Fox redet viel -
Ende Januar 1994 fuhren um die fünfzig Personen zum Weltwirtschaftsforum (WEF) in Davos, Schweiz, um gegen die Anwesenheit des mexikanischen Präsidenten Carlos Salinos de Gortari zu protestieren und ihre Solidarität mit dem zapatistischen Aufstand kund zu tun. Mittlerweile ist der Protest gegen das WEF zu einem breiten internationalen Bündnis angewachsen, an dem auch das zapatistische Solinetz teilnimmt. In diesem Zusammenhang wird denn auch immer die Situation in Chiapas thematisiert, die Militarisierung, der Neoliberalismus und der Widerstand dagegen in Mexiko... David: Nun gut, wir haben von Beginn des Aufstandes darum
gebeten, daß Männer und Frauen aus allen Ländern der Welt
etwas unternehmen zur Unterstützung der zapatistischen Sache; daß
sie dies nach ihren Möglichkeiten tun, daß sie davon reden
und erklären, was der Kampf der Zapatistas, der Indígenas
ist. Dies ist im Sinne der indigenen Völker, im Sinne von Gerechtigkeit,
Respekt und einem würdigen Leben. Wir fordern, daß die Rechte und Kultur der Indígenas
im Gesetz anerkannt werden, um unsere Teilnahme und unseren Einschluß
in dieses große Land, das Mexiko ist, zu garantieren. In diesem Jahr war die Demonstration gegen das Weltwirtschaftsforum (WEF) in Davos verboten, und die Aufrüstung der Polizei und der Armee gegen die Proteste war massiv... David: Wir wissen, daß viele Leute, die sich mit unserer gerechten Sache solidarisieren, verfolgt, eingesperrt, ausgewiesen und bedroht werden, daß sie durch ihre Solidarisierung mit uns der Repression ausgesetzt sind. Wir wissen, daß es überall Ungerechtigkeit gibt und alle ehrlichen Menschen der Welt Verfolgungen erleiden. Friedliche Demonstrationen, die ein Recht oder Gerechtigkeit einfordern oder sich mit einer Sache solidarisieren, sei dies in der Schweiz, in Deutschland, in Spanien, hier in Mexiko oder in anderen Ländern Amerikas, werden die Repression spüren. Und genau dagegen und gegen diese Gewalt wehren wir uns, das wollen wir ändern, denn zu protestieren ist ein Recht, das jedeR BürgerIn, jedes Individuum, jede Person hat. Und so denken wir, daß es immer wichtiger ist, sich zusammenzuschließen, egal in welchen Ländern wir uns befinden, und daß wir unsere Überlegungen, unsere Ideen und gemeinsame Sache vereinen für eine bessere Welt, ein besseres Leben für alle. So wissen wir, daß es viel zu tun gibt auf der ganzen Welt. Es ist traurig, zu sehen, daß es Verfolgung gibt, daß es keine Rede- und Meinungsäußerungsfreiheit gibt überall auf der Welt. Im Vorfeld der diesjährigen Proteste gegen das WEF
in Davos kam es zu einer wahren Dialogsangebotsoffensive von seiten der
WEF-Verantwortlichen. Einige wenige Nichtregierungsorganosationen (NGO)
wurden ins WEF eingeladen und nahmen diese Einladung an, andere organisierten
Gegenkongresse, und nicht zuletzt wurden Proteste angekündigt, die
das Dialogsangebot strikt zurückwiesen mit dem Argument, daß
es mit den Tausend reichsten und mächtigsten Herren der Welt nichts
zu verhandeln gäbe! David: Wenn es starke Proteste gibt, dann sagt alle Welt, "führen wir einen Dialog". Aber die Frage ist doch, unter welchen Voraussetzungen ein solcher Dialog stattfindet. Nun, wir sind gegen alles, was Lüge bedeutet, denn das ist es, was uns hier in Mexiko passiert ist. Präsident Zedillo sagte, "führen wir einen Dialog" und wir sagten, gut, machen wir das, aber es muß ein echter Dialog sein, ein ernsthafter Dialog, in dem wir zu einem Ergebnis kommen, zu einem Abkommen, das nicht nur Papier bleibt, sondern umgesetzt wird. Aber wie ihr sagt, redet die Regierung, reden die Mächtigen vom Dialog, was aber eine Lüge ist. Sie wollen keinen echten Dialog, sie wollen uns damit betrügen. Wir haben einen Dialog geführt, der sogar zu einem unterzeichneten Abkommen geführt hat, das aber nie umgesetzt wurde. Das ist kein Dialog, das ist eine Lüge, ein Betrug, und wir wollen nicht, daß dies anderen Brüdern und Schwestern irgendwo auf der Welt passiert. Der neue mexikanische Präsident Vicente Fox redet
viel von Entwicklung, von Investitionen, von neuen Arbeitsplätzen
gerade im Süden Mexikos. David: Der neue Präsident redet viel von Entwicklung,
von der Verbesserung der Lebensverhältnisse gerade der indigenen
Völker. Er redet gerne, wie es schon die Regierungen vor ihm getan
haben. Aber diese schönen Worte nützen uns nichts, ihre Entwicklungspläne
für die Dörfer, in denen sie von Kliniken, Straßen, Schulen
und Elektrifizierung schreiben. Wenn die Wirklichkeit anders aussieht,
wenn die Leute an Hunger und Armut sterben, dann nützen schöne
Worte nichts, dann sind sie nicht glaubhaft. Wir sind der schönen
Worte müde und überdrüssig, wir wollen Taten sehen, bessere
Lebensverhältnisse in den Dörfern. Señor Fox redet viel
von Entwicklung und Verbesserungen, aber bisher haben wir davon noch nichts
sehen können. Fox verbreitet derzeit, daß Ihr in die Hauptstadt
gehen würdet, um einen Friedendensvertrag zu unterzeichnen. Werdet
ihr mit Vicente Fox reden, zum Beispiel auch über seine Entwicklungspläne?
Javier: Nein, wir werden gar nicht mit Fox reden, sondern
verfolgen mit unserer Reise andere Ziele. Vorallem wollen wir mit den
Abgeordneten des Kongresses sprechen und von ihnen fordern, daß
sie die Abkommen von San Andrés über indigene Rechte und Kultur
umsetzen - als ersten Punkt, damit der Dialog wieder aufgenommen werden
kann. Aber nicht nur dies, denn Fox hat viel von Dialog gesprochen und
daß er die Lebensbedingungen der Indígenas verbessern will
und so verlangen wir von ihm als zweiten Punkt, daß er die über
hundert zapatistischen Gefangenen freiläßt, was bisher nicht
geschehen ist. David: In diesen Tagen werden wir nichts mit Vicente Fox
diskutieren, das ist nicht der Grund, weshalb wir in die Hauptstadt gehen.
Wir werden mit dem Kongreß reden, mit unseren indigenen Schwestern
und Brüdern in vielen Bundesstaaten und mit all jenen, die uns unterstützen,
um ihnen den Sinn unserer Reise zu erklären und was wir fordern.
Mit der Regierung werden wir keinen Dialog führen, solange sie die
drei Signale nicht erfüllt. Und wenn sie diese erfüllt hat,
dann werden wir mit dem Friedensverantwortlichen der Regierung reden,
denn er muß den Kontakt für den Dialog herstellen. Aber in
den nächsten Tagen wird das kein Thema sein. |