und für "illegal" erklärt werden, was den Sieg folglich annulliert). Nehmen Sie teil! Unterstützen Sie Ihre Lieblingsmannschaft! (Anmerkung: Jede Zurschaustellung von Unterstützung oder Sympathie seitens des Publikums für irgendein anderes Team als das Lokale - sprich, die Zapatisten - wird an die nächstgelegene Versammlung verwiesen, um gerügt und "angesehen" zu werden). Es werden Teams aus der ganzen Welt teilnehmen (USA, Euzkal Herria, Spanien, Frankreich, Italien, UNAM, UAM, POLI, ENAH, Zivilgesellschaft, "Chaos S.A. von (i)R. (i)L, von C.V." und andere), einschließlich des "Traumteams" der Rebellischen Autonomen Zapatistischen Weiterführenden Schule "Primero de Enero de 1994" (bis sie damit fertig sind, ihren Namen zu sagen, ist die andere Mannschaft bestimmt schon eingeschlafen!). Es ist fast sicher, daß das Endspiel zwischen der EZLN und der EZLN bestritten werden wird (um das zu garantieren, werden den anderen Teams großzügige Portionen sauren Pozols ausgeschenkt). Gerüchten zufolge ist unter den großen multinationalen Sportnachrichtenkonsortien ein harter Kampf um die Senderechte entbrannt, aber wie es aussieht liegen die Exklusivrechte beim Zapatistischen Intergalaktischen Fernsehsystem. Es heißt auch, daß die Wetten in Las Vegas bei 7 zu 0.0001 liegen (zugunsten der Zapatisten natürlich).

Vale. Salud, und machen Sie sich keine Sorgen, wenn Sie nicht kommen können: Sie werden trotzdem bei uns sein

aus den Bergen des mexikanischen Südostens
Subcomandante Insurgente Marcos