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99 % gegen Freihandelsabkommen
Ergebnis der Consulta
In Lateinamerika erinnert der 12. Oktober an die erste Landnahme von Christoph
Kolumbus, die 1492 Ausbeutung und Genozid durch die europäischen
Kolonialisten einleitete.
Im südmexikanischen Bundesstaat Chiapas nahmen verschiedene soziale
Organisationen den Tag zum Anlaß, um die Ergebnisse ihrer Basisbefragung
über neoliberale Projekte der Regierung vorzustellen.
Demnach sprachen sich je über 99 Prozent der Befragten gegen die
Fortführung des Nordamerikanischen Freihandelsabkommens NAFTA zwischen
USA, Kanada und Mexiko und gegen die Durchführung des so genannten
Modernisierungsprojektes "Plan Puebla Panama" aus. Auch die
für 2005 unter Federführung der USA angestrebte gesamtamerikanische
Freihandelszone (ALCA), der Kernpunkt der Umfrage, stieß mit 99,3
Prozent auf nahezu einhellige Ablehnung.
Das NAFTA-Abkommen hat nach Ansicht der Organisationen
seit seiner Implementierung Anfang 1994 hinreichend belegt, daß
der US-dominierte "Freihandel" zur Verschärfung der sozialen
Gegensätze, zur weiteren Zurückdrängung demokratischer
Mechanismen, zur Zunahme der Privatisierung und zur Zerstörung ländlicher
Lebens- und Wirtschaftsformen geführt.
Neun Jahre NAFTA bedeuten für die Mehrheit der Bevölkerung eine
Verschlechterung. Zunehmend werden auch Sektoren wie Bildung, Gesundheit,
Energie und Wasser zum Ziel der neoliberalen Privatisierungspolitik.
Die sozialen Organisationen wählten bewußt
das Mittel der "consulta". Solche Befragungen waren in den
vergangenen Jahren von der Zapatistischen Befreiungsarmee (EZLN) mehrfach
zur Mobilisierung genutzt worden. Die Absicht ist vor allem, den Menschen,
die von aufgezwungenen Regierungsplänen betroffen sind, die Möglichkeit
zur Information und Artikulation zu geben und Prozesse der Selbstorganisation
voranzutreiben.
In Anbetracht der Tatsache, daß die jüngste Befragung von Basis-
und Nichtregierungsorganisationen durchgeführt wurde, die sich im
"chiapanekischen Treffen gegen Neoliberalismus" zusammengeschlossen
haben, sind die Ergebnisse beachtlich: In 49 der über 110 Landkreise
von Chiapas wurden über 100.000 Personen befragt.
Dem politischen Charakter gemäß fand im Kontext
der Präsentation eine Demonstration in San Cristóbal de Las
Casas statt, die von einer Billiglohnfabrik ins Zentrum der kolonialen
Kleinstadt zog. In diesen "Maquiladora" Fabriken, die für
den Weltmarkt produzieren und dabei mit Einverständnis der Regierungen
Umwelt-, Arbeits- und Menschenrechte mißachten, arbeiten überwiegend
junge Frauen, darunter viele, die mangels Perspektive aus ländlichen
Regionen weggehen mußten.
Die Rednerinnen und Redner, die in weiten Teilen zur "Zivilgesellschaft
im Widerstand" gehörten und die politischen Forderungen der
EZLN vertraten, übten scharfe Kritik an den Regierungen auf bundesstaatlicher
und nationaler Ebene. Fast zehn Jahre nach dem historischen Aufstand der
EZLN-Guerilla am 1. Januar 1994 forderten die Demonstranten eine völlige
Abkehr von der neoliberalen Politik, die Mensch und Natur ausbeutet.
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