20. Mai 2008

Militärischer und bundespolizeilicher Einsatz in San Jerónimo Tulijá, Chilón

- Militär und Polizei dringen in indigene Gemeinde ein und greifen Bewohner an.
- Verfolgung von Zapatisten wird befürchtet.
- Militärpräsenz hält bis zum Augenblick an.

Gestern, am Montag, den 19. Mai 2008, erhielt dieses Menschenrechtszentrum eine Information der Dorfbewohner von San Jerónimo Tulija, offizieller Bezirk von Chilón und Autonomer Zapatistischer Bezirk in Rebellion Ricardo Flores Magón, in der ein militärischer Einmarsch in dieser indigenen Gemeinde denunziert wurde. Infolgedessen reisten Mitglieder dieses Zentrums noch am gleichen Tag in die Gemeinde, um die Vorgänge zu dokumentieren. Zeugenaussagen berichten:

Am 19. Mai gegen 11 Uhr vernahmen die Dorfbewohner das Geräusch eines Militärhubschraubers, der die Gemeinde überflog. Gegen 15 Uhr registrierten sie die Annäherung einer Wagenkolonne aus Fahrzeugen der mexikanischen Armee und der Bundesbehörde für Ermittlungen (AFI).
Von dieser Wagenkolonne drangen 11 Fahrzeuge verschiedener Zugehörigkeiten in die Gemeinde San Jerónimo Tulijá ein. Momente später stiegen die Angehörigen dieser Kolonne bewaffnet mit großkalibrigen Waffen aus ihren Fahrzeugen aus. Sie drangen ohne gerichtlichen Durchsuchungsbefehl in 3 Häuser ein, von denen 2 zapatistischen Unterstützungsbasen gehören, und das andere einem PRI-Militanten.

Zeugenaussagen zufolge wurden die Militärs während des militärischen Einmarsches am 19. Mai von einem Nachbarn der Gemeinde namens Narciso Morales Gutiérrez begleitet, der vermutlich einem Infanteriebataillon angehört das in Cancún stationiert ist, und für sie auf die Autoritäten des Zapatistischen Autonomen Rates und ihre Häuser deutete.

Die Militärs und Polizisten bedrohten die Personen, die sie in den Häusern und auf den Wegen antrafen. In einem der Häuser der zapatistischen Untersützungsbasen ergriff ein Bundesermittlungsagent (AFI) ein 21-jähriges Mädchen, die ein zweijähriges Kleinkind in den Armen hielt, mittels Würgegriff um den Hals (ihr Name wird auf Ersuchen der Betroffenen nicht genannt, um ihre Sicherheit zu schützen) während andere Bundesagenten ihm zuriefen: "Leg sie schon um!"

Nach dem militärischen und polizeilichen Einmarsch und nach Durchsuchung der Häuser verließ die Wagenkolonne die Gemeinde San Jerónimo Tulija gegen 18 Uhr, ohne jemanden zu verhaften.

Die Gefahr hält weiterhin an

Heute, am 20. März 2008, gegen 8 Uhr Morgens, berichteten die Frayba Angehörigen, die zum Schauplatz der Ereignisse gereist sind, dass an der Einfahrt zur Gemeinde San Jerónimo Tulijá erneut Fahrzeuge von Angehörigen des 18. Infanteriebataillons der Mexikanischen Bundesarmee, der Staatlichen Präventivpolizei (PEP) und der Bundesbehörde für Ermittlungen (AFI) positioniert waren.

Die Menschenrechtsbeobachter von Frayba dokumentierten die Präsenz von mindestens 11 Fahrzeugen: davon 3 Torton Fahrzeuge (mit jeweils mindestens 50 Elemente), 1 Kleinlaster, ein Hummer-Fahrzeug und ein Suburban Kombi, die alle der Bundesarmee angehörten, 3 Kleinlaster der PEP, 2 Kleinlaster, ein weißer und ein roter, die anscheinend der AFI gehörten. Das militärische Hummer-Fahrzeug war quer zum Eingang der Gemeinde gestellt und versperrte der Bevölkerung den Zugang. Insgesamt waren die Fahrzeuge mit ungefähr 500 Elementen der genannten Abteilungen belegt.

Als Angehörige dieses Zentrums sich zu Dokumentationszwecken näherten (um Daten aufzunehmen, zu fotografieren und zu filmen), kam ihnen ein Militärangehöriger entgegen, der sich als Hauptmann Loyola identifizierte und aus dem Hummer-Fahzeug mit dem Kennzeichen 0818141 stieg, um sie über die Gründe ihrer Anwesenheit zu befragen. Die Frayba Angehörigen antworteten, dass sie der Denuncia der Dorfbewohner von San Jerónimo Tulija über den militärischen Einmarsch und die Durchsuchung der Gemeinde nachgingen, die am Tag zuvor stattgefunden hatten. Diese Vorfälle wurden von dem Militärangehörigen jedoch abgestritten.

Auf Versuche der Zentrumsangehörigen hin ihn zu befragen, sagte Hauptmann Loyola, die polizeiliche und militärische Mobilisierung und Präsenz stellten eine "routinemäßige Erkundung" dar. Als sie jedoch versuchten, die Befragung fortzusetzen, wies er sie an, dass er keine Erklärungen abgeben würde, und entfernte sich unvermittelt.

Bevor sich die Fahrzeuge von der Einfahrt zur Gemeinde von San Jerónimo entfernten, machten die Polizisten und Militärs Bild- und Videoaufnahmen von den Personen in der Gemeinde, einschließlich den Angehörigen dieses Zentrums. Der Rückzug erfolgte jedoch nur teilweise, da sie sich lediglich 1 km weit zurückzogen, und sich zum Zeitpunkt dieses Bulletins weiterhin in der Umgebung der Gemeinde aufhalten, an einem Ort, der unter dem Namen "El Graval" bekannt ist.

Die Einwohner von San Jerónimo Tulija denunzierten den militärischen und polizeilichen Einmarsch, da es kein Motiv gibt, welches das Eindringen und die Präsenz von Angehörigen der Streitkräfte rechtfertigen würde. Sie schließen jedoch nicht aus, dass irgendein Vorwand genützt werden könnte, um die Einwohner des Autonomen Zapatistischen Bezirkes Ricardo Flores Magón anzugreifen, das zum Caracol von La Garrucha gehört.

Dieses Menschenrechtszentrum bringt hiermit seine Besorgnis über die Militärpräsenz zum Ausdruck, da die latente Gefahr neuer Aggressionen gegen die Gemeinde von San Jerónimo Tulijá besteht, und fordert die Bundes- und Staatsbehörden auf:

- die physische und emotionelle Integrität der Einwohner und der Menschenrechtsverteidiger zu jedem Zeitpunkt zu wahren;

- den sofortigen Rückzug der Armee aus dieser Gemeinde, sowohl aufgrund der Gefahr als auch der Illegalität ihrer Beteiligung an polizeilichen Angelegenheiten.

Dieses Menschenrechtszentrum wird weiterhin über die weiteren Vorfälle berichten, bis die bewaffneten Streitkräfte sich aus der Gemeinde zurückgezogen haben und die Sicherheit und die Ruhe der Bewohner von San Jerónimo Tulijá wieder hergestellt sind.

Die Bewohner von San Jerónimo ersuchen ausdrücklich um die Anwesenheit von Anhängern der Anderen Kampagne und alternativen Kommunikationsmedien, um die Vorgänge zu dokumentieren, die hier denunziert sind, und um angesichts der bestehenden Gefahr einen neuen Militäreinmarsch zu verhindern.

Das Menschenrechtszentrum Fray Bartolomé de Las Casas, AC