Die Rebellion ist ansteckend


An die Studentenbewegung der UNAM,
an den Allgemeinen Streikrat,
an die im Ché anwesenden Studentinnen und Studenten:

Wir haben Kenntnis von der unmittelbar bevorstehenden Wiedereinweihung des Auditoriums Emesto Che Guevara mit Sitz in der Philosophischen Fakultät der UNAM, Universitätsstadt Rebellenterritorium gegen die Dummheit Distrito Federal, Mexiko.
Leicht verspätet hat uns die Einladung zur Teilnahme im Ché erreicht. Und eigentlich wollten wir ja kommen, aber nun werden wir es doch nicht rechtzeitig schaffen. Die Wachen, die wir schieben müssen, um unseren externen Streik aufrechtzuerhalten (nun ja, und auch Zehntausende von Soldaten) verhindern unsere Anwesenheit bei diesem Festakt.
 
Seit einigen Tagen wehen an einem recht gut sichtbaren Ort für die Panzer, Militärflugzeuge und -hubschrauber, die jeden Tag La Realidad belästigen, zwei Bettücher, die verkünden, daß in den Bergen des mexikanischen Südostens ein externer Streik in Solidarität mit der Studentenbewegung der UNAM geführt wird.
Wir danken Ihnen also für Ihre Einladung und bitten Sie, falls es Ihnen möglich sein sollte und einer oder eine nach all den Bei-, An- und Gegenanträgen noch wach sein sollte, diese Zeilen vorzulegen, die, wie deutlich werden wird, vor Weisheit, Anmut, gutem Geschmack und Kohärenz strotzen und vor allem nicht so langweilig und fad wie die Erklärungen des Rektors Barnés sind.
 
(Anmerkung für den oder die Vorlesende/n: Bitte warten, bis die Pfiffe und Beschimpfungen, die das Publikum in diesen Augenblicken dieser so ausgezeichneten Person widmet - dem Rektor, versteht sich - vorbei sind. Ist es schon so weit? Ganz sicher? Na gut, dann fahren Sie bitte fort. Nichts zu danken.)
 
Da wir uns hier auf einem Universitätsgelände befinden und es sich um die Philosophische Fakultät handelt, haben wir diesen Worten die Form einer "Vorlesung" mit einer seeehr postmodernen logischen Argumentation gegeben (das wollte ich nun doch einmal hervorheben, damit Sie nicht denken, daß alle Ex-Universitätsangehörige wie der Idiot Gurría oder die graue Maus Moctezuma sind).
Auf Los geht's los. Nehmt alle ein weißes Blatt zur Hand, schreibt euren Namen und eure Bankverbindung drauf und macht eure Notizen zu den folgenden Ausführungen, die, um keine Zweifel an ihrer Ernsthaftigkeit aufkommen zu lassen, folgenden Titel tragen:

Thesen und eine Schlußfolgerung über den polifanten und die Rebellion.
1.      Der polifant ist, wie ihr alle wißt, da dies an allen Fakultäten gelehrt wird, eine Art multipler Elefant und multiplizierte Nase, exponentiell in Zahl und Entfernung.
2.      Die größte Entfernung zwischen zwei Punkten ist die Gerade, die sie nicht vereint, vor allem, wenn es zwischen diesen beiden Punkten eine Wand gibt.
3.      Die Wand, das ist in allen wissenschaftlichen Abhandlungen nachzulesen, ist ein kurioser Artefakt, der verhindern soll, daß dieser respektlose Naseweis, der Wind, tut, was ihm paßt.
4.      Der Wind, wie jüngst studierte Studien enthüllen, ist ein obszönes Fohlen, dessen Reitgeschirr der Wunsch ist.
5.      Der Wunsch ist unnütz, wenn er keine Feuchtigkeiten auslöst.
6.      Die Feuchtigkeiten entstehen, wie man weiß, in einem Kürbis.
7.      Der Kürbis ist die Form, die ein Apfel annimmt, um gegen das Gesetz der Schwerkraft zu protestieren.
8.      Ein Apfel ist nicht immer ein Apfel, vor allem in den späten Nachtstunden.
9.      Die späten Nachtstunden sind der Ort, wo sich der polifant vor Liebe verzehrt.
Schlußfolgerung: Der polifant wie die Rebellion sind ansteckend.
(Ende der Vorlesung)
 
(Anmerkung für den oder die Vorlesende/n: Sei kein Frosch! Laß sie erst mal klatschen, bevor du weiterliest! Schon vorbei. Bin schon da! Was sind die lasch. Na gut, dann lesen Sie halt weiter. Nichts zu danken.)
 
Studentinnen und Studenten,
vor kurzem ist eure Bewegung einen Monat alt geworden. In diesen 30 Tagen seid ihr auf jede mögliche Weise angegriffen worden: Man hat euch diffamiert, beleidigt, entführt, geschlagen, bedroht und ignoriert. Ihr habt trotzdem standgehalten. Nicht nur das, ihr habt die Bewegung größer werden lassen, und es ist euch gelungen, Brücken zu anderen Bewegungen und Bereichen zu schlagen, die gegen die Dummheit, die uns regiert, Widerstand leisten.
Wir können euch nach diesen schwierigen Tagen nur sehr wenig sagen. Wir können nur wiederholen, daß wir viel von euch gelernt haben und weiterhin aufmerksam alle eure Schritte verfolgen werden, wobei wir überzeugt sind, daß wir auf diese Weise lernen, besser zu werden.
Der polifant kam an diesem Tag aufs Tapet, um eine große Brücke zu schlagen zwischen unserem Hier und eurem Dort, um die späten Nachtstunden und euch zu begrüßen und um erneut den Che dort lachen zu sehen, wo er lachen soll, das heißt, in den würdigen Männern und Frauen, die heute aus euren Schritten und Blicken leuchten.
 
Soweit. Salud und ein langes Leben Che und allen, die ihm heute ein junges und rebellisches Leben verleihen.

aus den Bergen des mexikanischen Südostens
Subcomandante Insurgente Marcos