Fox redet viel -
wir wollen Taten sehen

Interview mit Comandante David und Comandante Javier


Am 25. Februar brachen 23 Comandantes und Subcomandante Marcos der Zapatistischen Befreiungsarmee (EZLN) zu einem Marsch nach Mexiko-Stadt auf, um für die Umsetzung der Abkommen von San Andrés zu werben. Ein Mitglied der "Direkten Solidarität mit Chiapas" aus Zürich hatte die Gelegenheit, mit den Comandantes David und Javier vor ihrer Abreise ein Gespräch über die Ziele des Marsches, die neue Regierung und über die Solidarität mit dem Zapatistischen Befreiungskampf zu führen.

Ende Januar 1994 fuhren um die fünfzig Personen zum Weltwirtschaftsforum (WEF) in Davos, Schweiz, um gegen die Anwesenheit des mexikanischen Präsidenten Carlos Salinos de Gortari zu protestieren und ihre Solidarität mit dem zapatistischen Aufstand kund zu tun. Mittlerweile ist der Protest gegen das WEF zu einem breiten internationalen Bündnis angewachsen, an dem auch das zapatistische Solinetz teilnimmt. In diesem Zusammenhang wird denn auch immer die Situation in Chiapas thematisiert, die Militarisierung, der Neoliberalismus und der Widerstand dagegen in Mexiko...

David: Nun gut, wir haben von Beginn des Aufstandes darum gebeten, daß Männer und Frauen aus allen Ländern der Welt etwas unternehmen zur Unterstützung der zapatistischen Sache; daß sie dies nach ihren Möglichkeiten tun, daß sie davon reden und erklären, was der Kampf der Zapatistas, der Indígenas ist. Dies ist im Sinne der indigenen Völker, im Sinne von Gerechtigkeit, Respekt und einem würdigen Leben.
Wir haben immer wieder gebeten, daß alle, die unseren Kampf verstanden haben, davon erzählen, mit der Welt darüber reden, daß es eben nicht so ist, wie es diese Regierung sagt, daß der indigene Kampf nur die Laune einer Gruppe Indígenas ist: Sie verstehen nicht, was die indigenen Völker sind!
In Mexiko gäbe es keine Armut, verbreitet die Regierung, es sei alles in Ordnung, die Entwicklung gehe unvermittelt weiter und die Indígenas wüden nur Probleme verursachen wollen. Dem ist allerdings nicht so: Wir haben uns 1994 für eine gerechte Sache in Waffen erhoben, weil unser Leben sehr hart ist - der Hunger, das Elend, die Krankheiten und die Marginalisierung, in der wir während Jahrhunderten gehalten wurden. Und wenn uns Leute dabei helfen, dies zu erklären, so bedanken wir uns bei all denen, die dies nach ihren Möglichkeiten tun.

Wir fordern, daß die Rechte und Kultur der Indígenas im Gesetz anerkannt werden, um unsere Teilnahme und unseren Einschluß in dieses große Land, das Mexiko ist, zu garantieren.
Und weil viele Leute der Regierung glauben oder keinen Zugang zu anderen Informationsquellen haben, ist es wichtig, daß Menschen aus verschiedenen Ländern helfen, unsere Sache zu erklären. Dies kann auf mannigfaltige Weise passieren; mit Erklärungen in euren Worten, mit Kundgebungen, Demonstrationen, Protesten. Und all diese Mobilisierungen und die Solidarität helfen uns sehr viel, denn dadurch fühlen wir die wahre Unterstützung von vielen Brüdern und Schwestern aus der ganzen Welt. Dies gibt uns viel Kraft, um weiter zu machen!

In diesem Jahr war die Demonstration gegen das Weltwirtschaftsforum (WEF) in Davos verboten, und die Aufrüstung der Polizei und der Armee gegen die Proteste war massiv...

David: Wir wissen, daß viele Leute, die sich mit unserer gerechten Sache solidarisieren, verfolgt, eingesperrt, ausgewiesen und bedroht werden, daß sie durch ihre Solidarisierung mit uns der Repression ausgesetzt sind. Wir wissen, daß es überall Ungerechtigkeit gibt und alle ehrlichen Menschen der Welt Verfolgungen erleiden. Friedliche Demonstrationen, die ein Recht oder Gerechtigkeit einfordern oder sich mit einer Sache solidarisieren, sei dies in der Schweiz, in Deutschland, in Spanien, hier in Mexiko oder in anderen Ländern Amerikas, werden die Repression spüren. Und genau dagegen und gegen diese Gewalt wehren wir uns, das wollen wir ändern, denn zu protestieren ist ein Recht, das jedeR BürgerIn, jedes Individuum, jede Person hat. Und so denken wir, daß es immer wichtiger ist, sich zusammenzuschließen, egal in welchen Ländern wir uns befinden, und daß wir unsere Überlegungen, unsere Ideen und gemeinsame Sache vereinen für eine bessere Welt, ein besseres Leben für alle. So wissen wir, daß es viel zu tun gibt auf der ganzen Welt. Es ist traurig, zu sehen, daß es Verfolgung gibt, daß es keine Rede- und Meinungsäußerungsfreiheit gibt überall auf der Welt.

Im Vorfeld der diesjährigen Proteste gegen das WEF in Davos kam es zu einer wahren Dialogsangebotsoffensive von seiten der WEF-Verantwortlichen. Einige wenige Nichtregierungsorganosationen (NGO) wurden ins WEF eingeladen und nahmen diese Einladung an, andere organisierten Gegenkongresse, und nicht zuletzt wurden Proteste angekündigt, die das Dialogsangebot strikt zurückwiesen mit dem Argument, daß es mit den Tausend reichsten und mächtigsten Herren der Welt nichts zu verhandeln gäbe!

David: Wenn es starke Proteste gibt, dann sagt alle Welt, "führen wir einen Dialog". Aber die Frage ist doch, unter welchen Voraussetzungen ein solcher Dialog stattfindet. Nun, wir sind gegen alles, was Lüge bedeutet, denn das ist es, was uns hier in Mexiko passiert ist. Präsident Zedillo sagte, "führen wir einen Dialog" und wir sagten, gut, machen wir das, aber es muß ein echter Dialog sein, ein ernsthafter Dialog, in dem wir zu einem Ergebnis kommen, zu einem Abkommen, das nicht nur Papier bleibt, sondern umgesetzt wird. Aber wie ihr sagt, redet die Regierung, reden die Mächtigen vom Dialog, was aber eine Lüge ist. Sie wollen keinen echten Dialog, sie wollen uns damit betrügen. Wir haben einen Dialog geführt, der sogar zu einem unterzeichneten Abkommen geführt hat, das aber nie umgesetzt wurde. Das ist kein Dialog, das ist eine Lüge, ein Betrug, und wir wollen nicht, daß dies anderen Brüdern und Schwestern irgendwo auf der Welt passiert.

Der neue mexikanische Präsident Vicente Fox redet viel von Entwicklung, von Investitionen, von neuen Arbeitsplätzen gerade im Süden Mexikos.

David: Der neue Präsident redet viel von Entwicklung, von der Verbesserung der Lebensverhältnisse gerade der indigenen Völker. Er redet gerne, wie es schon die Regierungen vor ihm getan haben. Aber diese schönen Worte nützen uns nichts, ihre Entwicklungspläne für die Dörfer, in denen sie von Kliniken, Straßen, Schulen und Elektrifizierung schreiben. Wenn die Wirklichkeit anders aussieht, wenn die Leute an Hunger und Armut sterben, dann nützen schöne Worte nichts, dann sind sie nicht glaubhaft. Wir sind der schönen Worte müde und überdrüssig, wir wollen Taten sehen, bessere Lebensverhältnisse in den Dörfern. Señor Fox redet viel von Entwicklung und Verbesserungen, aber bisher haben wir davon noch nichts sehen können.

Fox verbreitet derzeit, daß Ihr in die Hauptstadt gehen würdet, um einen Friedendensvertrag zu unterzeichnen. Werdet ihr mit Vicente Fox reden, zum Beispiel auch über seine Entwicklungspläne?

Javier: Nein, wir werden gar nicht mit Fox reden, sondern verfolgen mit unserer Reise andere Ziele. Vorallem wollen wir mit den Abgeordneten des Kongresses sprechen und von ihnen fordern, daß sie die Abkommen von San Andrés über indigene Rechte und Kultur umsetzen - als ersten Punkt, damit der Dialog wieder aufgenommen werden kann. Aber nicht nur dies, denn Fox hat viel von Dialog gesprochen und daß er die Lebensbedingungen der Indígenas verbessern will und so verlangen wir von ihm als zweiten Punkt, daß er die über hundert zapatistischen Gefangenen freiläßt, was bisher nicht geschehen ist.
Und dann muss er noch unsere winzige Forderung erfüllen, sieben miltärische Stellungen in Chiapas zu räumen. Das wollen wir zuerst erfüllt haben, um zu sehen, ob er überhaupt den politischen Willen hat, den Konflikt zu lösen, oder ob das nur schöne Worte sind.

David: In diesen Tagen werden wir nichts mit Vicente Fox diskutieren, das ist nicht der Grund, weshalb wir in die Hauptstadt gehen. Wir werden mit dem Kongreß reden, mit unseren indigenen Schwestern und Brüdern in vielen Bundesstaaten und mit all jenen, die uns unterstützen, um ihnen den Sinn unserer Reise zu erklären und was wir fordern. Mit der Regierung werden wir keinen Dialog führen, solange sie die drei Signale nicht erfüllt. Und wenn sie diese erfüllt hat, dann werden wir mit dem Friedensverantwortlichen der Regierung reden, denn er muß den Kontakt für den Dialog herstellen. Aber in den nächsten Tagen wird das kein Thema sein.