Pressemitteilung der Indianischen Organisationen
für die Menschenrechte in Oaxaca

"Das Volk hat die Unterdrückung satt!"


An die indianischen Völker
an die Anhänger der "anderen Kampagne"
an die Volksbewegungen im In- und Ausland
an die Organisationen zur Verteidigung der Menschenrechte
an die Öffentlichkeit


"Das Volk hat die Unterdrückung satt, es erträgt die Tyrannei nicht mehr. Das Volk will Freiheit und man bereitet vor, diese im gesetzlichen Rahmen voranzubringen. Innerhalb der Ordnung will das Volk seine Rechte ausüben. Aber dieses edle Bestreben wird nicht verstanden"

"Die Diktatur erzitterte bei der ersten Ankündigung des Zornes des Volkes und hat verfügt, feige Rache zu üben, die ihr einen so traurigen Ruhm eingetragen hat."

Ricardo Flores Magón


Wir rufen dringend dazu auf, sich mit der gewerkschaftlich-sozialen Bewegung in Oaxaca zu solidarisieren und möchten folgendes mitteilen:

Die Worte des großen Oaxakeniers Ricardo Flores Magón, die sich gegen die Diktatur von Porfirio Díaz richteten, der ebenfalls aus Oaxaca stammte, treffen täglich mehr und mehr auf die Erben des erbarmungslosen Autoritarismus zu, die unseren Staat unter der Führerschaft von Ulises Ruiz Ortiz und seinem zu trauriger Berühmtheit gelangten Generalsekretär Jorge Franco alias "el Chuky" gegenwärtig schlecht regieren. Die Öffentlichkeit weiß, dass sie nur zwei Dinge vorangetrieben haben, seit sie durch Wahlbetrug an die Macht kamen: Erstens Stimmen für den nationalen Präsidentschaftskandidat der PRI zu kaufen und zu manipulieren. Zweitens die Grundrechte außer Kraft zu setzen und die populären Organisationen in unserem Staat anzugreifen und zu demontieren.

Sie begannen mit einem Angriff gegen indigene Organisationen und Gemeinden. Sie unterdrückten, schlugen, sperrten ein, diffamierten und bedrohten systematisch jeden indigenen Repräsentanten, auf den sie dabei stießen, der sich mit ihnen nicht einverstanden zeigte und sich nicht kaufen ließ. Danach wendeten sie sich mit allem, was zur Verfügung stand, gegen die unabhängige Presse. Jetzt richtet sich diese faschistische Strategie gegen die populäre Bewegung, d.h. das Volk und damit gegen die größte und schlagkräftigste Bewegung in unserem Bundesstaat und darüber hinaus: die demokratische Lehrerschaft Oaxacas. Zu Beginn versuchten sie es mit einer Taktik des Kaufens und Verkaufens (die einzige, die sie als Unternehmer wirklich kennen). Dann setzten sie auf innere Spaltung, was ihnen nicht so gelang, wie sie es erhofften. Darauf folgten direkte Einschüchterungen und eine mediale Kampagne der Diffamierung gegen die Sektion 22 der CNTE (Coordinadora Nacional de Trabajadores en la Educacion; demokratische oppositionelle Lehrergewerkschaft, in Oaxaca oft synonym bezeichnet als "Sektion 22", d.Ü.).

Es wird gesagt, die Lehrer "kämpfen für Geld" und wenn man die miserablen Gehälter der Lehrerschaft in Oaxaca in Betracht zieht, haben sie damit vollkommen Recht. Was man nicht erwähnt ist, dass dieser Kampf sich gegen die gewalttätige Zerstörung der öffentlichen Bildung richtet, die seitens der neoliberalen Regierenden angestrebt wir, ebenso wie gegen die Reformen zur Privatisierung. Was man ebenfalls nicht sagt ist, dass die einzige Antwort, die seit Monaten sowohl vom Bundesstaatlichen Institut für öffentliche Bildung in Oaxaca (IEEPO) wie auch von allen Einrichtungen, die der bundesstaatlichen Regierung unterstehen, uns wir Lehrern, Bauern und Arbeitern in Bezug auf unsere gerechten Forderungen gegeben wurde, folgende war: "Es gibt kein Geld, und wenn euch etwas nicht gefällt, dann schicken wir euch die Polizei." Sogar die Funktionäre sagen dies mit zynischem Lächeln, weil wir alle wissen, dass dieses Geld zur Finanzierung der Kampagne der PRIisten Madrazo verwendet wurde (Präsidentschaftskandidat der Partei der Institutionalisierten Revolution, die in Oaxaca regiert, d.Ü.). Deshalb wollen sie jeden Zeugen ihrer Schandtaten von der Landkarte ausradieren.

All das hat ihnen aber nichts genützt, im Gegenteil. Sie haben damit die Einheit von Dutzenden indigener und populärer Organisationen und Allianzen sowie von gewerkschaftlichen Fronten vorangetrieben, die wir nun gemeinsam mit dem Lehrerschaft Oaxacas diese große Bewegung des zivilen Widerstands gegen die Regierung gebildet haben. Diese Regierung ist unfähig, einen Dialog zu führen, unfähig, die Forderungen des Volkes zu hören, unfähig die Probleme des Bundesstaates zu lösen, und die uns Bürger, die wir unsere Rechte ausüben, behandelt wie die historischen Bäume auf den öffentlichen Plätzen: wir sollen mit schwerer Maschinerie dem Erdboden gleich gemacht werden (Anspielung an die umstrittenen Umbaumaßnahmen im historischen Zentrum von Oaxaca-Stadt, d.Ü.).

Nach 2 Wochen Platzbesetzung ohne zeitliche Befristung durch zehntausende Mitglieder der gewerkschaftlich-populären Bewegung in Oaxaca, nach Demonstrationsmärschen wie vergangenen Freitag (2. Juni 2006, d.Ü.), an dem mehr als 90.000 Personen teilnahmen, antwortet die Regierung mit unverschämten Drohungen des Gouverneurs gegen die Bewegung des Volkes: Jenseits davon, dass sie versuchen, unser Dörfer unter Mithilfe von Bürgermeistern, die der PRI angehören und durch vermeintliche Eltern zu spalten (als ob wir keine währen), jenseits davon, dass Millionen von Pesos für TV-Spots ausgegeben werden, die sich gegen die Lehrerschaft richten, jenseits davon, dass sie den oaxakenischen Kongress benutzen, schaffen sie Polizeieinheiten für spezielle Operationen (UPOE) nach Oaxaca-Stadt und fordern ein Eingreifen der Präventiven Bundespolizei (PFP), um Tausende von Demonstranten gewalttätig zu vertreiben.
Die Bundesregierung und der Senat stehen da nicht hinten an und vereinen ihre antidemokratischen Kräfte, um die Bewegung zu kriminalisieren. Sie sagen, die Lehrer erfüllen nicht ihre Verpflichtung, zu unterrichten. Wir sagen, dass sie das wohl tun: Denn sie können ihre Pflichten in den Schulen gar nicht nachkommen, weil es dort keine Kreide, keine Tafeln, kein Papier, keine angemessenen Klassenzimmer, keine ausreichende Ernährung für die Kinder gibt, keine Freiheit, keine Demokratie, keine Gerechtigkeit, keine kostenlose Bildung "und manchmal gibt es dort nicht einmal mehr Kinder, weil sie angesichts einer Armut, die zum verzweifeln ist, in den Norden oder auf die andere Seite (in die USA, d.Ü.) gehen müssen.

Wegen all dem müssen die Lehrer und Lehrerinnen ihrer Aufgabe in den Straßen dieser Landeshauptstadt nachkommen: Es ist die Pflicht, den zukünftigen Bürgern und der Regierung zu zeigen, dass man das Volk so nicht behandeln kann und ein Staat nicht auf die Art Madrazos regiert werden kann (unübersetzbares Wortspiel, d.Ü.). Aber die Regierung versteht das nicht. Wir sagen ja nicht einmal, dass sie nichts von Magón lernen, aber sie lernen nicht einmal von Machiavelli: "Erniedrige deine Untergebenen nicht zu viel, weil du sonst die Macht verlieren wirst." Denn die neuen "Prinzen" Oaxacas kennen nur Untergebene, sie kennen keine Bürger. Aber sie täuschen sich ein weiteres Mal: Jeden Tag organisieren sich mehr und mehr Bürger und Bürgerinnen. Wir sind auf der Straße, um unserer Zurückweisung der repressiven Regierung Ausdruck zu verleihen. Wir oakakenische Organisationen werden die legitimen Rechte des Volkes weiterhin verteidigen. Wir werden keine Aggression gegen die gewerkschaftlich-populäre Bewegung zulassen. Wir rufen alle Organisationen und Personen dringend auf, die oaxakenische Bewegung mit allen erdenklichen Mitteln zu unterstützen. Schickt Protestbriefe an die Regierung von Olises Ruiz Ortiz und an die mexikanische Bundesregierung.

Stoppt die Unterdrückung der sozialen Bewegungen!
Freiheit für die politischen Gefangenen!
Wiederherstellung der Grundrechte!

Es reicht mit der Repression und Misere in den indianischen Dörfern!
Es werden nicht die mächtigsten gewinnen, sondern jene, die sich am besten organisieren!


OIDHO
ORGANIZACIONES INDIAS POR LOS DERECHOS HUMANOS EN OAXACA

Capulines #4B Prolongación Buenavista Col. Forestal Santa María Atzompa
Oaxaca, México C.P. 71 220 tel.: 951 54 91916
e-mail: oidho@yahoo.com.mx