Brief von Bernardo Bátiz

7. September 2004

An
Subcomandante Insurgente Marcos

Werter Herr,

Im ersten Teil Ihres Kommuniques, das am 20. August 2004 veröffentlicht wurde, beziehen Sie sich auf zwei Fälle – Digna Ochoa und Noel Pável González –, die Untersuchungsgegenstand der Staatsanwaltschaft des Distrito Federal (Mexiko-Stadt) (gewesen) sind.
Um der Wahrheit willen und aufgrund der Sympathie und des Respekts Ihnen und Ihrer Sache gegenüber (Sympathie, die ich durch Artikel und Anwesenheit in San Cristóbal ausgedrückt habe) fühle ich mich verpflichtet, Ihnen diese Zeilen zu schreiben.

Im Fall Digna Ochoa erschien es mir und meinen MitarbeiterInnen anfangs, dass es sich um einen Mord handelte. Aber als man objektiv und ohne Vorurteile in der Zeugenbefragung vorankam, vermehrten sich die Anzeichen, dass sie sich selbst das Leben genommen hatte. So dass man zu dem Schluss kam, dass keineR außer ihr am Ort des Geschehens gewesen war und sie sich selbst erst ins Bein und einige Minuten später in den Kopf geschossen hatte.
Es ist wichtig daran zu erinnern, dass in Anbetracht der Meinung der Gruppen von FreundInnen von Digna Ochoa und von MenschenrechtsverteidigerInnen der Entschluss gefasst wurde, die vorherige Untersuchung zu überprüfen und die Beweisaufnahme zu wiederholen. Das sollte durch eine vollkommen andere Untersuchungsgruppe als der geschehen, die zuvor zu dem Schluss des Selbstmords gekommen war.
Ich akzeptierte die Ernennung eines Sonderstaatsanwaltes, den mir ohne die geringste Einwendung meinerseits von Rosario Ibarra de Piedra, Magda Gómez und Miguel Angel Granados Chapa vorgeschlagen wurde, die VertreterInnen der Version des Mordes waren. Die ernannte Person war die Justizbeamte Margarita Guerra y Tejada, welche die Ernennung akzeptierte und Teil einer Gruppe von ForscherInnen(original: investigadores), BeamtInnen des Innenministeriums und Sachverständigen bildete. Diese hatte mit der ersten Untersuchungskommission nichts zu tun und einige der beteiligten Personen wurden als externe verpflichtet, die nicht zur Staatsanwaltschaft gehören.
Die neue Staatsanwältin kam nach fast einem Jahr Arbeit zu dem gleichen Ergebnis wie die erste Untersuchungskommission unter der Leitung von Herrn Renato Sales Heredia.

Der Fall des Jugendlichen Pável ist ebenfalls untersucht worden. Sein Körper wurde in mehr als 3.900 Meter Höhe am Querbalken des Kreuzes erhangen gefunden, das sich auf dem Gipfel des Ajusco, auch als Pico del Aguila bekannt, befindet. Man fand eine posthume Nachricht und andere Indizien, die darauf schließen, dass es sich um einen Selbstmord handelt. Aufgrund der Bitte von Angehörigen und Freunden wurde der Fall jedoch nicht geschlossen und wird weiterhin untersucht. Die posthume Nachricht befindet sich in einem Notizbuch Pavels, das nahe seines Körpers in einem Exkursionsrucksack gefunden wurde. Sie ist mit seiner Handschrift geschrieben worden, die durch seinen Vater wiedererkannt und von Sachverständigen der Grafoskopie bestätigt wurde. Die Nachricht enthält einen Abschiedsbrief und eine Nachricht an seine Familie.

Ich kann verstehen, dass es für einige schwer ist an die Ergebnisse zu glauben, zu denen wir in diesen Fällen gekommen sind, vor allem nach so vielen Jahren und Vorläufern der Lüge und der Ausrichtung auf den herrschenden Willen des jeweiligen Momentes. Ich gebe auch zu, dass weder ich noch die an der Untersuchung Beteiligten frei davon sind, Fehler begangen zu haben. Deswegen respektiere ich diejenigen, wie Sie, welche eine andere Meinung vertreten. Was ich Ihnen auf jeden Fall versichern kann ist, dass wir uns in beiden Fällen für die Wahrheit entschieden haben.

Ich weiß, dass sich Digna Ochoa seit ihrer Arbeit im Centro (de Derechos Humanos Miguel Augustín, Ergänzung des Übersetzers) Pro und gemeinsam mit anderen RechtsanwältInnen in die Verteidigung der mutmaßlichen Zapatisten eingemischt hat, die infolge der Ereignisse vom Februar 1995 inhaftiert wurden. Ich weiß auch, dass Pável mit zapatistischen Gemeinden und Landkreisen zusammengearbeitet hat. Diese und viele weitere Sachen lassen mich an ihre Verpflichtung und Großmut glauben. Aber beide waren, wie jeder Mensch, eine Mischung aus Licht und Schatten. Ihre unzweifelhaften Erfolge und Tugenden verschwinden auf keinen Fall wegen der Entscheidung, die sie trafen, auch nicht durch andere Züge ihres Lebens, die in den Zeugenaufnahmen erschienen.
Ihre Arbeit hat nichts mit dem Ergebnis der staatlichen Untersuchung zu tun. Zum Ergebnis des Selbstmordes ist man aufgrund der minutiösen Untersuchung der Beweise gelangt.

Die KommandantInnen des CCRI der EZLN erwiesen mir die Ehre, mich einzuladen und als Assistent an einer der Etappen des Friedensdialogs in Chiapas teilzunehmen. Die Überzeugungen, die mich damals zur Teilnahme bewegten, sind dieselben wie heute.
Das Amt, welches ich innehabe und in dem ich meiner Stadt diene, ist vorübergehend. Ich weiß nicht, wo ich morgen sein werde. Aber wo auch immer ich sein werde, Sie können sicher sein, jene Überzeugungen werden die gleichen sein.
Ich bitte Sie abschließend, der Überbringer meiner Grüße an die zapatistischen Indígenas zu sein, die uns soviel beigesteuert haben auf diesem Weg zum Wechsel um besser zu werden.

Bernardo Bátiz Vázquez

 

Stellungnahme von Rosario Ibarra

Samstag, 8. Januar 2005

Staatsanwalt Bátiz schreibt: "Ich akzeptierte die Ernennung eines Sonderstaatsanwaltes, den mir ohne die geringste Einwendung meinerseits von Rosario Ibarra de Piedra, Magda Gómez und Miguel Angel Granados Chapa vorgeschlagen wurde, die VertreterInnen der Version des Mordes waren. Die ernannte Person war die Justizbeamte Margarita Guerra y Tejada..." Falsch! Ich habe niemanden vertreten und auch nicht die zitierte Frau vorgeschlagen.

Rosario Ibarra

 

Antwort von Marcos

Jänner 2005

An
Bernado Batíz Vázquez
Generalstaatsanwalt von Mexiko-Stadt
Mexiko, DF

Mit einem Toten im Inneren kann man nicht leben:
Man muss sich entscheiden,
ihn weit fortzuwerfen
wie eine verfaulte Frucht,
oder sich anstecken zu lassen
um zu sterben."

Alaíde Foppa
Die ohne Glück

Herr Bátiz, entschuldigen Sie, dass die Antwort auf Ihren Brief vom 7. September 2004 bis jetzt gedauert hat. Die Gründe für diese Verspätung sollen nicht als Nachlässigkeit oder Desinteresse verstanden werden. Was passierte, war, dass mich Ihr Schreiben Mitte Oktober vergangenen Jahres erreichte, und ich danach die Angehörigen von Digna Ochoa y Plácido sowie die Familie von Pável Gonzáles Gonzáles konsultieren musste, um deren Erlaubnis für eine Antwort an Sie einzuholen. Danach begann ich, die Akten beider Fälle und alles, was zu ihnen veröffentlicht wurde (und auch das, was nicht veröffentlicht wurde), ausführlich zu studieren.

Ich beziehe mich einzig auf folgende drei Punkte des Briefes:

  • Laut der Staatsanwaltschaft und ihrer Behörde verübte Digna Ochoa y Plácido Selbstmord. Sie erwähnen Rosario Ibarra de Piedra , Magda Gómez und Miguel Angel Granados Chapa als Bürgen für diese Schlussfolgerung (nicht wissend, ob diese Personen einverstanden sind, in diesem Wortlaut erwähnt zu werden, werde ich ihnen auf alle Fälle eine Kopie des vorliegenden Schreibens zusenden). Außerdem erwähnen Sie in ihrem Brief, dass im Unterschied zu früheren Regierungen, die sich der "Lüge und der offensichtlichen Bequemlichkeit momentaner Vorteile" zuwandten, sich die Generalstaatsanwaltschaft von D.F. für die Wahrheit entschied.
  • Der Fall Pável González González ist zwar noch nicht abgeschlossen, aber Sie lassen glauben (und beeinflussen damit die Untersuchung), dass es sich um einen Selbstmord handelte.
  • Sie behaupten, daß Ihre Tätigkeit als Berater im Dialog zwischen EZLN und Regierung und als Funktionär einer sich selbst als "demokratisch" bezeichnenden Regierung Ihnen Ehre und Glaubwürdigkeit gewähre.


Digna Ochoa, einige Fragen

Wissen Sie, außer verschiedene Anwälte zu konsultieren, sah ich mir die Akte des Falles an, genauso wie den "Sonderbericht über die Unstimmigkeiten in der Untersuchung zum Tod der Anwältin Digna Ochoa y Plácido" der Menschenrechtskommission von D.F., das Zeitungsmaterial, und hörte die Meinungen derjenigen, die Digna als Angehörige, FreundInnen und KollegInnen begleiteten. Ein großer Teil meiner Beobachtungen wurde bereits von diesen veröffentlicht, und alle haben die Verachtung und den Spott derjenigen auf sich gezogen, die in Ihrem Auftrag arbeiten.

Jede beliebige aufrichtige Person, die dieses Material erhält, muß erkennen, dass es in den Untersuchungen von Unstimmigkeiten, Unzulänglichkeiten und Unterlassungen wimmelt und daß die Ihnen unterstehenden Beamten sich verhalten als hätten sie bereits jede Ehre verloren. Weder Herr Renato Sales Heredi noch Margarita Guerra y Tejeda haben eine befriedigende Antwort auf folgende Fragen geben können:


Von der Zurückweisung derjenigen,
die Wahrheit und Gerechtigkeit suchen.

Warum hat sich die Generalstaatsanwalt (PGJDF), die Sie befehligen, geweigert, die gerichtsmedizinischen, kriminalistischen und chemischen Beweise der Angehörigen anzunehmen, obwohl es laut der Verfassung ein Recht der Familien des Opfers ist, eigene Beweise zu den Untersuchungen beizusteuern?

Ein Argument der PGJDF, die zusätzlichen Beweise nicht zu akzeptieren, war, dass der Untersuchungsgegenstand bereits umfassend untersucht und dadurch die sachverständigen Beweise ermittelt wurden. Diese Beweisaufnahme soll unter wissenschaftlich-methodischen Bedingungen stattfinden, was heißen soll, dass sie mehrfach "beweisen" können soll. Wie kommt aber jedes Gutachten, basierend auf den selben Indizien und Beweisen, zu einem unterschiedlichen Resultat?

Wie die Gutachten an die Zweckmäßigkeit angepasst wurden

Von den vier Gutachten waren die ersten beiden (mit der Annahme des Mordes) von der PGJDF verworfen worden, weil "sie nicht an den Tathergang angepasst waren und weil die beinhalteten Beweise nicht ausreichend waren, gültige und der Wahrheit der Fälle entsprechende Schlüsse zu ziehen". Über das dritte Gutachten (mit der Annahme des Selbstmordes) wurde gesagt, dass es dasjenige sei, welches sich am meisten der Realität annähere, aber noch unvollständig sei, weswegen ein weiteres Gutachten bestellt wurde, das jedoch ebenfalls nicht mit wissenschaftlichen und überprüfbaren Methoden erstellt wurde und nicht den Tathergang beinhaltete. Warum hat, nachdem die ersten beiden Gutachten verworfen wurden, das dritte Gutachten Ihre Schlussfolgerungen (Selbstmord) bekräftigt, wenn dieses auf Teilen der beiden ersten (Mord) beruhte?

Warum tauchte in den beiden ersten Gutachten kein einziges Indiz auf, das die Untersuchung in Richtung Selbstmord lenken konnte? Warum taucht die These des Selbstmordes erst im dritten Gutachten auf, welches acht Monate später nur auf der Basis von Fotografien erstellt wurde? Welches Gutachten ist das gültige? Dasjenige, welches den Leichnam untersuchte, oder dasjenige, welches mittels Fotografien erstellt wurde? (Die PGJDF stützt sich auf das letztere.)


Die Unredlichkeit und Unfähigkeit
der Staatsanwaltschaft von Mexiko-Stadt

Was waren die Maßnahmen, die von der PGJDF unternommen wurden, um den Ort des Mordes an Digna zu sichern? (Es ist der Ort, an dem acht Monate später die kriminalistischen Gutachten durchgeführt wurden, durch welches die PGJDF in Betracht zog, zu dem Schluss zu kommen, dass an ihm "keine Ausübung von Straftaten" stattfand, d.h., dass zugestimmt wurde, dass es sich um einen Selbstmord handle.)

Warum hat der Obduktionsbericht behauptet, dass Digna eine generelle Muskelerschlaffung aufwies und dass sie 15 bis 16 Stunden tot gewesen sein muss, ohne dass der Leichnam eine Starre aufwies, die diesem Zeitraum entspräche? In Entsprechung der endgültigen Position, in der Digna gefunden wurde, müssten sich blaue Flecken auf der linken Seite ihres Körpers aufzeigen lassen. Warum gibt es davon keine Anzeichen an diesen Stellen?

Laut den Zeugenbefragungen der PGJDF, war Digna am Vorabend des Mordes mit anderen Personen in ihrem Büro. Warum hat man keine Fingerabdrücke von niemanden in ihrem Büro gefunden?

Die Autopsie von Digna dauerte 1 ½ Stunden (sie begann um 2:30 morgens und endete um 4:00). Dabei wurden weder Röntgenaufnahmen gemacht noch sämtliche Verletzungen dokumentiert. Abhängig von ihrer Komplexität gibt es Autopsien die bis zu 24 Stunden dauern. Warum dauerte die von Digna so kurz?

Von Anzeichen, die dem Selbstmord widersprechen

Wie lässt sich erklären, dass Digna zurückgelehnt mit dem Kopf auf dem Sofa auf der gleichen Seite lag, an der das Geschoss eindrang und dass sie das verletzte Bein angewinkelt hatte?

Angenommen, dass Digna sich in den Kopf geschossen hat, wie lässt es sich erklären, dass sich die Waffe unter ihrem Körper befand?

Wenn eines der Projektile in die linke Seite ihres Kopfes eindrang, und das Blut den Weg von oben nach unten auf der linken Seite nahm, auf welche Weise konnte das Blut das gesamte Gesicht bedecken? Warum bedeckte ihr gesamtes Haar von hinten nach vorne das Gesicht?

Laut dem letzten Gutachten, welches der PGJDF als Beweis diente, schoss Digna auf den Sessel, um die Waffe auszuprobieren, dann erhob sie sich und lief zum anderen Sessel, dort setzte sie sich und schoss sich mit der rechten Hand in den linken Oberschenkel, warte einige Minuten, erhob sich und kehrte zum anderen Sessel zurück, auf den sie sich niederkniete und mit der linken Hand in die linke Seite ihres Kopfes schoss. In welchem Moment warf sie ihr Haar nach vorne? Wie fügte sie sich den blauen Fleck am rechten Oberschenkel zu?

Laut der PGJDF gibt es keine Anzeichen dafür, dass es eine Auseinandersetzung gab, aber wie kamen die Verletzungen an ihrem rechten Oberschenkel zustande? Warum waren ihr Stirnband und der Knopf ihrer Bluse abgerissen und auf den Boden geflogen? Weswegen sollte Digna weißes Pulver am Tatort verstreut haben? Entsprechend der offiziellen Annahme der drei Schüsse zu drei Zeitpunkten: In welchem Moment verstreute Digna das Pulver, und wann verstreute sie es über sich selbst? Und wenn es so gewesen sein sollte, warum hatten die Stiefelsohlen von Digna keine Flecken oder Reste des weißen Pulvers?

Vom zustimmenden Schweigen

Warum hat das Menschenrechtszentrum Miguel Augustín Pro die Annahme des Selbstmordes in Mexiko und im Ausland gefördert, auch schon vor Beendigung der Untersuchungen? Wenn es eine Organisation zur Verteidigung der Menschenrechte ist, warum äußern sie sich nicht zu den offensichtlichen Unregelmäßigkeiten? Die Veröffentlichung von Beweisen durch die Opfer ist eine verfassungsrechtliche Garantie, warum wurde den Angehörigen von Digna diese Garantie nicht gegeben, ihre individuellen Menschenrechte verletzend, warum wurden sie vom "Menschenrechtszentrum" übergangen?

Von der (unredlichen) Veränderung der Gutachten

Die Ärzte, welche das Protokoll der Autopsie vom 20. 10. 2001 erstellten, sowie das Loch in der Schädeldecke und den Knochen, wo das Projektil stecken blieb, untersuchten, schlossen daraus, dass das Geschoss, welches die Verletzungen des Kopfes verursachte, in der linken Schädelhälfte eindrang und im Knochen der rechten Schädelhälfte stecken blieb; Dabei eine generelle Richtung von links nach rechts, von unten nach oben und von vorne nach hinten nehmend (ein Umstand der die Annahme des Mordes bekräftigt). Warum änderten sie Monate später ihre Meinung zur Richtung der Geschossbahn des Projektils, und zeigen dies an einem menschlichen Schädel, der nicht der von Digna war?

Warum haben die ersten Sachverständigen, die zum Tatort geeilt waren und den Leichnam sahen, ausgesagt, dass es einen Bluterguss am rechten Oberschenkel von Digna gegeben habe, aber Monate später, nachdem nur Fotografien "analisiert" wurden, wurde gesagt, dass es diesen nicht gibt?

Von der neuaufgelegten Vergangenheit

Wussten Sie, Herr Bátiz, dass die Sachverständigen Vicente Jaime Corona Méndez und Rafael Moreno González, die an Ihrer "Untersuchung" zum Fall Digna Ochoa teilnahmen, auch Sachverständige im Mordfall von Luis Donaldo Colosio Murrieta waren (einem der vielen Verbrechen, über die vielleicht niemals die Wahrheit herauskommt)?

Wussten Sie, dass der Direktor des Medizinischen Forensischen Institutes bis April 2004 José Ramón Fernández Cáceres (der den Fall Digna übernahm) war, über den die CNDH die Empfehlung 50/95 vom März 1995 veröffentlichte, wegen Fälschung von Informationen in ausgearbeiteten medizinischen Gutachten und der Unterschlagung von Verletzungen nach Folterungen an Gefangenen? Wissen Sie, dass diese Inhaftierten gefangene Zapatisten in Yanga, Veracruz waren? Wissen Sie, dass einer der AnwältInnen dieser Gefolterten Digna Ochoa y Plácido war, also die Gegenpartei zu Herrn Fernández Cáceres?

Ehrverletzend und ruinierend

Ihre Beamten, Herr Bátiz, waren nicht nur ungeschickt und unbrauchbar im Fall des Todes von Digna Ochoa. Auch waren sie ehrverletzend und ruinierend. Um ihre Version des Selbstmords zu bekräftigen, widmeten sie sich der Zerstörung von Dignas Ruf. Sie wühlten in ihrem Leben, um sie als geistig verwirrt dazustellen. In der klassischen Art des Schmutzigen Krieges der 70er Jahre, fingierten sie falsche Informationen an "Journalisten", damit die öffentliche Meinung einsehe, wer für die Menschenrechte der Hilflosen und sozial Engagierten kämpfte, wie eine Wahnsinnige, Schlitzohrige und Perverse. Den Ruf Digna Ochoas zerstörend, versuchten Sie nicht nur ihrer These des Selbstmordes zur Gültigkeit zu verhelfen, sondern wollten sich auch bei den Bereichen der Bundesarmee beliebt machen, gegen die Digna ihre Stirn bot. Das moralische Ansehen einer sozialen Kämpferin und die Schuld von denen nehmen, welche die Menschenrechte verletzen: Eine runde Sache.

Und nicht nur das: Auf die Unehrbarkeit und die Zerstörung folgte die Dummheit. Die Liste ist lang, und beginnt, als die PGJDF das Privatleben von Digna "untersuchend", sich an die Oberin der kirchlichen Vereinigung, zu der Digna gehörte, mit folgender Frage wandte: "Sagen Sie, welche Arten von Waffen benutzen Sie?", und geht weiter über das Argument, dass sich Digna ermordete, weil sie nicht eingeladen wurde für die Regierung von D.F. zu arbeiten, bis zur Zitierung eines Buches, das nicht einmal ihr gehörte und in dem zu lesen war, dass Selbstmörder vor ihrem Selbstmord Humor und Lust zeigen!

Am Anfang dieses Briefes steht ein Spruch von Alaíde Foppa, verschwundene Schriftstellerin in der guatemaltekischen Diktatur Anfang der 80er Jahre. Man hat sie verschwinden lassen, weil sie auf der Seite der Betrogenen stand. Ihre Beamten hätten aus diesem Gedicht wahrscheinlich ebenso geschlossen, dass sie sich ermordet habe.

Pável González, weitere Fragen

Die Familienangehörigen des jungen UNAM- und ENAH-Studenten Noel Pável González González sagen, daß sein Tod genauso in den Schmutz gezogen wie jener von Digna Ochoa y Plácido.

Sie sagen, dass Pávels Vater den postumen Brief identifiziert hat und die Motive, aus welchen er sich angeblich das Leben genommen hat. Der Vater identifiziert den Brief, aber er legt klar, das der Inhalt nicht Pávels Stil entspricht: In der Notiz heißt es "Vater und Mutter, sorgt für meinen Bruder, das ist meine Entscheidung, und macht niemanden dafür verantwortlich", aber Pável sprach nie in diesen Worten zu seinen Eltern und er hätte etwas mit größerem philosophischen Tiefgang geschrieben. Mehr als ein Abschiedsbrief scheint das ein Brief zu sein, der von dem oder den Mördern diktiert worden ist.

Vom Beginn der Untersuchungen an beharrten die PGJDF-Vertreter auf einem Selbstmord oder "Verbrechen aus Leidenschaft" unter Homosexuellen. Um den Zynismus und die Ineffizienz auf die Spitze zu treiben, haben sie es vermieden, auf Schlüsselfragen zu antworten:

Warum war die Staatsanwaltschaft nicht anwesend, um die Sachverständigenaussagen zu protokollieren, als Pávels Körper aufgefunden wurde? Warum "verliert" die Staatsanwaltschaft zuerst die Akte und weigert sich dann, Derechos Humanos in D.F. eine Kopie zu geben?

Warum gibt es Widersprüche unter den Staatsanwaltschaften bezüglich Pávels Todesstunde? (die eine sagt 17 Stunden vor Auffindung, die andere 96 Stunden)

Warum erscheint nirgends der Schreiber oder Stift, mit dem die postume Nachricht angeblich geschrieben wurde? Warum wurde der Körper den Eltern erst am Tag nach seinem Auffinden gezeigt? Warum war Pávels Köper nackt? Warum befinden sich Verletzungen im Intimbereich?

Warum sprechen sich die Abgeordneten der PRD, PT und PRI für eine ernsthafte und neutrale Untersuchung aus und die der PAN (der wählbare Arm der mexikanischen Ultrarechten) nicht?

Warum werden die Informationen über die Gewalttaten nicht untersucht, die in der Nähe der philosophischen und geisteswissenschaftlichen Fakultät der UNAM verübt wurden, als Pável das letzte Mal gesehen wurde?

Warum werden die Drohungen der ultrarechten Gruppe "El Yunque" nicht untersucht, die Pávels Kommilitonen erhalten haben?

Warum wird die verschleierte Drohung eines Regierungsbeamten vom 29. April 2004 nicht untersucht, der sich an Pávels Mutter wandte und sagte: "Wir wußten, wer Pável war, dass er zu den alternativen Wirtschaftsgipfeln in Cancún und Monterrey ging. Passen Sie auf den einzigen Sohn auf, der Ihnen noch bleibt".

Warum werden die Informationen nicht untersucht, die der Journalist Miguel Ángel Granados Chapa erhalten hat und über die er in seiner Kolumne "Plaza Pública" der Zeitung Reforma im Juni 2004 geschrieben hat?

Weder Wahrheit noch Gerechtigkeit

Was die PGJDF getan hat, Herr Bátiz, war weder, die Wahrheit zu finden noch die Gerechtigkeit zu verwalten. Das einzige, was sie sich vorgenommen hat, und das hat sie erreicht, war sich bei der Rechten beliebt zu machen. Dabei wurden die Leben zweier Personen beschmutzt, die mehr wert waren als alle Funktionäre der Regierung von Mexiko-Stadt zusammen. Und sie haben es auf die niederträchtigste Weise gemacht: ihren Tod beschmutzend.

Zum Schmerz, zum Leid und zur Empörung, die diese Todesfälle in uns hervorrufen, haben Ihre Funktionäre die Demütigung und Wut hinzugefügt, den Tod von Digna und Pável durch eine Verleumdung mit dem Alibi "revolutionär" und "demokratisch" begraben zu sehen.

Hoffentlich passiert ihnen das gleiche. Hoffentlich, wenn sie schon tot sind, schnüffelt jemand in ihren Intimbereichen und hängt, mit perverser Krankheit, ihnen Unverdientes und Schändlichkeiten an. Und macht ihnen den Weg ihres Lebens genau dann kaputt, wenn sie nichts zu ihrer Verteidigung machen können. Hoffentlich werden ihre Gräber so bedeckt sein wie die von Digna und Pável: Nicht mit der Blume der Wahrheit, sondern mit Lügen und Schande.

Denn sie können erzählen, dass sie gut, demokratisch und links sind, und dass Digna und Pável Wahnsinnige und Selbstmörder waren. Weil weder Digna noch Pável da sind, um sich verteidigen zu können. Oder vielleicht sind sie da, und zwar in jenen von uns, die wir sie für ihre Ideale und ihr Engagement ehren wollen.

Hoffentlich erkennen diejenigen, die bei einer PRD-Präsidentschaft auf die Aufklärung des Schmutzigen Krieges setzen, dass dem nicht so sein wird. Weder Wahrheit noch Gerechtigkeit sind Zugeständnisse von oben, sie werden von unten geschaffen. Mit der PRD oben wird sich zeigen, dass alle Opfer des Schmutzigen Krieges "sich umgebracht haben", nachdem sie das "Bühnenbild" mit einer Sache bestückt haben: der des Kampfes um Gerechtigkeit für die Besitzlosen, jenes Ideal, das die PRD von der Macht betrunken vergessen hat.

Herr Bátiz, der Wahrheit zu Ehren und aufgrund der Sympathie für diejenigen, die ihr Leben und ihren Tod "auf diesem Weg zum Wechsel, um besser zu werden" gelassen haben (um Ihre eigenen Worte zu benutzen), sehe ich mich gezwungen, Sie aufzufordern, Ihre Funktion dazu einzusetzen, den Fall von Digna wiederzueröffnen und ihr zuerst den moralischen Wert zurückzugeben, welcher durch Ihre schwerfällige Untersuchung zerstört wurde. Und dass Sie Ihren Funktionären auferlegen, den Fall von Pável mit Verantwortung, Ernsthaftigkeit und Effizienz durchzuführen. Nur so können Sie die Überzeugungen ehren, die sie zu teilen behaupten.

Das ist alles.

aus den Bergen des mexikanischen Südostens
Subcomandante Insurgente Marcos

PS: Noch eine Sache: Sie können Ihren Funktionären sagen, dass die von ihnen uns gegenüber gemachten subtilen oder unverschämten Drohungen, um uns zu "überzeugen" über diesen Fall zu schweigen, nutzlos waren, wie mensch sieht.

Ein weiteres PS: Berater der EZLN in den Friedensgesprächen gewesen zu sein, Herr Bátiz, ist keine Garantie für nichts. Es ist nicht Ihr Fall, aber es gibt einen Intellektuellen, der von sich sagt, er sei links und demokratisch. Er war Berater in jenem Dialog und jetzt ist er geschäftiger Verteidiger des Wal-Mart von Teotihuacán (vielleicht geben sie ihm ja im Gegenzug die "Karte für ausgezeichnete Angestellte", Verzeihung, "Karte für ausgezeichnete Kunden"). Anders gesagt, es gibt Personen, die das eine oder das andere sind. Es hängt davon ab, was ihnen etwas bringt, soll heißen je nach den Angeboten der Woche.

Und noch ein PS: Ich weiß nicht, wie ich meinen zapatistischen Compañeros den Gruß von jemandem überbringen kann, der jener Instanz vorsteht, die den Namen Dignas beschmutzt hat und gerade dabei ist, das gleiche mit Pável zu tun. Wie mache ich das?

Kopie an die Angehörigen von Digna Ochoa y Plácido
Kopie an die Angehörigen von Noel Pável González González
Kopie an Rosario Ibarra de Piedra
Kopie an Magda Gómez
Kopie an Miguel Angel Granados Chapa
Kopie an Digna und Pável, wo auch immer sie seien mögen

 

Stellungnahme von Magda Gómez

9. Januar 2005

1. Zuerst eine Präzisierung: Meine Mitarbeit in der Kommission, die für den Vorschlag eines Sonderstaatsanwaltes im Fall Digna Ochoa eine Anhörung durchführte, erfolgte aufgrund einer persönlichen Einladung von Andrés Manuel López Obrador und der Fragwürdigkeit der der Selbstmord-Hypothese. Diese Beteiligung war öffentlich und diente dazu, dem Regierungschef (von Mexiko-Stadt, López Obrador; Anm. des Übersetzers) eine Person vorzuschlagen, die in der Folge zum/zur Sonderstaatsanwalt/-anwältin ernannt würde. Ich verstand dies immer so, dass ich damit nicht meine Meinungsfreiheit niederlegte im Bezug auf die Arbeit, welche die Anwältin Margarita Guerra als Staatsanwältin erledigen würde. Offensichtlich war es unsere Hoffnung, dass die Untersuchung tiefgehend wiederholt würde.

2. Ich stimme mit den Einwänden gegen die Schlussfolgerungen, welche die Staatsanwaltschaft von Mexiko-Stadt präsentierte, überein und drückte dies unmittelbar danach in einem am 22. Juli 2003 in La Jornada veröffentlichten Artikel aus. Davon wiederhole ich nur folgendes:

"Die von der Sonderstaatsanwaltschaft im Falle Digna Ochoa präsentierten Schlussfolgerungen drücken die Chronik eines angekündigten Selbstmordes aus. Darin sehen wir, dass die von Renato Sales (Staatsanwalt der ersten Untersuchung, Anm. des Übersetzers) durchgeführte Arbeit die Untersuchung geprägt hat. Die Ergebnisse machen nicht mehr als dies zu bestätigen: Die anfänglichen Beweise, die auf einen Mord hindeuteten, verdünnten oder lösten sich auf.
"Es gibt keinen politischen Preis, der die Opferung der Wahrheit rechtfertigt", hat Margarita Guerra gesagt. Wir können mit ihr einverstanden sein, sofern wir uns klar sind, worauf wir uns beziehen. Denn nach meiner Ansicht wurde der politische Preis auf Kosten des Opfers gezahlt. Gibt es in der Untersuchung jemanden, dem / der mehr Unrecht widerfahren ist? Ist es ethisch, ein psychiatrisches Gutachten von einer Person zu erstellen, der mensch nie in die Augen gesehen hat, sondern aufgrund einer Ansammlung von Geschichten?

Es ist schwierig zu verstehen, warum das Dienstzimmer nicht überprüft wurde, wo "Beweise" wie die der Zeitungsausschnitte gefunden wurden. Und nach der Leerung des Büros: Wie ist zu erklären, dass kürzlich eine Tüte Pulver mit der Schrift Dignas aufgetaucht ist ? Und bezüglich der anfänglichen Spuren in den Handschuhen, die sie nicht vollständig anhatte, wie am Anfang gezeigt wurde: Wie kann es sein, dass sie jetzt Spuren ihrer DNA haben ?

Die so genannten "unwiderlegbaren Tatsachen", die erst nach zwei Jahren erschienen, waren nicht ausreichend, um zu zeigen, dass sich Digna selbst umbrachte. Eine so schwache "Wahrheit" brauchte den Beweis, warum sie sich umbrachte. Dazu kam die Zurschaustellung und Beschimpfung – ohne jegliche Wiederherstellung – ihres Bildes und der Flugbahn des Geschosses , voll von Werturteilen und sogar der Analyse ihrer beruflichen Arbeit.

Aus der Lektüre des offiziell veröffentlichten Dokumentes – denn dieses Mal wurden auch die Filtrierungen gemacht – geht hervor, dass die Anmerkungen des Interamerikanischen Gerichtshof für Menschenrechte (CIDH, in seiner spanischen Abk.; Anm. des Übersetzers) nicht beachtet wurden: "Es ist ein sichtbareres Ungleichgewicht bei der Handhabung der Untersuchungsrichtungen zu beobachten. Das kann aufgrund der Entscheidung für die Schlussfolgerung des Selbstmords offensichtlich sein. Jedoch die Art und Weise, in der die Bezüge zu Guerrero und zur Armee hergestellt werden, überraschen aufgrund des kategorischen Freispruchs der erwähnten Kräfte. [...] Im Fall Digna müsste gezeigt werden, dass wir ein lebendes Bild von ihr und ihrer Arbeit behalten, von einer Verteidigerin der Menschenrechte, der durch diese verheerende Beleuchtung ihres Intimlebens ein moralischer Schaden post mortem zugefügt wurde."

3. Ich beklage, dass die Staatsanwaltschaft von Mexiko-Stadt offiziell meine Beteiligung am Vorschlag der Staatsanwältin erwähnt, ohne einen Bezug auf meine Zurückweisung jener getroffenen Schlussfolgerungen bezüglich des vermutlichen "Selbstmords" Digna Ochoas herzustellen. Dieses Verbrechen wartet noch auf Gerechtigkeit.

Magda Gómez

 

Brief der Eltern von Pável González

 

An Frau Direktorin Carmen Lira
(Herausgeberin der La Jornada)

Zunächst möchten wir Ihnen dafür danken, uns durch La Jornada - eines der passendsten Medien - die folgende Klärung und Danksagung an Subcomandante Marcos zu erlauben. Hiermit auch ein großer solidarischer Gruß an die zapatistische Sache anläßlich ihres Jahrestags als Erinnerung der Würde und des Edelmutes im Namen unseres Sohnes Pável, der zwar nicht mehr mit seinem Körper an diesem würdigen Kampf teilnehmen kann, aber doch in seinem Geiste weiter mit uns ist. Die Erinnerung an ihn gibt uns die Kraft und das Wissen weiterzumachen. Zu schweigen hieße für uns, Teil von so viel Schmach und zynischer Niedertracht zu sein und jene großartigen Menschen auf den Universitäten, die noch aufrecht stehen, im Stich zu lassen, die engagierten StudentInnen, dieses Vermächtnis der menschlichen Zukunft, welches so elend erniedrigt und geschlagen wurde .

Danke Marcos, Deine Wut und Empörung sind auch unsere. Zudem stellen wir klar, wie schon vor der Abteilung der Staatsanwaltschaft von Mexiko-Stadt, dass wir, die Eltern von Pável, die vermeintliche posthume Nachricht von Pável nicht als solche anerkennen. Wir sind keine Gutachter, um die Untersuchung und den Vergleich wissenschaftlich zu machen. Auch wenn es viele einzelne Schlüsse, Widersprüche und Unterlassungen bei dem seltsamen und unerwarteten Tod unseres Sohnes gibt, suchen wir die Wahrheit und Gerechtigkeit, keine weitere Buße mehr. Zum Beispiel: Gibt es den Widerspruch zwischen den Todeszeitpunkten von 17 bis 96 Stunden, weil das Verschwinden von Pável ohne Geld und Mittel von jenem schmerzhaften 19. April bis zum 23. sonst nicht erklärt werden kann? Warum zeigt uns die Polizei von Tlalpan (Stadtteil von Mexiko-Stadt, Anm. des Übersetzers) seinen Körper nackt und von den Haaren bis zu den Füßen mit Erde bedeckt, auf dem Rücken liegend, mit erhobenen Armen, als ob er sich verteidigt hätte, wenn er laut Zeugenaussagen am Kreuz bekleidet war? Warum gibt es keine Blutspuren an seiner Kleidung, trotz der schweren Verletzung des Schädels, die wir sehen mußten? Warum war die Leber zerrissen und sein Intimbereich verletzt? Wir bitten Sie! Allein dies hier zu schreiben tut weh, mensch muss schon sehr unmenschlich sein, um soviel Horror und Irrsinn zu ertragen. Sie sagen, Sie glauben an Gott, Herr Bátiz, bitte missbrauchen Sie nicht die menschliche Intelligenz!

Untersuchen Sie die Drohungen und Einschüchterungen sowohl gegen die Freunde von Pável, die zapatistischen Kooperative, als auch gegen unser Haus. Denn sogar wenn wir die Nummernschilder des Fahrzeugs (das uns bedrohte, Anm.d.Ü.) melden, wird das als getrennter Fall behandelt.

Fehlte nur noch, an die universitäre Leitung unseres – der Bevölkerung, die es bezahlt, gehöriges – höchsten Hauses der Studien zu erinnern, die traurigerweise vergessen hat, das universitäre Motto "Für mein Volk wird der Geist sprechen" an Praxis und soziale Verpflichtung anzupassen. Denn die Erhebung des Geistes wird mit soviel Straflosigkeit eingeengt und unser Volk so vergessen, dass die Vereinnahmung des Lebens in der UNAM durch immer kriegerische und straffreie egoistische Machtgruppen und faschistoide Gruppen erlaubt wird. Dies geschieht, ohne das Leben und die Würde der universitären Gemeinschaft zu schützen, denn seit dem Tod Pávels und der vielen Gewalt in der UNAM, wie während des Schmutzigen Krieges, gab es nicht mal eine Erklärung und noch weniger eine Untersuchung.

Danke für Ihre Aufmerksamkeit und Glückwünsche an La Jornada. Es lebe die Würde und der Mut der aufrichtigen StudentInnen und der Zapatisten.

die Eltern von Pável
Mario und Lourdes González

 

Anmerkungen des Übersetzers:

1. "Für mein Volk wird der Geist sprechen" ist das Motto der UNAM (Universidad Nacional Autónoma de México, Autonome Nationale Universität Mexikos). Auf die UNAM bezieht sich auch der Ausdruck "höchstes Haus der Studien", im Original "casa máxima de estudios", ein in Mexiko gebräuchliches Synonym für die größte lateinamerikanische Universität.
2. Schmutziger Krieg – Bezeichnung für Verfolgung von StudentInnen, Oppositionsgruppen und sich bildenden Guerillas in den 1970er Jahren in Folge der Massaker von Tlatelolco (1968) und 1971.