Der Alptraum ist vorbei - unterwegs nach nirgendwo Señor Zedillo: Vor sechs Jahren schrieb ich Ihnen im Namen aller Zapatistas, um Sie zu einem Alptraum willkommen zu heißen. Viele denken nun, daß wir recht hatten. In den letzten sechs Jahren ist Ihre Amtszeit für Millionen mexikanischer Männer und Frauen ein langer Alptraum gewesen: Morde, wirtschaftliche Krisen, massive Verarmung, die unerlaubte und brutale Bereicherung weniger, der Ausverkauf der nationalen Souveränität, öffentliche Unsicherheit, die Stärkung der Bindungen zwischen Regierung und dem organisierten Verbrechen, Korruption, Unverantwortlichkeit, Krieg ... und schlechte Witze, die schlecht erzählt wurden.
Sie hätten eine Entspannung signalisieren können. Sie hätten das erfüllen können, was Sie in San Andrés unterzeichnet haben. Sie hätten Frieden erwirken können. Das haben Sie nicht getan. Statt dessen wählten Sie die doppelte Strategie der vorgetäuschten Bereitschaft zum Dialog und des fortgesetzten Pfades der Gewalt. Um das zu erreichen, versuchten Sie, die Geschichte des Verrates von Chinameca (9. Februar 1995) zu wiederholen, Sie verschwendeten Tausende von Millionen von Pesos, um die Gewissen der Rebellen zu kaufen. Sie militarisierten die indigenen Gemeinden (und das nicht nur in Chiapas). Sie wiesen internationale Beobachter aus. Sie haben Paramilitärs ausgebildet, bewaffnet und finanziert. Sie haben sowohl Zapatistas verfolgt, eingesperrt und außergerichtlich exekutiert (Unión Progreso, 10 Juni 1998), als auch Nicht-Zapatistas. Wir könnten verstehen, wieso Sie sich dafür entschieden haben, Krieg gegen uns zu führen. Es könnte deshalb gewesen sein, weil Ihnen die Idee verkauft wurde, daß Sie uns gefangen nehmen könnten, daß Sie uns kaufen könnten, daß Sie uns täuschen könnten, daß Sie die Mexikaner dazu bringen könnten, uns und unseren Kampf zu vergessen, daß sie die Menschen anderer Länder dazu bringen könnten, ihre Solidarität mit der Sache der Indígenas aufzugeben. Kurzum, daß Sie den Krieg gegen uns gewinnen könnten. Das könnten wir verstehen. Aber, Señor Zedillo, wieso Acteal? Wieso haben Sie die Ermordung von Kindern angeordnet? Weshalb haben Sie ihren Gefolgsleuten befohlen, schwangere Frauen mit Macheten niederzumachen, die, verwundet oder entsetzt, nicht in der Lage waren, dem Massaker zu entkommen. Aber wurden sie vernichtet? Sie entschlüpften Ihrem Hinterhalt am 9. Februar 1995. Sie rebellierten erneut, als Sie es versäumten, die Vereinbarungen von San Andrés zu erfüllen. Sie entkamen Ihrer militärischen Belagerung so oft sie es wollten. Sie widerstanden Ihren grausamen Offensiven gegen die autonomen Gemeinden. Wieder und wieder demonstrierten sie durch Mobilisierungen, daß sie die Unterstützung Millionen von Mexikaner hatten. Nein, die Zapatistas waren nicht am Ende. Und was haben Sie mir über Mexiko zu sagen? Anstatt auf "vier chiapanekische Gemeinden reduziert" zu bleiben, breitete sich der Zapatismus in allen 32 Bundesstaaten aus. Er erfaßte zu Arbeiter, Campesinos, Indígenas, Lehrer, Studenten, Arbeitnehmer, Fahrer, Fischer, Musiker, Maler, Schauspieler, Schriftsteller, Nonnen, Priester, Sportler, Hausfrauen, Nachbarn, unabhängige Gewerkschaftler, Homosexuelle, Lesben, Transsexuelle, Soldaten, Seeleute, kleine und mittlere Geschäftsbesitzer, Straßenverkäufer, Behinderte, Rentner, Menschen. So sind diese sechs Jahre gewesen, Señor Zedillo. Als Sie in der Lage waren zwischen Frieden und Krieg zu wählen, entschieden Sie sich für den Krieg. Die Ergebnisse der diesjährigen Wahlen sind deutlich: Sie haben den Krieg verloren. Señor Zedillo, Heute geht es Ihnen genau wie ihrem Vorgänger: Sie gehen fort, während jene, die Sie verehrt haben, die Ihnen und sich selbst gedient haben, nun zu Ihren schlimmsten Feinde geworden sind, und bereit sind, Sie zu verfolgen. Und so, Señor Zedillo, werden Sie ab morgen erfahren, was es heißt, Tag und Nacht verfolgt zu werden. Und das wird nicht nur sechs Jahre lang anhalten. Den ab Morgen, wird die Schlange derer, die Sie für das, was Sie ihnen schulden und für ihre Beleidigungen zahlen lassen wollen, sehr lang sein. Ja und nein. Für uns endet heute der Alptraum mit Ihnen. Ein anderer könnte ihm folgen, oder die Dämmerung könnte endlich anbrechen. Wir wissen es nicht, aber wir werden alles mögliche tun, damit es der Morgen sein wird, der aufblüht. Aber für Sie, Señor Zedillo, wird der Alptraum weitergehen ... Vale. Salud, und es spielt keine Rolle, wo Sie sich verstecken - es wird auch dort Zapatistas geben. aus den Bergen des mexikanischen Südostens PS. Übrigens, bevor ich es vergesse: Vor einem Jahr sendeten Sie uns ein offenes Schreiben durch ihren Staatssekretär (und gegenwärtigen Kandidaten für die PRI-Präsidentschaft). Ich glaube der Titel des Briefes war "Ein weiterer Schritt Richtung Abgrund", "Ein noch schändlicherer Schritt", "Ein noch zynischerer Schritt" oder irgendwas in der Art. Darin, mit nur dreijähriger Verspätung, antwortete ihre Regierung - mit Lügen - auf die Bedingungen, die wir für die Wiederaufnahme des Dialoges gestellt hatten! Der offene Brief war ein weiterer Versuch, mehr noch als uns, die nationale und internationale Meinung täuschen. Etwas, das offensichtlich nicht erreicht wurde. In Ihrem Brief stand, daß wir zufrieden sein sollten, und er lud uns ein, den Dialog wiederaufzunehmen. Es wäre unsererseits unhöflich, dies ohne Antwort stehen zu lassen, vor allem da Sie jetzt weggehen (endlich!). Verzeihen Sie die Verspätung, aber erlauben Sie mir, die Gelegenheit dieser Zeilen zu ergreifen, um Ihnen zu antworten. Unsere Antwort lautet: NEIN! Nichts zu danken. |