7. Februar 2008

Willkürliche Festnahme
und Folter zweier Tzeltal Indígenas

Das Menschenrechtszentrum Fray Bartolomé de Las Casas, A.C. in Koordination mit verschiedenen Organisationen und autonomen Autoritäten der Zona Norte von Chiapas, ist verschiedenen Denuncias von inhaftierten und belästigten Personen nachgegangen, bezüglich Handlungen und Komplizenschaft von staatlichen Polizeibehörden und Mitgliedern der Organisation für die Verteidigung der Indigenen und Campesino Rechte (OPDDIC). In dieser Hinsicht hat das Zentrum die folgenden Vorfälle dokumentiert:


Vorfälle


Am 31. Januar 2008, auf der Landstraße von Ocosingo nach Palenque, Kilometerabschnitt 94+800 auf der Strecke von Agua Azul nach Agua Clara, wurde gegen 20:00 Uhr ein versuchter Überfall auf einen Bus der Linie ADO-GL registriert, der durch das Eingreifen von Elementen der Staatlichen Straßenpolizei (Policía Estatal de Caminos - PEC) verhindert wurde.
Vor Ort und zur Stunde des Zwischenfalls wurden Sebastián Moreno Gómez und Emilio Aguilar Moreno im betrunkenen Zustand festgenommen, die Eliseo Silvano Jiménez, Eliseo Silvano Espinosa und Pablo Jiménez Silvano beschuldigt haben sollen, angeblich die Organisatoren einer Entführerbande zu sein.


Die Aussagen der Polizisten

Am 1. Februar gegen 5 Uhr morgens sichteten drei PEC-Agenten eigener Aussage zufolge zwei bewaffnete Personen, von denen sie annahmen, dass es sich um die Personen handelte, die an dem Überfall beteiligt gewesen seien.
Daher nahmen die Agenten Eliseo Silvano Espinosa und Eliseo Silvano Jiménez fest, letzterer wurde von einer Kugel in den rechten Fuß getroffen, die angeblich versehentlich abgefeuert wurde, als er versucht haben soll, sich der Verhaftung zu widersetzen.
Laut dem offiziellen Bericht der PEC, der der Staatsanwaltschaft vorgelegt wurde, sollen die festgenommenen Personen ein volles Geständnis darüber abgelegt haben an dem Überfall beteiligt gewesen zu sein, einer Verbrecherbande anzugehören und in der Region seit einem Jahr operiert zu haben.


Die Aussage der Festgenommenen

Nach Aussage der Tzeltal Indígenas Eliseo Silvano Jiménez und Eliseo Silvano Espinosa, Vater und Sohn, waren sie am 1. Februar gegen 8 Uhr morgens mit einem Motorrad auf dem Weg in die Gemeinde Betel Yochib, als sie knapp 200 Meter davor von 6 Polizisten abgefangen und festgenommen wurden, die ihnen in einem roten Wagen Marke Tsuru ohne Autokennzeichen gefolgt waren.

Die Verhafteten berichten, von den PEC Agenten gewaltsam überwältigt worden zu sein, wobei ihnen mit einem Pistolengriff Schläge auf den Kopf verabreicht und auf die Füße von Eliseo Jiménez geschossen wurde, der davon an einem Zeh getroffen wurde. Eliseo Espinosa seinerseits konnte zwei weiteren Schüssen ausweichen.
Unmittelbar darauf trafen zwei weitere PEC-Streifenwagen mit etwa 7 Elementen ein, die die zwei Gefangenen an den Haaren auf den Lieferwagen zerrten und ihnen dabei gelegentlich ins Gesicht schlugen, wobei ihre Hände bereits gefesselt waren. Die Schläge am ganzen Körper hielten während der ganzen Fahrt an und gingen im Hauptquartier weiter, währenddessen man sie bedrohte und von ihnen verlangte zu sagen, wer ihre Freunde seien und wie viele Lastwagen sie überfallen hätten. Dabei fiel auch der Satz "Wollen wir so vorgehen wie geplant?"
Danach wurden sie von einem Übersetzer der Polizei namens Juan Moreno Girón verhört wurden, der sie aufforderte, die Anklagen, die gegen sie erhoben wurden, zu gestehen, oder man würde sie töten.


Folter

Die Aggressionen wurden durch andere Polizeielemente weitergeführt, die sie mit Tränengas besprühten, ihnen das Hemd übers Gesicht zog, ihnen zwei Plastiktüten überstülpten, die Mund, Nase und Kehle zudrückten. Diese Aktion erfolgte wiederholt, wobei ihnen versichert wurde, dass sie so lange fortgeführt werden würde, bis sie zugaben ,die Angreifer zu sein. Als Eliseo Jiménez am Boden liegen blieb, wurde er mit einer kochenden Flüssigkeit übergossen, während die anderen anwesenden Polizisten neben ihn traten um ihn weiterhin mit Tritten einzudecken.
Stunden später wurden sie fotografiert, wobei den Gefangenen jeweils ein Gewehr und eine Pistole in die Hände gelegt wurden, die den Agenten selbst gehörten. Dabei wurden sie bedroht: "Wir werden diese zapatistischen Hurensöhne umlegen; stimmt doch, dass es Zapatisten sind? Die machen sich doch sicher in die Hosen vor Angst, dass wir sie töten werden."

Gegen 18 Uhr nachmittags wurden beide zur Staatsanwaltschaft der Selva Zone gebracht, wo sie gezwungen wurden, ein falsches Geständnis zu unterzeichnen, ohne ihnen zu erlauben die Übersetzung des Dokuments einzusehen, in dem sie zugaben, an dem Überfall beteiligt gewesen zu sein, einer Verbrecherbande anzugehören und in der Region bereits seit einem Jahr tätig gewesen zu sein. Später wurde Eliseo Jiménez aufgrund seines ernsten Zustands ins Krankenhaus gebracht und Eliseo Espinosa ins Gefängnis gesteckt.


Fabrizierung von Delikten

1. - Die Anklagen gegen die Verhafteten lauten auf vorsätzlichen Überfall, kriminelle Vereinigung und unerlaubter Waffenbesitz. Don Eliseo und sein Sohn weisen klare Spuren physischer und psychologischer Folter auf, die auch von den Ärzten der Organisation Kommunitäre Gesundheitsversorgung und Entwicklung (SADEC) dokumentiert wurden. Don Eliseo Jiménez senior hat vielfache Prellungen und Blutergüsse am ganzen Körper davongetragen, eine Verbrennung am unteren Rücken, sowie eine Schussverletzung im rechten Fuß, deren Eintrittswinkel auf einen absichtlich abgefeuerten Schuss hinweist.

2. In dem offiziellen Geständnis wird die Uhrzeit an der die besagten Ermittlungen am 1. Februar stattgefunden haben sollen nicht näher spezifiziert. Mitglieder des Menschenrechtskomitees Fray Pedro Lorenzo de la Nada und des Zentrums für Politische Analyse und Soziale und Wirtschaftliche Forschung A.C. (CAPISE), die in der Nacht von Freitag, den 1. Februar und am Samstag, den 2. Februar das Krankenhaus besucht haben, in dem sich Eliseo Silvano Jiménez befand, berichteten hingegen, dass Eliseo Jiménez durch die Schläge, die ihm von Elementen der Staatspolizei verabreicht wurden so schwer verletzt war, dass er nicht fähig war zu sprechen. Diese Tatsache widerspricht der Behauptung, der zufolge die Gefangenen das besagte Geständnis abgelegt haben sollen.

3. - In der gleichen Akte wird behauptet, dass der Fahrer des ADO-GL-Fahrzeugs die Verhafteten als Schuldige identifiziert haben soll. Dies ist jedoch damit unvereinbar, dass der Fahrer am 31. Januar seine Fahrt fortsetzten musste und die angebliche Aussage am 1. Februar aufgenommen worden sein soll. Darüber hinaus stimmt die Unterschrift des Fahrers, die bei der Gegenüberstellung abgegeben wurde, nicht mit der in seinem Wählerausweis überein. Desgleichen bestätigen die Gefangenen, niemals für eine Identifizierung gegenübergestellt worden zu sein.

4. -Die Verhafteten sagen aus, dass sie gefoltert und zur Unterzeichnung des offiziellen Geständnisses gezwungen worden sind.
Desgleichen bestätigten die zwei Personen, die am Schauplatz festgenommen wurden, Sebastián Moreno Gómez und Emilio Aguilar Moreno, ebenfalls gefoltert und gezwungen worden zu sein, die Aussage zu unterzeichnen, mit der Eliseo Jiménez und Eliseo Espinosa belastet wurden.

5. Familienangehörige und Nachbarn sagen übereinstimmend aus, dass sowohl Eliseo Jiménez als auch Eliseo Espinosa sich gegen 20 Uhr, zur Zeit des Überfalls, an dem sie angeblich beteiligt gewesen sein sollen, zu Hause befanden.

6. - Dass die Verhaftung von Polizisten vorgenommen wurde, die in einem Wagen Marke Tsuru fuhren, und nicht in einem Lieferwagen, der die Landstrasse patrouillierte, kann vom Landwirtschaftsbeauftragten des offiziellen Bezirkes bezeugt werden, der bei der Festnahme anwesend war und als Gemeindeautorität intervenieren wollte, jedoch von den Polizisten bedrängt und bedroht wurde.

7. -- In der Nacht vom 1. Februar, dem Tag, an dem die Festnahme erfolgte, nahmen Elemente der Straßenpolizei an einem Treffen in der Gemeinde von Betel Yochib mit Personen teil, die den zapatistischen Unterstützungsbasen feindlich gesonnen sind. Dies wird auch durch die bereits zuvor dokumentierte Beziehung des Kommandanten Esteban Jiménez López, Bruder von Elías Jiménez López, Anführer der Organisation für die Verteidigung der Indigenen und Campesino Rechte (OPDDIC) in der Gemeinde, bestätigt. Diese Tatsachen wurden bereits am 2. Februar vom Rat der Guten Regierung (JBG) "Herz des Regenbogens der Hoffnung", Caracol 4 "Wirbelwind unserer Worte" öffentlich bekannt gegeben.

8. -- Es ist kein Zufall, dass auch Pablo Jiménez Silvano beschuldigt wird, der am 29. Dezember 2007 von einem Mitglied der OPDDIC angeschossen wurde. Diese Tatsache wurde vom der bereits genannten JBG am 29. Dezember 2007 öffentlich bekannt gegeben.

9. -- In verschiedenen Momenten und Räumen ist denunziert worden, dass die OPDDIC sich in dieser Zone durch Drohungen, Feindseligkeiten, der Fabrikation von Delikten und der Schürung von Aggressionen auszeichnet, die bis in verschiedene Regionen hin reichen. Um das Gebiet und insbesondere die Profite aus dem Ökotourismus zu kontrollieren, operieren sie mit Straflosigkeit und in Zusammenarbeit mit Mitgliedern der Staatlichen Straßenpolizei und der Staatlichen Präventivpolizei. Wie dokumentiert wurde, sind derzeit mehrere Personen unschuldig in Haft, aufgrund fabrizierter Delikte, in denen sie von OPDDIC Mitgliedern beschuldigt werden, Angriffe oder Raubüberfälle verübt zu haben.


Angesichts solcher Vorkommnisse fordert dieses Zentrum von den zuständigen Behörden:

- Von weiteren Verletzungen der individuellen Rechte abzusehen, in diesem Fall, gegen Eliseo Silvano Jiménez und Eliseo Silvano Espinosa, sowie von Pablo Jiménez Silvano, dessen Integrität und Würde durch die verübten Handlungen bereits verletzt worden sind.

- Die sofortige Freilassung von Eliseo Silvano Jiménez und Eliseo Silvano Espinosa, da die Delikte, die ihnen vorgeworfen werden fabriziert worden sind, was auch durch die Unregelmäßigkeiten der vorhergehenden Untersuchung deutlich wird. [HINWEIS: Die Freilassung ist auf Druck der chiapanekischen Menschenrechtsorganisationen und der CCIODH inzwischen erfolgt.]

- Die Bestrafung der Mitglieder der Staatlichen Straßenpolizei (PEC) und der Personen, die für die Fabrizierung der Delikte verantwortlich sind.

- Die Beziehungen der staatlichen Polizei zu Mitgliedern der Organisation für die Verteidigung der Indigenen und Campesinorechte (OPDDIC) zu untersuchen, die diese unterhalten, um unter Straflosigkeit die Einwohner der Region zu bedrängen und anzugreifen.

- Über die Gründe der neulich erfolgten Freilassung von Pedro Chulin Jiménez zu informieren, der Begründer und Anführer der OPDDIC, der sich in der Strafanstalt von El Amate befand.

Wir rufen die nationale und internationale Zivilgesellschaft dringend auf, sich zu Wort zu melden, um zu verhindern dass weiterhin diese Menschenrechtsverletzungen verübt werden. In den ersten Stunden am Freitag, den 8. Februar wird der zuständige Richter den Urteil darüber fällen, ob die Verhafteten freigelassen werden oder Gefangene bleiben, denen ein Delikt vorgeworfen wird, an dem sie nicht beteiligt waren, und mit klaren politischen Interessen.


Richten Sie Ihre Protestschreiben an:

Lic. Juan José Sabines Guerrero
Gobernador Constitucional del Estado de Chiapas
Palacio de Gobierno del Estado de Chiapas
Av. Central y Primera Oriente, Colonia Centro, C.P. 29009
Tuxtla Gutiérrez , Chiapas , México
secparticular@chiapas.gob.mx
Fax: +52 961 61 88088, + 52 961 6188056

Juez del Ramo Penal de Playas de Catazajá , Chiapas
Colonia Tomas Garrido Canaval, CP 29980
Playas de Catazajá , Chiapas , México
Tel.: +52 916 3660033

Lic. Amador Rodríguez Lozano
Ministro de Justicia del Estado de Chiapas
Libramiento Norte s/n, tercer nivel, Colonia Infonavit, El Rosario,, CP
30064
Tuxtla Gutiérrez , Chiapas , México
Fax: + 52 961 61 657 24


Kopien bitte senden an:

Centro de Derechos Humanos Fray Bartolomé de las Casas A.C.
Calle Brasil No. 14 Barrio Mexicanos, CP. 29240, San Cristóbal de las
Casas, Chiapas, México
TELEFAX: +52 (967) 678 35 51
Email: medios@frayba.org.mx